• Keine Ergebnisse gefunden

Identität und Charakter der Europäischen Stadt  Die Europäische Stadt wird baulich mit der Stadt der kurzen Wege und des menschlichen Maßstabs

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 22-25)

gleichgesetzt, da die Ursprünge des städtischen Siedlungswesens auf Kom-paktheit und Nutzungsmischung beruhen.

Mit zunehmendem Grad an Suburbanisierung und funktionaler Trennung ist die ursprüngliche Idee der Europäischen Stadt an vielen Orten verloren gegan-gen. Dagegen ist das Ideal von Nutzungsmischung und Kompaktheit, von einer Stadt der kurzen Wege, nach wie vor das Leitbild von Stadtentwicklung. Mit der

„Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ wurde 2007 diese Idee erneuert. Im Kern begründet die Charta eine Selbstverpflichtung für die Mit-gliedstaaten der EU, Strategien der integrierten Stadtentwicklung zu verfolgen und der Ausgrenzung benachteiligter Stadtgebiete entgegenzuwirken.

Der Ursprung einer gemeinsamen Siedlungsgeschichte und die Verständi-gung auf gemeinsame Werte sind die Basis für das Europäische Kulturerbejahr 2018 unter dem Motto „Sharing Heritage“. Der Bund hat hierzu den Wettbewerb

„Europäische Stadt – Entwicklung aus dem Bestand“ ausgelobt und die Kommunen bundesweit dazu aufgefordert, Konzepte, Strategien und Projekte im Kontext des baukulturellen Erbes der Europäischen Stadt zu erarbeiten. In der auf der europäischen Kulturministerkonferenz zum Kulturerbejahr 2018 ver abschiedeten Davos-Deklaration 2018 wird Baukultur erstmals als inter-nationaler Begriff verwendet. Baukultur umfasst dabei den gesamten Baube-stand, einschließlich Denkmale und anderer Elemente des Kulturerbes, sowie die Planung und Gestaltung von zeitgenössischen Gebäuden, Infrastrukturen, von öffentlichem Raum und von Landschaften. In Zeiten zunehmender Urbani-sierung, Schrumpfung vor allem in ländlichen Räumen, Ressourcenknappheit

17 Baukulturbericht 2018/19 – Die Ausgangslage

und Flächenbedarf für Siedlungen und Verkehr bestehe dringender Bedarf an einer Aufwertung der gebauten Umwelt. Mit der Erklärung von Davos soll daher die Stärkung von hochwertiger Baukultur international zum politischen Anliegen gemacht werden.

Freiräume und Kulturlandschaften im Wandel

 Jede Phase der Urbanisie-rung hat auch unterschiedliche Freiräume hervorgebracht. Im Mittelalter dien-ten Stadtplätze vor allem dem Marktgeschehen und Versammlungen. Gärdien-ten fanden sich vor allem in Burg- oder Klosteranlagen. Im Barockzeitalter wurden rund um die Residenzen Gartenanlagen errichtet, zunächst als streng geome-trische Barockgärten wie die Herrenhäuser Gärten in Hannover, später als Land-schaftspark oder Landschaftsgarten mit fließenden Elementen wie beim Fürst-Pückler-Park Branitz in Cottbus oder beim Gartenreich Dessau-Wörlitz. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden neben den Hausgärten der Stadtbe-wohner auch zunehmend Bürgergärten und Gartenlokale außerhalb oder am

Schöne deutsche Landschaften

Beliebte Motive der Landschaftsmalerei

Quelle: Cornelia Fölber und Sabine Tzschaschel 2002

Anzahl der Motive 19. Jahrhundert:

über 600 400–600 100–400 50–100 10–50 unter 10 Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts:

100–400 50–100 10–50 unter 10

Rande der Innenstädte. Dem öffentlichen Raum kamen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eher ästhetisch-repräsentative Funktionen zu. Spätestens im Zuge der Industrialisierung wurde die Erholungsfunktion zum besonderen Anlie-gen. Die Idee der Gartenstadt entstand und in den zunehmend dichter bebauten Städten diente der Volkspark als Erholungsraum.

