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Zur Finanzlage der Sowjetunion

Im Dokument MARKT OST-EUROPA­ (Seite 139-143)

Von Dr, Gerhard D o b b e r t, Berlin,

I,

Jede Betrachtung der russischen Finanzen hat zweckmäßiger­

weise auf zwei Momente hinzuweisen, die den Unterschied der Fi­

nanzen dieses Staates zu denen jedes beliebigen anderen Landes kennzeichnen. Einmal gibt es in der UdSSR keine Privatwirtschaft in nennenswertem Umfange mehr, aus der der Staat die Mittel ent­

nehmen kann, um seine Aufgaben zu erfüllen. Staatswirtschaft und Volkswirtschaft fallen immer mehr zusammen, so daß der Staat durch seine eigenen Betriebe seinen Bedarf erwirtschaften muß. Der omnipotente Staat beherrscht die Wirtschaft, er ist für alles wirt­

schaftliche Geschehen maßgebend, alle Dispositionen über Produk­

tion und Verteilung, Ausfuhr und Einfuhr usw. werden von ihm ge­

troffen — er ist daher in vollem Umfange sowohl für den Wirt­

schaftserfolg der Produktion der gesamten Volkswirtschaft wie für d i e V e r s o r g u n g d e r B e v ö l k e r u n g v e r a n t w o r t l i c h . I n e i n e m s o g e a r t e t e n S t a a t g i b t e s k e i n e p r i v a t e K a p i t a l ­ wirtschaft. In keinem Staate sind daher die Staatsfinanzen für das volkswirtschaftliche Ganze von so entscheidender Bedeutung wie in der UdSSR. Ein geordnetes Finanzwesen und ein stabiles Wäh­

rungssystem sind die Voraussetzung für den planmäßigen Aufbau der russischen Wirtschaft, insbesondere für die Industrialisierung und für die Realisierung des für sie in Aussicht genommenen Importes an Maschinen und Ausrüstungen, ebenso auch für die Produktion von Exportartikeln, die Beschaffung der Rohstoffe und landwirtschaft­

lichen Produkte, aus deren Valutaerlösen die Sowjetunion ihre Aus­

fuhr bezahlen muß.

Das zweite Moment: die russische Tscherwonez-w ä h r u n g i s t a l s r e i n e B i n n e n Tscherwonez-w ä h r u n g d e n E i n Tscherwonez-w i r ­ kungen vom Ausland her nicht ausgesetzt. Außen­

handel und Devisenwirtschaft sind streng monopolisiert. Der Staat verkauft an das Ausland und kauft vom Ausland nur gegen auslän­

dische Zahlungsmittel (nach Asien besteht z. T. auch ein Tausch­

handel). Die für den Export benötigten Waren kauft er von seinen Organen gegen Rubel, und gegen Rubel liefert er die aus dem Ausland importierten Maschinen an seine Fabriken. Nirgends kommt der Rubel mit ausländischen Zahlungsmitteln an den Börsen in Berüh­

rung. Kein Run auf den Tscherwonez kann ihn im Kurse drücken, sein Wert wird ausschließlich durch die innerwirtschaftlichen Ver­

hältnisse bestimmt.

II.

Aus dem Gesagten geht bereits hervor, daß die russischen Fi­

nanzen für die Zahlungsfähigkeit der UdSSR nur insofern von Bedeu­

tung sind als geordnete Finanz- und Währungsverhältnisse die Vor­

aussetzung jeder rationellen Wirtschaft, speziell jeder planwirtschaft­

lich orientierten Volkswirtschaft sind. In dieser Hinsicht kann die Bedeutung der Sowjetstaatsfinanzen nicht hoch genug veranschlagt werden. Eine soeben erschienene Schrift trägt den Titel: „Der Rubel beim Aufbau des Sozialismus" (Karl Elster). Ohne die Reformen auf dem Gebiete des Finanzwesens wäre niemals der Wiederaufbau der russischen Wirtschaft und der Fünfjahrplan möglich gewesen.

