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Die deutsch-polnischen Handelsbeziehungen im Jahre 1932

Im Dokument MARKT OST-EUROPA­ (Seite 163-187)

Die Tendenz des deutsch-polnischen Geschäfts.

Das Jahr 1932 bedeutet eine Etappe in den deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen insofern, als es durch das Warschauer Uebereinkommen vom 26. März und durch das spätere Zusatz-Kontingent)-Abkommen eine gewisse Stabilisierung der V e r h ä l t n i s s e , w e n i g s t e n s f o r m e l l , b r a c h t e . I m V o l u m e n d e r u m g e s e t z t e n W a r e n d a g e g e n i s t e i n s t a r k e r R ü c k g a n g , um fast 50 eingetreten.

P o l e n s A u s f u h r n a c h D e u t s c h l a n d , d i e 1 9 3 1 n o c h einen Wert von 315,3 Mill. ZI. hatte, ging 1932 auf 175,9 Mill. zu­

rück. Alle Positionen sind von dieser Schrumpfung betroffen. Polen führte z. B. nach Deutschland aus (in Mill. ZI.):

1931 1932

Lebensmittel 123,4 61,1

12,8 12,8

Tierische Erzeugnisse 24,3 16,1

Hoiz und Holzerzeugnisse 24,8 13,0

Pflanzen und Pflanzenteile . ... 21,0 13,5

Brennstoffe und Naphthaprodukte 6,8 4,4

Anorganische Chemikalien - . 12,0 3,2

Organische Chemikalien 10,3 7,1

Metalle und Metallerzeugnisse 46,1 28,0

Textilien 8,6 3,7

Konfektion 4,6 4,1

Ein ähnliches Bild bietet die Einfuhr aus Deutschland nach Polen. Sie betrug nur noch 173,1 Mill. ZI. gegenüber 359,2 Mill. 1931. Z. B. führte Polen aus Deutschland ein (in Mill. ZI.):

1931 1932

24,4 11,5

Tierische Erzeugnisse 22,6 13,0

Pflanzen und Pflanzenteile 4,8 2,2

Baumaterialien und keramische Erze 8,4 3,9

Mineralien 21,7 10,2

Brennstoffe und Naphthaprodukte 5,5 2,6

Anorganische Chemikalien .... 11,9 7,7

Organische Chemikalien 41,4 19,1

Farben, Farbstoffe, Lacke 8,4 5,9

Verschiedene Chemikalien .... 6,7 3,8

Metalle und Metallerzeugnisse . . . 32,3 17,0

Maschinen u. Apparate 49,4 19,0

Elektrotechn. Apparate u. Materialien 22,6 10,2

Verkehrsmittel 7,1 1,8

Papier und Papiererzeugnisse . . . 19,8 8,7 Bücher, Druckschriften, Kunstdrucke 11,3 7,8

Textilien 31,5 11,2

Konfektion 4,9 3,4

Wissenschaftl. Instrumente,Schulgerät 12,4 8,8

Nachdem Deutschland im Jahre 1931 noch einen Ausfuhrüber­

schuß von 43,9 Mill. ZI. erreicht hatte, wurde 1932 die Handelsbilanz mit Polen in Höhe von 2,8 Mill. ZI. passiv. Immer noch aber h ä l t D e u t s c h l a n d d i e e r s t e S t e l l e i n d e r p o l ­ n i s c h e n E i n f u h r u n d d i e z w e i t e i n d e r p o l n i s c h e n Ausfuhr. Es nimmt 16,2 % des polnischen Exports auf, dicht nach England mit 16,4 % und liefert 20,1 % des polnischen Imports, weit

vor dem nächsten Importland, USA, mit 12,1 %.

Während also das Gesamtvolumen stark zurückgegangen ist, h a b e n d i e r e l a t i v e n A n t e i l e e i n e b e m e r k e n s w e r t e S t e t i g ­ keit bewiesen. Sie beweist, daß im Rahmen der Aufnahmefähigkeit Polens Deutschland der bevorzugte Handelspartner bleibt, wie es seit und trotz dem Zollkriege der Fall gewesen ist.

Diese Tatsache findet ihren Reflex in den Bewegungen des kurzfristigen Kredits; die kurzfristige Gesamtverschuldung Polens ist von 640 Mill. ZI. Mitte 1930 auf 316 Mill. ZI. zurückgegan­

gen, die Folge hauptsächlich der reduzierten Außenhandelsumsätze.

