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1.1. Problemstellung und Relevanz der Themenstellung

Die österreichische Rechnungslegung hat mit dem Inkrafttreten des Rechnungslegungs-Änderungsgesetzes 2014 (RÄG 2014) umfassende und wesentliche Umgestaltungen erfahren. Dabei kommt es vor allem bei der Bilanzierung von latenten Steuern nach dem Unternehmensgesetzbuch (UGB) zu einer umfassenden konzeptionellen Änderung für Geschäftsjahre die nach dem 31.12.2015 beginnen.1

Grund für die Einführung des RÄG 2014 war die Anpassung an die neue EU-Bilanzrichtlinie2 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013. Darüber hinaus hat sich die Bilanzierung latenter Steuern nach dem UGB in der Fassung des RÄG 2014 zum Großteil an die Regelung des § 274 des deutschen Handelsgesetzbuchs (dHGB), welches durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) im Mai 2009 neu novelliert wurde, angenähert.3

Die Modernisierung und Vereinheitlichung soll vor allem die Vergleichbarkeit mit internationalen Jahresabschlüssen ermöglichen, weshalb man sich auf die International Financial Reporting Standards (IFRS), insbesondere auf IAS 12, bezieht. Durch die Neuregelung der latenten Steuern sowie der Streichung des Postens „Unversteuerte Rücklagen“ wurde ein weiterer Schritt in Richtung der internationalen Rechnungslegung gesetzt.4

Mit dem RÄG 2014 steht neben der Modernisierung des Bilanzrechts auch der Gedanke einer „Einheitsbilanz“ im Vordergrund, bei der es eine Angleichung zwischen den unternehmensrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften und den steuerrechtlichen Vorschriften gibt. Darüber hinaus sollen durch die Neuerungen in der Rechnungslegung kleine Unternehmen sowie Kleinstunternehmen Erleichterungen erfahren.5

1 Eberhartinger/Petutschnig, Latente Steuern „NEU“, RWZ 2015, 250.

2 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl L 2013/182, 19.

3 Eberhartinger/Petutschnig, RWZ 2015, 250.

4 Lindbauer, Die Einheitsbilanz aus unternehmensrechtlicher Sicht, RWZ 2015, 215.

5 Arminger, Das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 – Änderungen für die Erstellung von Konzernabschlüssen, CFO aktuell 2015, 11.

Ganz allgemein ergeben sich latente Steuern in Einzel- und Konzernabschlüssen aus den unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften zwischen dem UGB und dem Steuerrecht. Um dem Grundsatz der periodengerechten Erfassung von Aufwendungen und Erträgen gemäß § 201 Abs 2 Z 5 UGB sowie dem Gebot der Vollständigkeit gerecht zu werden, ist die Anpassung der tatsächlichen Steuerbelastung, die sich aufgrund der steuerlichen Vorschriften ergibt, notwendig. Durch die Bilanzierung latenter Steuern wird somit die Steuerbelastung in der Form dargestellt, als würde der unternehmensrechtliche Abschluss als steuerliche Bemessungsgrundlage dienen und vermittelt somit die Zuordnung der wirtschaftlichen Verursachung anstelle der direkten Steuerzahlung.6

Vor dem RÄG 2014 wurden latente Steuern in Österreich nach dem sogenannten Konzept der zeitlichen Differenzen („timing concept“) ermittelt. Dies stellte einen ergebnisorientierten Ansatz dar. In Deutschland bestand bis zum BilMoG ebenfalls das

„timing concept“, welches durch das Konzept der temporären Differenzen („temporary concept“) abgelöst wurde. Diesem Konzept liegt eine vermögensorientierte Steuerabgrenzung zu Grunde, die auch nach den IFRS anzuwenden ist. Eine Vergleichbarkeit der österreichischen Jahresabschlüsse mit dem HGB sowie den IFRS war somit bis dato nur eingeschränkt möglich, was zu einer Umstellung zum Konzept der temporären Differenzen in Österreich geführt hat.7

Das Ergebnis dieser konzeptionellen Änderung ist somit eine Internationalisierung der Rechnungslegung durch Übernahme der IFRS-Methodik gemäß dem International Accounting Standard (IAS) 12. Neben dem Methodenwechsel ergaben sich weiters wesentliche Änderungen bei Ansatzpflichten und -wahlrechten für latente Steuern und Verlustvorträge. Darüber hinaus führt die Neuregelung zu verschärften Offenlegungspflichten im Anhang.8

Die ersten mittelfristigen Auswirkungen der seit 2010 in Deutschland geltenden BilMoG-Regelungen zeigen einen eindeutigen Anstieg der Bedeutung von latenten Steuern in Jahresabschlüssen. Aufgrund des in Deutschland geltenden Wahlrechts zur Aktvierung aktiver latenter Steuern ist das Ziel einer internationalen Vergleichbarkeit kaum erhöht worden, da das Wahlrecht zur Aktivierung nach wie vor von der Mehrheit der Unternehmen

6 Arminger/Nowotny/Sopp, Bilanzierung latenter Steuern nach UGB idF des RÄG 2014 bzw dHGB in Institut Österreichischer Wirtschaftsprüfer, Wirtschaftsprüfer-Jahrbuch 2015 (2015) 212.

