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2.2 Produktionserkrankungen

2.2.1 Ketose

Ketose und Leberverfettung treten ein, wenn die physiologischen Mechanismen für die Adaptation des Stoffwechsels an die NEB nicht adäquat verlaufen (HERDT 2000). Dies liegt einerseits an einer nicht ausreichenden hepatischen Glukoneogeneseleistung und andererseits an einer nicht adäquaten Nutzung der durch Lipolyse freigesetzten NEFA (HERDT 2000). Dabei kann eine überschießende Depotfettmobilisierung und eine hohe laktationsbedingte Belastung der Leber zu einer Leberverfettung und Bildung von Ketonkörpern führen (STÖBER 2006).

Eine Schlüsselrolle in der Entwicklung einer Leberverfettung und Ketose spielt die enorme Bevorzugung der fetalen und mammären Geweben in Bezug auf Bereitstellung von Metaboliten gegenüber den anderen Geweben sowie der herabgesetzten Sensitivität und Ansprechbarkeit von leberfremden Geweben auf Insulin (Insulinresistenz) (HAYIRLI 2006).

Literatur

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Wegen der engen Verknüpfung vom Auftreten der Ketose mit Hochträchtigkeit, Abkalbung und Puerperium, Milchleistung, Fütterung und Haltung sowie anderen peripartalen Erkrankungen und der späteren Fruchtbarkeit ist die Ketose eine wirtschaftlich bedeutsame Erkrankung (STÖBER 2006), deren Pathophysiologie, Klinik und Bedeutung im Folgenden im Detail dargestellt wird.

2.2.1.1 Pathomechanismus der Ketose

Die erniedrigte Futteraufnahme zum Laktationsbeginn und die in Bezug auf die rasch ansteigende und energieverbrauchende Milchleistung nicht adäquat schnell genug steigende Trockenmasseaufnahme bedingt vor allem in der Woche nach dem Kalben eine NEB (GRUMMER 1995, HAYIRLI 2006, RUKKWAMSUK et al. 1999, BERTICS et al. 1992) bzw. einen abrupten Wechsel von anaboler zu kataboler Stoffwechsellage (STÖBER 2006).

Als leicht mobilisierbare Energieform sind Kohlenhydrate nur bedingt geeignet, da sie überwiegend der laufenden Glukoneogenese entnommen werden müssen, die auf intraruminalen Anfall von Propionat und metabolischer Freisetzung von glukogenen Aminosäuren, Glyzerin und Laktat angewiesen ist und daher bei plötzlich steigenden Energiebedarf nicht in ausreichender Menge verfügbar sind. Geeignete Energieträger sind die körpereigenen Fettdepots, die normalerweise bis zu einem Drittel des Energieflusses bewerkstelligen und bei übermäßiger Belastung bis zu vier Fünftel des gesamten Energieflusses bewältigen können (STÖBER 2006).

Als Anpassung an den erhöhten Energiebedarf wird vermehrt körpereigenes Fett durch Lipolyse in NEFA und Glyzerin abgebaut (STÖBER 2006, RUKKWAMSUK 1999). Die der Leber über das Blut zugeführten NEFA werden im Weiteren zu Acetylkoenzym A abgebaut, in Anwesenheit von Oxalacetat unter Energiefreisetzung im Zitratzyklus verstoffwechselt (Beta-Oxidation) und dienen in Leber, Milchdrüse und anderen Organen als Energiequelle (ADEWUYI et al. 2005, BAUMAN et CURRIE 1980, STÖBER 2006). Dabei anfallende Fettsäurereste werden in der Leber zu Triglyceriden resynthetisiert, an Apolipoproteine gebunden als Very-low-densitiy-Lipoproteine in die Blutbahn sezerniert und dienen dort Verbrauchergeweben zur Energiegewinnung (STÖBER 2006, RUKKWAMSUK 1999, ADEWUYI et al. 2005).

