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Mehrfach ungesättigte Fettsäuren – Omega-3 und Omega-6

Im Dokument ERNAHRUNG HEUTE UND MORGEN (Seite 53-57)

Unter den Fetten wirken die mehrfach ungesättigten Fettsäuren besonders günstig auf unsere Gesundheit.85 Die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind die wichtigsten Vertreter.

Omega-3-Fettsäuren, die Superhelden unter den Fetten

Als besonders gesund haben sich die Omega-3-Fettsäuren erwiesen. Sie sind wesentliche Strukturfette für unser Gehirn und an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Bereits im Mutterleib sorgen sie für die Entwicklung des Gehirns und der Retinafunktion des Kindes.

In der Studie wurden zwischen 0 und 5 Prozent der Ernährungsenergie aus Kohlenhydraten durch verschie-dene Fette ersetzt. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren senken das Sterblichkeitsrisiko deutlich, während Transfette die Sterblichkeit signifikant erhöhen.85

0 1 2 3 4 5

20 15 10 5 0 –5 –10 –15 –20 –25 –30

Transfette

Gesättigte Fettsäuren

Einfach ungesättigte Fettsäuren

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren

Sterblichkeitsrisiko in Prozent

Energie in Prozent

Fette und Sterblichkeit

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großer Schritt bestand darin, dass im Jahr 2015 die offiziellen Ernährungsrichtlinien der USA geändert wurden. Alle Warnungen und Beschränkungsempfehlungen für Cholesterin und Ge-samtfett wurden gestrichen.84 Nur die Warnung vor gesättigten Fettsäuren und Transfetten blieb erhalten. Bis sich allerdings die Meinung in der breiten Öffentlichkeit korrigieren lässt, ist es noch ein langer Weg. Es gibt nach wie vor viele Menschen (darunter auch Ernährungs-berater und Ärzte), die an der überholten Meinung festhalten und zu wenig wertvolle Fette zu sich nehmen beziehungsweise ihren Patienten empfehlen.

DIE REHABILITATION DER FETTE

Für Wirbel sorgten die Ergebnisse der PREDIMED-Studie. Sie hatte das Ziel, die Wirkung der fettreichen mediterranen Küche zu untersuchen.31 In den Jahren 2003 bis 2010 wur-den an elf Krankenhäusern in Spanien knapp 7500 Männer und Frauen im Alter von 55 bis 80 Jahren in die Studie eingeschlossen. Aufnahmekriterium war dabei ein hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Probanden hatten entweder Typ-2-Diabetes oder mehr als drei kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Bluthochdruck oder einen hohen LDL-Cholesterinwert.

Die Personen wurden drei Gruppen zugeordnet. Die ersten beiden bekamen entweder 30 Gramm gemischte Nüsse pro Tag (15 Gramm Walnüsse, 7,5 Gramm Haselnüsse und 7,5 Gramm Mandeln) oder 1 Liter natives Olivenöl pro Woche. Die dritte Gruppe sollte möglichst fettarm essen. Ihr wurde also eine Ernährung empfohlen, zu der Experten seit Jahrzehnten rieten, um Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu vermeiden.

Die spektakulären Ergebnisse wurden in einem der angesehensten medizinischen Fach-journale, dem New England Journal of Medicine, veröffentlicht. Die Gruppen, die sich im Sinne der mediterranen Kost mit gesunden pflanzlichen Fetten ernährt hatten, zeigten deutlich weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle. Auch die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, war gesunken.31

Weitere Auswertungen der PREDIMED-Daten durch Prof. Ramon Estrich von der Uni-versität Barcelona wiesen nach, dass die beiden fettreichen Diäten darüber hinaus einen günstigen Einfluss auf das Körpergewicht hatten, obwohl der Fettgehalt hoch war.35 Die Studie musste nach einer Laufzeit von fünf Jahren vorzeitig abgebrochen werden. Die Auswertungen zeigten so klare Vorteile der mediterranen Diät, dass es ethisch nicht vertretbar schien, Menschen im Rahmen einer Studie die gesündere fettreichere Diät vorzuenthalten. Diese spektakulären Daten trugen zu einem Umdenken hinsichtlich pflanzlicher Fette bei und gelten in diesem Sinne als bahnbrechend. Fazit der Studie ist:

Pflanzliche Fette machen gesund und sogar schlank.

