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2.1 V IRUS DER K LASSISCHEN S CHWEINEPEST

2.1.2 Die Klassische Schweinepest

2.1.2.1 Epidemiologie

Erstmals beschrieben wurde die Klassische Schweinepest 1833 im Staat Ohio in den USA.

Kurze Zeit danach, 1862, trat die Seuche in Großbritannien auf und breitete sich später auf dem Weg über Skandinavien im restlichen Europa aus. Bereits 1903 entdeckten DE SCHWEINITZ und DORSIT die Virusätiologie der Klassischen Schweinepest (DE SCHWEINITZ u. DORSIT 1903). Nordamerika, Australien, Neuseeland und einige Staaten der EU sind nach einigen Jahren bzw. Jahrzehnten strikter Eradikationsmaßnahmen frei von CSF (ANON. 1997). In allen übrigen Gebieten der Erde kommt das CSFV weiterhin vor und richtet erheblichen wirtschaftlichen Schaden an. Stand früher in der EU die hohe Verlustrate der infizierten Tiere von 90 % im Vordergrund, so sind es heutzutage vornehmlich die wirtschaftlichen Aufwendungen in Form von Keulungsprogrammen, finanziellen Entschädigungen und immunprophylaktischen Maßnahmen, die zu hohen wirtschaftlichen Verlusten führen (FRITZEMEIER et al. 2000, GREISER-WILKE et al. 2000; MOENNIG 1993, 2000; TEUFFERT et al. 1998;).

Die Übertragung der Klassischen Schweinepest kann sowohl horizontal als auch vertikal stattfinden. Die horizontale Übertragung erfolgt vor allem durch direkten Tierkontakt, insbesondere durch Zukauf von adulten Schweinen in Mastbetrieben, die eine subklinische persistierende Infektion aufweisen oder nur abgeschwächte Symptome zeigen (DEPNER et

al. 1997a). Die vertikale Übertragung spielt für die Aufrechterhaltung des Seuchengeschehens eher eine untergeordnete Rolle. Tragende Sauen, selbst oft nur subklinisch erkrankt, übertragen das Virus in utero auf den Fetus. Die auf diese Weise infizierten Ferkel können als persistente Virämiker geboren werden (DONE u. HARDING 1966; MEYER et al. 1981;

FREY et al. 1980). Diese Ferkel stellen eine wesentliche Infektionsquelle für nicht infizierte Tiere dar, da das Virus mit sämtlichen Exkreten über Monate ausgeschieden wird. Sie sind zunächst nicht von nicht infizierten Ferkeln zu unterscheiden, erkranken und verenden jedoch einige Wochen bis Monate nach der Geburt an der chronischen Form des CSF (MEYER et al.

1981).

Mit Erregern kontaminiertes Tierfutter ist ein häufiger Weg zur Einschleppung der Viren.

Meist erfolgte dies in den letzten Jahren durch Küchenabfälle, die das Fleisch infizierter Tiere enthielten. Die Infektiosität des CSFV bleibt in nicht erhitzten Fleischprodukten bis zu zweieinhalb Monaten erhalten (HELWIG 1966; EDWARDS 2000). Auch in gefrorenem Fleisch ist das Virus überlebensfähig. Aktuelle Gesetzesrichtlinien verbieten daher das Verfüttern von Speiseabfällen strikt (FRITZEMEIER et al. 2000; ANON. 1999).

Für die Weiterverbreitung der Seuche ist vor allen Dingen der Handel mit infizierten Tieren verantwortlich, aber auch Personen- und Fahrzeugverkehr sind an der Verschleppung des CSF beteiligt (AHL u. BOTAIN 1997; KAADEN et al. 1994; TEUFERT et al. 1998;

FRITZEMEIER et al. 2000).

