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5.2 Ausschreibungen für Umweltleistungen

5.2.3 Mehrgüterausschreibungen

Für eine realitätsnahe Betrachtung und zur Charakterisierung des im Rahmen dieser Arbeit gewählten Ausschreibungsdesigns ist es notwendig, auch die folgenden Optionen von Mehrgüterausschreibungen hinsichtlich ihrer praktischen Einsetzbarkeit für die Honorierung ökologischer Leistungen zu diskutieren.

I. Sequentielle Ausschreibung

Die Ausgestaltungsoption einer sequentiellen Ausschreibung stellt den Fall dar, bei dem innerhalb eines eng begrenzten Zeitraums mehrere identische oder nicht identische Güter gehandelt werden. Für den Fall, dass jeweils nur ein Gut ausgeschrieben wird, kann faktisch von einer Aneinanderreihung von Eingutausschreibungen gesprochen werden. Bei der zeitgleichen Ausschreibung mehrerer Güter liegt eine wiederholte Mehrgüterausschreibung vor.

Die praktische Relevanz einer sequentiellen Ausschreibung für Umweltleistungen der Landwirtschaft ist vor allem aus zwei Gründen nicht gegeben. Zum einen erfolgen die mehrfachen Ausschreibungen zeitlich sehr eng nacheinander und zum anderen kommt immer ein identisches Ausschreibungsdesign zur Anwendung.

Hierbei ist insbesondere die Nutzung eines unveränderten Ausschreibungsdesigns vor dem Hintergrund des Lernens seitens der Bieter und der Gefahr daraus resultierender Preisabsprachen in der Praxis nicht sinnvoll.

II. Mengentender („Einheitsprämie“)

Die Mehrgüterausschreibung eines Mengentenders besagt, dass mehrere identische Güter nachgefragt werden und seitens der Vergabestelle vorab ein fester Preis für diese Güter gesetzt wird. Für die Landwirte besteht lediglich die Mengenentscheidung, ob und wenn ja wie viele Güter sie zu dem gegebenen Preis anbieten.

Folglich stellt ein Mengentender in letzter Konsequenz den zu einer derzeit in Agrarumweltprogrammen eingesetzten Einheitsprämie analogen Fall dar und ist hier als Option für ökologische Leistungen ungeeignet.

III. Simultane Ausschreibungen mit Preis-Mengen-Angeboten

Auch für die Mehrgüterausschreibungen sind drei Ausgestaltungsmöglichkeiten von simultanen Ausschreibungen mit Preis-Mengen-Angeboten zu unterscheiden.

Innerhalb dieser einmalig durchgeführten Ausschreibung werden von der Vergabestelle mehrere identische Güter nachgefragt und das Angebot für ökologische Leistungen umfasst sowohl eine Mengen- als auch eine Preiskomponente. Im Zuge dessen können Landwirte mehrere Angebote abgeben, welche nach Ablauf der Angebotsfrist hinsichtlich des Angebotspreises bewertet und in eine Rangfolge gebracht werden. Die Zuschlagserteilung erfolgt jeweils beginnend mit dem niedrigsten Preis »von unten nach oben«.

Alle drei Optionen einer simultanen Ausschreibung mit Preis-Mengen-Angeboten beruhen auf diesem konzeptionellen Gerüst; zu unterscheiden sind jedoch die jeweiligen Preisgestaltungsmöglichkeiten.

IIIa. Einheitspreis-Ausschreibung

Bei einer Einheitspreis-Ausschreibung ist für die Zuschlagserteilung der individuelle Angebotspreis eines Landwirts entscheidungsrelevant. Nach der Zuschlagserteilung erhalten die Landwirte jedoch für alle angenommenen Angebote eine Honorierung in Höhe eines einheitlichen Preises, welcher in der Regel dem höchsten noch berücksichtigten oder dem niedrigsten nicht mehr berücksichtigten Angebotspreis je Einheit entspricht. Auf den ersten Blick mag die Einheitspreis-Ausschreibung Analogien zu einer Einheitsprämie aufweisen, da alle Landwirte eine einheitliche Honorierung erhalten. Von der Einheitsprämie unterscheidet sich dieser Ansatz

jedoch fundamental dadurch, dass die Angebotspreise der Landwirte die Entscheidungsgrundlage darstellen.

