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2.3 Hypothalamus-Hypophysen-Wachstumshormon-Achse - die Somatotrope Achse

2.3.2 Insulin-like growth factors (IGFs)

Im Jahr 1957 fand man heraus, dass die Einlagerung von Sulfaten in Knorpelgewebe bei Ratten nicht direkt durch GH stimuliert wird, sondern vielmehr über die Wirkung eines Serumfaktors vermittelt wird (FRAGO et CHOWEN 2005, DAUGHADAY 2000). Man nannte diesen Faktor zunächst Sulfatierungs-Faktor, später Somatomedin und letztlich Insulin-like growth factor-1 und 2. Erst zwanzig Jahre später wurde IGF-1 charakterisiert. Die Terminologie „Insulin-ähnlich“ wurde benutzt, da diese Faktoren in der Lage sind, die Glucoseaufnahme in Fett- und Muskelgewebe zu stimulieren und da sie eine etwa 50%ige Homologie mit Insulin aufweisen.

Es konnte gezeigt werden, dass GH, nachdem es an seinen transmembranen Rezeptor bindet, eine Signalkaskade aktiviert, welche die Transkription von IGF-1 und anderen Zielgenen herbeiführt. Zunächst wurde angenommen, dass das systemische Wachstum von GH gefördert wird, indem es hauptsächlich in der Leber die IGF-1 Produktion stimuliert und IGF-1 dann über die Blutzirkulation an die Zielgewebe gelangt, wo es Mechanismen von Gewebeproliferation, -wachstum und -metabolismus aktiviert. Man ging in der Humanmedizin davon aus, das IGF-1 lediglich in der Leber gebildet wurde, weil Patienten mit chronischen Leberleiden eine deutlich erniedrigte IGF-1-Konzentration aufwiesen (MOLLER et BECKER 1990). Mittlerweile konnte aber gezeigt werden, dass GH auch unabhängig von IGF-1 wirkt und dass die Bildung von IGF-1 in vielen verschiedenen Geweben neben der Leber, zum Beispiel auch im Gehirn, stattfindet. Demzufolge ist davon auszugehen, dass IGF-1 überwiegend lokal, entweder direkt auf die Ausgangszelle (autokrine Regulation) oder auf benachbarte Zellen (parakrine Regulation) wirkt (D’ERCOLE et al. 1984, LE ROITH et al. 2001).

Literatur

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2.3.2.1 Der IGF-1 Rezeptor (IGF-1R)

Der IGF-1 Rezeptor (IGF-1R) trägt zur Regulation der biologischen Funktion vieler Zelltypen bei. Lediglich in reifen B-Lymphozyten und Hepatozyten wird der Rezeptor nicht exprimiert.

Der Rezeptor ist nahezu zu 70% homolog zum Insulinrezeptor. Es sind drei Liganden für den IGF-1R bekannt, nämlich IGF-1, IGF-2 und Insulin (FRAGO et CHOWEN 2005). Bei Bindung eines Liganden an den Rezeptor wird eine Reihe von Vorgängen ausgelöst, die letztlich zur Autophosphorylierung des Rezeptors mittels seiner Tyrosin-Kinase Aktivität führt. Dem folgt eine Interaktion mit bestimmten Zellsubstraten, die die Übertragung von mitogenen und antiapoptotischen Signalen an den Zellkern vermitteln (FRAGO et CHOWEN 2005). Demnach spielt der IGF1R eine bedeutende Rolle bei der Förderung von Zellwachstum, größe und -proliferation sowie im Schutz der Zellen vor einer Vielzahl von apoptotischen Stimuli. Darüber hinaus hat IGF-1R die Eigenschaft, die Zelladhäsion und -motilität zu kontrollieren (FRAGO et CHOWEN 2005).

2.3.2.2 Die IGF Bindungsproteine IGFBPs

Die IGF-Bindungsproteine (IGFBPs) stellen eine Familie von sechs Proteinen dar die IGF-1 und IGF-2 mit einer sehr hohen Affinität binden (CLEMMONS 1997). Da ihre Affinität zu IGF-1 zwei bis fünfzig Mal höher ist als die des IGF-1 Rezeptors, kontrollieren die IGFBPs die Verteilung von IGFs in lösliche IGFBPs in der Interstitialflüssigkeit, IGFBPs die an Zelloberflächen oder in der Extrazellularmatrix gebunden sind oder IGFBPs die an Zelloberflächenrezeptoren gebunden sind (CLEMMONS 1997). Obwohl es sechs IGF-Bindungsproteine gibt, kommen in den meisten Interstitialflüssigkeiten nur drei oder vier Formen vor, von denen meist nur eine oder zwei überwiegen. Die Proteine unterscheiden sich erheblich in ihren biochemischen Eigenschaften voneinander, weshalb ihre biologischen Wirkungen sehr unterschiedlich sind.

