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Der Satz von Desargues

Im Dokument Ebene Geometrie (Seite 76-88)

Satz 93 (Archimedes’ Formel) Sei AB eine Strecke der L¨ange 2r und q > 0. Der Punkt C wird auf AB so gew¨ahlt, dass CBAC =q gilt. Sei l1 der Halbkreis ¨uber der Strecke AB, sei l2 der Halbkreis ¨uber der Strecke CB undk0 der Halbkreis ¨uber der Strecke CB. (Der Halbkreis l1 ber¨uhrt l2 in A und k0 in B und die Halbkreise l2 und k0 ber¨uhren einander in C.) In dem Bereich zwischen l1 und l2 liegen weitere Kreise k1, k2, k3 und so fort, die alle l1 von innen und l2 von außen ber¨uhren. Weiters ber¨uhren kn und kn+1 einander von außen f¨ur allen≥0. Seirn der Radius des Kreiseskn. Dann gilt rn= 1+q+qrq2n2 f¨urn≥0.

A C B

Beweis: Es gilt|AC|+|CB|=|AB|= 2r und

|CB|

|AC| = q, also |AC| = 1+q2r und |CB| = 1+q2rq. Der Kreis l1 hat Radius r, der Kreis l2 hat Radius 1+qr und der Kreis k0 hat Radius 1+qrq . Damit ist der Radius r0 des Kreises k0 bereits gefunden. Wir machen weiter mit Induktion.

Wir nehmen an, dass rn = 1+q+qrq2n2 bereits gezeigt ist. Sei u der Radius eines Kreises, der l1 von innen und l2 und kn von außen ber¨uhrt.

In die Formel (1u + 1v + w1 1t)2 = u22 + v22 + w22 + t22 aus Satz 91 ist t =r, v = 1+qr und w = 1+q+qrq2n2 einzusetzen. Ein wenig Herumrechnen ergibt die quadratische Gleichung

1

u2 u21+q+qrq2(n2+1) + (1+q+qrq2(n2+1))2 4qr22n2 = 0 Die L¨osungen dieser quadratischen Gleichung sind

1

u = 1+q+qrq2(n1)2 und u1 = 1+q+qrq2(n+1)2

F¨ur die Radien der beiden Kreise, die l1 von innen und l2 und kn von außen ber¨uhren, erhalten wir 1+q+qrq2(n1)2 und 1+q+qrq2(n+1)2. Der erste ist der Radius rn1 des Kreises kn1, der ja auch die geforderten Eigenschaften hat. Der zweite muss dann der Radius des Kreises kn+1 sein. Wir haben somit rn+1 = 1+q+qrq2(n+1)2 gezeigt. Die Induktion ist gelungen.

3. Der Satz von Desargues

F¨ur den Beweis des Satzes von Desargues stellen wir folgende ¨Uberlegung an. Seien R und S zwei verschiedene Punkte und r und s ihre Ortsvektoren. Sei Q ein weiterer Punkt und q sein Ortsvektor. Dann liegt Q genau dann auf der Gerade ℓ(R, S), wenn q=tr+ (1−t)s f¨ur ein t R gilt. Das ist ja ¨aquivalent zu q=s+t(r−s) f¨ur eint R und s+t(r−s) ist eine Parameterdarstellung der Geraden ℓ(R, S).

Satz 94 (Satz von Desargues) Seien 4ABC und 4DEF zwei Dreiecke, sodass A 6= D, B 6= E und C 6= F gilt. Sei U der Schnittpunkt der Geraden ℓ(A, B) und ℓ(D, E), sei V der Schnittpunkt der Geraden ℓ(B, C) und ℓ(E, F) und sei W der Schnittpunkt der Geraden ℓ(C, A) und ℓ(F, D). Wir nehmen an, dass diese Schnittpunkte existieren und eindeutig sind. Wenn die drei Geraden ℓ(A, D), ℓ(B, E) und ℓ(C, F) durch einen Punkt gehen oder parallel sind, dann liegen die Punkte U, V und W auf einer Gerade.

A

Beweis: Im Folgenden bezeichnen wir die Ortsvektoren zu den Punkten jeweils mit dem entsprechenden Kleinbuchstaben. Wir nehmen zuerst an, dass die Geraden ℓ(A, D), ℓ(B, E) undℓ(C, F) durch einen Punkt P gehen. Wir erhalten

p =t1a+ (1−t1)d=t2b+ (1−t2)e =t3c+ (1−t3)f mit t1, t2, t3 R und t3 6=t1. Addition dieser drei Gleichungen ergibt

(t1−t2)u+ (t2−t3)v+ (t3−t1)w= 0 oder u= tt3t2

Wir nehmen jetzt an, dass die Geraden ℓ(A, D),ℓ(B, E) und ℓ(C, F) parallel sind. Es gilt t1(ad) =t2(be) =t3(cf) mit t1, t2, t3 R

Daraus folgtt1a−t2b =t1d−t2e. W¨urdet1 =t2 gelten, dann h¨atten wirab =de, das heißtℓ(A, B) w¨urde parallel zuℓ(D, E) liegen und wir haben wie oben einen Widerspruch.

