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Kohlenhydrate und Gesundheit

Im Dokument ERNAHRUNG HEUTE UND MORGEN (Seite 41-47)

Zucker hat also über verschiedene Mechanismen einen erheblichen Einfluss auf unseren Stoff-ffff wechsel. Ein hoher Zuckerkonsum, wie wir ihn heute oft haben, wird in Zusammenhang mit vielen Stoffwechselproblemen und chronischen Krankheiten gebracht. Dazu zählen vor allem Übergewicht, Fettleber und Diabetes, aber auch erhöhte Blutfettwerte und Herz-Kreislauf-Er-krankungen sowie vorzeitige Alterung.

Im Zusammenhang mit Zucker ist auch oft von Insulinresistenz die Rede. Doch was ist da-mit eigentlich genau gemeint? Dadurch, dass unsere heutige Ernährung einen hohen Anteil an leicht verdaulichen Kohlenhydraten hat, muss unsere Bauchspeicheldrüse fortwährend In-sulin produzieren, um den Zucker abzutransportieren und den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Irgendwann sind die Rezeptoren der Körperzellen, an die das Insulin andocken will, überlastet. Wenn wir uns Insulin, wie beschrieben, als eine Art Schlüssel vorstellen, so be-deutet das: Das „Schloss“ ist irgendwann defekt. Der Zucker kann nicht mehr in die Zellen gelangen. Dann spricht man von einer Insulinresistenz. Die Folge: Immer mehr Zucker be-findet sich im Blut. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf, indem sie die Insulinproduktion ankurbelt, um das Mehr an Zucker zu absorbieren. Doch das Insulin kann nicht an die insu-linresistent gewordenen Rezeptoren der Zellen andocken. Besteht dieser Zustand dauerhaft, ist die Bauchspeicheldrüse irgendwann erschöpft und produziert immer weniger Insulin. Ein Typ-2-Diabetes hat sich entwickelt.

Viele wissen nicht, dass ein hoher Zuckerkonsum nicht nur zu der klassischen „Zucker-krankheit“ führen kann, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.

Wir haben bereits beschrieben, dass der Körper zu viel Zucker in Blutfette umwandelt. Er-höhte Blutfette sind einer der Hauptrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen.53Sie können sich an den Wänden der Blutgefäße ablagern und diese verstopfen. Damit führen nicht nur ungesunde Fette aus der Nahrung, sondern auch ein Zuviel an Kohlenhydraten zu Arterienverstopfung und in der Folge zu Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt.

Durch übermäßigen Zuckerkonsum können sich mehrere Risikofaktoren für schwere Krankheiten gleichzeitig entwickeln, so zum Beispiel beim metabolischen Syndrom.54 Es um-fasst das gemeinsame Auftreten von Übergewicht, kombiniert mit erhöhten Blutzucker-, Blut-fett- und Blutdruckwerten. Das Syndrom wird auch als „tödliches Quartett“ bezeichnet, weil es das Risiko für Herzerkrankungen, Schlaganfall und Diabetes signifikant erhöht.

Außerdem trägt Zucker zur vorschnellen Alterung bei. Prof. Cynthia Kenyon von der Uni-versity of California gehört zu den einflussreichsten Altersforschern. Bei Experimenten mit Würmern (caenorhabditis elegans) hat sie bereits vor zehn Jahren gezeigt, dass Zuckerkonsum Alterungsprozesse beschleunigt.55 Das Leben der Würmer verkürzte sich nach der Aufnah-me von Zucker um erstaunliche 20 Prozent. Der lebensverkürzende Effekt hängt mit dem

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Wenn Fruktose Beschwerden macht

Viele Menschen berichten, dass sie Fruktose nicht vertragen. Vermutlich ist einer von drei Er-wachsenen betroffen; bei Kleinkindern sollen es sogar zwei von dreien sein.52 Die Menge der Transporteiweiße (GLUT-5) für Fruktose ist begrenzt, sodass jeder Mensch nur eine bestimm-te Menge an Fruchtzucker verträgt. Die Kapazitätsgrenze ist individuell sehr unbestimm-terschiedlich.

Können Menschen nur sehr wenig Fruktose aufnehmen, spricht man von einer Fruktoseinto-leranz (auch Fruktose-Malabsorption oder intestinale FruktoseintoFruktoseinto-leranz).

