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Integriertes Planen und Bauen

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 137-140)

Querschnittsaufgabe Baukultur

 Um- und Weiterbauen im Bestand erfor-dern die Berücksichtigung vielfältiger Rahmenbedingungen, die nicht immer offensichtlich sind und teilweise widersprüchlich erscheinen – wie zum Beispiel die Vereinbarung des Innenentwicklungsziels und des Erhalts von qualitätsvol-len Freiflächen im Bestand. Die vermeintlich leichtere Alternative wird häufig im Neubau am Siedlungsrand gesehen, tatsächlich werden dadurch jedoch zusätzliche Probleme geschaffen wie verödende Ortskerne, wachsende Ver-kehrsströme und monofunktionale Siedlungsgebiete. Die Weiterentwicklung des Bestands stellt hingegen eine dauerhaft nachhaltige Aufgabe dar und die damit verbundenen Herausforderungen lassen sich nur im Rahmen eines inte-grierten Planungsprozesses und mit einer ressortübergreifenden Zusammen-arbeit auf allen Ebenen der Stadtentwicklung bewerkstelligen. Denn deutlich

Wettbewerbe in Deutschland

ingenieur- und architekturrelevant nach Bundesländern 2016 Quelle: competition 2017

Veränderung gegenüber dem Vorjahr Mecklenburg-Vorpommern

ausgeprägter als in einem Neubauquartier werden bei einer Planung im Bestand die Belange anderer Fachressorts berührt.

Die Komplexität von Ideen und Projekten hat insgesamt zugenommen, kooperative Prozesse gewinnen dadurch an Bedeutung. Am Beispiel neuer Mobilitätsformen wird deutlich, dass es nicht nur verwaltungsintern einer stär-keren Vernetzung zwischen Stadtplanung und Verkehrsplanung bedarf. Ein Austausch zwischen Kommunen und Industrie oder Immobilienwirtschaft ist genauso wichtig wie das Einbinden von bürgerschaftlichem und zivilgesell-schaftlichem Engagement. Und letztendlich ist ein Mitnehmen und Einbinden der Öffentlichkeit elementar, denn ohne die Bevölkerung als Nutzer bleiben neue Mobilitätsangebote Theorie und Nachnutzungskonzepte für Gebäude und Bra-chen ohne Verbindung zum städtebauliBra-chen Kontext.

Besonders ertragreich für die Bestandsentwicklung sind Akteure, die nicht nur ihr einzelnes Vorhaben, sondern die Folgewirkungen für das Bestandsquar-tier mit in den Blick nehmen. Die Montag Stiftungen sind aus diesem Grund in einigen Städten ein wichtiger Partner, da sie Nachbarschaftsinitiativen unter-stützen, die gemeinschaftlich Immobilien entwickeln und dabei das Gemeinwohl des Quartiers in den Blick nehmen. Diese und vergleichbare Initiativen benötigen einen festen Ansprechpartner in der Verwaltung, der sie auf Augenhöhe in die Bestandsentwicklung von Quartieren integriert. Im Ergebnis wirken kontinuier-lich unterschiedkontinuier-liche Experten mit ihrem Fachwissen an Baukultur mit.

Aus gutem Grund macht der Bund seit 2012 ein integriertes Planungskon-zept, das unter Beteiligung der Öffentlichkeit entstanden ist, zur Voraussetzung in allen Programmen der Städtebauförderung und stellt zusätzlich Fördermittel zur Erarbeitung der integrierten Konzepte zur Verfügung. Im Programm Stadt-umbau liegen in nahezu 90 % der Programmkommunen städtebauliche Ent-wicklungskonzepte vor und in knapp 10 % sind sie in Erarbeitung. Tatsächlich sind Einzelmaßnahmen am besten im Rahmen eines integrierten Gesamtkon-zepts wirksam. Somit leisten Förderprogramme einen deutlichen Beitrag für eine integrierte Bestandsentwicklung in der kommunalen Praxis.

Die Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) verlangt in ihrem Positionspapier „Städte in Deutschland 2030“, dass staatliche Unter-stützungs- und Finanzierungsprogramme die Interdisziplinarität konsequent fordern und fördern. Der Deutsche Städtetag (DST) formuliert in seinem Posi-tionspapier „Planungs- und Baukultur in der integrierten Stadtentwicklung“

gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) u. a. das Ziel, die Bauherrenfunktion der Städte und Gemeinden weiter zu stärken und dem Kompetenzabbau in der Verwaltung entgegenzuwirken. Planungs- und Bauleistungen, insbesondere in der konzeptionellen Phase, sollen von der Behörde selbst bearbeitet werden. Diese Forderung ist elementar und zielfüh-rend. Denn in der Kommunalverwaltung ist das Wissen der vielen verschiedenen Fachressorts gebündelt und auf kurzem Wege vernetzbar. Mit Blick auf die Komplexität einer integrierten Stadtentwicklungsstrategie muss das Qualifika-tionsprofil für eine Tätigkeit in der Planungs- und Bauverwaltung jedoch ent-sprechend erweitert werden, so der DST.