Wir erhalten t1 6= t2 und t t1 und t3 6=t1. Addition dieser drei Gleichungen ergibt

(t1−t2)u+ (t2−t3)v+ (t3−t1)w= 0 oder u= tt3t2

Bemerkung: Man kann Satz 94 umkehren. Unter den Voraussetzungen von Satz 94 gilt auch: Wenn die PunkteU,V undW auf einer Gerade liegen, dann gehen die drei Geraden ℓ(A, D), ℓ(B, E) und ℓ(C, F) durch einen Punkt oder sie sind parallel. Den Beweis erh¨alt man, indem man Satz 94 auf die Dreiecke 4W AD und 4V BE anwendet.

Bemerkung: Was kann passieren, wenn man die Existenz der Punkte U, V und W nicht voraussetzt. Dann k¨onnen die im Beweis auftretenden Parametert1, t2 undt3 gleich sein. Wir haben gesehen, dass ℓ(A, B) und ℓ(D, E) parallel sind, wenn t1 = t2 gilt. Gilt t1 =t2 6=t3, dann folgtt1b−t3c= (t1−t3)vundt3c−t1a= (t3−t1)wwie im Beweis und daraus dann ba= t1tt3

1 (vw). In diesem Fall existieren die SchnittpunkteV undW und die drei Geraden ℓ(V, W), ℓ(A, B) und ℓ(D, E) sind parallel. Nat¨urlich kann es auch vorkommen, dass die Schnittpunkte U und W existieren und die drei Geraden ℓ(U, W), ℓ(B, C) und ℓ(E, F) parallel sind, oder dass die SchnittpunkteU undV existieren und die drei Geraden ℓ(U, V), ℓ(C, A) und ℓ(F, D) parallel sind. Gilt hingegen t1 =t2 =t3, dann sind die Geraden ℓ(A, B) und ℓ(D, E) parallel, ebenso die Geraden ℓ(B, C) und ℓ(E, F) und auch die Geraden ℓ(C, A) und ℓ(F, D). Keiner der Schnittpunkte existiert.

4. Parallelogramme

SeiABCDein Parallelogramm. Den PunktAlegen wir in den Nullpunkt und f¨uhren die Vektoren a =−→

AB und b =−→

AD ein. Es sind die Ortsvektoren zu den Eckpunkten B und D des Parallelogramms. Sie sind linear unabh¨angig. Keiner ist ein Vielfaches des anderen.

Gilt sa = tb f¨ur reelle Zahlen s und t, dann folgt s = 0 und t = 0. Der Ortsvektor zum Eckpunkt C ist a+b.

Satz 95: Sei ABCD ein Parallelogramm. Sei kb der Kreis mit Mittelpunkt B durch A und kd der Kreis mit Mittelpunkt D durch A. Sei g eine Gerade durch A. Sei P der Schnittpunkt6=Ader Geradegmit dem Kreiskb. SeiQder Schnittpunkt 6=Ader Gerade g mit dem Kreiskd. Dann gilt |CP|=|CQ|.

Beweis: Sei c ein Richtungsvektor der Gerade g. Diese hat dann Parameterdarstellung x=λc. Der Punkt P liegt auf g und hat vom Punkt B den Abstand kak, da er auch auf dem Kreis kb liegt. Der Ortsvektor des Punktes P ist λc, wobei sich λ auskλc−ak=kak ergibt. Es folgt λ2hc,ci −hc,ai= 0, also λ = 2c,cc,a. Der Ortsvektor des Punktes P ist daher p = 2cc,a2c. Analog erh¨alt man den Ortsvektor q= 2c,bc2c zum Punkt Q.

Es ist |CP|=|CQ| zu zeigen, das heißtkpabk=kqabk. Wir berechnen kpabk=kpk22hp,a+bi+ka+bk2 = 4c,ac42kck2 4c,a⟩⟨cc,a+b2 +ka+bk2

=4⟨c,a⟩⟨c,b⟩

c2 +ka+bk2

Um kqabkzu berechnen, ist in dieser Rechnung nuraund bzu vertauschen. Da sich aber durch Vertauschen von aund b das Ergebnis4c,ac⟩⟨2c,b+ka+bk2 nicht ¨andert, ist kpabk=kqabk gezeigt.