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Fette und Gesundheit

Im folgenden Abschnitt haben wir zusammengetragen, was die Wissenschaft seit der Jahrtau-sendwende zum Gesundheitswert der Fette herausgefunden hat. Zunächst schauen wir uns die einzelnen Fettsäuren und dann das Cholesterin etwas genauer an.

Die einzelnen Fettsäuren und ihre Bedeutung für die Gesundheit

Die verschiedenen Fettsäuren wirken sich unterschiedlich auf unsere Gesundheit aus. In einer groß angelegten Harvard-Studie wurde der Fettkonsum von rund 125.000 Menschen über 32 Jahre untersucht (► Abbildung unten). Die Ergebnisse zeigen, dass einfach ungesättigte und insbesondere mehrfach ungesättigte Fettsäuren einen hohen Gesundheitswert haben und vor Krankheiten schützen, während Transfette zu einer signifikant höheren Sterblichkeit füh-ren.85Gesättigte Fettsäuren liegen in der Mitte.

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren – Omega-3 und Omega-6

Unter den Fetten wirken die mehrfach ungesättigten Fettsäuren besonders günstig auf unsere Gesundheit.85 Die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind die wichtigsten Vertreter.

Omega-3-Fettsäuren, die Superhelden unter den Fetten

Als besonders gesund haben sich die Omega-3-Fettsäuren erwiesen. Sie sind wesentliche Strukturfette für unser Gehirn und an zahlreichen Stoffwechselvorgängen beteiligt. Bereits im Mutterleib sorgen sie für die Entwicklung des Gehirns und der Retinafunktion des Kindes.

In der Studie wurden zwischen 0 und 5 Prozent der Ernährungsenergie aus Kohlenhydraten durch verschie-dene Fette ersetzt. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren senken das Sterblichkeitsrisiko deutlich, während Transfette die Sterblichkeit signifikant erhöhen.85

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Transfette

Gesättigte Fettsäuren

Einfach ungesättigte Fettsäuren

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren

Sterblichkeitsrisiko in Prozent

Energie in Prozent

Fette und Sterblichkeit

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Auch im Erwachsenenalter schützen sie vor zahlreichen Erkrankungen.86 Zu den wichtigen Omega-3-Vertretern zählt die Alpha-Linolensäure. Sie ist für uns essenziell, weil der Körper sie nicht selbst herstellen kann, sondern über die Ernährung aufnehmen muss. Sie kommt vor allem in Lein-, Hanf- und Rapsöl sowie Walnüssen, in kleineren Mengen aber auch in grünem Blattgemüse wie Kopfsalat und Spinat vor. Besonders gesund sind die langkettigen, maritimen Omega-3-Fettsäuren, Eicosapentaensäure (EPA; das „A“ steht für acid, das englische Wort für Säure) und Docosahexaensäure (DHA), die vor allem in fettem Fisch wie Lachs, Sardine, Ma-krele und Hering sowie Algen (zum Beispiel Schizochytrium) enthalten sind. Algen sind die einzigen Organismen, die größere Mengen von EPA und DHA selbst herstellen können. Fische nehmen die gesunden Fettsäuren erst über die Nahrungskette auf. Wissenschaftler arbeiten daran, Landpflanzen so zu verändern, dass sie die gesunden langkettigen Omega-3-Fettsäuren herstellen können. Mit dem Leindotter ist dies bereits gelungen. Der Körper kann nicht, wie manchmal behauptet, ausreichend EPA und DHA aus Alpha-Linolensäure selbst herstellen, sondern wir müssen diese durch die Ernährung aufnehmen.87

EPA und DHA haben einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung und Funktionsweise von Gehirn und Augen88 und wirken sich positiv auf Blutdruck, Blutfettwerte, die Insulin-sensitivität und das Immunsystem aus.89,90 Außerdem sind sie entzündungshemmend und können vor zahlreichen chronischen Krankheiten schützen, darunter Herz-Kreislauf-Er-krankungen, Krebs, Diabetes und Alzheimer.90 In Studien wies man nach, dass Menschen, die ausreichend EPA und DHA aufnehmen, länger leben.91 Auch für unser psychisches Wohlbefinden sind die gesunden Fette bedeutsam, denn niedrige Omega-3-Spiegel werden mit Depression in Verbindung gebracht.92 Auch Wochenbettdepression93 und sogar Suizide sind bei einem niedrigen Omega-3-Gehalt im Körper signifikant häufiger. Das Fazit: Omega-3- Fette machen uns schlank, gesund und schlau.

