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2 Grundlegung zu individueller Förderung und Subjektorientierung sowie zur Unterrichtsplanung

2.1 Zum Verständnis von individueller Förderung und Subjektorientierung Individuelle Förderung umfasst „alle Handlungen von Lehrerinnen und Lehrern und von Schülerinnen und Schülern […], die mit der Intention erfolgen bzw. die Wirkung haben, das Lernen der einzelnen Schülerin/des einzelnen Schülers unter

Berück-sichtigung ihrer/seiner spezifischen Lernvoraussetzungen, -bedürfnisse, -wege, -ziele und -möglichkeiten zu unterstützen“ (Kunze, 2009, S. 19). Dies erfordert adäquates Wissen über die Lernenden, weshalb es einer geeigneten Diagnostik bedarf (Kunze, 2009; Zoyke, 2012, S. 178 ff.). Die Umsetzung individueller Förderung erfolgt häufig u. a. über Binnendifferenzierung. Damit werden kooperative Lernformen nicht auto-matisch ausgeschlossen. Vielmehr wird das gemeinsame Lernen bzw. der gemein-same Unterricht gerade gefordert, da hiermit besondere Potenziale für die Teilhabe an der Gesellschaft sowie für die Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt ver-bunden werden (Feuser, 2011; KMK, 2011b, S. 3 f.; Kullmann, Lütje-Klose & Textor, 2014). Dies steht auch im Einklang mit Erkenntnissen der empirischen Lehr-Lern-Forschung und den darauf basierenden Kriterien zur Entwicklung von problem-orientierten Lernumgebungen (Reinmann & Mandl, 2006), welche grundsätzlich für den berufsbezogenen Fachunterricht und die Entwicklung von komplexen Lehr-Lern-Arrangements (Achtenhagen, 2003, S. 83 f.) eine hohe Orientierungsfunktion bieten (sollen).

Das Konzept der Subjektorientierung ist für die individuelle Förderung insofern bereichernd, als es eine deutlichere bildungstheoretische Ziel- bzw. Entwicklungsbe-stimmung der/des Lernenden in den Blick nimmt, während unter Individualisie-rung häufig – verkürzend – lediglich die Abgrenzung der/des Einzelnen von ande-ren Lernenden (z. B. in heterogenen Klassen) betont und Vorschläge zum Umgang mit dieser Heterogenität und Individualität formuliert werden.1 So wurde im Rah-men der bildungstheoretischen Wende unter dem Schlagwort „Subjektorientierung“

eine (Neu-)Bestimmung des Verhältnisses von Individuum/Subjekt und Gesell-schaft/Objekt gefordert, welche normativ in dem Leitziel der Persönlichkeitsentwick-lung (Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Selbstreflexionsfähigkeit) und der Fähigkeit und Bereitschaft zur Mitbestimmung in der Gesellschaft zum Ausdruck gebracht wurde (Rützel, 1996; Lisop & Huisinga, 1994; Brater, Büchele, Funcke &

Herz, 1988). In ähnlicher Form werden Mitbestimmung und Teilhabe im Rahmen des aktuellen Inklusionsdiskurses als Ziele ausgewiesen (Bylinski, 2016). Mit dem Leitprinzip der Individualisierung stellt sich die Frage, inwiefern diese Ziele der Per-sönlichkeitsentwicklung und Mitbestimmung sowie Teilhabe jeweils individuell für einzelne Lernende zu konkretisieren und ggf. zu differenzieren sind. Mit dieser Fra-gestellung verbinden sich demzufolge Planungsentscheidungen auch auf einer Ma-kroebene.

2.2 Zum unterrichtlichen Planungshandeln von Lehrerinnen und Lehrern Für die Durchführung von Bildungsangeboten, die den Anspruch einer Individuali-sierung und Subjektorientierung als Bezugspunkt ernst nehmen, ergeben sich für Lehrpersonen an beruflichen Schulen Herausforderungen auf verschiedenen Pla-nungsebenen, die nicht en passant zu realisieren sind. Die Planung von Unterricht erfordert von Lehrerinnen und Lehrern keinesfalls nur die Planung auf der Ebene

1 Siehe zum weiten Verständnis von individueller Förderung unter Berücksichtigung der Subjektorientierung Zoyke (2012, S. 106 ff., S. 375 ff.).