Satz 96: Sei ABCD ein Parallelogramm und d > 0. Auf der Seite BC von B aus in Richtung C tragen wir die L¨ange d auf und erhalten so den Punkt P. Auf der Seite DC von D aus in Richtung C tragen wir ebenfalls die L¨ange d auf und erhalten so den Punkt Q. SeiS der Schnittpunkt der Geradenℓ(B, Q)undℓ(D, P). Dann gilt]BAS =]DAS.

Beweis: Eine Parameterdarstellung der Geradeℓ(B, Q) istx=a1(b+adaa). Eine Parameterdarstellung der Geradeℓ(D, P) istx=b+λ2(a+bdbb). Den Schnittpunkt dieser Geraden erhalten wir durch Gleichsetzen der Parameterdarstellungen. Das ergibt a + λ1(b + daa a) = b + λ2(a + bdb b). Es folgt a(1 + λ1 d

a λ1 λ2) = b(1 +λ2bd −λ2−λ1). Daher muss 1 +λ1da−λ1−λ2 = 0 und 1 +λ2bd −λ2−λ1 = 0

gelten. Die L¨osung dieses Gleichungssystems ist λ1 = ∥a∥+∥b∥−da und λ2 = ∥a∥+∥b∥−db . Der Ortsvektor zum Schnittpunkt S ist daher s= a+1b∥−d(kbka+kakb).

Nun gilths, aai= a+1b∥−d(kbkkak+hb,ai) undhs,bbi= a+1b∥−d(ha,bi+kakkbk).

Es folgt ∥s∥·∥a∥s,a = ∥s∥·∥b∥s,b . Somit ist der Winkel zwischen den Vektoren s und a und der zwischen den Vektoren s und b gleich groß. Es gilt ]BAS =]DAS.

Satz 97: Sei ABCD ein Parallelogramm und M der Mittelpunkt der Seite AB. Sei P der Fußpunkt des Lotes vom Punkt D auf die Gerade ℓ(M, C). Dann gilt |AP|=|AD|. Beweis: Eine Parameterdarstellung der Gerade ℓ(M, C) istx= 12a+λ(12a+b). Seipder Ortsvektor zum Punkt P. Da P auf ℓ(M, C) liegt, gilt p= 12a+λ(12a+b) f¨ur ein λ∈R. Da P der Fußpunkt des Lotes vom Eckpunkt D ist, muss p b senkrecht auf ℓ(M, C) stehen, und damit auch auf den Vektor 12a+b. Es muss hpb,12a+bi= 0 gelten. Es folgt h12ab,12a+bi+λh12a+b,12a+bi= 0 und somit λ= 4∥b∥∥a+2b∥2−∥a∥22.

Nun gilt 4|AP|2 =k2pk2 =ka+λ(a+ 2b)k2 =kak2+ 2λha,a+ 2bi+λ2ka+ 2bk2. Wegen λka+ 2bk2 = 4kbk2− kak2 und ha,a+ 2bi=kak2+ 2ha,bi erhalten wir

4|AP|2 =kak2+λ(2kak2+ 4ha,bi+ 4kbk2− kak2) =kak2+λka+ 2bk2 Wenden wir noch einmal λka+ 2bk2 = 4kbk2− kak2 an, so ergibt sich schließlich

4|AP|2 =kak2+ 4kbk2− kak2 = 4kbk2 Damit ist |AP|=kbk gezeigt, das heißt|AP|=|AD|.

Wir wenden diese Methode auch auf das Dreieck an. Sei 4ABC ein Dreieck. Den Eckpunkt C legen wir in den Nullpunkt und f¨uhren die Vektoren a = −→

CB und b = −→

CA ein. Das sind die Ortsvektoren zu den Eckpunkten B und A des Dreiecks. Sie sind linear unabh¨angig. Die L¨angen der Dreiecksseiten bezeichnen wir wie ¨ublich mit a, b und c und s = 12(a+b+c) ist der halbe Umfang.

Satz 98: Sei 4ABC ein Dreieck und w˜c die Winkelsymmetrale eines Außenwinkels beim Eckpunkt C. SeiWa der Schnittpunkt der Winkelsymmetralewa durchAmitℓ(B, C)und Wb der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale wb durch B mit ℓ(A, C). Dann schneiden die Geraden w˜c, ℓ(A, B) und ℓ(Wa, Wb) einander in einem Punkt P.