7 Grohmann, Latente Steuern im Jahresabschluss – Die Änderungen durch das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014, SWK 2016, 719 f.

8 Moser, Latente Steuern – Neuerungen im Unternehmensgesetzbuch nach den Bestimmungen des Rechnungslegungs-Änderungsgesetzes 2014, CFOaktuell 2016, 101.

nicht ausgeübt wird. Grund dafür ist die noch immer als zweifelhaft angesehene Eigenschaft von aktiven latenten Steuern und steuerlichen Verlustvorträgen als Vermögensgegenstand. Durch das Ansatzwahlrecht von Verlustvorträgen ist zusätzlich ein Ermessenspielraum geschaffen worden, der eine Einschätzung von zukünftigen Gewinnen des Unternehmens über einen Planungszeitraum von fünf Jahren verlangt. Ob durch die gesetzlichen Regelungen von Prognosen zukünftiger Gewinne auf eine praktikable Methode sowie nachvollziehbare Informationen für Jahresabschlussleser abgestellt werden kann, ist fraglich. Die erhöhten Anforderungen und der Mehraufwand vor allem bei den Anhangangaben als Konsequenz eines Ansatzes von aktiven latenten Steuern, spielen für die Ausübung des Wahlrechts in Deutschland eine erhebliche Rolle.9 In Deutschland ist, wie bereits erwähnt, die Aktivierung latenter Steuern auf Verlustvorträge weiterhin eine sehr unsichere Thematik, da diese erhebliche Konsequenzen nach sich zieht. Trotz des positiven Effekts einer Erhöhung des buchmäßigen Eigenkapitals und daraus resultierend auch der Steigerung der Eigenkapitalquote, sinkt die Eigenkapitalrentabilität, aufgrund der Gegenüberstellung des Postens „Ergebnis vor Steuern“ und dem Eigenkapital. Die Eigenkapitalrentabilität bzw Return on Equity (ROE) stellt eine wichtige Kennzahl im Rahmen der Bilanzanalyse dar. Mittels dieser Kennzahl wird die Eigenkapitalverzinsung10 und somit die Effizienz des Einsatzes von Eigenkapital ausgedrückt. Darüber hinaus kann eine solche Aktivierung als Zeichen für eine Krise im Unternehmen interpretiert werden. Es wird deshalb für die Aktivierung von nicht genutzten steuerlichen Verlustvorträgen ein zukünftiges positives Ergebnis für die Realisierbarkeit verlangt. Dies knüpft an besondere Anforderungen und Nachweise in Bezug auf eine Steuerplanung der künftigen Geschäftsjahre.11

Im Vergleich dazu existiert nach IFRS für aktive latente Steuern sowie für steuerliche Verlustvorträge eine Verpflichtung zur Aktivierung. Für den Ansatz von Verlustvorträgen muss es jedoch wahrscheinlich sein, dass in Zukunft ein zu versteuernder Gewinn erwirtschaftet wird.12

Mit Hilfe dieser Arbeit soll ein Überblick der Änderungen der Bilanzierung in Bezug auf die latenten Steuern durch das RÄG 2014 gegeben werden. Vor allem durch den Wechsel der

9 Wüstemann, Rückblick auf das BilMoG – Mittelfristige Auswirkungen auf deutsche Abschlüsse in Bertl/Eberhartinger/Egger/Kalss/Lang/Nowotny/Riegler/Schuch/Staringer (Hrsg), Reform der Rechnungslegung in Österreich (2015) 2 ff.

10 Röhrenbacher, Finanzierung und Investition3 (2008) 328 f.

11 Haaker/Freiberg, Aktive latente Steuern auf Verlustvorträge als „Mühlstein am Halse“? PiR 12/2012, 396 f.

12 Wüstemann, in Bertl/Eberhartinger/Egger/Kalss/Lang/Nowotny/Riegler/Schuch/Staringer (Hrsg) 5.

konzeptionellen Methode für die Ermittlung latenter Steuern ergeben sich für Unternehmen neue Anwendungsvoraussetzungen für Geschäftsjahre, die mit 1.1.2016 beginnen. Des Weiteren soll auf die notwendigen Anforderungen und möglichen Hürden der Aktivierung von aktiven latenten Steuern auf Verlustvorträge eingegangen werden.

