• Keine Ergebnisse gefunden

Inversion an einem Kreis

Im Dokument Ebene Geometrie (Seite 95-98)

Sei K ein Kreis mit Mittelpunkt Z und Radius R. Die Inversion oder Spiegelung am Kreis K ist wie folgt definiert. Sei P ein Punkt, der ungleich Z ist. Sein Bild ist jener PunktQauf der Halbgerade vonZ durchP, f¨ur den|ZP|·|ZQ|=R2 gilt. Der Mittelpunkt Z des Kreises K heißt Inversionszentrum oder kurz Zentrum. Den Radius R des Kreises K nennen wir Inversionsradius und den Kreis K nennen wir Inversionskreis.

Sei jetzt I diese Inversion mit ZentrumZ und InversionsradiusR. Aus obiger Definition erkennt man, dass die Abbildung I ihre eigene Inverse ist. Wenn I(P) =Q gilt, dann gilt auch I(Q) = P. Wir beobachten, dass I(P) umso weiter vom Zentrum Z entfernt ist, je n¨aher P bei Z liegt. Liegt P auf dem Kreis K, dann gilt I(P) =P.

Satz 119: Sei I die Inversion am KreisK mit MittelpunktZ und RadiusR. SeienA und B zwei Punkte, die ungleich Z sind. Dann sind die Dreiecke 4ZAB und 4Z I(B)I(A)

¨

ahnlich. Weiters gilt |I(A)I(B)|= |ZA|·|ZB|R2 |AB|.

Beweis: Die Punkte A undBk¨onnen innerhalb oder außerhalb des KreisesK liegen oder auch auf dem Kreis. Links ist der Fall dargestellt, in dem beide Punkte im Kreis liegen.

Im rechten Bild sieht man den Fall, in dem A im Kreis undB außerhalb des Kreises liegt.

Z A

B

I(A) I(B)

Z A

B

I(A) I(B)

Nach Definition von I liegen die PunkteAund I(A) auf einer Halbgerade, die inZ beginnt, und ebenso die Punkte Bund I(B). Es gilt|ZA|·|Z I(A)|=R2 =|ZB|·|Z I(B)|. Es folgt

|ZA|

|ZB| = ||Z I(A)|Z I(B)|. Da die Dreiecke4ZAB und4Z I(B)I(A) beiZ auch den selben Winkel haben, sind sie ¨ahnlich (das folgt aus dem ¨Ubungsbeispiel vor Satz 33). Nun wenden wir den Strahlensatz auf die ¨ahnlichen Dreiecke 4ZAB und 4Z I(B)I(A) an und erhalten

|I(A)I(B)|

|AB| = |Z I(A)|ZB| |. Wegen|Z I(A)|= |ZAR2| folgt |I(A)I(B)|= |ZAR|·|2ZB||AB|.

Satz 120: Eine Gerade, die durchZgeht, wird durch eine Inversion mit Inversionszentrum Z auf sich selbst abgebildet.

Beweis: Das folgt sofort aus der Definition der Inversion.

Um herauszufinden, wie die Bilder von anderen Geraden und von Kreisen aussehen, stellen wir Geraden und Kreise in der komplexen Ebene dar. Die Variablen in Geraden-und Kreisgleichungen im kartesischen Koordinatensystem sind ¨ublicherweisexundy. Diese werden zur Variable z = x+iy in der komplexen Ebene. Komplexe Zahlen entsprechen dann Vektoren oder Punkten.

Satz 121: Sei a∈C\ {0} und c >0. Dann ist z¯a+ ¯za−c= 0die Gleichung der Gerade, die Normalabstand 2|ca| vom Nullpunkt hat, und f¨ur die a ein Normalvektor ist, der vom Nullpunkt zur Gerade zeigt.