Beweis: Die Gerade ℓ(B, C) hat Parameterdarstellung x = λ1a. Ihr Schnittpunkt mit der Winkelsymmetrale wa :x=b+λ2(1c(ab) 1bb) ergibt sich durch Gleichsetzen der Parameterdarstellungen, das heißtλ1a=b+λ2(1c(ab)1bb). Es folgt b(1λc2 λb2) = a(λ1 λc2). Daher muss 1 λc2 λb2 = 0 und λ1 λc2 = 0 gelten. Die L¨osung dieses Gleichungssystems ist λ2 = b+cbc und λ1 = b+cb . Der Ortsvektor zum Schnittpunkt Wa von wa und ℓ(B, C) ist daher b+cb a. Eine analoge Rechnung ergibt den Ortsvektor a+ca b zum Schnittpunkt Wb von wb und ℓ(A, C).

Die Winkelsymmetrale ˜wc hat Parameterdarstellungx=λ1(1aa1bb). Die Geradeℓ(A, B) hat Parameterdarstellung x = a+λ2(ba). Den Schnittpunkt dieser Geraden erhalten wir durch Gleichsetzen der Parameterdarstellungen, das heißtλ1(1aa1bb) =a2(ba).

Es folgt a(λa1 1 +λ2) =b(λ2+λb1). Daher muss λa1 1 +λ2 = 0 und λ2+λb1 = 0 gelten.

Die L¨osung dieses Gleichungssystems ist λ1 = baba und λ2 = baa. Der Ortsvektor zum Schnittpunkt P von ˜wc und ℓ(A, B) ist daher b1a(ba−ab).

Die Gerade ℓ(Wa, Wb) hat Parameterdarstellung x= b+cb a+λ3(a+ca bb+cb a). Setzt man λ3 =a+cba, so erh¨alt man b1a(ba−ab). Daher liegt P auch auf ℓ(Wa, Wb).

Satz 99: Sei 4ABC ein Dreieck. Sei Wa der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durch Amitℓ(B, C)undWb der Schnittpunkt der Winkelsymmetrale durchBmitℓ(A, C). Seien Pa undPb die Punkte, in denen der Inkreis die SeitenBC und AC ber¨uhrt. SeienHa und Hb die Fußpunkte der H¨ohen durch A und B. Dann schneiden die Geraden ℓ(Wa, Wb), ℓ(Pa, Pb) undℓ(Ha, Hb) einander in einem Punkt P.

Beweis: Im Beweis von Satz 98 wurde gezeigt, dass b+cb a und a+ca b die Ortsvektoren zu den Punkten Wa und Wb sind.

Es sei s= 12(a+b+c). Da die Ber¨uhrpunkte Pa und Pb Abstand s−cvom Eckpunkt C haben, sind s−ca a und s−cb b die Ortsvektoren zu diesen Punkten.

Da ⟨a,b⟩a die L¨ange der Projektion des Vektorsb auf den Vektor aund ⟨a,b⟩b die L¨ange der Projektion des Vektorsa auf den Vektorb ist, sind a,ba2aund a,bb2b die Ortsvektoren zu den Punkten Ha und Hb.

Parameterdarstellungen der Geraden ℓ(Wa, Wb),ℓ(Pa, Pb) und ℓ(Ha, Hb) sindx= b+cb a+ λ1(a+ca b b+cb a), x= s−ca a+λ2(s−cb b s−ca a) und x= a,ba2a+λ3(a,bb2b a,ba2a).

Den Schnittpunkt der ersten beiden Geraden erhalten wir durch Gleichsetzen der Param-eterdarstellungen. Das ergibt a(b+cb (1−λ1)s−ca (1−λ2)) =b(s−cb λ2 a+ca λ1). Es folgt

b

b+c(1−λ1)sac(1−λ2) = 0 und sbcλ2a+ca λ1 = 0. Die L¨osung dieses Gleichungssystems ist λ1 = (a+c)((b+c)(sc)ab)

ab(ba) und λ2 = (b+c)(s(ba)(sc)c)ab. Der Ortsvektor zum Schnittpunkt P ist daher (b+c)(s(ba)bc)abb(a+c)(s(ba)ac)aba. Wir m¨ussen zeigen, dass dieser Punkt auch auf der dritten Gerade liegt.

Wir w¨ahlenλ3 = (b+c)(s(ba)c)ba,bab2 in der Parameterdarstellung der dritten Gerade. Das gibt

a,b

a2 (b+c)(s(b−a)ac)b2ab2

a+ (b+c)(s(b−a)bc)abb

Aus c2 = ha−b, a−bi= ha,ai −2ha,bi+hb,bi folgt 2ha,bi= a2+b2 −c2, womit sich dann 2ha,bi = (a+b−c)(a +b+c)−2ab = 2(s−c)(a+b+c)−2ab ergibt. Es folgt ha,bi(b−a) = (s−c)b(b+c)−(s −c)a(a+c)−ab2 +a2b. Damit erhalten wir dann

a,b

a2 (b+c)(s(ba)ac)b2ab2 = (sc)a(a+c)+a(ba)a2 2b =(a+c)(s(ba)ac)ab. Der durch die spezielle Wahl von λ3 auf der Gerade ℓ(Ha, Hb) gefundene Punkt ist somit der Punkt P. Wir haben gezeigt, dass die drei Geraden einander im Punkt P schneiden.