Bei Hochleistungsmilchkühen besteht die Gefahr, dass es zu einer sehr gesteigerten Lipolyse bei peripartal eintretender NEB kommt. Dann konkurriert die energieliefernde Depotfettmobilisierung mit der laktationsbedingt hohen Glukoneogeneserate in der Leber, welche ebenfalls Oxalacetat benötigt und so in Konkurrenz zur Oxidation der NEFA steht (BAIRD 1968). Da das Oxalacetat vorrangig in der Glukoneogenese genutzt wird, sind die Vorräte an Oxalacetat für die Fettmobilisation bald erschöpft und die NEFA werden bei einem Mangel von Oxalacetat nur unvollständig genutzt und in der Leber zurückgehalten oder zu Ketonkörper (Acetat, Acetoacetat und Betahydroxybutyrat (BHB)) umgewandelt (VAN KNEGSEL 2005, STÖBER 2006, BAIRD 1968). Ein Teil der Fettsäuren kann auch als Triglyceride (gebunden an Apolipoprotein) wieder ins Blut abgegeben werden. Bei deutlicher Lipolyse ist diese Fähigkeit der Eiweißbildung und Ausschleusung in der Leber jedoch auch limitiert und es kommt zur Einlagerung von Triglyceriden in die Leber (STÖBER 2006), sodass es zur Leberverfettung kommt (GRUMMER 1993, RUKKWAMSUK 1999).

Wenn die Bildung der Ketonkörper die Fähigkeit der Verstoffwechselung zur Energiegewinnung oder der Ausscheidung überschreitet, akkumulieren diese Stoffwechselprodukte im Körper und es kann zu einer metabolischen Ketose kommen (BERGMAN 1971).

Man unterscheidet zwischen ruminaler Ketogenese, bei der das Ausgangsprodukt die bei der Vormagenverdauung anfallende Buttersäure ist, aus welcher im Epithel der Vormagenschleimhaut BHB gebildet wird, und der hepatischen Ketogenese, bei der aus den NEFA in der Leber Acetoacetat entsteht (BERGMAN 1971, STÖBER 2006). Acetoacetat kann in extrahepatischen Geweben zur Energiegewinnung oder Fettsynthese genutzt werden (Citratzyklus), wobei das aus Acetoacetat unter Kohlendioxid-Abspaltung entstehendes Aceton teils energetisch verwertet und teils ausgeschieden wird. Beim normoketonämischen Rind macht BHB den Hauptanteil der im Blut kreisenden Ketonkörper aus (BERGMAN 1971);

bei Hypoketonämie verschiebt sich das Verteilungsmuster letzterer dagegen zugunsten von Azetoazetat und Azeton (STÖBER 2006).

Übersteigt nun die Bildung der Ketonkörper deren Verbrauch und Ausscheidung, kommt es zu subklinischer und schließlich klinisch manifester Hyperketonämie. Dies tritt ein, wenn – infolge bevorzugter Verwendung in der Glukoneogenese – nicht mehr genügend Oxalazetat

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zur oxidativen Verbrennung der Ketonkörpervorstufen verfügbar ist (Überwiegen der hepatischen Ketogenese) oder wenn die Nahrung, insbesondere Silage, abnorm viel Buttersäure enthalt (Überwiegen der ruminalen Ketogenese).

Etwa zehn Prozent der vom Organismus gebildeten Ketonkörper werden ausgeschieden, und zwar v.a. über Harn und Milch, in geringem Umfang auch über Atemluft und Körperausdünstung. In Urin bzw. Milch beträgt ihr Gehalt etwa die Hälfte bzw. das Vierfache des jeweiligen Blutspiegels (STÖBER 2006).

2.2.1.2 Symptome der Ketose

Milchkühe, die ihr laktationsbedingtes Energiedefizit mit Hilfe körpereigener Reserven weitgehend auszugleichen vermögen, zeigen bei entsprechender Kontrolle zwar nicht selten eine über das normale Maß hinausgehende Zunahme des Ketonkörpergehalts von Blut, Milch und/oder Harn, aber keine der bei manifester Ketose zu beobachtenden Symptome außer Gewichtsabnahme, mitunter auch Milchrückgang sowie Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit (STÖBER 2006, FOX 1971, BAIRD 1982). In diesem Fall spricht man von einer subklinischen Ketose, eine bedeutsame und verbreitete Erkrankung der frühlaktierenden Milchkuh (DUFFIELD 2000). Es besteht ein deutlich erhöhtes Risiko, dass betroffene Tiere an anderen peripartalen Krankheiten wie Labmagenverlagerung, Nachgeburtsverhaltung, Metritis, Endometritis oder Mastitis erkranken (DUFFIELD 2000, DOHOO 1984, BAIRD 1982, LEBLANC 2010). Der Zustand der subklinischen Ketose kann in klinisch ausgeprägte Ketose übergehen, weshalb der Erkennung der subklinischen Ketose heute zunehmende Aufmerksamkeit gilt. Vor allem wenn die subklinische Ketose unentdeckt bleibt, zieht sie enorme Einschränkungen in der Produktivität (Milchleistung, Reproduktion) nach sich (BAIRD 1982).