Es gibt etliche unterschiedlichen Typen von Proteasen, die in der Lage sind die Bindungsproteine zu spalten (CLEMMONS 1997).

Kommt es zur Spaltung, so werden die Bindungsproteine inaktiviert oder ihre Bindungsfähigkeit zu IGF-1 oder IGF-2 erheblich gemindert. Viele verschiedene Zelltypen sind in der Lage diese Proteasen zu sekretieren, daher können die Faktoren, die die

Proteaseaktivität regulieren, die Wirkung von Bindungsproteinen indirekt kontrollieren (CLEMMONS 1997).

Die zirkulierenden IGFBPs agieren als Transportproteine für IGFs aus dem Blutsystem hin zu ihren Zielgeweben (FRAGO et CHOWEN 2005). Darüber hinaus erhöhen IGFBP die Halbwertzeit von IGFs, da IGFBPs IGF vor Proteolyse schützen. Die meisten Zielgewebe sind in der Lage IGFBPs zu exprimieren, wobei dies abhängig vom Gewebe und Entwicklungsstadium ist. Die Bindungsproteine modulieren die lokale Wirkung von IGFs auf zellulärer Ebene und können die Wirkung von IGFs auf die Zellen verstärken oder hemmen (FRAGO et CHOWEN 2005).

Im Blut liegt IGF-1 in 1000fach höherer Konzentration als Insulin vor, bindet IGF an IGFBP-3 mindestens 80% des IGF-1 in 140-Kilodalton (kDa) Komplexen (bestehend aus Ternärkomplex aus IGFBP-3, acid labile subunit (ALS) und IGF selbst (FRAGO et CHOWEN 2005)), welche nicht in der Lage sind das Endothel der Kapillarwand zu überwinden und verhindert somit dessen insulin-ähnliche Wirkung (BINOUX 1995). Allerdings können diese zirkulierenden IGF Reserven mobilisiert werden indem die Bindung über Proteolyse von IGFBP-3 durch Serinproteasen gespalten wird (BINOUX 1995).

2.3.2.3 Wirkungen von IGF

Der wichtigste Faktor für fetales Wachstum bei Säugetieren ist das IGF-1-System. Vom ersten Trimester an sind IGFs in vielen fetalen Geweben nachweisbar, wobei die Konzentration von zirkulierendem IGF im Laufe der Trächtigkeit ansteigt (FRAGO et CHOWEN 2005). Der wichtigste Regulator der fetalen Konzentration von zirkulierendem IGF-1 ist die Verfügbarkeit von Glucose durch die Plazenta. Glucose erhöht die IGF-1 Konzentrationen durch eine Erniedrigung der Insulinsekretion, welches wiederum die fetale IGF-1-Sekretion reguliert (FRAGO et CHOWEN 2005).

IGF-1 hat viele wichtige physiologische Funktionen. IGF-1 ist mithilfe von parakrinen und endokrinen Mechanismen beteiligt an Zellteilung, -proliferation und -differenzierung sowie an der Aufrechterhaltung der Zellintegrität in vielen Geweben, wobei sie die metabolischen Effekte des Insulins ergänzen (BINOUX 1995, FRAGO et CHOWEN 2005).

Literatur

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Dabei lösen Insulin und IGF vergleichbare Effekte aus, wie zelluläre Hypertrophie (MCCUSKER 1998). IGF fördert die Zellhypertrophie die für Zellüberleben, hyperplasie und -differenzierung notwendig ist, wohingegen Insulin die Zellhypertrophie als Mittel zum Aufstocken der Nährstoffreserven nutzt. Es gibt eine Menge komplexer und interaktiv wirkende Faktoren, die eine maximale IGF-Wirkung nur dann erlauben, wenn die Bedingungen für Wachstum optimal sind. So ist die Konzentration von IGF-1 und die Kopplung der somatotropen Achse auch von Insulin abhängig (BUTLER et al. 2003). Niedrige Insulinspielen haben niedrige IGF-1 Spiegel zur Folge. Umgekehrt führen hohe Insulinkonzentrationen jedoch nicht zu höheren IGF-1-Konzentrationen (MCCUSKER 1998). GH ist in Abwesenheit von Insulin nicht in der Lage, die IGF-1 Sekretion zu stimulieren (MCCUSKER 1998). Hohe Cortisolspiegel beeinflussen die IGF-1 Sekretion negativ. Folglich ist für die IGF-1-Produktaion von einer Interaktion verschiedener Hormone abgängig (MCCUSKER 1998).