Beweis: Seia=u+iv. Die Gleichungz¯a+ ¯za−c= 0 wird dann zu 2ux+2vy−c= 0. Der Punkt (2u2cu+2v2,2u2cv+2v2) liegt auf dieser Gerade. Der zugeh¨orige Ortsvektor 2u2+2vc 2(uv) steht senkrecht auf die Gerade. Das zeigt, dass a= u+iv ein Normalvektor ist, der vom Nullpunkt zur Gerade zeigt. Der Normalabstand der Geraden vom Nullpunkt ist die L¨ange des Vektors 2u2+2vc 2(uv). Dieser ist daher 2u2+2vc 2

√u2+v2 = 2|a|c .

Satz 122: Sei m C und r > 0. Die Gleichung des Kreises mit Mittelpunkt m und Radius r ist zz¯−zm¯ −zm¯ +|m|2−r2 = 0.

Beweis: Die Gleichung des Kreises mit Mittelpunkt m und Radius r ist |z −m|2 = r2. Das wird zu (z−m)(¯z−m) =¯ r2 oder zz¯−zm¯ −m¯z+|m|2 =r2.

Die Inversion mit ZentrumZ und InversionsradiusRstellen wir in der komplexen Ebene dar. Wir legen das Zentrum Z in den Nullpunkt. Dann ist I(z) = Rz¯2 das Bild von z unter dieser Inversion. Das sieht man am besten in der Polarkoordinatendarstellung.

Ist z = re, dann folgt ¯z = re und I(z) = reR2 = Rr2e. Man sieht, dass z und I(z) dasselbe Argument haben, das heißt beide liegen auf der selben vom Nullpunkt ausgehenden Halbgerade. Weiters gilt |z| · |I(z)| = rRr2 = R2. Damit ist nachgewiesen, dass die Inversion durch die Formel I(z) = Rz¯2 richtig wiedergegeben wird.

Satz 123: Sei I die Inversion mit Zentrum 0 und Inversionsradius R. Sei k ein Kreis, der durch das Zentrum 0 geht. Sein Mittelpunkt sei m. Sein Radius ist dann r = |m|. Sei h die Halbgerade vom Zentrum 0 aus durch m und g die Gerade senkrecht auf h, die Abstand R2r2 vom Zentrum0 hat. Dann werden gund k durch die Inversion I aufeinander abgebildet.

Beweis: Die Gleichung des Kreisesk ist zz¯−zm¯ −zm¯ = 0. Die Gleichung der Geraden g ist zm¯ + ¯zm−c= 0 mit 2|cm| = R2r2, das heißtc=R2. Ersetzt man z in der Gleichung von g durch I(z) = Rz¯2, dann erh¨alt man Rz¯2m¯ +Rz2m−R2 = 0, das ist zz¯−zm¯ −zm¯ = 0, die Gleichung des Kreises k. Umgekehrt funktioniert es auch. Ersetzt man z in der Gleichung von k durch I(z) = Rz¯2, dann erh¨alt man die Gleichung der Geraden g.

Satz 124: Sei I die Inversion mit Zentrum 0 und Inversionsradius R. Sei m C und r > 0, jedoch r 6= |m|. Sei k1 der Kreis mit Mittelpunkt m und Radius r. Sei k2 der Kreis mit Mittelpunkt |mmR|22r2 und Radius R2r

|m|2r2. Dann werden k1 und k2 durch die Inversion I aufeinander abgebildet.

Beweis: Die Gleichung des Kreises k1 ist zz¯−zm¯ −zm¯ +|m|2−r2 = 0. Die Gleichung des Kreises k2 istzz¯|mzmR|¯22r2|mzmR¯|22r2 +(|mR|42|mr|22)2(|mR|24r2r2)2 = 0, die durch Umformen zu zz¯(|m|2−r2)−zmR¯ 2−zmR¯ 2+R4 = 0 wird. Ersetzt man z in der Gleichung von k1 durch I(z) = Rz¯2, dann erh¨alt man die Gleichung von k2. Umgekehrt gilt das auch.