Schwarzwild ist als Virusreservoir ein weiteres bekanntes Risiko für den Hausschweinebestand. So sind in Deutschland viele Schweinepestausbrüche der jüngsten Zeit auf eine Übertragung des Virus von Wildschweinen auf Hausschweine zurückzuführen. Auch hier spielt der direkte Kontakt (Weide- mit Wildschweinen) oder das Verfüttern von Wildschweinfleisch (Jäger) eine entscheidende Rolle. Epidemiologische Verbindungen zwischen Schwarzwild und CSF-Ausbrüchen sind in Deutschland, Österreich und Sardinien beschrieben worden (FRITZEMEIER et al. 2000; KRASSNIK et al. 1995; LADDOMADA et al. 1994;). Weiterhin geht auch vom internationalen Handel, sowie dem Import von Tieren oder Nahrungsmitteln eine Gefahr der Einschleppung des CSF aus.

2.1.2.2 Wirtsspektrum

Die natürlichen Wirte des CSFV sind Hausschweine und Wildschweine, die im gleichen Maße empfänglich sind (DEPNER et al. 1997a, b; LADDOMADA 2000). Es konnten aber experimentelle Infektionen mit CSFV bei Rindern, Schafen (ZICHIS 1939; DEPNER et al.

1991; DAHLE et al. 1987), Ziegen (VANNIER 1989), Pekaris und Hirschen (LOAN u.

STORM 1968) induziert werden, allerdings ohne dass eine natürliche Übertragung auf Artgenossen oder auf Schweine nachgewiesen werden konnte. Das Fehlen von CSF-Infektionen bei Wiederkäuern in der Natur ist möglicherweise auf die niedrige Prävalenz des Virus im Feld zurückzuführen (MOENNIG u. PLAGEMANN 1992). Darüber hinaus ließ sich CSFV in Kaninchen passagieren und nach hohen Passagezahlen attenuieren (BAKER 1946;

KOPROWSKI et al. 1946). Weiterhin konnten beim Schwein experimentelle und natürliche

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Infektionen mit „ruminaten“ Pestiviren, namentlich mit dem BVDV und BDV, durch Auslösung einer Immunantwort nachgewiesen werden. Nach Infektionen mit dem BVDV können Schweine ein Krankheitsbild entwickeln, das klinisch nicht von der milden Verlaufsform der Klassischen Schweinepest zu unterscheiden ist (DAHLE et al. 1987;

TERPSTRA u. WENSVOORT 1987). Intrauterine Infektionen von Schweinefeten mit BVDV und BDV können pathologisch-anatomisch ebenfalls nicht von einer Infektion mit schwach virulenten CSFV unterschieden werden (PATON u. DONE 1994).

2.1.2.3 Pathogenese

Haupteintrittspforte für das CSFV in den Organismus ist der Mund- und Rachenraum (oronasal) (DONE u. HARDING 1966). Die Inkubationszeit beträgt etwa fünf bis neun Tage (DEPNER et al. 1994). Die primäre Virusvermehrung findet im lymphoretikulären Gewebe des Nasen-Rachenraums und in den regionären Lymphknoten statt (JEMERESIC et al. 2001;

MENGELING u. PACKER 1963). Nach lymphogener Ausbreitung und Virusvermehrung im lymphatischen Gewebe kommt es zur Virämie (RESSANG 1973a), die durch Lymphozyten vermittelt wird (MENGELING u. PACKER 1969). Die erste virämische Phase beginnt 16 bis 24 Stunden nach oraler Infektion (RESSANG 1973a). Der diagnostische Nachweis vom CSFV im Blut mittels Anzüchtung in der Zellkultur oder mittels RT-PCR gelingt allerdings frühestens nach zwei Tagen p.i. (DEPNER et al. 1994; DEPNER et al. 1996; KADEN et al.