Eine genaue Orientierung über den wirklichen Stand der russi­

schen Finanzen wird durch verschiedene Umstände überaus er­

schwert. Die Publizität ist höchst mangelhaft, ein Etat wird bis auf eine ganz kurze Uebersicht im Finanzgesetz nicht veröffentlicht, die amtlichen Zahlen weichen oft von einander ab und sind nicht mit ein­

ander vergleichbar, da sie bald in Nominalrubeln, bald in Rubeln nach der Kaufkraft früherer Jahre angegeben werden. Wie diese Um­

rechnungen erfolgen, ist nicht ersichtlich; Preisindices werden nicht veröffentlicht. Die Ausweise der Staatsbank erscheinen mit viel­

monatlicher Verspätung usw. Soviel kann aber heute auch aus per­

sönlicher Kenntnis der Moskauer Verhältnisse gesagt werden: Seit 1925/26 hat die UdSSR einen geordneten und defizitlosen Etat. Die Etatvoranschläge werden in der Regel „übererfüllt", indem in der

Regel durch Nichteinhaltung des Wirtschaftsplanes im Laufe des Etat­

jahres Mehrausgaben entstehen, die durch Erhöhung der Einnahmen ausgeglichen werden müssen. Der sozialistische Staat hat hierzu nun weitaus größere Möglichkeiten als der kapitalistische Staat: ent­

weder Steuern oder Preiszuschläge auf seine Produkte oder An­

leihen. Es handelt sich nur um die Methode, welches Mittel oder welche Kombination von Mitteln er anwendet, um der Bevölkerung Kaufkraft zu entziehen. Die Höhe der inneren Schulden (letzter Aus­

weis: zum 1. Januar 1932 3,750 Mill. Rbl. Im Etat von 1932 waren 4,3 Mrd. und im Etat von 1933 sind 4,0 Mrd. neue Anleihen vor­

gesehen) ist für die Zahlungsfähigkeit der Sowjetunion irrelevant.

Es sind das nicht Mittel der privaten Wirtschaften oder von Privat­

personen, die dem Staat freiwillig zur Verfügung gestellt werden, sondern politisch-bedingte Zwangsbeiträge, die gleich einer Steuer den privaten, aber auch den Staatsbetrieben auferlegt werden.

III.

Der Etat für 1933 balanciert mit zirka 35 Mrd.

Rbl. und soll 68,6 % des Volkseinkommens ausmachen. Er umfaßt also nicht die gesamte Staatswirtschaft, sondern nur einen Teil der­

selben: Das Volumen des verstaatlichten Sektors soll 1933 88,5 % des Volkseinkommens betragen. Ein befriedigender Versuch einer zu­

sammenfassenden finanziellen Planung der gesamten Staatswirtschaft ist bis jetzt nicht geglückt, und doch ist ein methodisch einwandfrei aufgestellter einheitlicherFinanzplan eine Voraussetzung für eine planmäßige Durchführung des Aufbaus.

Ein Gefahrenmoment, das sich von Jahr zu Jahr ver­

größert und den planmäßigen Wirtschaftsablauf in zunehmendem Maße in Frag^ stellt, ist die abnehmende Kaufkraft der russi­

schen Währung. Russischerseits wird eine Inflation stets ge­

leugnet. Tatsache ist aber, daß die Kaufkraft des Rubels nicht nur auf dem freien Markt stark zurückging, sondern daß auch alle staat­

lich gebundenen Preise im Verlauf der letzten Jahre ständig anzogen.

Die Verschiedenheit der Märkte — staatlich rationierter Markt (Kooperative), staatlicher freier Markt (Warenhäuser), privater freier Markt — und der Kaufkraft des Rubels von Person zu Person (je nach der sozialen Kategorie bezieht der Sowjetbürger billige Ware aus den staatlichen Kooperativen oder muß seinen Bedarf auf den anderen Märkten decken), macht eine genaue Berechnung der Kaufkraft des Rubels unmöglich. Auf Grund amtlicher russischer Angaben kann man für die Zeit von 1928 bis 1931 eine Entwertung von 18,4 % errechnen, was aber der tatsächlichen Entwertung kaum entsprechen dürfte. Diese Tendenz hat sich im letzten Jahre so er­

h e b l i c h v e r s t ä r k t , d a ß e i n e Z e i t l a n g d a s G e r ü c h t v o n e i n e r W ä h ­ rungsreform umlief und man die Rückberufung des bekannten Finanzwissenschaftlers Sokoljnikow vom Londoner Botschafterposten damit in Zusammenhang brachte. Dieses Gerücht ist aber energisch dementiert worden; man versucht, ohne eine solche auszukommen und statt dessen einmal die Produktion von Konsumgütern zu heben, zum andern die Geldemission zu bremsen. Ueber die faktische Höhe derselben war auch in Moskau kein einwandfreier Bescheid zu er­

