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Akzeptanz der Umnutzung von Kirchen und Kapellen

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 94-97)

Zustimmung zu neuen Nutzungsmöglichkeiten

Quelle: Bevölkerungsbefragung zum Baukulturbericht 2018/19

95 %

89 Baukulturbericht 2018/19 – Die Fokusthemen

Leute“ der Wüstenrot Stiftung ist dörflichen Kirchen, Klöstern und anderen kirchlichen Gebäuden gewidmet. Die Landesinitiative StadtBauKultur NRW brachte 2014 die Publikation „Kirchen geben Raum – Empfehlungen zur Neu-nutzung von Kirchengebäuden“ heraus. Die Wüstenrot Stiftung lobte 2016 den bundesweiten Wettbewerb „Kirchengebäude und ihre Zukunft“ aus. Prämiert wurde eine Kirche in Olpe, die weiterhin sakral genutzt wird, sich aber nach dem Umbau stärker zum Stadtteil öffnet. Seit 2017 bieten die Architekten- und Inge-nieurkammern in NRW gemeinsam mit den beteiligten Bistümern und beteilig-ten Landeskirchen Unterstützungsangebote für Kirchengemeinden und Kom-munen an, bei denen sich Umbau- oder Umnutzungsbedarf abzeichnet. Im Rahmen der IBA Thüringen werden von der Evangelischen Kirche in Mittel-deutschland anhand des Projekts „Stadtland: Kirche“ neue Nutzungsmöglich-keiten erprobt.

Es gibt bereits zahlreiche Beispiele von Kirchenumnutzungen, die von Kre-ativität zeugen. Den „Preis der Stiftung KiBa 2018 – Kirche in Szene setzen“

erhielt die mit einer Lichtinstallation versehene Kapelle des Dorotheenstädti-schen Friedhofs I aus den 1920er-Jahren in Berlin. In Köln wurde die ehemalige Lutherkirche zur Kulturkirche Köln und in Lippstadt wird die evangelische Jacobi-kirche im historischen Stadtkern seit einigen Jahren multifunktional genutzt – sowohl als Gotteshaus als auch als Veranstaltungszentrum für Konzerte, Vor-träge, Lesungen und Ausstellungen. In Viersen-Dülken ist in einer denkmalge-schützten Kirche betreutes Wohnen untergebracht und in Aachen wurde aus der ehemaligen Kirche St. Elisabeth eine „Digital Church“ mit Büro- und Gewer-beräumen. Neue Nutzungen in Sakralgebäuden werden von der Bevölkerung jedoch unterschiedlich beurteilt. Insbesondere kulturelle Nutzungen finden eine hohe Zustimmung. Weniger akzeptiert werden sowohl Gastronomie oder Wohnungen als auch Sport- und Gewerbenutzungen. Aus Sicht von Baukultur ist jede erhaltene Kirche ein Stück gerettete Identität der Europäischen Stadt.

Dabei sollten Umbauten nah dem Ursprungszweck und reversibel bleiben.

Handwerkliche Kompetenz

 In die Instandsetzung und Sanierung von Gebäu-den muss in regelmäßigen ZeitabstänGebäu-den investiert werGebäu-den, damit das Gebäude nutzbar und zukunftsfähig bleibt. Die handwerkliche Sorgfalt, mit der Gebäude und Bauwerke gebaut und erneuert werden, ist dabei von erheblicher Bedeutung.

Bei der Kommunalumfrage zum Baukulturbericht 2014/15 setzten die befragten Kommunen mit 85 % die handwerkliche Sorgfalt an Platz vier der wichtigen Aspekte von Baukultur. Handwerkliche Qualität wird in Deutschland u. a. dadurch gewährleistet, dass viele Handwerke aus der Baubranche dem Meisterzwang unterliegen. Bei Um- und Ausbauten an Wohnungen zählen Maurer und Beton-bauer, Zimmerer und Dachdecker, Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer sowie Steinmetze zum zulassungspflichtigen Handwerk, ebenso wie Stucka-teure, Maler und Lackierer. Vom Meisterzwang befreit sind u. a. Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller sowie Estrichleger.

Öffentliche Bauherren sind an die Beauftragung zugelassener Handwerks-betriebe gebunden, private Bauherren können je nach persönlichen Fähigkeiten viel in Eigenarbeit leisten, müssen aber im Zweifelsfall haften bzw. sich entspre-chend versichern. Werden Fördermittel in Anspruch genommen, müssen auch private Bauherren für eine fach- und sachgerechte Ausführung der Sanierungs-arbeiten einstehen. Instandsetzungs- und SanierungsSanierungs-arbeiten an Denkmalen

erfordern zudem die Abstimmung mit der Denkmalpflege, bevor sie genehmigt werden. Auch müssen sie nach Abschluss der Maßnahmen von der Denkmalbe-hörde abgenommen werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Bau-maßnahmen am historischen Vorbild ausgerichtet sind und dem Erhalt des authen-tischen Erscheinungsbildes ebenso wie dem Erhalt der Bausubstanz dienen.