Menschen mit einer  Fruktose-Malabsorption können Fruchtzucker nicht richtig im Dünn-darm aufnehmen. So gelangt er in den DickDünn-darm, wo er von Bakterien zersetzt wird. Die da-bei entstehenden Gase verursachen Beschwerden wie Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen und Verstopfung, aber auch unspezifische Symptome wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Es gibt zudem eine angeborene Form der Fruktoseintoleranz (hereditäre Fruktoseintoleranz), die aber selten ist. Dabei handelt es sich um eine Enzymstörung. Schon kleinste Mengen Fruktose können dann für den Betroffenen bereits gefährlich werden.

Die Symptome der Fruktose-Malabsorption treten meist 30 bis 90 Minuten nach dem Verzehr von fruktosehaltigen Lebensmitteln auf. Die Therapie besteht vor allem in einer

1 AUFNAHME Im Dünndarm werden die Kohlenhydrate in ihre Grundbausteine zerlegt. 2 TRANSPORT Ein Transportmolekül (GLUT-5) dockt an Fruktose an und transportiert sie in die Blutbahn. 3 SPEICHE-RUNG Überschüssige Fruktose wird in der Leber in Fett umgewandelt.

Aufnahme, Transport und Speicherung von Fruktose

Ernährungsumstellung. Betroffene müssen meist nicht völlig auf Obst verzichten, kleine Men-gen werden normalerweise vertraMen-gen. Vielen Betroffenen geht es dann schnell besser. Getestet wird auf Fruktose-Malabsorption mit einem speziellen Wasserstoff-Atemtest (H2-Atemtest).

Kohlenhydrate und Gesundheit

Zucker hat also über verschiedene Mechanismen einen erheblichen Einfluss auf unseren Stoff-ffff wechsel. Ein hoher Zuckerkonsum, wie wir ihn heute oft haben, wird in Zusammenhang mit vielen Stoffwechselproblemen und chronischen Krankheiten gebracht. Dazu zählen vor allem Übergewicht, Fettleber und Diabetes, aber auch erhöhte Blutfettwerte und Herz-Kreislauf-Er-krankungen sowie vorzeitige Alterung.

Im Zusammenhang mit Zucker ist auch oft von Insulinresistenz die Rede. Doch was ist da-mit eigentlich genau gemeint? Dadurch, dass unsere heutige Ernährung einen hohen Anteil an leicht verdaulichen Kohlenhydraten hat, muss unsere Bauchspeicheldrüse fortwährend In-sulin produzieren, um den Zucker abzutransportieren und den Blutzuckerspiegel konstant zu halten. Irgendwann sind die Rezeptoren der Körperzellen, an die das Insulin andocken will, überlastet. Wenn wir uns Insulin, wie beschrieben, als eine Art Schlüssel vorstellen, so be-deutet das: Das „Schloss“ ist irgendwann defekt. Der Zucker kann nicht mehr in die Zellen gelangen. Dann spricht man von einer Insulinresistenz. Die Folge: Immer mehr Zucker be-findet sich im Blut. Die Bauchspeicheldrüse reagiert darauf, indem sie die Insulinproduktion ankurbelt, um das Mehr an Zucker zu absorbieren. Doch das Insulin kann nicht an die insu-linresistent gewordenen Rezeptoren der Zellen andocken. Besteht dieser Zustand dauerhaft, ist die Bauchspeicheldrüse irgendwann erschöpft und produziert immer weniger Insulin. Ein Typ-2-Diabetes hat sich entwickelt.

Viele wissen nicht, dass ein hoher Zuckerkonsum nicht nur zu der klassischen „Zucker-krankheit“ führen kann, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.

Wir haben bereits beschrieben, dass der Körper zu viel Zucker in Blutfette umwandelt. Er-höhte Blutfette sind einer der Hauptrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen.53Sie können sich an den Wänden der Blutgefäße ablagern und diese verstopfen. Damit führen nicht nur ungesunde Fette aus der Nahrung, sondern auch ein Zuviel an Kohlenhydraten zu Arterienverstopfung und in der Folge zu Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt.

Durch übermäßigen Zuckerkonsum können sich mehrere Risikofaktoren für schwere Krankheiten gleichzeitig entwickeln, so zum Beispiel beim metabolischen Syndrom.54 Es um-fasst das gemeinsame Auftreten von Übergewicht, kombiniert mit erhöhten Blutzucker-, Blut-fett- und Blutdruckwerten. Das Syndrom wird auch als „tödliches Quartett“ bezeichnet, weil es das Risiko für Herzerkrankungen, Schlaganfall und Diabetes signifikant erhöht.

