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Hegels Argument: die unmögliche Forderung des Erkennens vor dem Erkennen Erkennen

Im Dokument Die Heilung der Moderne (Seite 55-60)

Konzeptualismus contra Nonkonzeptualismus 1.1.1 Der kantische Ursprung des Problems

1.2 Hegels Metakritik des kantischen Projektes

1.2.1 Hegels Argument: die unmögliche Forderung des Erkennens vor dem Erkennen Erkennen

Hegels Kant-Rezeption ist heutzutage ein Brennpunkt der Hegel-Forschung. Dies gründet hauptsächlich darin, dass eine Interpretation Hegels, die ihm eine wichtige Rolle in der Debatte über den kantischen Konzeptualismus und damit eine starke philosophische Kontinuität mit dem kantischen Projekt zuschreibt, aufgrund der Relevanz und der Ausdehnung dieser Debatte allein schon durch diese Kontinuitätsthese als aktuell gilt.

Meine Untersuchung, wie es schon am Titel dieses Kapitels klar sein sollte, bestreitet die Kontinuitätsthese. Sie vertritt die These, dass Hegels Philosophie, obwohl sie in einigen Hinsichten noch einen kantischen Einfluss aufweist, wesentlich antikantisch ist. Weil sie allerdings auch noch die These vertritt, dass der aktuelle an Kant orientierte Streit über den Konzeptualismus auf unhaltbaren Annahmen fußt, verspricht sie eine Interpretation der hegelschen Philosophie, die gerade aufgrund ihres Antikantianismus aktuell sein soll. Von Aktualität zu reden kann zweifelsohne verwirrend sein. Denn der unreflektierte Gebrauch dieses Begriffes, welcher häufig auch in der heutigen Philosophie anzutreffen ist, könnte den Eindruck vermitteln, dass die Aktualität einer philosophischen Theorie etwas anderes sei als deren Wahrheit. Dass Kant sehr aktuell ist, hieße z. B. nicht, dass er wahre Einsichten gehabt hat, sondern lediglich, dass seine Theorien mit den heutzutage verbreiteten in vielem übereinstimmen. Wenn das Wort „lediglich” ernst genommen wird, dann folgt aus diesem Gedanken, dass die zeitgenössischen philosophischen Ansichten neben der Aktualität keiner weiteren Begründung bedürfen. Wer „aktuell” in diesem Sinne versteht, sollte zunächst dieses Wort mit einem anderen ersetzen, das keinen historischen Relativismus befürwortet, und danach überlegen, ob die hier abgelehnte Bedeutung von „aktuell” in der Philosophie überhaupt verteidigt werden kann. Die Aussage, dass Hegels Philosophie und Hegels Kantkritik Aktualität besitzen, bedeutet nach meinem Verständnis, dass sie etwas zu lehren haben, weil sie tiefe und wahre Einsichten enthalten, die tief und wahr wären, auch wenn die wissenschaftliche Mode in eine andere Richtung zöge.

Um die Kontinuitätsthese und deren Einfluss zu bestreiten, ist es zunächst nötig, die wichtigsten Züge der Ausdeutung von Hegels Kant-Rezeption zu erläutern, auf die sich diese These stützt. Ein Überblick über die entsprechenden Klassiker der Hegel-Renaissance in der analytischen Philosophie zeigt, dass sie die folgenden Grundthesen zum Kant-Hegel Verhältnis teilen. 1) Die negative Bewertung, welche in Hegels Korpus diejenigen Textpassagen durchdringt, die explizit Kants Philosophie gewidmet sind, ist nicht ernst zu nehmen; sie

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resultiert aus einer Mischung aus Hegels Missverständnissen jener Philosophie und der Übertreibung ihrer wirklichen Problemen.40 2) Der Höhepunkt der hegelschen Kant-Rezeption besteht nicht in seiner Kritik, sondern in dem positiven Urteil über Kants transzendentale Apperzeption, welcher Hegel immer eine prominente philosophische Rolle zuschreibt.41 3) Wie wichtig Hegels Urteil über Kant auch immer sein mag, die Frage, ob Hegel sich an das kantische Projekt gehalten habe, entscheidet sich nicht aufgrund dieses Urteils, sondern aufgrund der Beschäftigung mit Hegels Erfahrungstheorie, die hauptsächlich in der Phänomenologie des Geistes dargestellt wird. Deswegen besitzt die Phänomenologie einen philosophischen Vorrang innerhalb von Hegels Werkkorpus.