Damit die Sanierung eines historischen Gebäudes sach- und fachgerecht gelingt, müssen Handwerksbetriebe neben einer hohen Fachkompetenz und dem Wissen um aktuelle Baustoffe und Technologien auch ein großes Ver- ständnis für historische Handwerkstechniken und traditionelle Bauweisen mit-bringen. Anderenfalls beeinträchtigen die Sanierungsarbeiten nicht nur das historische Erscheinungsbild, sondern führen schnell zu bauphysikalischen Schäden am Gebäude. Historische Handwerkstechniken sind Teil des immate-riellen Kulturerbes, das die UNESCO seit 2003 auszeichnet. Hierzu zählen u. a.

Vergoldetechniken der Kirchenmalerei, die Zubereitung und Anwendung von traditionellem Kalkmörtel oder auch das Handwerk zum Eindecken von Reetdächern. Beispiele wie der Kulturpalast in Dresden oder der Bahnhof Sangerhausen veranschaulichen die spezifischen Merkmale und Sanierungs-bedingungen, die auch jüngere Bauepochen mit sich bringen.

Derzeit profitieren Handwerksbetriebe von einer guten Auftragslage, wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mit seinem Konjunkturbericht 2017 feststellt. Historische Handwerkstechniken und Baustoffe kommen jedoch im Zuge des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts nicht immer zur Anwen-dung. Zum einen lassen Industrialisierungs- und Digitalisierungstendenzen his-torische Kenntnisse und Fähigkeiten zu einem Spezialistentum mit überschau-barem Markt werden. Zum anderen stellen Normierungen, aktuelle Richtlinien und entsprechende Gewährleistungsbedingungen Hürden für den Einsatz his-torischer Techniken und Materialien dar. Als offenkundiges Hemmnis für das hochqualifizierte Handwerk gestalten sich zudem Ausschreibungsverfahren mit unspezifischen Auslobungen und zu großen Losen. Laut einer Befragung der Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege aus dem Jahre 2010 wird die Qualifikation „Restaurator im Handwerk“ bei Ausschreibungen für Maßnahmen an Denkmalen relativ selten gefordert. Auch bei einzelnen Spezialisierungen kommt es durch ungenaue Formulierungen im Auslobungstext nur selten zu einer fachgerechten Beauftragung. Der Posten für Fenster an historischen Gebäuden wird beispielsweise meist nur mit „Glas“ oder „antikisierendes Glas“ aufgeführt.

Eine bauzeitlich korrekte Verglasung für alle denkmalgeschützten Gebäude von vor 1906 würde dagegen mundgeblasenes Zylinderglas voraussetzen, wie es beim Justizpalast in München oder bei der Marienkirche in Wittenberg zur Anwen-dung kam. Wird dies nicht ausdrücklich gefordert, unterliegen spezialisierte Betriebe im Vergabeverfahren der Konkurrenz, die ihre schlichteren Leistungen deutlich günstiger anbieten kann. Die öffentliche Hand kann diese und weitere hemmende Faktoren in Vergabeverfahren auf den Prüfstand stellen und zuguns-ten einer stärkeren Berücksichtigung qualitativer Aspekte abbauen.

Wie beachtlich die Leistung sensibel vorgenommener Sanierungen ist, zei-gen nicht zuletzt verschiedene Preise und Ehrunzei-gen. Mit dem „Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege“ würdigen die Deutsche Stiftung Denkmal-schutz und der ZDH seit 1993 private Denkmaleigentümer und die von ihnen beauftragten Handwerksbetriebe für vorbildliche Sanierungsleistungen. Er wird jährlich in zwei Bundesländern ausgelobt. Auch der jährliche KfW-Award „Bauen“

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würdigt neben vorbildlichen Neubauten das Umbauen, Anbauen und Moderni-sieren im Bestand. 2018 werden Bauherren zum Thema „Ästhetisch und effizient Wohnraum schaffen und modernisieren“ ausgezeichnet. Aus baukultureller Sicht leisten aber auch schon „Pinselstrichsanierungen“, also kleine Aufwertungs-maßnahmen am Gebäude, einen attraktiven Beitrag zum Erhalt des historischen Baubestands. Gerade Altbauten, die bereits Patina angesetzt haben, sind leben-dige Zeugen der baukulturellen Geschichte. Die rechtzeitige und fachlich rich-tige Instandsetzung ist die einfachste, schonendste und kostengünstigste Art der Denkmalpflege, wie die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in ihrer jüngsten Publikation „Zwischen Welt und Erbe“ schreibt.

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