1.2. Zielsetzung und zentrale Fragestellung

Ziel dieser Masterarbeit ist die Ausarbeitung und Darlegung der Änderungen durch das RÄG 2014 in Zusammenhang mit latenten Steuern. Dabei sollen sowohl die Neuerungen latenter Steuern im Einzel- als auch im Konzernabschluss behandelt werden und das praxisrelevante Thema der Berücksichtigung von Verlustvorträgen in Verbindung mit aktiven latenten Steuern erläutert werden.

Basierend auf den vorhergehenden Erläuterungen ergibt sich folgende Forschungsfrage:

Welche Auswirkungen hat das Rechnungslegungsänderungsgesetz 2014 auf die Bilanzierung latenter Steuern im Einzel- und Konzernabschluss, sowie auf die Behandlung von Verlustvorträgen?

1.3. Methodische Vorgehensweise sowie Aufbau der Arbeit

Diese Masterarbeit entsteht mit Hilfe einer umfangreichen Literaturrecherche. Hierbei werden neben Gesetzestexten, Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend des Rechnungslegungs-Änderungsgesetzes 2014 und der im September bzw Dezember 2016 veröffentlichten AFRAC-Stellungnahme 30 über die latenten Steuern im Jahresabschluss auch Fachbücher verwendet. Darüber hinaus wurden aktuelle Artikel aus relevanten österreichischen und deutschen Fachzeitschriften wie Zeitschrift für Recht &

Rechnungswesen (RWZ), Steuer- und Wirtschaftskartei (SWK) sowie Praxis der internationalen Rechnungslegung (PiR) herangezogen.

Die Masterarbeit gliedert sich in 4 Hauptkapitel. Im ersten Hauptkapitel wird vor allem auf die Grundlagen sowie die Problemstellung eingegangen. Neben der Relevanz des Themas werden die Forschungsfrage sowie die methodische Vorgehensweise erläutert.

Im nachfolgenden zweiten Hauptkapitel werden themenrelevante Begriffe definiert und die Grundlagen von latenten Steuern näher erläutert. Dabei wird jeweils auf die aktiven sowie passiven latenten Steuern eingegangen und die unterschiedlichen Differenzen, welche zu Steuerlatenzen führen können, beschrieben. Des Weiteren werden Beispiele für aktive und passive latente Steuern aufgezeigt.

Die beiden Hauptkapitel 3 und 4 stellen das Kernstück dieser Masterarbeit dar. Im Hauptkapitel 3 wird die Bilanzierung der latenten Steuern nach dem RÄG 2014 behandelt und eine Gegenüberstellung zum dHGB veranschaulicht. Dieses Kapitel teilt sich in insgesamt sieben Unterkapitel. Unter anderem wird im Unterkapitel 3.1. der Ansatz von latenten Steuern im Einzelabschluss gem § 198 Abs 9 und 10 UGB behandelt. Dabei werden im ersten Schritt der konzeptionelle Methodenwechsel vom früheren Konzept der zeitlichen Differenzen zum internationalen geltenden Konzept der temporären Differenzen erläutert und die damit einhergehenden wesentlichen Neuerungen dargestellt. Im Kapitel wird weiters auf die Regelung der Gesamtdifferenzbetrachtung sowie auf die Ausschüttungssperre aktiver latenter Steuern eingegangen. Unter Punkt 3.2. werden die drei, mit dem RÄG 2014 eingeführten Bilanzierungsverbote gem § 198 Abs 10 UGB näher erläutert. Im Anschluss wird im Unterkapitel 3.3. der Ansatz latenter Steuern im Konzernabschluss gem § 258 UGB behandelt. Hier sollen neben den Stufen der Steuerabgrenzung, latente Steuern auf Konsolidierungsmaßnahmen sowie Außendifferenzen (outside basis differences) definiert werden. In diesem Zusammenhang wird weiters zu den möglichen Änderungen bei der Erstkonsolidierung von Tochtergesellschaften Stellung genommen.

In den Unterkapiteln 3.4. und 3.5 wird die Bewertung von Steuerlatenzen mit dem anzuwendenden Steuersatz sowie der Ausweis im Einzel- und Konzernabschluss beschrieben. In Kapitel 3.6 wird auf übrige Neuerungen im Zusammenhang mit latenten Steuern eingegangen. Dies betrifft den Wegfall des Postens für „unversteuerte Rücklagen“.

Im Unterkapitel 3.7. wird als weiterer Schwerpunkt dieser Masterarbeit auf die Behandlung von Verlustvorträgen durch die Neuregelungen des RÄG 2014 eingegangen, da diese bei Ansatz strenge Anforderungen an Unternehmen stellen. In diesem Abschnitt sollen unter anderem die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Verlustvorträgen im Zusammenhang mit latenten Steuern und die Thematik bezüglich erforderlicher substantieller Hinweise behandelt werden.

Im letzten Hauptkapitel werden die Verlustvorträge aus steuerlicher Sicht behandelt. Dabei wird näher auf die Definition von Verlustvorträgen und die gesetzliche Grundlage gem Körperschaftsteuergesetz (KStG) eingegangen.