Inzwischen ist aber Deutschland an die erste Gläubigerstelle gerückt, vor England, Frankreich und Oesterreich.

Diese Tendenz, die in der Entwicklung der deutsch-polnischen Handelsbeziehungen nur eine Bestätigung findet, darf aber nicht so a u s g e l e g t w e r d e n , a l s w ä r e d i e P o s i t i o n D e u t s c h l a n d s i m p o l n i s c h e n A u ß e n h a n d e l a u f g e w i s s e r m a ß e n n a t ü r ­ l i c h e n U m s t ä n d e n b e g r ü n d e t u n d u n a n f e c h t b a r . Vielmehr zeigt es sich, daß in einzelnen wichtigen Warengattungen der deutsche Lieferungsanteil langsam im Weichen begriffen ist, z. B. in der Einfuhr elektrotechnischer Erzeugnisse, Nach den An­

gaben des Warschauer Statistischen Hauptamtes lieferte Deutsch­

land 1926 noch 60,7 % der Gesamteinfuhr, 1931 nur noch 45,5 %, 1932 nur noch 41,5 %.

Dieses Zurückweichen läßt sich an mehreren Beispielen belegen.

Und hier ergibt sich die Frage, die an die Gestaltung des Jahres 1933 zu stellen ist: welche Entwicklungslinien imdeuts ch-polnischen Güteraustausch zeigen sich an, unter welchen Bedingungen läßt sich für die deutsche Exportwirtschaft mindestens eine Erhaltung ihres Anteils am polnischen Import erreichen, be­

s o n d e r s a b e r , w e l c h e M ö g l i c h k e i t e n b e s t e h e n f ü r e i n e intensivere Aktivität? Das sind alles Fragen, die heute, in einer unzweifelhaft kritischen Situation des deutschen Exports der Rückschau auf das Jahr 1932 den eigentlichen Sinn geben.

Da die Antwort sich nur aus dem größeren Zusammenhang der allgemeinen handelspolitischen Situation Polens ergeben kann, sei es gestattet, kurz auf

die Entwicklung des polnischen Außenhandels 1932 einzugehen.

Sein Volumen erfuhr im letzten Jahre eine viel stär­

kere Schrumpfung als in den beiden Vorjahren; sie betrug wertmäßig gegenüber 1931 41,8 %, bei der Einfuhr 41,2, bei der Ausfuhr 42,3 %. Wegen des weiter anhaltenden Preisfalls ist der mengenmäßige Rückgang nicht ganz so groß, er beträgt bei der Ein­

fuhr 39, bei der Ausfuhr 27,8 Die absoluten Zahlen sind:

Eine Untersuchung der Zusammensetzung der Einfuhr- und der Ausfuhrgüter ergibt eine grundlegende Tatsache für den polnischen A u ß e n h a n d e l : d i e A u s f u h r u m f a ß t ü b e r w i e g e n d R o h ­ stoffe und Halbfabrikate, vor allem schwere Massengüter wie Kohle, Eisen, Holz; zahlenmäßig ergibt sich das Verhältnis: Wert einer Tonne Exportgut = 77,4 ZI., einer Tonne Importgut = 481,9 ZI.

Die Rentabilität der Ausfuhr ist wegen der großen Transportkosten-Empfindlichkeit wesentlich von der Marktentfernung bedingt. Polen ist mit seiner Ausfuhr in erster Linie auf seine Nachbarn gewiesen.

Wenn es sie aus außerwirtschaftlichen Gründen umgeht, den Export nach entlegenen Märkten forciert, den Absatz nach Uebersee finan­

ziert, tut es das auf Kosten der Rentabilität oder des Binnenmarktes, der überhöhte Preise zahlen muß.

Der Außenhandel Polens ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr schwach entwickelt. Der Jahreswert der Einfuhr 1932, auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, ergibt einen Betrag von nur 26,52 ZI., bei der Ausfuhr von 33,34 ZI. So­

gar in Albanien, Bulgarien, Litauen und Spanien sind die Einfuhr­

quoten höher; niedrigere Ausfuhrquoten haben in Europa nur Al­

banien, Portugal und Jugoslawien. Der niedrige Stand der Einfuhr hat seinen Grund nicht nur in der Einfuhrsperre des Zoll- und Prohibitiv-Systems, sondern auch in dem starken Schwund der Kauf­

kraft der Bevölkerung, die zum großen Teil auf einen außerordent­

lich niedrigen Lebensstandard gedrückt ist. Sobald die Nachfrage

Gesamtvolumen Einfuhr . . . Ausfuhr . . .