Die Nachkriegsjahre mit der Idee der gegliederten und aufgelockerten Stadt haben ebenfalls deutliche Akzente gesetzt. Nicht nur großzügige Grünflächen in den Siedlungen, sondern auch öffentliche Grünanlagen erfuhren in den 1950er- und 1960er-Jahren einen weiteren Bedeutungszuwachs. Offenheit, freie Formen, arten- und strukturreiche Pflanzungen, künstlerische Installationen und vor allem Brunnen zählen mit zu den spezifischen Ausstattungsmerkmalen von Parkanlagen der damaligen Zeit. Sie entstanden auch im Zuge von Bundes-gartenschauen oder Internationalen Gartenbauausstellungen und wurden als fließende Kulturlandschaften konzipiert. Der Rheinpark in Köln, der bereits 1912 für eine Ausstellung angelegt wurde und 1957 für die BUGA Köln seine heutige Dimension erhielt, ist beispielhaft für viele dieser Anlagen.

Klassische Motive der Landschaftsmalerei stellen häufig das stimmige Zusammenwirken von weiten, charakteristischen Kulturlandschaften und regionalen kompakten Siedlungen oder Einzelbauwerken dar. So wie unter-schiedliche Freiräume die Städte prägen, wirken historische Bauwerke und Kulturdenkmale auf die Kulturlandschaft ein. Oft gibt es bewusst hergestellte Blick- und Wegebeziehungen sowie spezifische topografische Lagen, die den Standort einer Kapelle, Wallfahrtskirche oder Burg begründen. Ebenso sind Brücken Teil der gestalteten Kulturlandschaft. Viele historische Eisenbahn-brücken sind Kulturgüter von herausragender Bedeutung wie zum Beispiel die Göltzschtalbrücke im Vogtland, die Hohenzollernbrücke in Köln, die Müngstener Brücke in Solingen, die Hochbrücke in Rendsburg oder das Chemnitztalviadukt in Chemnitz. Das Durchschnittsalter der Eisenbahnbrücken in Deutschland beträgt 88 Jahre, die ältesten Bauwerke stammen aus der Anfangszeit der Bahn von 1835.

Wie wichtig und prägend Ingenieurbauwerke für die Kulturlandschaft sind, veranschaulichen die Auslobung des Deutschen Brückenbaupreises der Bun-desingenieurkammer und des Verbands Beratender Ingenieure sowie die Aus-zeichnung „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“.

Seit 2007 ehrt die Bundesingenieurkammer jährlich historisch bedeutende Ingenieurbauwerke wie Brücken, Türme oder Tunnel. Sie entstammen einer Liste von 80 Vorschlägen, die ein wissenschaftlicher Beirat erarbeitet. Vorschläge zur Erweiterung der Liste sind möglich, vorausgesetzt, die Ingenieurbauwerke sind im Bundesgebiet verortet und älter als 50 Jahre. Neben der Göltzschtal-brücke wurden u. a. das Alte Schiffshebewerk in Niederfinow, der Leuchtturm

„Roter Sand“ nordwestlich von Bremerhaven oder auch der Alte Elbtunnel in Hamburg ausgezeichnet. Im Sommer 2018 erhielt der Ludwig-Donau-Main-Kanal als 22. Bauwerk den Titel. Aus Anlass der Titelverleihung veröffentlicht die Bundesingenieurkammer jeweils eine Publikation über das Wahrzeichen und würdigt damit die technische und gestalterische Leistung, die mit den Bauwer-ken einhergeht.

Sehenswerte Landschaften

44% der Bevölkerung erachten die Land-schaft in und um ihre Gemeinde als beson-ders sehenswert. In kleinen Gemeinden bis 5.000 Einwohner empfinden dies sogar 59%. Parks und Grünanlagen, Flüsse, Seen und öffentliche Plätze werden häufiger besucht als Museen und Kultureinrichtungen. 

B1

19 Baukulturbericht 2018/19 – Die Ausgangslage

Im Dokument Deutscher Bundestag (Seite 22-25)