Der Versuch, auf jede dieser Behauptungen im Einzelnen einzugehen, um sie aufgrund von ausgesammelter Textevidenz zu kritisieren, würde ein großes Missverständnis des Charakters der Kontinuitätsthese enthalten. Wenn man Hegels wichtigste Auseinandersetzungen42 mit Kant in Betracht zieht, kann man leicht feststellen, dass die positive Bewertung der Apperzeption, obwohl sie tatsächlich an wichtigen Stellen der hegelschen Werke vorkommt, von der Negativität der Gesamtbewertung deutlich überwogen wird. Genauso leicht lässt sich zeigen, dass der reife Hegel der Idee eines philosophischen Vorrangs der Phänomenologie die Systematizität seiner späteren Werke entgegengehalten hätte. Diese Tatsachen, die den

40 Vgl. R. Pippin, Hegel’s Idealism 1989, S. 17: »Many different issues are raised in these passages, ranging from rather strange-sounding accusations about the mere “finitude” of Kant’s idealism, or his misunderstanding the principle of identity at work in his own Transcendental Deduction, to more accessible but no less controversial charges that Kant has failed to distinguish his position from mere psychology«.

41 Unmittelbar nach der Passage in der vorigen Fußnote schreibt Pippin: »However, for the purpose of understanding their respective positions on idealism, there is one extraordinary claim about Kant that Hegel makes at a point particulary acute in his own project, one that clearly indicates what issues in Kant Hegel is relying on and so what needs to be discussed here. In the beginning of the third and final section of the Science of Logic […] Hegel begins by confronting the commonsense understanding of notions and concepts as what I “have” when I think: thoughts, Gedankendinge, universal entities or propositions. In a typical passage, Hegel counters the situation is rather that “the I is the pure Notion itself which, as Notion, has come into existence”. […] When he tries to explain what he means by this, he turns to Kant as the first thinker who freed us from our misleading, commonsense understanding of the “I” and its “thoughts”, and the one who set us on the proper path. Here is the crucial remark: “It is one of the profoundest and truest insights to be found in the Critique of Pure Reason that the unity which constitutes the nature of the Notion is recognized as the original synthetic unity of apperception, as the unity of the I think, or of self-consciousness”« (Hegel’s Idealism 1989, S. 17-18). Sowohl Brandom als auch McDowell zitieren in ihrer Arbeit über Hegel dieselbe Textpassage aus der Wissenschaft der Logik; vgl. R. Brandom, Some Pragmatist Themes in Hegel’s Idealism 2002, S. 216. J.McDowell, Hegel’s Idealism as a Radicalization of Kant 2009, S. 69.

42 Ich beziehe mich auf den Kant-Abschnitt von Glauben und Wissen (GW 4, 325-346); Paragraph 40 bis 60 der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften (GW 20, 78-99); den Abschnitt Der Begriff im Allgemeinen der Wissenschaft der Logik (GW 12, 11-28); die Auseinandersetzung mit Kant in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie (GdPh 20, 329-386). Zu ergänzen wäre noch die Einleitung der Phänomenologie des Geistes (GW 9, 53-62), obwohl Kants Name dort nicht explizit vorkommt und die Art und Weise, wie die dort vorgestellte Kritik auf Kants Philosophie wirkt, etwas schwieriger zu verstehen ist als an den anderen Stellen. Demzufolge werde ich hier die Phänomenologie beiseite lassen und erst zu einem späteren Zeitpunkt (im zweiten Kapitel) darauf eingehen.