Außerdem trägt Zucker zur vorschnellen Alterung bei. Prof. Cynthia Kenyon von der Uni-versity of California gehört zu den einflussreichsten Altersforschern. Bei Experimenten mit Würmern (caenorhabditis elegans) hat sie bereits vor zehn Jahren gezeigt, dass Zuckerkonsum Alterungsprozesse beschleunigt.55 Das Leben der Würmer verkürzte sich nach der Aufnah-me von Zucker um erstaunliche 20 Prozent. Der lebensverkürzende Effekt hängt mit dem

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Zuckerstoffwechsel zusammen, der Einfluss hat auf Gene und Hormone, vor allem aber auf den Insulin- und IGF-1-Stoffwechsel (► Seite 68). Prof. Kenyon berichtet, dass sie nach die-ser Entdeckung ihre Essgewohnheiten geändert habe: „Ich verzichte seitdem meistens auf den Nachtisch.“56 Sehenswert ist in diesem Zusammenhang auch ihr TED Talk „Experimente, welche auf längeres Leben hinweisen“.

Durch rechtzeitige Reduktion des Zuckerkonsums kann die Entwicklung von Insulinresis-tenz, Adipositas, Fettleber und Diabetes verhindert, ja sogar in einem frühen Stadium meist auch wieder vollständig rückgängig gemacht werden. Die Ergebnisse des Diabetes Remission Clinical Trial (DiRECT) zeigen zum Beispiel, dass eine Ernährungsumstellung zu Gewichtsab-nahme und einer Heilung von Diabetes Typ 2 führen können.57 Diese Ergebnisse machen Mut und bestätigen eindrucksvoll, was durch eine geänderte Ernährungsweise alles erreichbar ist.

Wenn Sie selbst zu den Betroffenen zählen, finden Sie in dem Buch „Die Ernährungs-Docs – Diabe-tes heilen: Wie Sie mit der richtigen Ernährung DiabeDiabe-tes Typ 2 heilen und Typ 1 verbessern können“

zahlreiche Rezepte, die Ihnen den Weg in die Ernährungsumstellung erleichtern.

Die Qualität der Kohlenhydrate ist entscheidend

Kohlenhydrate können also viel Schlimmes anrichten, aber machen sie wirklich per se krank?

Schließlich stellen sie bei den meisten Menschen den größten Teil ihrer Ernährung dar. Auch die besonders gesund alt werdenden Menschen auf der japanischen Insel Okinawa ernähren sich primär von Kohlenhydraten und auch die sehr herzgesunden Tsimane essen eine „high-carb diet“ (► Seite 32). Wie lässt sich das erklären? Sind Kohlenhydrate nun gesund oder un-gesund? Auch wenn die Diskussion darum wahrscheinlich nie ein Ende haben wird, steht eine Sache fest: Es geht vor allem um die Qualität der Kohlenhydrate.

Unterzucker (Hunger) schneller

Blutzucker-anstieg

langsamer Blutzuckeranstieg

Blutzucker Blutzucker

Zeit Zeit

hohe Insulinausschüttung geringere Insulinausschüttung

Stärke Traubenzucker (Glukose)

Fruchtzucker (Fruktose) Haushaltszucker

Ballaststoffe Darm

Schnelle und langsame Zucker

Kohlenhydrate haben eine unterschiedliche Blutzuckerwirkung. Lebensmittel, die auch viele Ballaststoffe enthalten, zum Beispiel Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte, lassen den Blutzuckerspiegel langsamer an-steigen als „schnelle“ Zucker aus Limonade und Weißmehlprodukten.