Während das Allgemeinbefinden bei subklinischer Ketose unbeeinträchtigt bleibt, treten bei manifester Ketose Störungen der Verdauung und auch solche des Sensoriums und der Lokomotorik auf. Ein frühes Symptom der Ketose ist eine Indigestion, die sich in mangelnder oder wechselnder Fresslust, vermindertem oder ausbleibendem Wiederkauen, herabgesetzter Vormagenmotorik, Obstipation (dunkler, geballter, schleimüberzogener Kot), später mitunter auch Diarrhoe äußert. Die Inappetenz ist oft zunehmend und es kommt zu deutlichem Gewichtsverlust. Damit einhergehend lässt auch die Milchleistung nach (STÖBER

2006, FOX 1971, FRERKING, 1995). Zudem kann auch das Sensorium beeinträchtigt sein, wobei die Tiere in leichteren Fällen lediglich apathisch bis teilnahmslos oder somnolent erscheinen und in schwereren dagegen entweder komatös oder im Falle einer nervösen Ketose periodisch wiederkehrend Erregungszustände zeigen (STÖBER 2006, FOX 1971, FRERKING, 1995). Die nervöse Form der Ketose tritt mit Erscheinungen wie Überköten, schwankender Gang, Lecksucht und leeres Kauen auf (FRERKING, 1995). Kennzeichnend ist der abstoßend süßlich-fade, an überreifes Obst erinnernde Ketonkörpergeruch von Atemluft, Rumpfoberfläche und Harn der Tiere.

Bei der sekundären Ketose wird die Fresslust und/oder Vormagenverdauung durch eine anderweitige, peripartal eintretende Primärerkrankung beeinträchtigt, sodass eine NEB entsteht oder aufrechterhalten wird (STÖBER 2006). Auslöser für eine sekundäre Ketose sind z.B. nutritiver Stress durch abrupten Futterwechsel, Umweltstress durch Umgruppierung oder Transport, Geburtsstress oder andere Primärerkrankungen wie Labmagenverlagerung, Mastitis, Klauenerkrankungen oder ähnliches. Die klinische Symptomatik der sekundären Ketose ist mit der der primären Ketose vergleichbar. Nicht selten stehen jedoch die Symptome der Primärerkrankung im Vordergrund des klinischen Bildes (STÖBER 2006).

Ketose kann nach Absinken der Milchleistung durch damit einhergehender Minderung des Energiebedarfs selbstlimitierend sein. Anderenfalls kann die Erkrankung unter rasch zunehmender Abmagerung zur Unwirtschaftlichkeit des Tieres führen oder infolge hepatosteatosebedingter Leberinsuffizienz puerperales Leberkoma mit hepatogener Enzephalopathie auslösen, welche in der Regel tödlich endet (STÖBER 2006).

2.2.1.3 Vorkommen und Bedeutung

Nach einer Studie von Dohoo (1984) an 32 Kuhherden treten 92 % der Ketoseerkrankungen in den ersten 65 Tagen postpartum auf. Dabei beträgt die Prävalenz der Ketoseerkrankung 12,1

% bzw. in den einzelnen Herden zwischen 0 und 33,9 %. In einer Studie von Asl (2011) wurden zwei, vier und sechs postpartum Untersuchungen an 100 Tieren durchgeführt, wobei Ketoseprävalenzen von 59 % bis 63 % vorlagen. Als Schwellenwert für ketose-positive Tiere wurde eine NEFA-Konzentration von >0,26 mmol/L festgelegt. Dabei waren über den gesamten Zeitraum der sechs Wochen 97 % der Tiere mindestens einmalig als subklinisch

Literatur

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erkrankt erkannt und 30 % der Tiere konnten in allen drei Untersuchungen als erkrankt bestätigt werden.