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Vertretern der Kontinuitätsthese wohl bekannt sind, könnten höchstens einen Beleg dafür anbieten, dass Hegel selbst, wenn er durch die Lektüre von z. B. Pippins Büchern den kantischen Sinn seiner philosophischen Unternehmung entdecken würde, ein gewisses Überraschungsgefühl empfände. An sich betrachtet sind allerdings diese Tatsachen kein Argument gegen eine kantianisierende Deutung der hegelschen Philosophie. Denn die Plausibilität einer Interpretation entscheidet sich nicht durch ihre Kompatibilität mit der Selbstinterpretation des interpretierten Philosophen. Erst die Erprobung der Kant gewidmeten Textpassagen kann die Kontinuitätsthese bestreiten. Es bleibt also nichts übrig als zu prüfen, ob es wirklich begründet ist, bei Hegels Kant-Rezeption ausschließlich die Apperzeption hervorzuheben und Hegels Kritik beinahe vollständig zu vernachlässigen.

Auffällig ist zunächst, dass Hegel, wenn er sich mit Kants Philosophie auseinandersetzt, eher deren Kontinuität als die Diskontinuität zu der neuzeitlichen Philosophie – besonders mit dem Empirismus – betont. Bereits bei der ersten veröffentlichten ausführlichen Beschäftigung mit Kants Erkenntnistheorie in Glauben und Wissen zitiert Hegel eine Passage aus Lockes Essay über den Menschlichen Verstand als Einführung zum Projekt der kritischen Philosophie.43 Die starke Verbindung zwischen Empirismus und kritischer Philosophie nach Hegel geht noch deutlicher im Vorbegriff der Enzyklopädie hervor, wo Hegel bei der zweiten Stellung des Gedankens zur Objektivität den Empirismus und die kritische Philosophie aneinanderfügt.

Schließlich führt Hegel Kants Philosophie als in »unmittelbare[r] Beziehung« (GdPh 20, 333) mit dem (in diesem Fall hauptsächlich humeschen) Empirismus auch in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie ein.

In den drei angeführten Passagen hängt Hegels These eines unmittelbaren Verhältnisses zwischen Empirismus und kritischer Philosophie mit einer anderen Behauptung stark zusammen, die meines Erachtens den Ton von Hegels gesamter Kantkritik angibt und die deswegen als deren Dreh- und Angelpunkt angesehen werden kann. Diese Behauptung, welche sich nach Pippin sehr seltsam anhört,44 ist die, dass Kants Philosophie bei einem endlichen, subjektiven (bzw. subjektivistischen) oder formalen Standpunkt stehen geblieben sei.45 In den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie erklärt Hegel folgendermaßen seine Kritik.

43 Hegel zitiert aus der deutschen Übersetzung Herrn Johann Lockens Versuch vom menschlichen Verstand, Richter, Altenburg 1757, S. 8.

44 Siehe Fußnote 41.

45 Das einzige neu erschienene Buch, das auf Hegels Subjektivismuskritik in angemessener Weise Acht gibt, ist meines Wissens Sally Sedgwicks Hegel‘s Critique of Kant 2012 (vgl. v. a. S. 70-97). Sedgwicks Buch, mit dem meine Interpretation in vielen Hinsichten kompatibel ist, befindet sich sozusagen leicht außerhalb des Konzeptualismusstreites und der damit verbundenen analytischen Diskussion über Hegels Kantianismus. Vor diesem leicht dezentrierten Blickwinkel gelingt es der Autorin, viele Züge von Hegels Kant-Rezeption zu betonen, die bei den Vertretern der Kontinuitätsthese vollkommen außer Acht bleiben.

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Dies ist der Hauptsatz der Kantischen Philosophie. Sie wird auch kritische Philosophie genannt, indem ihr Zweck zunächst ist, sagt Kant, eine Kritik des Erkenntnisvermögens zu sein. Vor dem Erkennen muß man das Erkenntnisvermögen untersuchen. Das ist dem Menschenverstand plausibel, ein Fund für den gesunden Menschenverstand. […] Die Forderung ist also diese: Man soll das Erkenntnisvermögen erkennen, ehe man erkennt; es ist dasselbe wie mit dem Schwimmenwollen, ehe man ins Wasser geht. Die Untersuchung des Erkenntnisvermögens ist selbst erkennend, kann nicht zu dem kommen, zu was es kommen will, weil es selbst dies ist – nicht zu sich kommen, weil es bei sich ist (GdPh 20, 333-334).