GLYKÄMISCHER INDEX UND GLYKÄMISCHE LAST

Um den Gesundheitswert eines Lebensmittels einschätzen und vergleichen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie schnell die enthaltenen Kohlenhydrate den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. Genau dies beschreibt der glykämische Index. Der britische Professor David Jenkins hat das Maß 1981 zur Beurteilung der Qualität von Kohlenhydraten ein-geführt.58Der glykämische Index misst, wie stark der Verzehr von 50 Gramm Kohlenhyd-raten eines Lebensmittels den Blutzucker ansteigen lässt. Der Wert von Glukose ist dabei auf 100 Prozent festgelegt. So lassen zum Beispiel Linsen den Blutzucker viel weniger ansteigen als Kartoffeln oder Weißbrot.59

Der glykämische Index berücksichtigt jedoch nicht, wie hoch der Anteil von Kohlenhyd-raten in einem Lebensmittel ist. Das führt zu Verzerrungen. Zum Beispiel haben Möhren und Baguette den gleichen Wert. Da aber der Kohlenhydratanteil in Möhren sehr viel ge-ringer ist als in Baguette, müsste man sehr viel mehr Möhren essen, um auf den gleichen Wert zu kommen wie bei einem Stück Baguette. Ein unfairer Vergleich also – und irgend-wie ahnen wir ja auch bereits, dass Möhren gesünder sind als Weißbrot.

Daher ist das Maß glykämische Last, das den Anteil der Kohlenhydrate eines Lebens-mittels berücksichtigt, aussagekräftiger. Die glykämische Last von Baguette ist demnach auch sieben Mal höher als die von Möhren. Berechnet wird die glykämische Last mittels folgender Formel:

Glykämische Last = (glykämischer Index des Lebensmittels x Menge der Kohlenhydrate je 100 g) 100

Als grobe Orientierung lassen sich Werte von unter 10 als niedrig und von über 20 als hohe glykämische Last einteilen. So punkten Blaubeeren oder Nüsse mit besonders nied-rigen Werten, wohingegen Natur-Basmatireis eine glykämische Last von 32 aufweist. Falls Sie noch nie von glykämischen Werten gehört haben, geht es Ihnen wie vielen. Die Werte haben sich wohl auch deswegen nicht in der Breite durchgesetzt, weil sie von zahlreichen Faktoren wie zum Beispiel dem Anbaugebiet, dem Reifegrad, der Sorte, dem Zerkleine-rungsgrad und der Garzeit eines Lebensmittels abhängen60und dadurch für die einzelnen Lebensmittel stark schwanken. Es gibt aber durchaus umfangreiche Tabellen und immer mehr Apps, mit deren Hilfe sich die glykämischen Werte von Lebensmitteln bestimmen lassen. Wer viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte sowie wenig Soft-drinks, Fruchtsäfte, Süßigkeiten, Weißmehlprodukte und Fertiggerichte zu sich nimmt, braucht keine Tabellen für glykämische Last und muss sich um den Anteil von Kohlen-hydraten in seiner Ernährung keine Gedanken machen.

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Zuckerstoffwechsel zusammen, der Einfluss hat auf Gene und Hormone, vor allem aber auf den Insulin- und IGF-1-Stoffwechsel (► Seite 68). Prof. Kenyon berichtet, dass sie nach die-ser Entdeckung ihre Essgewohnheiten geändert habe: „Ich verzichte seitdem meistens auf den Nachtisch.“56 Sehenswert ist in diesem Zusammenhang auch ihr TED Talk „Experimente, welche auf längeres Leben hinweisen“.

Durch rechtzeitige Reduktion des Zuckerkonsums kann die Entwicklung von Insulinresis-tenz, Adipositas, Fettleber und Diabetes verhindert, ja sogar in einem frühen Stadium meist auch wieder vollständig rückgängig gemacht werden. Die Ergebnisse des Diabetes Remission Clinical Trial (DiRECT) zeigen zum Beispiel, dass eine Ernährungsumstellung zu Gewichtsab-nahme und einer Heilung von Diabetes Typ 2 führen können.57 Diese Ergebnisse machen Mut und bestätigen eindrucksvoll, was durch eine geänderte Ernährungsweise alles erreichbar ist.

Wenn Sie selbst zu den Betroffenen zählen, finden Sie in dem Buch „Die Ernährungs-Docs – Diabe-tes heilen: Wie Sie mit der richtigen Ernährung DiabeDiabe-tes Typ 2 heilen und Typ 1 verbessern können“

zahlreiche Rezepte, die Ihnen den Weg in die Ernährungsumstellung erleichtern.

Die Qualität der Kohlenhydrate ist entscheidend

Kohlenhydrate können also viel Schlimmes anrichten, aber machen sie wirklich per se krank?