Die beeindruckende Liste an gesundheitsfördernden Effekten ist vielen Menschen noch nicht ausreichend bekannt. Die kollektive Furcht vor Fetten als Fettmacher sitzt immer noch tief. Hier findet jedoch gerade ein Umdenken statt. Heute raten Gesundheits- und Ernäh-rungsexperten nahezu ausnahmslos, unsere Omega-3-Versorgung zu optimieren und dabei auch auf die Omega-Balance zu achten.

Omega-6-Fettsäuren – auf das richtige Verhältnis kommt es an

Die andere wichtige Gruppe der Omega-Fette sind die Omega-6-Fettsäuren. Sie sind we-sentliche Bestandteile der Zellmembranen in Knochen, Haut und Haaren und werden für Wachstums- und Reparaturprozesse benötigt. Besonders reich an Omega-6-Fettsäuren sind bestimmte pflanzliche Öle (zum Beispiel Distelöl, Sonnenblumenöl, Sojaöl, Weizenkeimöl), Fleisch, Eier, Nüsse und Samen (Walnüsse, Sonnenblumenkerne, Sesam, Mandeln, Cashew-kerne, Haselnüsse und Kürbiskerne), Amarant und Getreide.

Es gibt verschiedene Omega-6-Fettsäuren: Die Linolsäure kommt heute sehr häufig in unse-rer Ernährung vor, insbesondere durch den hohen Verbrauch an Omega-6-reichen Ölen, die viel in verarbeiteten Produkten eingesetzt werden. Die langkettige Arachidonsäure befindet

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sich vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch (insbesondere Schweinefleisch), Butter, Schmalz, Eigelb und Fisch aus Aquakulturen. Ein Teil der Arachidonsäure wird im Körper aus Linolsäure gebildet. Arachidonsäure ist die Ausgangssubstanz zur Bildung von Gewebshor-monen wie Prostaglandinen und Leukotrienen. Sie kommen beispielsweise in Mastzellen vor und dienen der Infektabwehr, indem sie die Blutgefäße erweitern und die Gefäßdurchlässig-keit erhöhen. Nehmen wir große Mengen an Omega-6-Fettsäuren auf, kann das das Entzün-dungsgeschehen im Körper übermäßig steigern.94

Omega-6-Fettsäuren sind also nicht, wie manchmal behauptet wird, per se ungesund – wir brauchen sie sogar –, nur nehmen wir mit unserer modernen Ernährung zu viele von ihnen auf (vor allem aus Sonnenblumenöl, Fleisch und verarbeiteten Lebensmitteln). Dadurch stimmt unsere Omega-Balance nicht mehr. Wir haben zu viele Omega-6-Fettsäuren im Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren im Körper. Das Omega-Ungleichgewicht wird noch verstärkt, weil die gesunden langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) und die Arachidonsäure um die-selben Enzyme konkurrieren, die sie für weitere wichtige Stoffwechselvorgänge benötigen.

Sind alle Enzyme mit Omega-6-Fettsäuren „besetzt“, wird weniger Omega-3 aufgenommen.95 Wissenschaftliche Nachforschungen zeigen, dass unsere Vorfahren in der Steinzeit in der Ernährung ein Omega-6- zu Omega-3-Verhältnis von etwa 1:1 hatten.96 Fleisch, Fisch, wil-de Pflanzen und Nüsse hatten einen viel höheren Omega-3-Gehalt als heute. In wil-den letzten 150 Jahren hat sich dieses Verhältnis stark verschoben. Es liegt in der heutigen westlichen Ernährung bei 10:1 bis zu 25:1 zugunsten von Omega-6.97 Als Folge dieses Ungleichgewichts können Entzündungen vermutlich nicht ausreichend gestoppt werden. Dies ist besonders re-levant, weil fast alle chronischen Erkrankungen eine entzündliche Komponente haben. Fach-gesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen daher die Aufnahme von Omega-6- im Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren von maximal 5:1.98 Dies erreichen Sie, indem Sie weniger tierische und stark verarbeitete Produkte essen und dafür mehr Omega-3-reiche pflanzliche Öle wie Lein- oder Rapsöl sowie fettreichen (See-)Fisch zu sich nehmen.