Ubung:¨ Sei 4ABC ein Dreieck und P ein Punkt. Wir spiegeln P am Mittelpunkt der Seite BC und erhalten D. Wir spiegeln P am Mittelpunkt der SeiteAC und erhalten E.

Wir spiegeln P am Mittelpunkt der Seite AB und erhalten F. Man zeige, dass die drei Strecken AD, BE und CF den selben Mittelpunkt M haben. Die Spiegelung am Punkt M f¨uhrt das Dreieck 4ABC in das Dreieck 4DEF ¨uber.

Ubung:¨ Sei 4ABC ein Dreieck mit Schwerpunkt S. Sei M der Mittelpunkt der Seite AB. Sei g eine Gerade durch S. Sie schneide die Seite BC im Punkt P und die SeiteAC im PunktQ. SeiF die Fl¨ache des Dreiecks4ABC undG die des Dreiecks4M P Q. Man zeige, dass G≥ 29F gilt.

Hinweis: Die Fl¨ache des Dreiecks, das von den beiden Vektorenuundvaufgespannt wird, ist 12det(u,v).

1. Geraden 79

2. Kreise 83

3. Spiegelung an einer Geraden 85

Wir fassen die Ebene als die MengeCder komplexen Zahlen auf. Jeder Punkt entspricht einer komplexen Zahl. Auch Vektoren werden durch komplexe Zahlen dargestellt. So lassen sich geometrische Sachverhalte in Aussagen ¨uber komplexe Zahlen ¨ubersetzen. Die Menge der imagin¨aren Zahlen bezeichnen wir mit I.

Um umst¨andliche Formulierungen zu vermeiden, werden wir oft Punkte und komplexe Zahlen identifizieren, ebenso Vektoren und komplexe Zahlen. Wenn zum Beispiel von einer Gerade durch zwei komplexe Zahlen gesprochen wird, dann ist nat¨urlich die Gerade durch die beiden Punkte gemeint, die diesen komplexen Zahlen entsprechen. Und wenn gesagt wird, dass zwei komplexe Zahlen aufeinander senkrecht stehen, dann ist nat¨urlich gemeint, dass die Vektoren aufeinander senkrecht stehen, die diesen komplexen Zahlen entsprechen.

Die Addition zweier komplexer Zahlen entspricht der Vektoraddition. Die Multiplikation mit einer komplexen Zahl l¨asst sich als Drehstreckung interpretieren. Wir werden weitere geometrische Sachverhalte mit Hilfe komplexer Zahlen formulieren.

Im ersten Abschnitt dieses Kapitels geben wir Bedingungen daf¨ur an, dass Geraden senkrecht aufeinander stehen oder parallel liegen, und daf¨ur, dass drei Punkte auf einer Geraden liegen. Damit beweisen wir dann S¨atze ¨uber das Dreieck und auch einen ¨uber das Sehnenviereck.

Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels geben wir eine Formulierung des Peripheriewinkel-satzes und des TangentenwinkelPeripheriewinkel-satzes mit Hilfe komplexer Zahlen. Diese hat den Vorteil, dass man keine Fallunterscheidungen machen muss. Aus dem Peripheriewinkelsatz erh¨alt man eine Bedingung daf¨ur, dass vier Punkte auf einem Kreis liegen. Aus dem Tangen-tenwinkelsatz erh¨alt man eine Bedingung daf¨ur, dass drei Punkte auf einem Kreis liegen und ein vierter Punkt auf der Tangente an den Kreis in einem dieser drei Punkte. Damit beweisen wir dann die S¨atze von Miquel und Brocard.

Im dritten Abschnitt dieses Kapitels finden wir eine Formel f¨ur die Spiegelung eines Punktes an einer Geraden. Daf¨ur wird die konjugiert komplexen Zahl verwendet. Wir beweisen damit einige S¨atze ¨uber das Dreieck, insbesondere die S¨atze ¨uber die Steinerger-aden.

In Kapitel IX wird ebenfalls Geometrie in der komplexen Ebene betrieben. Wir finden dort Gleichungen f¨ur Gerade und Kreise und eine sehr einfache Formel f¨ur die Inversion an einem Kreis. Weitere Anwendungen der komplexen Zahlen in der Geometrie findet man in dem Buch “Liang-shin Hahn: Complex Numbers and Geometry, MAA, 1994”.