1999). Die Ausbreitung des CSFV in lymphoretikuläres und lymphatisches Gewebe von Milz, Lymphknoten, Knochenmark und Peyer`schen Platten wird durch mononukleäre Zellen vermittelt (RESSANG 1973a). Es folgt eine Virusausscheidung über die Schleimhäute des Maul- und Nasenraumes, des Urogenitaltraktes, des Gastrointestinaltraktes sowie über die Konjunktivalflüssigkeit (RESSANG 1973a, b; VAN OIRSCHOT 1983). In der späten virämischen Phase kann Virusantigen in nahezu allen epithelialen Zellen von Tonsillen, Pharynx, Gastrointestinaltrakt, Niere, Nebenniere, Harnblase, Gallenblase, Pankreas, Speicheldrüsen und Schilddrüse nachgewiesen werden (RESSANG 1973a, b). Das CSFV verursacht dabei Schädigungen von Makrophagen, Endothelzellen (vor allem der Gefäße), Epithelzellen und lymphoretikulären Zellen (RESSANG 1973b). In der Hochphase der Krankheit findet man eine ausgeprägte Thrombozytopenie sowie eine Leukopenie, vor allem der B-Zellenpopulation (SUSA et al. 1992). Die Folge ist eine Immunsuppression, an die sich wiederum Sekundärinfektionen anhängen können. Bei akuten Verläufen beobachtet man eine generalisierte Vaskulitis, der sich vermutlich eine Verbrauchskoagulopathie mit disseminierter intravasaler Gerinnung anschließt. Der dabei entstehende Schockzustand kann dann vermutlich zum Tod des Tieres führen (HEENE et al. 1971; HOFFMANN et al. 1971).

Der genaue Pathomechanismus ist aber weiterhin nicht endgültig geklärt.

2.1.2.4 Klinik und Pathologie

Die Klassische Schweinepest verläuft als zyklische Allgemeininfektion mit einem Krankheitsbild, das durch schwere allgemeine sowie hämorrhagische Erkrankungssymptome gekennzeichnet ist. Dabei können verschiedene Verlaufsformen zur Ausprägung kommen: die

akute, die chronische und die „late-onset“-Form (DEPNER 1997a; MOENNIG 1994; VAN OIRSCHOT 1988). Der Verlauf der Klassischen Schweinepest ist sehr variabel und wird durch Eigenschaften des Wirtes und des Erregers bestimmt. Wichtig sind dabei vor allem Alter (junge Tiere erkranken gewöhnlich stärker), Konstitution des Wirtes und Virulenz des CSFV-Isolates (DAHLE u. LIESS 1995; DEPNER et al. 1997a ; LIESS 1987; VAN OIRSCHOT 1988).

Bei der akut verlaufenden Schweinepest sind die ersten klinischen Symptome eine zunehmende Depression der Tiere und ein Anstieg der Körpertemperatur innerhalb von zwei bis sechs Tagen p.i. auf Werte von 41 bis 42 °C. In der Folge werden häufig zunehmende Inappetenz, Augen- und Nasenausfluss, Konjunktivitis, Durchfall oder Verstopfung beobachtet. Im Endstadium der Krankheit treten i.d.R. ein Schwanken der Hinterhand, Krämpfe und die für die Krankheit charakteristischen Veränderungen in Form von petechialen und ekchymatösen Blutungen (=Hämorrhagisches Syndrom) auf, bevorzugt an Schnauze, Ohren, Gliedmaßen und Bauch aber auch an den inneren Organen (MOENNIG 1993;

DEPNER et al. 1997a; LIESS 1987). Die schließlich festliegenden Tiere verenden meist nach acht bis zwanzig Tagen. Die Mortalität liegt zwischen 20 und 80%. Neben den als typisch angesehenen perakuten und akuten Verlaufsformen werden gerade in den letzten Jahren zunehmend mildere oder auch atypische Verlaufsformen mit vollständiger Genesung beobachtet. Sie erschweren die schnelle klinische und pathologisch-anatomische Diagnose und begünstigen angesichts der hohen Kontagiosität des Virus eine verdeckte Ausbreitung des Virus (DAHLE u. LIESS 1995; DEPNER et al. 1996). Hierbei zeigen die Tiere Fieber, Appetitlosigkeit und Lethargie, die charakteristischen Hautveränderungen und zentralnervöse Störungen bleiben jedoch fast immer aus. Einer der dafür verantwortlichen Faktoren ist die Erregervirulenz. Deshalb wurde eine Unterscheidung von hoch-, schwach- und avirulenten Virusstämmen getroffen (VAN OIRSCHOT 1988; MITTELHOLZER et al. 2000).

Als chronische Form der CSF werden Verläufe mit einer Krankheitsdauer von 30 oder mehr Tagen bezeichnet (MENGELING u. CHEVILLE 1968). Die chronische Form der CSF ist meist mild und läuft ohne die typischen klassischen Symptome der CSF ab (DEPNER et al.