1945,8 Mill. ZI.

862,0 1083,8

sich im Inland nur leicht verstärkt, wird eine vermehrte Einfuhr von Rohstoffen und im Lande nicht hergestellter Fabrikate nötig und setzt sich trotz aller Einfuhrverbote durch. Das zeigte sich seit Juni 1932, wo eine ständig ansteigende Linie in der Aktivität der polnischen Handelsbilanz und eine starke Zunahme der Einfuhr zu beobachten war. Im Bereich der Industrieerzeugung und zahlreicher damit zusammenhängender Zweige ist Polen eben nicht imstande, ein autarkisches System aufzubauen.

Schon jetzt ist die Einfuhr in den wichtigsten Gat­

tungen, die Polen braucht, wenn es seinen Wirtschafts­

apparat auf der gegenwärtigen Stufe seiner Leistungsfähigkeit er­

halten, geschweige, wenn es den wachsenden Versorgungsbedürf­

nissen seiner zunehmenden Bevölkerung entsprechen will, auf einen Stand gesunken, bei dem eine weitere Einschränkung kaum denkbar ist. So ist die Einfuhr

Motoren mit 3,2 Mill. ZI. um 22,0 °/o niedriger als 1931

elektr. Maschinen . . . . ,, 4,9

Textilmaschinen 5,3

landwirtsch. Maschinen . . ,, 1,7 Kesseln u. Heizapparaten . 4,9 Maschinen u. App. insges. . ,, 41,9

24.1 % ,, „ 1931 24.2 % ., „ 1931 12.3 °/o „ 1931 22,8 °/o „ 1931 24,5 °/o „ 1931

Ferner ergibt sich überall, wo besondere Anforderungen an die Qualität gestellt werden, daß die Einfuhr noch unentbehrlich ist. So z e i g t s i c h s o g a r i n d e r T e x t i l w i r t s c h a f t e i n e S e l b s t v e r ­ sorgung nur in den gangbaren Sorten, während höhere Garnnummern und feinere Gewebearten aus dem Ausland eingeführt w e r d e n . D e s h a l b h a t a u c h d i e E i n f u h r v o n R o h s t o f f e n u n d Fabrikaten der chemischen Industrie eine erhebliche Stabilität bewiesen, mit Ausnahme der Einfuhr von künstlichen Düngemitteln, auf deren gesteigerten Absatz bei der katastrophalen Lage der polnischen Landwirtschaft in absehbarer Zeit nicht gerech­

net werden kann.

Der polnische Export hat ein außerordentlich bedrohtes Jahr hinter sich. Wenn schließlich die polnische Handelsbilanz mit einem Aktivsaldo von 221,9 Mill. ZI. abschließt, so hat es des Ein­

satzes des ganzen staatlichen Machtapparates bedurft, der Unter­

stützung durch Zoll-, Fracht- und Subventionspolitik, um dieses Er­

gebnis zu erreichen. Die staatliche Sorge für den Export geht in die kleinste Einzelheit, wird jedem Unternehmen geboten. Nicht nur für den Kohlenexport ist der Frachtsatz von 7,20 ZI, pro To. auf 3,70 ZI. (bei Lieferungen über 500 000 To. monatlich) schon im Mai des vergangenen Jahres herabgesetzt worden, sondern auch, um nur ein Beispiel von vielen anzuführen, einer Firma in Jedrzejow wird neben der normalen Frachtermäßigung von 19 % eine weitere Refaktie ge­

währt bei einer Ausfuhr von mindestens 5000 To. Gips jährlich nach Skandinavien. Man kann sagen, daß nicht nur, wie der offiziöse Kurjer Polski schrieb, ,,die Ausfuhr polnischer Kohle zu einem staat­

lichen Problem geworden ist", sondern jede Ausfuhr, Polen, gewiß ein Agrarland, glaubt nicht, die Bedeutung seines Exports unterschätzen zu dürfen.