Bemerkung: Wir haben obige Beweise nur f¨ur den Fall durchgef¨uhrt, dass der Nullpunkt das Inversionszentrum ist. Man kann jedoch die gesamte Figur an eine andere Stelle der Ebene verschieben. An der Definition erkennt man, dass sich dadurch das Bild unter der

Inversion nicht ¨andert. F¨ur eine Inversion mit Inversionszentrum Z und Inversionsradius R kann man Satz 123 und Satz 124 folgendermaßen formulieren:

Ein Kreis k mit Mittelpunkt M und Radius r, der durch das Zentrum Z geht, wird auf die Gerade gabgebildet, die Normalabstand R2r2 vom ZentrumZ hat und die senkrecht auf die Halbgerade steht, die von Z aus durch M geht. Umgekehrt gilt das auch. Die Gerade g wird durch die Inversion auf den Kreis k abgebildet.

Ein Kreis k mit MittelpunktM und Radius r, der nicht durch das Zentrum Z geht, wird auf den Kreis mit Mittelpunkt N und Radius s abgebildet, f¨ur den −→

ZN = −−→

ZMd2R−r22

und s = dR22rr2 gilt, wobei d der Abstand des Mittelpunkts M vom Zentrum Z ist.

Insbesondere liegen die Punkte Z, M und N auf einer Geraden, jedoch wird M durch die Inversion nicht auf N abgebildet.

Die Inversion f¨uhrt den Kreis k genau dann in sich selbst ¨uber, wenn R2 = d2−r2 gilt.

Das ist genau dann der Fall, wenn der Kreis k und der Inversionskreis einander in einem rechten Winkel schneiden.

Wir geben einen Beweis des Satzes von Ptolem¨aus mit Hilfe der Inversion.

Satz 125: F¨ur jedes ViereckABCDgilt|AC|·|BD| ≤ |AB|·|CD|+|BC|·|AD|. Gleichheit gilt genau dann, wenn ABCD ein Sehnenviereck ist.

Beweis: Sei I die Inversion mit Inversionszentrum A und mit beliebigem Inversionsra-dius R. Nach Satz 119 gilt dann

|I(B)I(C)|= |AB|·|AC|R2 |BC|, |I(C)I(D)|= |AC|·|AD|R2 |CD|, |I(B)I(D)|= |AB|·|AD|R2 |BD| Die Dreiecksungleichung besagt, dass

|I(B)I(D)| ≤ |I(B)I(C)|+|I(C)I(D)| gilt. Wir setzen die oben gefundenen Gleichungen ein und erhalten

R2

|AB|·|AD||BD| ≤ |ABR|·|2AC||BC|+ |ACR|·|2AD||CD|.

Wir k¨urzen diese Ungleichung durchR2 und multiplizieren sie mit |AB| · |AC| · |AD|. Wir erhalten |AC| · |BD| ≤ |AD| · |BC|+|AB| · |CD|. Damit ist die Ungleichung gezeigt.

Gleichheit gilt genau dann, wenn in der Dreiecksungleichung Gleichheit gilt. Das passiert genau dann, wenn I(B), I(C) und I(D) in dieser Reihenfolge auf einer Geraden liegen.

Nach Satz 123 ist das genau dann der Fall, wenn B, C und D auf einem Kreis liegen, der durch das Inversionszentrum A geht, wobei A auf dem Bogen von B nach D liegt, der C nicht enth¨alt, also genau dann, wennABCD ein Sehnenviereck ist.

F¨ur den n¨achsten Beweis stellen wir einige vorbereitende ¨Uberlegungen an. Sei I die Inversion am KreisK mit MittelpunktZ und RadiusR. SeiP ein Punkt außerhalb vonK. Die Tangenten von P aus an den Kreis K ber¨uhren diesen in den Punkten T1 und T2. Sei Q der Mittelpunkt der StreckeT1T2, das ist auch der Schnittpunkt der Geradenℓ(T1, T2) und ℓ(Z, P). Dann werden die PunkteP und Qdurch I aufeinander abgebildet: Aus dem Kathetensatz angewendet auf das Dreieck 4P T1Z, das bei T1 einen rechten Winkel und Q als H¨ohenfußpunkt hat, folgt ja |ZP| · |ZQ|=|ZT1|2 =R2. Außerdem liegt Q auf der Halbgerade durch P, die von Z ausgeht.