Die Kommunalumfrage zum Baukulturbericht 2016/17 hat ergeben, dass nur sehr wenige Kommunen in Deutschland diese Gestaltungskompetenz wahrnehmen. Lediglich 9 % der Befragten gaben an, eine städtebauliche Rahmenplanung oder einen städtebaulichen Vorentwurf nicht an externe Dritte

133 Baukulturbericht 2018/19 – Die Fokusthemen

zu vergeben. 11 % erarbeiten selbst die Flächennutzungsplanung und 3 % die Bebauungspläne. Es wäre ein wichtiger und richtiger Schritt, wenn Kommunen auch auf konzeptioneller Ebene wieder mehr Verantwortung übernehmen, damit die Bestandsentwicklung an Qualität gewinnt. Aufgabe der Planungsbehörden sind nicht nur das Verwalten, Moderieren und Beraten, sondern auch das Steu-ern und Gestalten.

Vorbild Baukulturgemeinden

 Integrierte Strategien für die Stadtentwick-lung entfalten ihre Wirkung auf allen Ebenen einer Stadt. Ausgehend vom einzelnen Objekt zieht baukulturelle Qualität Kreise im Quartier und auf gesamtstädtischer Ebene. Das vielfach ausgezeichnete Konzerthaus in der bayerischen Gemeinde Blaibach, das bereits im Baukulturbericht 2016/17 vorgestellt wurde, verdeutlicht die Effekte, die Baukultur haben kann. Im Zuge des bayernweiten Modellvorhabens „Ort schafft Mitte“ zur Bekämpfung von Verödung und Leerstand in ländlichen Gemeinden wurde durch eine private Initiative ein modernes Konzerthaus mitten auf dem Marktplatz errichtet. Es dient dem jährlichen Musikfestival Kulturwald als Veranstaltungsort und steht darüber hinaus auch lokalen und regionalen Vereinen, Initiativen und Künstlern zur Verfügung. Damit belebt das Bauwerk nicht nur den einst von Leerstand bedrohten Ortskern, sondern setzt starke Impulse für den Kulturtourismus über die Gemeindegrenze hinweg. Auch in der bayerischen Marktgemeinde Winklarn möchte man mit einem Umbauvorhaben aktiv der Leerstandsproble-matik entgegentreten. In einem derzeit teilweise leerstehenden und denkmal-geschützten ehemaligen Anwesen soll ein Zentrum für Baukultur und Denk-malpflege eingerichtet werden. Ein Teil der Anlage wurde bereits in einem ersten Bauabschnitt mit Unterstützung der Städtebauförderung und der Denk-malpflege in einen öffentlichen Veranstaltungssaal und Seniorenwohnungen umgewandelt. Das Zentrum für Baukultur und Denkmalpflege soll sich nach Fertigstellung in erster Linie dem Erhalt und der Aktivierung historischer Bau-ten widmen. Dabei soll die räumliche Nähe zur Tschechischen Republik für eine länderübergreifende Zusammenarbeit genutzt werden.

Baukultur entwickelt sich in den Städten aufgrund von vielen einzelnen Projekten an unterschiedlichen Standorten und über einen langen Zeitraum hinweg. Der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e. V. würdigt diese baukulturelle Leistung, indem regelmäßig eine vollständige Ausgabe der Verbandszeitschrift eine ausgewählte Stadt porträtiert. 2017 wurden Vorhaben aus Münster vorgestellt, etwa die Aufwertung des innerstädtischen Stadtraums durch den Umbau eines alten Parkhauses zu einem Wohn- und Geschäftshaus.

Das kontinuierliche Wachsen und Verändern des Siedlungsgefüges erfordert Qualität an jedem Standort und bei jeder Bauaufgabe – besonders in Bau-kulturgemeinden. Der Begriff „Baukulturgemeinde“ geht auf den österreichi-schen Baukulturgemeindepreis zurück, der regelmäßig vom Verein LandLuft ausgelobt wird. In Deutschland hat der Verein zwischen 2011 und 2013 im BBSR-Forschungsvorhaben „Baukultur in ländlichen Räumen“ und zwischen 2014 und 2016 im BBSR-Forschungsvorhaben „Baukultur konkret“ baukulturell engagierte Gemeinden und Initiativen in ländlichen Räumen begleitet. Aber auch in mittleren und großen Städten ist ein ganzheitlicher Baukulturanspruch möglich und nötig. Die Stadt Kassel hat diesen Anspruch zur Selbstverpflichtung gemacht und 2017 eine „Charta für Baukultur“ beschlossen. Die Charta formuliert

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