halten. Die letzten Ausweise (1. September 1932) geben einen Ge­

samtumlauf von 6183 Mill. Rbl. an. Davon sind 2925 Mill. Bank­

noten, die zu 25 % durch Gold und Devisen *) gedeckt sein sollen, 2922 Mill. Schatzscheine, die ungedecktes Geld darstellen und bis zu 100 % der gedeckten Banknoten ausgegeben werden dürfen, und der R e s t H a r t g e l d . D i e G o l d - u n d D e v i s e n d e c k u n g i s t d e m ­ n a c h u n t e r d i e g e s e t z m ä ß i g v o r g e s c h r i e b e n e Grenze gesunken: sie betrug am 1. Juli 1932 22,5 % und am 1. September 1932 22,1 %. Der letzte Ausweis über die Banknoten gibt einen weiterhin erhöhten Bestand von 3430 Mill. Rbl. an, wei­

tere Emissionsdaten fehlen. Es erscheint zweifelhaft, ob die Bestim­

mung, daß die Schatzscheine den Betrag der Banknoten nicht über­

schreiten dürfen, eingehalten wird. Die Klagen, daß Banknoten mit denselben Nummern in den Verkehr gegeben werden, haben noch immer nicht endgültig aufgehört.

IV.

A u s s c h l a g g e b e n d f ü r d i e r u s s i s c h e Z a h l u n g s ­ fähigkeit ist die Handelsbilanz der UdSSR. Ihr Minussaldo betrug trotz krampfhafter Versuche, den Export zu steigern, in den letzten fünf Jahren (1928 bis 1932): 561,5 Mill. Rbl.

Die Zahlungsverpflichtungen der Russen werden auf ins­

gesamt 1 Mrd. Rbl. geschätzt, von denen über die Hälfte auf Deutsch­

land entfallen dürfte. Bedenklich ist nicht ihre absolute Höhe, son­

dern ihr kurzfristiger Charakter. Aus wirtschaftlichen und politischen Gründen wollen die Russen ihren Import nicht noch mehr reduzieren (von 1105 Mill. Rbl. im Jahre 1931 sank er auf 618,7 Mill. Rbl, im Jahre 1932). Nennenswerte Valutaerlöse haben sie aber nur aus dem Export, der von 811,2 Mill. Rbl. auf 563,9 Mill. zusammen­

schrumpfte, Das Birmingham Bureau of Economic errechnet in sei­

ner Untersuchung über die russische Zahlungsbilanz ein höheres Warenbilanzpassivum, da einmal die russische Statistik die Kredit­

kosten (7 bis 8 % im Jahr) nicht mit in den Warenwert einrechne, der Einfuhrwert also effektiv höher liegt als die Russen ihn auswei­

sen, zum andern, daß Waren, speziell Massengüter, vielfach an Order oder als Kommissionsware gehen, also den Preis „fob Grenze" nicht erzielen, mithin der russische amtliche Ausfuhrwert zu hoch gegrif­

fen sei. Die Gold - und Devisenreserve beträgt nach den letzten Ausweisen 688,3 Mill. Rbl. Es liegt kein Grund vor, ihre Höhe anzuzweifeln. Sie ist für die russischen Gläubiger immerhin eine gewisse Garantie, da Gold als Deckung für die Binnenwährung ein absoluter Luxus ist. Die Goldproduktion hat seit 1931 mit zirka 52 000 kg den Vorkriegsstand (51 798 kg im Jahre 1913) er­

reicht und überschritten. Im Jahre 1932 ist die Goldproduktion auf 59 000 kg gestiegen. Bei dem Interesse, das die Gläubigerländer an der Aufrechterhaltung der russischen Zahlungsfähigkeit haben (an

*) Die Vorschrift des Artikels 18 des Statuts der Staatsbank, daß die restlichen 75 % durch Warenwechsel und ähnliche Forderungen gedeckt sein sollen, ist durch die Abschaffung des Wechselverkehrs in der UdSSR hinfällig geworden.

Die Deckung besteht heute bloß in verschiedenen kurzfristigen Forderungen der Staatsbank durch Hingabe von Kredit auf Grund des Planes.

der Zahlungswilligkeit des Sowjetstaates ist nicht zu zweifeln), ist anzunehmen, daß vorübergehende technische Schwierigkeiten im Zahlungsverkehr, die auf einer ungeschickten Massierung der Kre dite beruhen, behoben werden können. So soll gerade jetzt zur Ent­

lastung der russischen Devisenbilanz von deutscher Seite die rus­

sische Goldproduktion mit 60 Mill. Rbl. bevorschußt werden, wäh­

rend England eine ähnliche Operation in bezug auf russische Holz­

lieferungen vor hat (35 Mill. RM), indem englische Banken Register­

markguthaben, die sie auf Grund des Stillhalteabkommens haben, auf die russische Handelsvertretung in Berlin übertragen.

Deutschland im sowjetrussischen

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