einzelner Unterrichtsstunden. Ganz im Gegenteil, einzelne Unterrichtsstunden sind eingebettet in komplexe Lehr-Lern-Arrangements, also umfassende Unterrichtsse-quenzen. Diese wiederum stehen im Zusammenhang mit dem schulischen Curricu-lum, in dem unter anderem die Abfolge von komplexen Unterrichtseinheiten im ge-samten Bildungsgang geplant wird, wobei das schulische Curriculum im Zuge der schulnahen Curriculumentwicklung auf Basis der curricularen Rahmenvorgaben entsteht. Insofern können für die Arbeit im Bildungsgang mehrere Ebenen der Un-terrichtsplanung i. w. S. unterschieden werden (z. B. Tramm & Krille, 2013; Tramm &

Naeve-Stoß, 2016; Sloane, 2003, 2010), wobei auf allen diesen Ebenen die Orientie-rung an subjektiven Voraussetzungen und Lebenssituationen zu berücksichtigen wäre.

Hier ist nicht der Ort, um einen systematischen Einblick in das Planungshan-deln von Lehrpersonen zu geben. Es erfolgt vielmehr eine pointierte Zusammenfas-sung zentraler Befunde aus Studien zum Planungshandeln von Lehrkräften unter dem Blickwinkel der besonderen Herausforderungen, die sich angesichts einer indi-vidualisierten und subjektorientierten Curriculum- und Unterrichtsentwicklung er-geben. Zunächst einmal kann festgestellt werden, dass das lernende Subjekt nur ru-dimentär bei der Unterrichtsplanung berücksichtigt wird. So kommen sowohl Bromme (1981) als auch Haas (1998) im Rahmen ihrer Studien zu dem Schluss, dass Lehrkräfte sich bei der Unterrichtsplanung vorrangig am Durchschnittsschüler orientieren und die Klasse als „Ganzes“ im Blick haben. Demzufolge seien Diffe-renzierungs- und Individualisierungsmaßnahmen selten Teil der Unterrichtspla-nung (so auch Seifried, 2009).

Seifried (2009), Aerne (1990) und auch Bromme (1981) stellen heraus, dass viel eher der Unterrichtsinhalt sowie die Auswahl und Abfolge der Lehrenden- und Ler-nendenaktivitäten die wesentlichen Kategorien der Unterrichtsplanung darstellen.

Dabei steht der fachliche Inhalt im Zentrum der Unterrichtsplanung, um den alle weiteren Entscheidungen herum getroffen werden (Teebrügge, 2001, S. 126; Haas, 2005, S. 9; Pfannkuche, 2013, S. 37). Bei der Planung des Inhalts sei es den Lehren-den besonders wichtig, einen „logischen“ Aufbau für die Inhalte zu finLehren-den (Bromme, 1986; Seifried, 2009; Pfannkuche, 2013).

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass das Verständnis des Unterrichtsinhalts insbesondere bei langjährig tätigen Lehrkräften auf der Grundlage ihrer Unterrichts-erfahrungen stark ausgeprägt ist, dieses nur schwer veränderbar zu sein scheint und zudem für den Unterricht vor allem die fachsystematische Vollständigkeit angestrebt wird (z. B. Pfannkuche, 2013; Aerne, 1990). Die Frage danach, welche subjektive Be-deutsamkeit der Inhalt für einzelne Schülerinnen und Schüler hat, spielt demnach keine oder nur eine untergeordnete Rolle bei der Unterrichtsplanung.

Hinzu kommt, dass bei der Unterrichtsplanung die Interpretation des Rahmen-lehrplans sowie die Festlegung von Zielen, die mit dem Unterricht erreicht werden sollen, nahezu bedeutungslos sind (Seifried, 2009).

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse und angesichts des Anspruchs einer individuellen Förderung und Subjektorientierung werden wir im Folgenden

Mög-lichkeiten einer Individualisierung bei der Unterrichtsplanung auf makro- und mi-krodidaktischer Ebene, d. h. von der Entwicklung schulischer Curricula bis hin zu Unterrichtseinheiten, aufzeigen.

3 Konzeptionelle Annäherung an individuelle Förderung