Wie bekommen wir ausreichend Omega-3?

In Europa sind unglaubliche 76 Prozent der Menschen nicht ausreichend mit Omega-3 ver-sorgt, wie der Kardiologe und Omega-3-Experte Prof. Clemens von Schacky von der Ludwig- Maximilians-Universität München herausgefunden hat.87 In Japan oder Südkorea ist kaum je-mand von einem Mangel betroffen. Das hat eindeutig mit unseren Ernährungsgewohnheiten zu tun – Fisch und Algen stehen bei uns vergleichsweise selten auf dem Speiseplan.

Da stellt sich sofort die Frage: Sollen wir Omega-3 über Nahrungsergänzungsmittel zuführen?

So werden zum Beispiel zahlreiche Fischöl- und Krillölpräparate als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, als pflanzliche Alternative sind Algenöle auf dem Markt. Dass Omega-3-Fettsäuren äußerst wichtig für unsere Gesundheit sind, ist inzwischen unstrittig. Um die Wirksamkeit der Präparate gibt es allerdings Diskussionen. Groß angelegte Studien überraschten mit der Erkennt-nis, dass Supplemente nicht vorbeugend gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken – auch nicht, wenn man mehrere Jahre lang täglich 1 Gramm Omega-3-Präparate nimmt.99, 100

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Auch im Erwachsenenalter schützen sie vor zahlreichen Erkrankungen.86 Zu den wichtigen Omega-3-Vertretern zählt die Alpha-Linolensäure. Sie ist für uns essenziell, weil der Körper sie nicht selbst herstellen kann, sondern über die Ernährung aufnehmen muss. Sie kommt vor allem in Lein-, Hanf- und Rapsöl sowie Walnüssen, in kleineren Mengen aber auch in grünem Blattgemüse wie Kopfsalat und Spinat vor. Besonders gesund sind die langkettigen, maritimen Omega-3-Fettsäuren, Eicosapentaensäure (EPA; das „A“ steht für acid, das englische Wort für Säure) und Docosahexaensäure (DHA), die vor allem in fettem Fisch wie Lachs, Sardine, Ma-krele und Hering sowie Algen (zum Beispiel Schizochytrium) enthalten sind. Algen sind die einzigen Organismen, die größere Mengen von EPA und DHA selbst herstellen können. Fische nehmen die gesunden Fettsäuren erst über die Nahrungskette auf. Wissenschaftler arbeiten daran, Landpflanzen so zu verändern, dass sie die gesunden langkettigen Omega-3-Fettsäuren herstellen können. Mit dem Leindotter ist dies bereits gelungen. Der Körper kann nicht, wie manchmal behauptet, ausreichend EPA und DHA aus Alpha-Linolensäure selbst herstellen, sondern wir müssen diese durch die Ernährung aufnehmen.87

EPA und DHA haben einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung und Funktionsweise von Gehirn und Augen88 und wirken sich positiv auf Blutdruck, Blutfettwerte, die Insulin-sensitivität und das Immunsystem aus.89,90 Außerdem sind sie entzündungshemmend und können vor zahlreichen chronischen Krankheiten schützen, darunter Herz-Kreislauf-Er-krankungen, Krebs, Diabetes und Alzheimer.90 In Studien wies man nach, dass Menschen, die ausreichend EPA und DHA aufnehmen, länger leben.91 Auch für unser psychisches Wohlbefinden sind die gesunden Fette bedeutsam, denn niedrige Omega-3-Spiegel werden mit Depression in Verbindung gebracht.92 Auch Wochenbettdepression93 und sogar Suizide sind bei einem niedrigen Omega-3-Gehalt im Körper signifikant häufiger. Das Fazit: Omega-3- Fette machen uns schlank, gesund und schlau.

Die beeindruckende Liste an gesundheitsfördernden Effekten ist vielen Menschen noch nicht ausreichend bekannt. Die kollektive Furcht vor Fetten als Fettmacher sitzt immer noch tief. Hier findet jedoch gerade ein Umdenken statt. Heute raten Gesundheits- und Ernäh-rungsexperten nahezu ausnahmslos, unsere Omega-3-Versorgung zu optimieren und dabei auch auf die Omega-Balance zu achten.