Schließlich stellen sie bei den meisten Menschen den größten Teil ihrer Ernährung dar. Auch die besonders gesund alt werdenden Menschen auf der japanischen Insel Okinawa ernähren sich primär von Kohlenhydraten und auch die sehr herzgesunden Tsimane essen eine „high-carb diet“ (► Seite 32). Wie lässt sich das erklären? Sind Kohlenhydrate nun gesund oder un-gesund? Auch wenn die Diskussion darum wahrscheinlich nie ein Ende haben wird, steht eine Sache fest: Es geht vor allem um die Qualität der Kohlenhydrate.

Unterzucker (Hunger) schneller

Blutzucker-anstieg

langsamer Blutzuckeranstieg

Blutzucker Blutzucker

Zeit Zeit

hohe Insulinausschüttung geringere Insulinausschüttung

Stärke Traubenzucker (Glukose)

Fruchtzucker (Fruktose) Haushaltszucker

Ballaststoffe Darm

Schnelle und langsame Zucker

Kohlenhydrate haben eine unterschiedliche Blutzuckerwirkung. Lebensmittel, die auch viele Ballaststoffe enthalten, zum Beispiel Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte, lassen den Blutzuckerspiegel langsamer an-steigen als „schnelle“ Zucker aus Limonade und Weißmehlprodukten.

GLYKÄMISCHER INDEX UND GLYKÄMISCHE LAST

Um den Gesundheitswert eines Lebensmittels einschätzen und vergleichen zu können, ist es wichtig zu wissen, wie schnell die enthaltenen Kohlenhydrate den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. Genau dies beschreibt der glykämische Index. Der britische Professor David Jenkins hat das Maß 1981 zur Beurteilung der Qualität von Kohlenhydraten ein-geführt.58Der glykämische Index misst, wie stark der Verzehr von 50 Gramm Kohlenhyd-raten eines Lebensmittels den Blutzucker ansteigen lässt. Der Wert von Glukose ist dabei auf 100 Prozent festgelegt. So lassen zum Beispiel Linsen den Blutzucker viel weniger ansteigen als Kartoffeln oder Weißbrot.59

Der glykämische Index berücksichtigt jedoch nicht, wie hoch der Anteil von Kohlenhyd-raten in einem Lebensmittel ist. Das führt zu Verzerrungen. Zum Beispiel haben Möhren und Baguette den gleichen Wert. Da aber der Kohlenhydratanteil in Möhren sehr viel ge-ringer ist als in Baguette, müsste man sehr viel mehr Möhren essen, um auf den gleichen Wert zu kommen wie bei einem Stück Baguette. Ein unfairer Vergleich also – und irgend-wie ahnen wir ja auch bereits, dass Möhren gesünder sind als Weißbrot.

Daher ist das Maß glykämische Last, das den Anteil der Kohlenhydrate eines Lebens-mittels berücksichtigt, aussagekräftiger. Die glykämische Last von Baguette ist demnach auch sieben Mal höher als die von Möhren. Berechnet wird die glykämische Last mittels folgender Formel:

Glykämische Last = (glykämischer Index des Lebensmittels x Menge der Kohlenhydrate je 100 g) 100

Als grobe Orientierung lassen sich Werte von unter 10 als niedrig und von über 20 als hohe glykämische Last einteilen. So punkten Blaubeeren oder Nüsse mit besonders nied-rigen Werten, wohingegen Natur-Basmatireis eine glykämische Last von 32 aufweist. Falls Sie noch nie von glykämischen Werten gehört haben, geht es Ihnen wie vielen. Die Werte haben sich wohl auch deswegen nicht in der Breite durchgesetzt, weil sie von zahlreichen Faktoren wie zum Beispiel dem Anbaugebiet, dem Reifegrad, der Sorte, dem Zerkleine-rungsgrad und der Garzeit eines Lebensmittels abhängen60und dadurch für die einzelnen Lebensmittel stark schwanken. Es gibt aber durchaus umfangreiche Tabellen und immer mehr Apps, mit deren Hilfe sich die glykämischen Werte von Lebensmitteln bestimmen lassen. Wer viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte sowie wenig Soft-drinks, Fruchtsäfte, Süßigkeiten, Weißmehlprodukte und Fertiggerichte zu sich nimmt, braucht keine Tabellen für glykämische Last und muss sich um den Anteil von Kohlen-hydraten in seiner Ernährung keine Gedanken machen.