Nach Rukkwamsuk (1999) ist vor allem eine Überkonditionierung durch zu energiereiche Fütterung vor der Kalbung Grund für Leberverfettung und Ketose. Die NEB bedingt Veränderungen in biochemischen, endokrinologischen und metabolischen Stoffwechselwegen die für Gesundheit, Reproduktion und Milchleistung der Milchkuh wichtig sind. Die hohen NEFA-Konzentrationen durch vermehrte Lipolyse beeinträchtigen das Immunsystem und machen die Kuh für Infektionen anfälliger (RUKKWAMSUK et al. 1999). So betreffen dem Ketosegeschehen der Milchkuh zwangsläufig zuzurechnende Folgen, die erheblich zu seiner wirtschaftlichen Bedeutung beitragen, das Fortpflanzungsgeschehen in Form von vermehrter Neigung zu Nachgeburtsverhaltung und/oder puerperalen Infektionen, verspätetes Auftreten oder schwache Ausprägung der ersten Brunst nach dem Kalben sowie erhöhter Besamungsindex und verlängerte Zwischenkalbezeit (STÖBER 2006, VAN KNEGSEL 2005).

Nach Duffield et al. (2009) und Dohoo (1984) haben Kühe mit Hyperketonämie in den ersten beiden Wochen postpartum ein deutlich höheres Risiko an Erkrankungen wie Labmagenverlagerung oder Metritis zu erkranken. Darüber hinaus ist auch die Milchleistung durch hohe Ketonkörperwerte stark beeinträchtigt.

Van Knegsel et al. (2005) sieht vor allem die Beeinträchtigung der Reproduktionsleistung der Milchkuh als bedeutsamste Folge der Ketoseerkrankung an. Er konnte zeigen, dass hohe Konzentrationen von NEFA und BHB die Reproduktionsleistung der Kuh erheblich beeinträchtigen. Vor allem die unerkannt gebliebene subklinische Ketose ist mit enormen Einbußen der Produktivität einer Milchkuh verbunden, sei es in der Milchleistung oder der Reproduktionsfähigkeit (BAIRS 1982).

Zusammenfassend stellt die Ketose also eine wirtschaftlich hoch bedeutsame Erkrankung der Milchkuh dar, die es durch ihre Auswirkungen auf Kuhgesundheit, Milchleistung und Reproduktionsfähigkeit der Tiere durch präventive und therapeutische Maßnahmen zu vermindern gilt.

2.3 Hypothalamus-Hypophysen-Wachstumshormon-Achse - die Somatotrope Achse

Wie bereits beschrieben spielen in der Transitperiode endokrinologische Regelmechanismen und die individuelle Anpassungsfähigkeit an veränderte metabolische Situationen eine entscheidende Rolle. Der Stoffwechsel von Säugetieren wird von vielen verschiedenen Hormonen über komplexe Feedback- und Kontrollmechanismen reguliert. Dabei spielt laut Renaville et al. (2002) die somatotrope Achse, wesentlich bestehend aus dem Wachstumshormon (engl. growth hormone, GH), dem insulin-ähnlichen Wachstumsfaktor 1 (engl. Insulin-like growth factor, IGF-1), deren zugehörige Transport- und Bindungsproteine sowie deren Rezeptoren, eine wesentliche Rolle bei der Regulation von Stoffwechselvorgängen und physiologischen Abläufen. Innerhalb dieser Achse gibt es andere Hormone wie Insulin, Leptin, Glukokortikoide oder Schilddrüsenhormone, die zum einen direkt, zum anderen aber auch über eine Modulation von GH und/oder der IGF-1-Synthese und deren Verfügbarkeit an der Stoffwechselregulation beteiligt sind (RENAVILLE et al. 2002) Die somatotrope Achse ist für Regulationsmechanismen und Signale des systemischen Wachstums und des Metabolismus von der Fetalperiode an bis in die postnatale Entwicklung wichtig. Bei erwachsenen Tieren sind GH und die IGFs an der Aufrechterhaltung des metabolischen Gleichgewichts, der Zellintegrität und an der Geweberegeneration beteiligt (FRAGO et CHOWEN 2005).

Da die somatotrope Achse ein wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit ist, werden im Folgenden ihre Bestandteile, ihre Regulation und die Bedeutung der somatotropen Achse und ihrer Komponenten in der Transitperiode und bei der Entstehung von Produktionserkrankungen genauer erläutert.

2.3.1 Wachstumshormon; Growth hormone (GH)

GH wird fast ausschließlich im Hypophysenvorderlappen gebildet. Es handelt sich um ein aus 191 Aminosäure bestehendes Peptidhormon (FRAGO et CHOWEN 2005). Das Wachstumshormon kann im Mäusefetus schon am Tag 18 nachgewiesen werden, wobei die Konzentration bis zur Geburt zunehmend ansteigt. Im präpuberalen Zeitraum ist die