In “Gregoire Nicollier: Minimal Proof of a Generalized Droz-Farny Theorem, Forum Geometricorum 16, 2016, 397-398” wird eine Verallgemeinerung des Satzes von Droz-Farny mit Hilfe komplexer Zahlen bewiesen. Der Beweis ist im Wesentlichen derselbe wie der im Ubungsbeispiel am Ende von Abschnitt 4 in Kapitel IV.¨

1. Geraden

Der folgende Satz gibt Bedingungen daf¨ur, dass Punkte eine bestimmte Lage zueinander haben. Wir verwenden dazu das Argument argz einer komplexen Zahlz 6= 0. Das ist der Winkel, den man erh¨alt, wenn man von der positiven reellen Achse im Gegenuhrzeigersinn bis zum Vektor wandert, der der komplexen Zahlz entspricht. F¨ur komplexe Zahlenpund q gilt argpq = argp+ argq und argpq = argp−argq.

Satz 100: Seien u, v, w und z komplexe Zahlen mit u6=v und w6=z. Dann gilt (1) u−v senkrecht auf w−z wuvz I (u−v)( ¯w−z)¯ I

(2) u−v parallel zu w−z w−zuv R (u−v)( ¯w−z)¯ R

(3) v,wundz auf einer Gerade wv−zz R (v−z)( ¯w−z¯)R v¯z+zw+w¯¯ v∈R Beweis: (1) Die komplexen Zahlen u− v und w− z (als Vektoren aufgefasst) stehen senkrecht aufeinander genau dann, wenn arg (u−v)−arg (w−z) = argwuvz gleich ±900 oder gleich ±2700 ist. Das ist genau dann der Fall, wenn w−zuv imagin¨ar ist. Die zweite Aquivalenz folgt durch Multiplikation mit der reellen Zahl (w¨ −z)( ¯w−z).¯

(2) Die komplexen Zahlen u−v und w−z (als Vektoren aufgefasst) sind parallel genau dann, wenn arg (u−v)−arg (w−z) = argwuvz gleich 00 oder gleich ±1800 ist. Das gilt genau dann, wenn wuvz reell ist. Die zweite ¨Aquivalenz folgt wieder durch Multiplikation mit der reellen Zahl (w−z)( ¯w−z).¯

(3) Da v, w und z genau dann auf einer Gerade liegen, wenn v = z gilt oder wenn v−z undw−z parallel liegen, ergibt sich mit Hilfe von (2), dass die ersten beiden ¨Aquivalenzen in (3) gelten. Weiters gilt (v−z)( ¯w−z) =¯ vz¯+zw¯+w¯v−zz¯(vw¯+w¯v). Da vw¯+w¯v als Summe einer Zahl und ihrer konjugiert Komplexen in R liegt und ebenso zz¯ = |z|2, erhalten wir auch die dritte ¨Aquivalenz in (3).

Senkrechte Geraden: Zum Aufw¨armen behandeln wir den H¨ohenschnittpunkt eines Dreiecks. Danach wird es komplizierter.

Satz 101: Die drei H¨ohen eines Dreiecks schneiden einander in einem Punkt.

Beweis: Wir fassen die Eckpunkte des Dreiecks als komplexe Zahlen a, b und c auf.

Wir legen das Dreieck so, dass der Schnittpunkt der H¨ohe durch a und der durch b der Nullpunkt ist. Der Vektor voncnachbund der von 0 nacha stehen senkrecht aufeinander, daher ist (b−c)¯a imagin¨ar. Ebenso stehen der Vektor von c nach a und der von 0 nach b senkrecht aufeinander, daher ist auch (a−c)¯bimagin¨ar. Durch Subtraktion erh¨alt man, dass (b−c)¯a−(a−c)¯b= b¯a−a¯b−c(¯a−¯b) imagin¨ar ist. Da aber b¯a−a¯b als Differenz einer Zahl und ihrer konjugiert Komplexen imagin¨ar ist, ist auchc(¯a−¯b) imagin¨ar. Damit ist bewiesen, dass der Vektor von 0 nach c und und der Vektor von b nach a senkrecht aufeinander stehen. Das heißt, 0 liegt auch auf der H¨ohe durch c.

Ubung:¨ Man zeige mit Hilfe komplexer Zahlen, dass die drei Symmetralen der Seiten eines Dreiecks einander in einem Punkt schneiden.

Satz 102: Auf die Seiten eines Dreiecks4ABC als Basis werden gleichschenkelige Drei-ecke 4AF B,4BDC und4CEAgesetzt. Seiha die Senkrechte aufℓ(E, F)durch A, sei hb die Senkrechte auf ℓ(D, F) durch B und hc die Senkrechte auf ℓ(D, E) durch C. Dann schneiden diese drei Geraden einander in einem Punkt.