Omega-6-Fettsäuren – auf das richtige Verhältnis kommt es an

Die andere wichtige Gruppe der Omega-Fette sind die Omega-6-Fettsäuren. Sie sind we-sentliche Bestandteile der Zellmembranen in Knochen, Haut und Haaren und werden für Wachstums- und Reparaturprozesse benötigt. Besonders reich an Omega-6-Fettsäuren sind bestimmte pflanzliche Öle (zum Beispiel Distelöl, Sonnenblumenöl, Sojaöl, Weizenkeimöl), Fleisch, Eier, Nüsse und Samen (Walnüsse, Sonnenblumenkerne, Sesam, Mandeln, Cashew-kerne, Haselnüsse und Kürbiskerne), Amarant und Getreide.

Es gibt verschiedene Omega-6-Fettsäuren: Die Linolsäure kommt heute sehr häufig in unse-rer Ernährung vor, insbesondere durch den hohen Verbrauch an Omega-6-reichen Ölen, die viel in verarbeiteten Produkten eingesetzt werden. Die langkettige Arachidonsäure befindet

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sich vor allem in tierischen Lebensmitteln wie Fleisch (insbesondere Schweinefleisch), Butter, Schmalz, Eigelb und Fisch aus Aquakulturen. Ein Teil der Arachidonsäure wird im Körper aus Linolsäure gebildet. Arachidonsäure ist die Ausgangssubstanz zur Bildung von Gewebshor-monen wie Prostaglandinen und Leukotrienen. Sie kommen beispielsweise in Mastzellen vor und dienen der Infektabwehr, indem sie die Blutgefäße erweitern und die Gefäßdurchlässig-keit erhöhen. Nehmen wir große Mengen an Omega-6-Fettsäuren auf, kann das das Entzün-dungsgeschehen im Körper übermäßig steigern.94

Omega-6-Fettsäuren sind also nicht, wie manchmal behauptet wird, per se ungesund – wir brauchen sie sogar –, nur nehmen wir mit unserer modernen Ernährung zu viele von ihnen auf (vor allem aus Sonnenblumenöl, Fleisch und verarbeiteten Lebensmitteln). Dadurch stimmt unsere Omega-Balance nicht mehr. Wir haben zu viele Omega-6-Fettsäuren im Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren im Körper. Das Omega-Ungleichgewicht wird noch verstärkt, weil die gesunden langkettigen Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) und die Arachidonsäure um die-selben Enzyme konkurrieren, die sie für weitere wichtige Stoffwechselvorgänge benötigen.

Sind alle Enzyme mit Omega-6-Fettsäuren „besetzt“, wird weniger Omega-3 aufgenommen.95 Wissenschaftliche Nachforschungen zeigen, dass unsere Vorfahren in der Steinzeit in der Ernährung ein Omega-6- zu Omega-3-Verhältnis von etwa 1:1 hatten.96 Fleisch, Fisch, wil-de Pflanzen und Nüsse hatten einen viel höheren Omega-3-Gehalt als heute. In wil-den letzten 150 Jahren hat sich dieses Verhältnis stark verschoben. Es liegt in der heutigen westlichen Ernährung bei 10:1 bis zu 25:1 zugunsten von Omega-6.97 Als Folge dieses Ungleichgewichts können Entzündungen vermutlich nicht ausreichend gestoppt werden. Dies ist besonders re-levant, weil fast alle chronischen Erkrankungen eine entzündliche Komponente haben. Fach-gesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfehlen daher die Aufnahme von Omega-6- im Verhältnis zu Omega-3-Fettsäuren von maximal 5:1.98 Dies erreichen Sie, indem Sie weniger tierische und stark verarbeitete Produkte essen und dafür mehr Omega-3-reiche pflanzliche Öle wie Lein- oder Rapsöl sowie fettreichen (See-)Fisch zu sich nehmen.

Wie bekommen wir ausreichend Omega-3?