2.3.2.4 Entkopplung der somatotropen Achse – Bedeutung des insulin-ähnlichen Wachstumsfaktors in der Transitperiode

Wie bereits erwähnt kommt es bei Milchkühen zum Laktationsbeginn zu einer NEB (LUCY 2008) bzw. zu einem Wechsel von anaboler zu kataboler Stoffwechsellage. In dieser Phase kommt es zur sogenannten „Entkopplung“ der somatotropen Achse. Dabei ist trotz vermehrter GH-Ausschüttung die IGF-1-Produktion gering (RADCLIFF et al. 2003), es kommt zu einer fast 70-prozentigen Verminderung der Plasma-IGF-1-Konzentration. Grund hierfür ist eine hepatische „GH-Resistenz“ die durch eine verminderte Expression und Ansprechbarkeit von GHR gekennzeichnet ist (RADCLIFF et al. 2003, KOBAYSHI et al. 1999). Dabei führt das Energiedefizit in der frühen postpartalen Phase zu einer Verminderung der Expression des leberspezifischen Rezeptor1A Transkripts (GHR1A), wodurch die Anzahl von GH-Rezeptoren in der Leber vermindert wird (RHOADS et al. 2004, RHOADS et al. 2007). Als Konsequenz verringern sich die hepatischen Prozesse die normalerweise von GH stimuliert werden, wie zum Beispiel die GH-abhängige Synthese von IGF-1, sodass es vorübergehend zum Geburtszeitpunkt zu niedrigen Blutkonzentrationen von IGF-1 in Milchkühen der peripartalen Phase kommt (RADCLIFF et al. 2003, LUCY et al. 2001). Radcliff et al. 2003 zeigten, dass die Verminderung der GHR1A Expression unmittelbar vor der Geburt eintritt, was dann

kurz nach der Geburt zu verminderten IGF-1 Werten führt. Dabei war die Verminderung von GHR1A mRNA kurz vor der Geburt vergesellschaftet mit einer Verminderung von Progesteron und einer Erhöhung von Östradiol (RADCLIFF et al. 2003). Dabei konnten Rhoads et al. (2007) aufzeigen, dass vor allem Futterrestriktionen in der Frühlaktation das Energiedefizit fördern und somit die GH-Wirkung vermindert wird. Es ist darüber hinaus bekannt, dass die NEB die hepatische Synthese von IGF-1 beeinträchtigt und die IGF-1 Konzentrationen im Serum und die IGF-1-mRNA in der Leber demnach beim Rind während der NEB abnehmen (FENWICK et al. 2008). In der Skelettmuskulatur können in der peripartalen Periode keine Veränderung der GHR-Genexpression und der Menge von GHR festgestellt werden. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass GHR eine Rolle bei der Regulation von gewebespezifischen Veränderungen in der Ansprechbarkeit für GH in der peripartalen Phase von Milchkühen spielt (RHOADS et al. 2004).

Durch das komplexe Zusammenspiel der somatrotropen Achse führt die niedrigen IGF-1 Plasma-Konzentration bzw. die niedrige IGF-1 Produktion in der Leber in der Hochträchtigkeit zu einer gesteigerten Bildung und Sekretion von GH (PIECHOTTA et al. 2015). Erhöhte GH-Werte führen wiederum zu einer erhöhten Lipolyserate wodurch das Risiko für überschießende Lipolyse und nachfolgender Ketose erhöht wird (PIECHOTTA et al. 2015).

In der frühen postpartalen Phase nimmt die Konzentration von hepatischem GHR1A wieder zu (LUCY et al. 2001). Die Verminderung der hepatischen GHR1A mRNA geht einher mit einer Phase, in der die Leber refraktär gegenüber GH ist und eine GH-abhängige IGF-1 Synthese und –Sekretion vermindert sind (LUCY et al. 2001). Ist die Leber nicht in der Lage, die Expressionsfähigkeit von GHR1A in der frühen Laktation zurückzuerlangen, so sind die GH-abhängigen Funktionen der Leber stark beeinträchtigt und die Milchleistung stark beeinflusst (LUCY et al. 2001)

Hormone und Metaboliten agieren auch als Sättigungssignale im Gehirn und spielen somit eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Futteraufnahme (LAEGER et al. 2014). Die Hauptregulatoren der Futteraufnahme im Hirn sind der Hypothalamus und der Hirnstamm. Es konnte gezeigt werden, dass IGFs auch die Futteraufnahme beeinflussen können. Dabei hat IGF-1 eine appetithemmende Wirkung. Die Plasmakonzentrationen von IGF-1 nehmen, wie bereits beschrieben, bis zur Kalbung ab und bleiben in der Frühlaktation zunächst erniedrigt,