Beweis: Wir fassen die Eckpunkte des Dreiecks als komplexe Zahlena, b undc auf. Wir legen das Dreieck so, dass der Schnittpunkt der Geraden ha undhb der Nullpunkt ist. Die Punkte D, E und F entsprechen dann komplexen Zahlen d, e und f.

Die Gerade durch a und b steht senkrecht auf die Gerade durch f und den Mittelpunkt

a+b

2 der Dreiecksseite von a nach b. Daher gilt (f a+b2 )(¯a−¯b) I. Ausmultiplizieren ergibt fa¯−f¯b− 12a¯a+ 12a¯b− 12b¯a+ 12b¯b∈ I. Da aber 12a¯b− 12b¯a als Differenz einer Zahl und ihrer konjugiert Komplexen imagin¨ar ist, gilt auch f¯a−f¯b− 12a¯a+ 12b¯b I. F¨uhrt man dieselbe Rechnung auch f¨ur die anderen beiden Dreiecksseiten durch, dann erh¨alt man e¯c−e¯a− 12c¯c+ 12a¯a I und d¯b−d¯c− 12b¯b+ 12c¯c∈ I. Addiert man diese drei Ausdr¨ucke, so ergibt sich fa¯−f¯b+e¯c−e¯a+d¯b−d¯c∈I.

Die Geradenhaundhb gehen durch den Nullpunkt. Somit gilt (e−f)¯a Iund (f−d)¯b∈I. Addiert man diese beiden Ausdr¨ucke zu dem, den wir zuletzt erhalten haben, dann ergibt sich e¯c−d¯c I, also (e−d)¯c I. Das aber bedeutet, dass der Nullpunkt auch auf der Geraden durchcliegt, die senkrecht auf die Gerade durchdundesteht, also aufhc. Damit ist gezeigt, dass die drei Geraden ha, hb und hc durch einen Punkt gehen.

Projiziert man den Punkt, der einer komplexen Zahl z entspricht, auf die reelle Achse, dann erh¨alt man den Punkt, der der komplexen Zahl 12(z+ ¯z) entspricht.

Satz 103: Sei 4ABC ein Dreieck und h eine Gerade. Seien D, E undF die Fußpunkte der Lote von den Eckpunkten A, B und C auf die Gerade h. Sei ga die Senkrechte durch D auf ℓ(B, C), gb die Senkrechte durch E auf ℓ(A, C) und gc die Senkrechte durch F auf ℓ(A, B). Dann schneiden die Geraden ga, gb und gc einander in einem Punkt P. Dieser Punkt P heißt Orthopol der Geraden h und des Dreiecks 4ABC.

Beweis: Wir k¨onnen Dreieck und Gerade so in die komplexe Ebene legen, dass die Gerade auf der reellen Achse liegt. Die Eckpunkte des Dreiecks entsprechen komplexen Zahlen a, b und c. Die Fußpunkte der Lote sind d= 12(a+ ¯a), e = 12(b+ ¯b) und f = 12(c+ ¯c). Sei p die komplexe Zahl, die dem Schnittpunkt P der Geraden ga undgb entspricht. Dann folgt (p−d)(¯b−¯c)∈Iund (p−e)(¯c−a)¯ I. Es gilt (p−d)(¯b−¯c)+(p−e)(¯c−a) = (p¯ −f)(¯b−a)+w¯ mit w =fb−a)¯ −d(¯b−¯c)−e(¯c−¯a) = 12(c¯b−b¯c+a¯c−c¯a+b¯a−a¯b). Da die Differenz einer komplexen Zahl und ihrer konjugiert Komplexen in I liegt, erhalten wir w I. Es folgt (p−f)(¯b−a)¯ I. Das zeigt, dasspauch auf der Geraden durchf liegt, die senkrecht auf die Gerade durch a und b steht, also auf gc.

Satz 104: Sei ABCD ein Sehnenviereck mit Umkreis k. Seien kAB, kBC, kCD und kDA

die B¨ogen, in die k durch die Punkte A, B, C und D geteilt wird. Sei P der Mittelpunkt von kAB, Q der von kBC, R der von kCD und S der von kDA. Dann stehen die Strecken P Rund QS senkrecht aufeinander.

Beweis: Der Umkreis k sei der Einheitskreis. Die Ecken des Sehnenvierecks entsprechen komplexen Zahlen e, e, e und e mit 00 ≤α < β < γ < δ < 3600. Seiε =α+ 3600. Die Mittelpunkte der B¨ogen entsprechen dann den komplexen Zahlenp=eiα+β2 ,q=eiβ+γ2 , r = eiγ+δ2 und s = eiδ+ε2 . Wir setzen u = eiα2, v = eiβ2, w = eiγ2 und z = eiδ2. Wegen

ε

2 = α2 + 1800 gilt eiε2 =−eiα2 =−u. Wir erhalten p=uv, q =vw, r =wz und s =−zu.