Eine Parallelstelle, wo vielleicht Hegels Kritik nur ein wenig undurchsichtiger ist, findet sich im Zusatz zu Paragraph 41 der Enzyklopädie, welcher, ähnlich wie die historische Darstellung in den Vorlesungen, sich mit dem subjektiven Charakter der kantischen Philosophie befasst.

Näher sollte nun das Erkenntnißvermögen vor dem Erkennen untersucht werden. Hierin liegt nun allerdings das Richtige, daß die Formen des Denkens selbst zum Gegenstand des Erkennens gemacht werden müssen;

allein es schleicht sich auch bald das Mißverständniß ein, vor dem Erkennen schon erkennen oder nicht eher in's Wasser gehen zu wollen, bevor man schwimmen gelernt hat (GW 23,3, 839).

Wie entscheidend diese Kritik an Kant für Hegel ist, darauf weist erst einmal die Tatsache hin, dass dieselben Gedanken und beinahe die gleiche Ausdrucksweise, welche bei dieser Kritik zu finden sind, auch am Anfang der Einleitung der Phänomenologie des Geistes vorkommen.

Es ist eine natürliche Vorstellung, daß, eh in der Philosophie an die Sache selbst, nemlich an das wirkliche Erkennen dessen, was in Wahrheit ist, gegangen wird, es nothwendig sey, vorher über das Erkennen sich zu verständigen, das als das Werkzeug, wodurch man des Absoluten sich bemächtige, oder als das Mittel, durch welches hindurch man es erblicke, betrachtet wird. Die Besorgniß scheint gerecht, […] daß, indem das Erkennen ein Vermögen von bestimmter Art und Umfange ist, ohne die genauere Bestimmung seiner Natur und Gräntze, Wolken des Irrtums statt des Himmels der Wahrheit erfaßt werden.

[…] Inzwischen, wenn die Besorgniß in Irrtum zu geraten, ein Mißtrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werke selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht abzusehen, warum nicht umgekehrt ein Mißtrauen in diß Mißtrauen gestzt, und besorgt werden soll, daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist. In der Tat setzt sie etwas und zwar manches als Wahrheit voraus, und stützt darauf ihre Bedenklichkeiten und Consequenzen, was selbst vorher zu prüffen ist, ob es Wahrheit sey. Sie setzt nämlich Vorstellungen von dem Erkennen als einem Werkzeuge und Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von diesem Erkennen voraus; vorzüglich aber diß, daß das Absolute auf einer Seite stehe, und das Erkennen auf der anderen Seite für sich und getrennt von dem Absoluten doch etwas Reelles [sey] (GW 9, 53-54).

Wenn die Vertreter der Kontinuitätsthese nicht bestreiten wollen, dass Hegel sich in der Einleitung der Phänomenologie auf Kant bezieht – eine sehr originelle These, die aber mutiger

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Verteidigung bedürfte –, können wir diese Passage als Erläuterung nehmen, warum Hegel Kants Philosophie als „subjektiv“, „formal“ oder manchmal auch „endlich“ bezeichnet. Das Problem besteht nach Hegel darin, dass Kant, indem er die Erkennbarkeit des Subjektes (bzw.

des Erkenntnisvermögens) auf implizite und unbewusste Weise voraussetzt, aber die des Objekts ernsthaft in Frage stellt, von vornherein die Frage nach der Objektivität – in Hegels Wörtern nach dem Absoluten – falsch stellt. Denn vor diesem Hintergrund wird das Subjekt als etwas verstanden, dessen Beschreibung nicht immer schon eine Stellungnahme über gewisse Wahrheiten impliziert. Dementsprechend gibt es etwas Subjektives – so Kant nach Hegel –, dessen Denkbarkeit den Begriff „wahr“ nicht schon impliziert, was eine Auffassung von Objektivität ist, die Hegel für falsch hält. Nicht wesentlich unterschieden davon ist das Ziel von Hegels Kritik an Kants Formalismus, womit Hegel gerade die kantische Idee bezeichnet, dass subjektive Bewusstseinsinhalte keinen Wahrheitsanspruch erheben. Diese Kritik am kantischen Formalismus spielt nicht zufällig eine entscheidende Rolle in der Einleitung der Wissenschaft der Logik. Denn, wie hauptsächlich im zweiten Kapitel erörtert werden soll, ist die Auffassung der Logik, welche auf Kants Formalismus und Subjektivismus beruht, das kritische Hauptziel des gesamten Projekts von Hegels systematischer Logik.