Für ein einmaliges Ausschreibungsverfahren ist eine Einheitspreis-Ausschreibung insofern als positiv einzuschätzen, dass die individuellen Angebote relevant sind und entsprechende Informationen aller Bieter erfasst werden können. Es erfolgt jedoch letztlich keine ausschließlich an den jeweiligen Kosten orientierte Zahlung, was zu Effizienzeinbußen führen kann.

Für mehr als ein identisches Ausschreibungsverfahren ist eine Einheitspreis-Ausschreibung als ungeeignet zu bewerten, da die Anbieter nun nach Abschluss der Ausschreibungsrunde aus der einheitlichen Zahlung lernen können und zu erwarten ist, dass diese Informationen bei kommenden Ausschreibungen Berücksichtigung finden. Dies hätte ein Abweichen von der individuellen Preiskalkulation mit entsprechenden Effizienz- und Informationseinbußen zur Folge.

IIIb. Preisdiskriminierende Ausschreibung

Die preisdiskriminierende Ausschreibung ist bezüglich der Preisfestsetzung das konzeptionelle Gegenteil zu der Einheitspreis-Ausschreibung. Der Ablauf bis zur Zuschlagserteilung ist identisch, doch letztlich erhalten die Landwirte eine finanzielle Honorierung in Höhe des ihrem individuellen Angebot entsprechenden Angebotspreises.

Für die Vergabestelle besteht demzufolge die Möglichkeit, eine identische ökologische Leistung zu unterschiedlichen Preisen einzukaufen und Informationen über die Kosten aller Anbieter zu erhalten. Darüber hinaus erfolgt eine kostenorientierte Honorierung und für den Fall, dass die jeweiligen Zuschlagsgrenzen nach Abschluss der Zuschlagserteilung seitens der Vergabestelle nicht öffentlich gemacht werden, ist für die wiederholte Nutzung ebenso eine entsprechend positive Zielerreichung zu erwarten. Daher ist die preisdiskriminierende Mehrgüterausschreibung sowohl für den einmaligen als auch den mehrmaligen praktischen Einsatz zur Honorierung von Umweltleistungen als sehr gut geeignet einzuschätzen.

IIIc. Zweitpreis-Mehrgüterausschreibung

Das Gegenstück zu der Zweitpreis-Ausschreibung für ein Gut stellt für mehr als ein Gut die Zweitpreis-Mehrgüterausschreibung dar. Auch hier können Landwirte

verschiedene Angebote für identische ökologische Güter abgeben, welche bei der Zuschlagserteilung anhand der individuellen Angebotspreise bewertet werden. Die Festlegung der Zahlungen an die Landwirte erfolgt, indem die erfolgreichen Landwirte nicht die ihren Angeboten entsprechenden Preise, sondern die Preise der Angebote erhalten, die gerade noch angenommen worden wären, wenn die erfolgreichen Bieter nicht an der Ausschreibung teilgenommen hätten.

Ebenso wie die Ausschreibung ist die Zweitpreis-Mehrgüterausschreibung derzeit als theoretisches Konstrukt einzuschätzen und für den praktischen Einsatz zur Honorierung ökologischer Leistungen der Landwirtschaft nicht geeignet.

IV. Simultane mehrperiodige Ausschreibung

Die simultane mehrperiodige Ausschreibung ist eine Kombination der Englischen Ausschreibung und der Niedrigstpreis-Ausschreibung, innerhalb derer zeitlich begrenzte Ausschreibungsrunden nacheinander durchgeführt werden, bei denen die Landwirte Angebote für mehrere Güter abgeben können. Die eingegangenen Angebote werden nach Abschluss einer Ausschreibungsrunde in eine Rangfolge gebracht und der jeweils aktuelle Stand der Angebote bekannt gemacht. Die Anbieter können nun in sich anschließenden Ausschreibungsrunden darauf reagieren und die jeweiligen Niedrigstgebote unterbieten, bis sich kein Anbieter mehr findet der ein niedrigeres Gebot abgibt.