In der folgenden Rechnung ist zu beachten, dass u¯u = 1,v¯v= 1, ww¯ = 1 undzz¯= 1 gilt.

(p−r)(¯q−s) = (uv¯ −wz)(¯vw¯+ ¯zu) =¯ uw¯+v¯z−zv¯−w¯u

Da uw¯−w¯u und v¯z −zv¯ imagin¨ar sind, ist auch (p−r)(¯q−¯s) imagin¨ar. Somit stehen p−r und q−s aufeinander senkrecht, das sind die StreckenP R und QS.

Ubung:¨ Sei 4ABC ein Dreieck mit Umkreis k. Seien kAB, kBC und kCA die B¨ogen, in diekdurch die PunkteA,BundCgeteilt wird. SeiP der Mittelpunkt vonkAB,Qder von kBC und R der von kCA. Dann stehen die StreckenP C und QR senkrecht aufeinander.

Aufgesetzte Figuren: Es gilbt viele S¨atze ¨uber Figuren, die auf den Seiten eines Dreiecks aufgesetzt werden. Wir beweisen zwei dieser S¨atze. Dabei verwenden wir, dass die Multip-likation mit einer komplexen Zahlλ vom Betrag 1 eine Drehung um den Winkel φ= argλ bewirkt. Sind U und V Punkte, die den komplexen Zahlen u und v entsprechen, dann entspricht die komplexe Zahlu+(v−u)λdem Punkt, den man erh¨alt, wenn manV um den PunktU um den Winkelφdreht. Hat die komplexe Zahl λden Betragc6= 1, dann erfolgt zus¨atzlich zur Drehung eine zentrische Streckung mit Zentrum U und Streckungsfaktorc.

Satz 105: Auf den Seiten eines Dreiecks4ABC werden gleichseitige Dreiecke aufgesetzt.

Sei D die Spitze des Dreiecks auf BC, E die des Dreiecks aufAC und F die des Dreiecks auf AB. Dann gilt |AD| = |BE| = |CF| und die Geraden ℓ(A, D), ℓ(B, E) und ℓ(C, F) schneiden einander in einem Punkt, dem Fermatpunkt, und bilden dort Winkel von 600. Beweis: Wir fassen die Eckpunkte des vorgegebenen Dreiecks als komplexe Zahlen a, b und c auf. Die Spitzen der ¨uber den Dreieckseiten errichteten gleichschenkeligen Dreiecke entsprechen komplexen Zahlen, die wir mit f, d und e bezeichnen. Sei λ = 12 +i

3

2 =

1

2 +itan 602 0. Die Multiplikation mit λ bewirkt eine Drehung um 600. Damit erhalten wir d=c+ (b−c)λ=c+ (b−c)(12 +i

Das bedeutet, dass die Strecken von c nach f, von a nach d und von b nach e gleich lang sind, und dass die Winkel zwischen diesen Strecken 600 betragen.

Das Dreieck liege so, dass der Schnittpunkt der Gerade durch a und d mit der durch b und e der Nullpunkt ist. Da d, a und 0 auf einer Geraden liegen, ist d¯a = b¯aλ+c¯aλ¯ reell. Da e, b und 0 auf einer Geraden liegen, ist e¯b = c¯+a¯b¯λ reell. Addition ergibt, dass b¯aλ+a¯¯+c¯a¯λ+c¯ reell ist. Da aber b¯aλ+a¯¯ als Summe einer Zahl und ihrer konjugiert Komplexen reell ist, ist c¯aλ¯+c¯ reell. Das ist gleich cf¯. Damit ist bewiesen, dass c, f und 0 auf einer Geraden liegen, das heißt, 0 liegt auch auf der Gerade durch c

Das Dreieck liege so, dass der Schnittpunkt der Gerade durch a und d mit der durch b und e der Nullpunkt ist. Da d, a und 0 auf einer Geraden liegen, ist d¯a = b¯aλ+c¯aλ¯ reell. Da e, b und 0 auf einer Geraden liegen, ist e¯b = c¯+a¯b¯λ reell. Addition ergibt, dass b¯aλ+a¯¯+c¯a¯λ+c¯ reell ist. Da aber b¯aλ+a¯¯ als Summe einer Zahl und ihrer konjugiert Komplexen reell ist, ist c¯aλ¯+c¯ reell. Das ist gleich cf¯. Damit ist bewiesen, dass c, f und 0 auf einer Geraden liegen, das heißt, 0 liegt auch auf der Gerade durch c

Im Dokument Ebene Geometrie (Seite 76-88)