In Europa sind unglaubliche 76 Prozent der Menschen nicht ausreichend mit Omega-3 ver-sorgt, wie der Kardiologe und Omega-3-Experte Prof. Clemens von Schacky von der Ludwig- Maximilians-Universität München herausgefunden hat.87 In Japan oder Südkorea ist kaum je-mand von einem Mangel betroffen. Das hat eindeutig mit unseren Ernährungsgewohnheiten zu tun – Fisch und Algen stehen bei uns vergleichsweise selten auf dem Speiseplan.

Da stellt sich sofort die Frage: Sollen wir Omega-3 über Nahrungsergänzungsmittel zuführen?

So werden zum Beispiel zahlreiche Fischöl- und Krillölpräparate als Nahrungsergänzungsmittel angeboten, als pflanzliche Alternative sind Algenöle auf dem Markt. Dass Omega-3-Fettsäuren äußerst wichtig für unsere Gesundheit sind, ist inzwischen unstrittig. Um die Wirksamkeit der Präparate gibt es allerdings Diskussionen. Groß angelegte Studien überraschten mit der Erkennt-nis, dass Supplemente nicht vorbeugend gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirken – auch nicht, wenn man mehrere Jahre lang täglich 1 Gramm Omega-3-Präparate nimmt.99, 100

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Die Omega-3-Spiegel variieren sehr stark von Mensch zu Mensch. Wie gut jemand mit Omega-3 versorgt ist, hängt nicht nur von der Zufuhr ab, sondern auch von den Genen, dem Stoffwechsel und anderen Faktoren.87 Zudem unterscheiden sich Menschen in ihrer Omega-3-Aufnahmefähigkeit erheblich, nämlich bis um das 13-Fache. Experten vermuten, dass des-wegen die relative niedrige Dosierung in den Studien keine Effekte zeigten. Denn bei hohen Dosen erlitten die Patienten tatsächlich seltener einen Herzinfarkt oder Schlaganfall.101

Das macht allgemeine Dosierungsempfehlungen schwierig, weil die Dosis, die für den einen zu niedrig ist, für den anderen bereits viel zu hoch sein kann. Omega-3-Experte Prof. Schacky hält daher allgemeine Empfehlungen sogar für sinnlos. Er rät, immer erst den individuellen Omega-3-Spiegel zu bestimmen.87 Dieser kann über einen Bluttest ermittelt werden (HS-Omega-3 Index®). Dabei wird der prozentuale Anteil von EPA und DHA in den roten Blut-körperchen (Erythrozyten) gemessen. Der HS-Omega-3 Index® hat sich als guter Biomarker herausgestellt. Er sollte im Zielbereich von 8 bis 11 Prozent liegen und 16 Prozent nicht über-schreiten.87 Leider werden die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen derzeit (noch) nicht übernommen (ca. 70 Euro, Stand: Juli 2021).

Die sinnvolle Forderung nach einer Testung ist unrealistisch, solange der Test so teuer ist.

Als Faustregel gilt: Wer regelmäßig fetten Fisch wie Lachs oder Hering isst, braucht vermut-lich keine Omega-3-Nahrungsergänzung. Aus Nachhaltigkeitsgründen sollten es aber mög-lichst nicht viel mehr als 200 Gramm pro Woche sein (► Seite 134). Wer sich allerdings fischlos ernährt, sollte erwägen, seine Ernährung mit DHA-reichen Ölen aus Mikroalgen (zum Bei-spiel aus Schizochytrium) zu ergänzen. Weil Schwangere einen höheren Bedarf haben, wird ihnen eine Supplementation empfohlen.87Sprechen Sie diese aber immer mit Ihrem Arzt ab.

Der Arbeitskreis Omega-3 empfiehlt gesunden Menschen, pro Tag eine Menge von mindes-tens 0,3 Gramm Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) zu sich zu nehmen.102 Eine Aufnahme-menge von bis zu 5 Gramm EPA und DHA (in Kombination) beziehungsweise 1,8 Gramm EPA (einzeln) pro Tag sind für Erwachsene gemäß der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicher-heit als gesundLebensmittelsicher-heitlich unbedenklich anzusehen. Nehmen Sie ein Omega-3-Präparat immer zur Hauptmahlzeit ein, dadurch erhöht sich die Bioverfügbarkeit erheblich.87

Im Dokument ERNAHRUNG HEUTE UND MORGEN (Seite 53-57)