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Animated Cadavre Exquis: Herausforderungen für kollaborative Formen des Filmemachens in

3 Chained Animations in der Ausbildung

3.4 The Invention of Numbers

Im Falle der Case Study The Invention of Numbers (AT 2021) wurden 30 Studierende in 9 Gruppen gefasst und auf 3 Termine zu je 3 Gruppen verteilt, um dann im Rahmen der geltenden Covid-19-Bedingungen in den Animationsstudios an ihren Animationsfragmenten zu arbeiten. Auf Basis einer Einleitungsveranstaltung wurde das Leitmotiv „The Invention of Numbers” als konzeptioneller Rahmen vorgestellt und einstimmig angenommen. Die

Aufgabenstellung forderte die Reflexion zur „Idee der Zahl” an sich und den damit verbun-denen wissenschaftlichen, mathematischen bzw. politischen Konsequenzen bzw. Abhängig-keiten im privaten oder öffentlichen Handeln. Die in der Preproduktion vorgestellten Ideen stellten einen hohen Grad der Identifikation mit dem Thema dar und mündeten trotz relativ isolierter Arbeitsweise zu intrinsisch motivierten Momenten. Zur Abstimmung aller Teilneh-mer*innen diente die Kommunikationsplattform Discord, wobei den einzelnen Gruppen im Sinne des Cadavre Exquise die ausgearbeiteten Konzepte der anderen nicht bekannt waren.

Die Reihenfolge und Montage der einzelnen Sequenzen wurde durch die Lehrveranstaltungs-leiter bestimmt (Abbildung 1) und den Studierenden präsentiert. Als weitere Aufgabe musste jedes Team ein Objekt aus ihrem Animationsfilm als Übergang zum nächsten Clip auswählen, das an das nachfolgende Team weitergegeben wurde. Die Teams bekamen das Übergangs-objekt unmittelbar vor der Produktion und mussten ihr Konzept daraufhin anpassen. Flexibili-tät, Improvisation und Spontanität waren hier besonders gefordert.

Abbildung 1. Nach der Konzeptpräsentation wurde von den Lehrveranstaltungsleitern die Reihenfolge der einzelnen Animationssequenzen bestimmt. Die Studierenden wählten als Übergang ein Objekt aus ihrer Sequenz aus, das an das nachfolgende Tema weitergegeben wurde.

Die Chained Animation übersetzte die Methode des Cadavre Exquis insofern ins Filmische, als dass jedes Produktionsteam ein physisches Objekt aus ihrer animierten Szene an das fol-gende Team übergeben musste, wobei zusätzlich die zwei zuletzt aufgenommenen Fotografi-en der vorangegangFotografi-enFotografi-en SequFotografi-enz als ReferFotografi-enz für einFotografi-en nahtlosFotografi-en Anschluss diFotografi-entFotografi-en. Nach der technischen Einführung und Überarbeitung der Storyboards wurde die chronologische Reihung der Konzepte auf Basis narrativer, technischer oder logistischer Gesichtspunkte festgelegt. Die Kommunikation zwischen den Beteiligten wurde dabei zur Gänze über die Kommunikationsplattform Discord abgewickelt. Dort fanden auch etwaige Abstimmungen und Umfragen statt. Nach zentraler Sammlung und Montage aller Beiträge wurden der finale Film via Videokonferenz präsentiert.

Den entscheidenden Vorteil, eine Chained Animation mit 30 Studierenden auch mit sehr geringen Präsenzphasen und reduzierter Absprache zu bewältigen, boten der bewusst breite konzeptionelle Ansatz sowie die Methode des Cadavre Exquis, die es erlaubt, dezentral und ohne zwingend physischem Kontakt an einem gemeinschaftlichen Produkt kreativ zu arbei-ten. Vom Standpunkt des kollaborativen Ansatzes der Chained Animation betrachtet, durften im Vergleich zu den vorangegangen Case Studies aufgrund der Hybridlehre und der Limitati-on der OnlinekommunikatiLimitati-on durchaus Einschränkungen beobachtet werden. Das Animated Cadavre Exquis erwies sich dennoch als sehr geeignete kollaborative Animationsform, die die maßgeblichen Faktoren der Chained Animation (Reglement und Sicherheit, Kommunikation und Struktur, Identifikation und gemeinsame Vision) aufweist.

Abbildung 2. An zwei Produktionstagen setzten Teams von drei bis vier Studierenden ihre Konzepte für den Animationsfilm The Invention of Numbers im Animationsstudio um. In der Postproduktion wurden die einzelnen Sequenzen montiert, vertont und zum finalen Film zusammengefügt.

4 Fazit

Die immanenten Eigenschaften des Reglements von Cadavre Exquis und dessen Überset-zung für die Anwendung in Chained Animations hinterließen äußerst positive Eindrücke. Ne-ben dem erfolgreichen Abschluss des kollaborativen Filmprojektes empfanden die Mehrheit der teilnehmenden Studierenden diese Form als besonders spannend und kreativitätsför-dernd. Als essenzielle Herausforderung stellten sich das Spiel mit dem Zufall, das Einlassen auf das Ungewisse sowie die geforderte Flexibilität bei der Verbindung der Einzelstücke dar.

Was in herkömmlichen Production-Pipelines einer chronologischen Notwendigkeit zufolge einer logischen Ordnung unterliegt, wird durch diese Kreativitätsmethode bewusst durchein-andergewürfelt und fordert ein Umdenken aller Beteiligten. Eigenständigkeit, Limitation und Spontanität schaffen Rahmenbedingungen, die sich mit den geltenden Covid-19-Bestim-mungen, wie eingeschränkter Präsenzunterricht oder Distance-Learning außerordentlich gut verbinden lassen.

Tabelle 1. Vergleich und Wertung diverser Faktoren im kollaborativen Prozess des Filmemachens anhand der Fallbeispiele von Home (2016), Utopia Now (2017), Draft One (2018) im Vergleich mit The Invention of Numbers (2021).

Vor allem in kollaborativen Prozessen können diverse Faktoren für intrinsische Motivations-momente beobachtet oder gar klassifiziert werden. Wie die bisherigen Fallbespiele gezeigt haben, ist ein Vergleich dieser Faktoren bzw. der angewandten Reglements durchaus er-kenntnisreich (siehe Tabelle 1). Im Gegensatz zu den vorangegangen kollaborativen Ansät-zen erscheint die Methode des Cadavre Exquis beinahe als Paradoxon. Wo doch bewusst gestreute Desinformation für Limitationen und Hindernisse sorgen können, werden sie hier als kreatives Stilmittel zum Nährboden des Kreativ- bzw Kollaborationsprozesses und erfrischen den Hochschulalltag durch die unkonventionelle Form des didaktischen Ansatzes.

Literaturverzeichnis

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Medienverzeichnis

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The Invention of Numbers (AT 2021, Regie: 30 Studierende, Konzeption/Organisation: Juergen Hagler und Remo Rauscher, Produktion: FH OÖ Campus Hagenberg).

Think Twice (At 2020, Regie: 32 Studierende, Konzeption/Organisation: Juergen Hagler und Remo Rauscher, Produktion: FH OÖ Campus Hagenberg) [URL: https://www.youtube.com/watch?v=iA27p-mVfG0A&list=PLkTNqSLgZYrd6JmtcheuGLSaEXEVML1kP]. Letzter Zugriff: 29.06.2021.

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