Demzufolge ist eine derart ausgestaltete Ausschreibung für den Einsatz zur Honorierung von Umweltleistungen nicht praktikabel, da sowohl Lerneffekte als auch ein Abweichen von der individuellen Preiskalkulation Effizienzeinbußen erwarten lassen. Zudem ist die Notwendigkeit eines räumlichen Zusammentreffens der Anbieter als nicht umsetzbar einzuschätzen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass mit Blick auf eine praktische Umsetzung ausschließlich Mehrgüterausschreibungen mit Preis-Mengen-Angeboten und einer verdeckten Angebotsabgabe geeignet sind, da so vermieden werden kann, dass die Informationen konkurrierender Anbieter Berücksichtigung finden können. Darüber hinaus sind die beiden relevanten Ausschreibungstypen (Einheitspreis-Ausschreibung und preisdiskriminierende (Einheitspreis-Ausschreibung) insbesondere im Hinblick auf die durch sie induzierten strategischen Anreize und das demzufolge zu

erwartende Bieterverhalten der Landwirte erneut aufzugreifen und im Detail zu diskutieren.

Der Hauptunterschied zwischen der Einheitspreis-Ausschreibung und der preisdiskriminierenden Ausschreibung liegt darin, dass das individuelle Angebot eines Landwirts im Rahmen einer Einheitspreis-Ausschreibung ausschließlich die Wahrscheinlichkeit einer Zuschlagserteilung und nicht unmittelbar die Höhe der zu erhaltenden Zahlung beeinflusst, wodurch keine Anreize für ein Überbieten in Form eines die jeweiligen Opportunitätskosten übersteigenden Angebotspreises vorhanden sind. Die theoretisch optimale Bietstrategie ist somit die Offenbarung der exakten Opportunitätskosten, da durch einen höheren Angebotspreis die Wahrscheinlichkeit der Zuschlagserteilung reduziert wird und es für den Fall eines geringeren Angebotspreises zu einer Unterkompensation der Kosten der Erbringung einer Umweltmaßnahme kommt.

Demgegenüber ist die Situation innerhalb einer preisdiskriminierenden Ausschreibung dadurch gekennzeichnet, dass sowohl die Wahrscheinlichkeit der Zuschlagserteilung als auch die Höhe der zu erhaltenden Zahlung durch die individuellen Angebote der Landwirte bestimmt werden. Daraus folgt der Anreiz, die tatsächlichen Opportunitätskosten zu überbieten und im Zuge dessen eine zu hohe Zahlung zu realisieren.

Auf der Grundlage dieser vor allem theoretisch geprägten und für die einmalige Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens gültigen Argumentation liegt demnach der Schluss nahe, die Einheitspreis-Ausschreibung einer preisdiskriminierenden Zuschlagserteilung mit dem Ziel einer kostenminimierenden und effizienten Umsetzung vorzuziehen. Dem stehen jedoch einige entscheidende praktische Überlegungen gegenüber, welche nachfolgend einbezogen werden.

Ein zentraler Aspekt ist darin zu sehen, dass Landwirte mit geringen Anpassungskosten überproportional von einer hohen einheitlichen Zahlung profitieren können und es im Rahmen einer Einheitspreis-Ausschreibung zu mitunter massiven Überkompensationen kommen kann. Damit einhergehen Praktikabilitäts- und Akzeptanzprobleme, da zu erwarten ist, dass ein derartiges Vorgehen aus Sicht der Landwirte überwiegend als nicht gerecht und zu kompliziert empfunden wird.

Zudem ist eine Einheitspreis-Ausschreibung für ein wiederholtes identisches Ausschreibungsverfahren dahingehend als ungeeignet anzusehen, dass die Anbieter nach Abschluss der Ausschreibungsrunde aus der einheitlichen Zahlung lernen und

diese Informationen bei kommenden Ausschreibungen Berücksichtigung finden können. Dies hätte ein Abweichen von der individuellen Preiskalkulation mit entsprechenden Effizienz- und Informationseinbußen zur Folge.

Darüber hinaus ist die Einflussmöglichkeit der Vergabestelle anzuführen, mit Hilfe einer Budgetrestriktion oder eines Reservationspreises eine Konkurrenzsituation zu erzeugen und im Rahmen einer wiederholten preisdiskriminierenden Zuschlagserteilung einem Überbieten der individuellen Opportunitätskosten entgegenzuwirken, da mit einem steigenden Angebotspreis in der Regel die Wahrscheinlichkeit einer Zuschlagserteilung abnimmt. Zudem sind bei einer wiederholten Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens die Vorteile der Aufrechterhaltung einer an den individuellen Kosten orientierten Preisbildung ausschließlich bei einer Preisdiskriminierung zu erwarten. Abschließend ist daher die Konzeption einer preisdiskriminierenden Ausschreibung einer Einheitspreis-Ausschreibung vor dem Hintergrund der hier angestrebten praktischen Umsetzung vorzuziehen. 90