Literatur

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wobei die Konzentrationen von IGFBP-2 und -4 in der p.p. Phase ansteigen. Die Erniedrigung von Plasmakonzentrationen von IGF-1 und die gleichzeitige Erhöhung von IGFBP-2 und -4 während der p.p. Phase kann auch aufgrund der anorektischen Wirkung von IGF-1 als endokrine Antwort gegen die NEB in frühlaktierenden Kühen angesehen werden (LAEGER et al. 2014).

2.3.2.5 Bedeutung des insulin-ähnlichen Wachstumsfaktors in der Gesundheits-überwachung

Da die in Kapitel 2.2 bereits erläuterten Produktionserkrankungen eine hohe Prävalenz aufzeigen, ist es wichtig diese so früh wie möglich zu erkennen. IGF-1 wird als ein möglicher Indikator zu Abschätzung des Risikos für die Entstehung peripartaler Erkrankungen bei pluriparen Milchkühen beschrieben (PIECHOTTA et al. 2012). Dabei konnte gezeigt werden, dass Kühe, die in den ersten drei Wochen p.p. eine oder mehrere Produktionserkrankungen entwickelten, drei bis sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin niedrigere Plasma-IGF-1 Konzentrationen aufwiesen, als gesunde Kühe (PIECHOTTA et al. 2012). Demnach kann IGF-1 bereits a.p. als Parameter dienen, Kühe mit größerer Krankheitsanfälligkeit frühzeitig zu erkennen (PIECHOTTA et al. 2012)

Darüber hinaus konnte in einer späteren Studie ein pathophysiologischer Zusammenhang zwischen IGF-1 und metabolischen Erkrankungen, hier speziell die Ketose (siehe Kapitel 2.2.1) beschrieben werden (PIECHOTTA et al. 2015). Dabei konnte herausgestellt werden, dass Kühe, die p.p. an einer klinischen Ketose litten, a.p. niedrigere IGF-1 Konzentrationen aufzeigten.

Dies könnte laut Piechotta et al. (2015) daran liegen, dass eine niedrigere IGF-1 Produktion in der Leber in der Hochträchtigkeit die Sekretion von Wachstumshormon erhöht. GH wiederrum führt zu erhöhten Lipolyseraten, weshalb das Ketoserisiko erhöht wird (PIECHOTTA et al. 2015). In der gleichen Studie wurden darüber hinaus auch a.p. niedrigere IGFBP2 Konzentrationen bei Kühen mit Ketose und Nachgeburtsverhaltung im Gegensatz zu gesunden Kühen festgestellt, was wiederrum die Suppression von IGFBP2 durch höhere GH Sekretion wiederspiegelt (PIECHOTTA et al. 2015). Zusammenfassend könnten sowohl IGF-1 als auch IGFBP2 als Früherkennung einer nicht adäquaten Adaptation der Milchkuh an den

hohen Energiebedarf p.p. dienen (PIECHOTTA et al. 2015).

Nach Chagas et al. (2007) hat die langjährige genetische Selektion von Milchkühen auf möglichst hohe Milchleistung zu einer antagonistischen Beziehung zwischen Milchleistung und Reproduktionsfähigkeit der Milchkuh geführt. Da gerade Veränderungen der somatotropen Achse Faktoren wie Glucose, Fettsäuren, IGF-1, Insulin und GH beeinflussen und darüber hinaus auch Stoffwechselvorgänge, Energiebilanz und Futteraufnahme kontrollieren gibt es komplexe Zusammenhänge zwischen somatotroper und gonadotroper Achse, sodass Veränderungen der somatotropen Achse, die wiederrum zu erhöhter Milchleistung führen, ein Auslöser sein könnte für Subfertilität in Milchkühen (CHAGAS et al.

2007). Rhoads et al. (2008) konnten in einer Studie zeigen, dass Kühe, die bei ihrer künstlichen Besamung höhere GHR und IGFBP-2 mRNA Konzentrationen in ihrer Leber aufwiesen eher tragend wurden als Tiere mit niedrigen Konzentrationen. Dabei konnten keine signifikanten Veränderungen von GHR- und IGF-1 mRNA Leveln in Uterus, Gelbkörper oder im dominanten Follikel aufgezeigt werden. Dies lässt darauf schließen, dass der metabolische Status auch ein guter Indikator für Trächtigkeitserfolge ist (RHOADS et al. 2008)