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Größere Mengen raffinierte Kohlenhydrate aus industriell verarbeiteten Lebensmitteln, zum Beispiel Haushaltszucker oder Stärke, sind „schlechte“ Kohlenhydrate. Diese „leicht ver-daulichen“ Kohlenhydrate etwa in Brötchen, Pizza, Pommes, Süßigkeiten, Fertiggerichten und vor allem auch Softdrinks und Fruchtsäften werden sofort von den Darmzellen absorbiert und gelangen sehr schnell in die Blutbahn. Der Blutzuckerspiegel steigt rapide in die Höhe, wor-aufhin viel Insulin ausgeschüttet wird, das den Zuckermolekülen den Weg in die Zellen öffnet.

Dadurch fällt der Zuckergehalt im Blut rasch wieder ab, oft unter das Ausgangsniveau. Dieser sehr niedrige Blutzuckerspiegel löst ein Hungergefühl aus. Um den Hunger zu stillen, greifen wir oft erneut zu leicht verdaulichen Kohlenhydraten, zum Beispiel zu Brezeln, Brötchen oder Keksen. Und diese treiben den Blutzucker wieder rapide in die Höhe. Ein Teufelskreis be-ginnt, der sich durch schnelle und hohe Schwankungen im Blutzuckerspiegel auszeichnet und langfristig gesehen oft in Übergewicht und Diabetes endet. Leider besteht ein großer Teil der heutigen Ernährung aus minderwertigen Kohlenhydraten. So ist der Zuckerkonsum in den letzten 200 Jahren um satte 1600 Prozent gestiegen.61 Allein der Haushaltszucker (Saccharose) macht mehr als ein Drittel unserer Kohlenhydratzufuhr aus.62 Backwaren, Nudeln und Pizza sind fast immer aus schnell verdaulichem Weißmehl hergestellt, das kaum noch Ballast- und Nährstoffe enthält, und viele greifen zu Säften, Softdrinks und Smoothies.

„Gute“ Kohlenhydrate (auch komplexe Kohlenhydrate oder Slow Carbs) hingegen werden deutlich langsamer ins Blut aufgenommen. Reich an komplexen Kohlenhydraten sind un-verarbeitete Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Erbsen), Voll-kornprodukte (Brot, Nudeln), Vollkornreis, Quinoa und Nüsse. Diese Lebensmittel enthalten viele Ballaststoffe und die Zucker sind in Strukturen gebunden, die während der Verdauung erst langsam zerlegt werden müssen. Sie haben dadurch eine längere Verweildauer in Magen und Darm. Es kommt also nicht nur auf die Inhaltsstoffe eines Lebensmittels an, sondern auch auf die Konsistenz, in der die Inhaltsstoffe vorliegen. Wenn die Glukose zum Beispiel in einem Korn verbaut ist, müssen die harten Fasern während der Verdauung erst langsam auf-geschlossen werden, während die gleichen Inhaltsstoffe aus einem fein ausgemahlenen Mehl viel schneller aufgenommen werden können.

Das gleiche Prinzip gilt für die intakten Strukturen von Obst. Der Zucker aus Apfelsaft ge-langt fast direkt ins Blut, während bei Apfelmus immerhin einige Strukturen verdaut werden müssen. Beim ganzen Apfel (insbesondere wenn wir ihn mit Schale essen) sind die Zucker dagegen in deutlich festeren Strukturen verbaut, die während der Verdauung langsam zerlegt werden müssen. Daher ist aus gesundheitlicher Sicht immer das ganze Obst dem Saft vorzu-ziehen. Auch Obst-Smoothies sollten wir deswegen nur in Maßen konsumieren.

Slow Carbs führen also zu einem geringeren und langsameren Blutzuckeranstieg, sie ma-chen uns länger satt und Heißhungerattacken sind seltener. Bevorzugen Sie am besten immer die Vollkornvariante bei Brot, Pizza und Nudeln und genießen Sie Obst im Ganzen. Studien weisen nach, dass Slow Carbs für die Gesundheit förderlich sind und vor chronischen

Slow Carbs führen also zu einem geringeren und langsameren Blutzuckeranstieg, sie ma-chen uns länger satt und Heißhungerattacken sind seltener. Bevorzugen Sie am besten immer die Vollkornvariante bei Brot, Pizza und Nudeln und genießen Sie Obst im Ganzen. Studien weisen nach, dass Slow Carbs für die Gesundheit förderlich sind und vor chronischen

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