Satz 126: Sei4ABC ein Dreieck mit Eulergerade g. Dann liegt der Umkreismittelpunkt V des Tangentendreiecks auf g. Das Tangentendreieck ist jenes, das von den Tangenten an den Umkreis des Dreiecks 4ABC in dessen Eckpunkten gebildet wird.

Beweis: Sei P der Schnittpunkt der Tangenten an den Umkreis in den Eckpunkten B und C, sei Q der Schnittpunkt der Tangenten in A und C und R der Schnittpunkt der Tangenten in A und B. Dann ist4P QR das Tangentendreieck.

Sei I die Inversion am UmkreisK des Dreiecks4ABC. Nach obiger Bemerkung ist I(P) dann der Mittelpunkt der Strecke BC, I(Q) der der Strecke AC und I(R) der der Strecke AB. Der Umkreis k des Dreiecks4P QR wird durch I auf den Kreis l durch I(P), I(Q) und I(R) abgebildet. Somit ist l der Neunpunktkreis des Dreiecks 4ABC, da er durch dessen Seitenmitten geht. Sein Mittelpunkt N liegt auf der Eulergerade g. Somit liegt auch V auf g, da nach Satz 124 der MittelpunktV des Kreisesk, der MittelpunktN seines Bildkreises l und das Inversionszentrum U auf einer Geraden liegen.

Bei der Inversion an einem Kreis bleiben Schnittwinkel unver¨andert. Wir brauchen diese Eigenschaft nicht. Der Vollst¨andigkeit halber geben wir einen Beweis dieser Eigenschaft.

Sei I eine Inversion mit Zentrum Z. Sei P ein Punkt ungleich Z undg1 undg2 Gerade durch P, die den Winkel α einschließen. Wenn g1 nicht durch Z geht, dann ist I(g1) ein Kreis durch Z, dessen Tangente in Z parallel zu g1 liegt. Wenn g1 durch Z geht, dann ist I(g1) gleich g1, und man kann ebenfalls sagen, dass die Tangente an I(g1) im PunktZ parallel zug1 liegt. Genauso sieht man, dassI(g2) durchZ geht und die Tangente anI(g2) im Punkt Z parallel zu g2 liegt. Die Tangenten im Punkt Z an I(g1) und I(g2) schließen somit ebenfalls den Winkel α ein. Nun ist Q = I(P) neben Z der zweite Schnittpunkt von I(g1) und I(g2). Die Tangenten an I(g1) und I(g2) im Punkt Q sind die Bilder der Tangenten im Punkt Z bei Spiegelung an der Streckensymmetrale der Sehne ZQ.

Daher schließen sie ebenfalls den Winkel α ein. Man sieht somit, dass g1 undg2 in ihrem Schnittpunkt P denselben Winkel einschließen wie I(g1) und I(g2) im Punkt I(P).

Seien jetztk1 und k2 Kreise (oder ein Kreis und eine Gerade), die einander im Punkt P ungleich Z schneiden und dort den Winkel α einschließen. (Ist P gleich Z, dann existiert I(P) nicht.) Seien g1 und g2 die Tangenten an k1 und k2 im Punkt P. Sie schließen ebenfalls den Winkel α ein. Da sich bei der Inversion die Anzahl der Schnittpunkte vonk1

und g1 nicht ¨andert, haben auch I(k1) und I(g1) nur einen Schnittpunkt, das heißt I(k1) und I(g1) ber¨uhren einander im Punkt I(P). Ebenso ber¨uhren I(k2) und I(g2) einander im Punkt I(P). Da I(g1) und I(g2) im Punkt I(P) den Winkel α einschließen, gilt das auch f¨ur I(k1) und I(k2). Man sieht, dass k1 und k2 in ihrem Schnittpunkt P denselben Winkel einschließen wie I(k1) und I(k2) im Punkt I(P).

Im Dokument Ebene Geometrie (Seite 95-98)