1994). Wachstumsverzögerung, Kümmern, intermittierendes Fieber selten über 41 °C, Diarrhöen und Dermatitiden werden hierbei beobachtet (DEPNER et al. 1996; LIESS et al.

1987). Alle Tiere, die an der chronischen Form leiden, sterben nach ca. 2 bis 3 Monaten.

Problematisch erweist sich die Infektion von tragenden Sauen. Einziger klinischer Hinweis auf eine Infektion ist oft nur ein leichter Temperaturanstieg (MEYER 1981; FREY et al.

1980; FLOEGEL et al. 2000). Pränatal kann das Virus jedoch die Plazentarschranke überwinden. Verlauf und Folgen der Infektion in utero sind abhängig vom fetalen Entwicklungsstadium zum Zeitpunkt der Infektion. Bei Infektionen vor dem 40.

Trächtigkeitstag kann es zu Aborten, Mumifizierungen oder zur Geburt toter oder lebensschwacher Ferkel kommen. Eine CSFV-Infektion zwischen dem 65. und 67.

Graviditätstag führt nicht zum fetalen Tod, sondern ein Großteil der Ferkel wird lebendig geboren und ist zeitlebens persistent virämisch, ähnlich wie Kälber bei der BVDV-Infektion

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des Rindes (FREY et al. 1980; LIESS 1974; MEYER et al. 1981). Dies wird dann als „late-onset“ bezeichnet (MEYER et al. 1981).

Das Auftreten und die Ausprägung der Symptome, vor allem bei der akuten Verlaufsform, sind äußerst variabel, so dass man keines der Krankheitssymptome als pathognomonisch bezeichnen kann. Es ist bei der klinischen Diagnosestellung also eine Vielzahl von Differentialdiagnosen in Betracht zu ziehen.

2.1.2.5 Bekämpfung

Die Klassiche Schweinepest ist international eine Liste A-Erkrankung und in Deutschland anzeigepflichtig. Weltweit lassen sich drei Bekämpfungsstrategien unterscheiden (EDWARDS et al. 2000):

1. CSF-freie Staaten (wie z.B. USA, Australien) erheben strenge Kontrollen und Beschränkungen auf die Einfuhr von Schweinen und deren Produkten aus anderen Ländern.

2. Staaten mit sporadischen CSF-Ausbrüchen (wie viele Länder der EU) setzen Bekämpfungsstrategien ohne Impfung ein.

3. Staaten mit endemischer CSF verfolgen eine Bekämpfungsstrategie mit Impfung.

Innerhalb der EU sind die Bekämpfungsmaßnahmen einheitlich geregelt und basieren auf der Richtlinie 2001/89/EC (ANON. 2001). Diese Richtlinie wurde in Deutschland in der

„Verordnung zum Schutz gegen die Schweinepest und Afrikanische Schweinepest (Schweinepestverordnung)“ in national geltendes Recht umgesetzt. Die Bekämpfung basiert auf Anzeigepflicht bei Verdacht, virologisch-diagnostischen Untersuchungen, epidemiologischen Ermittlungen und Errichtung von Sperr- und Beobachtungsbezirken zur Kontrolle des Tierverkehrs. Im Falle eines festgestellten Seuchenausbruchs werden die Schweine des betroffenen Bestandes und seuchenverdächtiger Kontaktbetriebe getötet (Stamping-out).

Therapeutische Behandlungen sind grundsätzlich verboten. Seit 1992 besteht aufgrund handelspolitischer und ökonomischer Aspekte ein generelles Impfverbot für Hausschweine, obwohl eine effektive attenuierte Lebendvakzine zur Verfügung steht (MOENNIG 2000).

Subunit-Marker-Vakzinen, die eine serologische Differenzierung zwischen Impfung und Feldinfektion zulassen, sind innerhalb der EU zwar arzneimittelrechtlich zugelassen, ihr Einsatz in einer Krisensituation wird von Fachleuten aber noch kontrovers diskutiert (MOENNIG 2000, EDWARDS 2000). Die Tilgung der CSF lässt sich derzeit nur durch Eliminierung des CSFV ohne Impfung erreichen.