Es ist nicht schwierig festzustellen, dass die Kritik an Kants Subjektivismus die Grundlage für die bekannten Einwände schafft, die Hegel gegen grundlegende Gedanken der Kritik der reinen Vernunft richtet.

Einerseits ist es durch die Kategorien, daß die bloße Wahrnehmung zur Objectivität, zur Erfahrung erhoben wird, andererseits aber sind diese Begriffe, als Einheit bloß des subjectiven Bewußtseins, durch den gegebenen Stoff bedingt, für sich leer und haben ihre Anwendung und Gebrauch allein in der Erfahrung, deren anderer Bestandteil, die Gefühls- und Anschauungs-bestimmungen, ebenso nur ein Subjectives ist (GW 20,80).

Kants Subjektivismus zeigt sich nach Hegel zunächst in seiner Kategorienlehre. Gemäß dem angenommenen Kontrast zwischen Subjekt und Objekt sind Kants Kategorien, indem sie als reine Formen des Verstandes keine Möglichkeit anbieten, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden, außerstande, uns etwas über das Objektive, über das Ansich zu sagen. So geht Hegels Kritik an der Kategorienlehre in eine Kritik am Begriff des Dings an sich über.

Es tritt aber das Bedürfniß ein, diese Identität oder das leere Ding-an-sich zu erkennen. Erkennen heißt nun nichts anderes als einen Gegenstand nach seinem bestimmten Inhalte zu wissen. Bestimmter Inhalt aber enthält mannichfaltigen Zusammenhang in ihm selbst und begründet Zusammenhang mit vielen anderen Gegenständen. Für diese Bestimmung jenes Unendlichen oder Ding-an-sich hätte diese Vernunft nichts als die

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Kategorien; indem sie diese dazu gebrauchen will, wird sie überfliegend (transcendent).

Hier tritt die zweite Seite der Vernunftkritik ein [,] […] daß […] die Erkenntnis durch dieselbe[n] [die Kategorien] in der That nichts Objectives enthalte und die ihnen zugeschriebene Objectivität selbst nur etwas Subjectives sey (GW 20, 82).

Da das Prinzip der Unerkennbarkeit der Dinge an sich die Basis für Kants Kritik der Metaphysik in der transzendentalen Dialektik schafft, ist es schließlich nicht überraschend, dass Hegel behauptet, der Subjektivismus verderbe auch diesen wichtigen Teil der kantischen Philosophie.

Man sieht, daß diese Kritik nichts anderes ausdrückt als die […] Hume'sche Bemerkung, daß die Denkbestimmungen überhaupt, – Allgemeinheit und Notwendigkeit, – nicht in der Wahrnehmung angetroffen werden, daß das Empirische seinem Inhalte wie seiner Form nach verschieden sey von der Gedankenbestimmung (GW 20, 83).

Dieser Überblick darüber, wie folgenreich Hegels Kritik am kantischen Subjektivismus ist, kann – wie anfangs gesagt – keine Evidenzbasis für ihre Schlüssigkeit liefern. Er soll allerdings das Verständnis vermitteln, dass, wenn diese Erprobung ein positives Ergebnis haben wird, es sehr gute Gründe dafür gibt, die geläufige Bewertung über das Kant-Hegel Verhältnis zu revidieren. Es bleibt uns also nichts anderes übrig als zu untersuchen, ob die eben präsentierten Vorwürfe einen philosophischen Wert haben, oder eben, wie es Pippin und die anderen Vertreter der Kontinuitätsthese zu meinen scheinen, aus einem unerklärlichen Missverständnis Hegels entstanden sind. Die Erprobung der Richtigkeit der ersten der drei am Anfang dieses Abschnittes erläuterten Unterthesen der Kontinuitätsvertreter wird die Beschäftigung mit den beiden anderen vorbereiten.

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