Die Aufgabe war im Jahre 1932 nicht leicht. Die Grund­

l a g e n d e s p o l n i s c h e n E x p o r t s k a m e n i n s W a n k e n . Nach Angaben des Exportverbandes der Polnischen Eisenhütten be­

t r u g a l l e i n d e r R ü c k g a n g d e r A u s f u h r v o n W a l z w e r k e r z e u g ­ nissen nach Rußland über 200 000 To,; der Beschäftigungsgrad im Hüttengewerbe war um 24 % niedriger als 1931.

Die Zementausfuhr ging von 34 000 To. im Jahre 1931 auf 5700 To. zurück.

Die französische Regierung führte Zollerhöhungen und Kontingentierungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Schnittholz, Textilien, Kohle ein, mit der Folge, daß Polens Ausfuhr nach Frank­

reich 1932 um 50 % zurückging.

Der Handel mit Oesterreich, der für Polen immer stark aktiv war (Oesterreich nahm 8 %, früher sogar 12 % des polnischen Exports auf), erlitt eine ernsthafte Störung, als Oesterreich im Au­

gust plötzlich die Kohleneinfuhr aus Polen, bis dahin ca. 100 000 To.

monatlich, sperrte.

Die Tschechoslowakei verbot die Einfuhr polnischer Schweine und halbierte ab Juli die Kohleneinfuhr, machte überdies Schwierigkeiten bei der Devisenzuteilung für polnische Rundholz­

importe.

E n g l a n d h a t d i e B a c o n e i n f u h r k o n t i n g e n t i e r t u n d d a m i t d i e polnische Baconindustrie unter die Rentabilitätsgrenze gebracht. Die Aufgabe des Goldstandards in England und Skandinavien bedrohte den polnischen Kohlenexport. Englische Kohle drang in Skandina­

vien ein, kam sogar nach Finnland und Pommerellen.

Die Wollindustrie in Bielitz-Biala, die hauptsächlich für den Ex­

p o r t a r b e i t e t , i s t d u r c h d e n A u s f a l l d e s A b s a t z e s n a c h d e n N a c h ­ folgestaaten völlig entwurzelt, sie arbeitet mit 25 % ihrer Kapazität.

R u m ä n i e n e r l i e ß n o c h a m 6 . D e z e m b e r E i n f u h r k o n t i n g e n t i e ­ rungen bzw. Verbote für 130 Waren, die besonders den polnischen Export trafen.

Nun haben aber, wie das Warschauer Konjunkturforschungs­

institut in einem seiner letzten Berichte formuliert, „die Aenderun-gen in der Einfuhrstruktur der Industriestaaten für Polen eine grund­

sätzliche Bedeutung". Polen braucht einen Ausfuhrüberschuß, da es auf andere Weise den Passivsaldo seiner Zahlungsbilanz nicht decken kann; denn die Erlangung von Auslandskrediten ist so gut wie unmöglich. Nach einer Mitteilung von Prof. Rybarski in der But-getkommission des Sejms am 24. Januar 1933 wäre zum Ausgleich der polnischen Zahlungsbilanz für 1932 ein Ausfuhrüberschuß von rund 500 Mill. ZI. erforderlich. Der Aktivsaldo der Handelsbilanz beträgt aber nur 222 Mill., so daß die Reserven der Notenbank stark beansprucht werden müssen. 1931 betrug der Aktivsaldo noch 416,5 Mill. Jede weitere Verschlechterung der Handelsbilanz gefährdet den Status der Notenbank, was aber auch nur ein Symptom für die Zu­

spitzung der wirtschaftlichen Krisenlage des Landes wäre, dem es unmöglich ist, seine Verpflichtungen aus der Kapitalverschuldung durch Warenlieferungen abzudecken.

D i e s c h w i e r i g e L a g e d e s A u ß e n h a n d e l s h a t i h r e Rückwirkung auf die Rentabilität gehabt. Die Ga­

zeta Handiowa stellte auf Grund von 572 Bilanzen eine Rentabilitäts­

berechnung mit folgendem Ergebnis auf: von 572 Aktiengesellschaf­

ten mit einem Kapital von 1962 Mill. ZI. und Reserven von 1921 Mill.

hatten nur 232 einen Gewinn von insgesamt 62 Mill. ZI. auszuweisen, dagegen schlössen 340 mit Verlust ab, und zwar in einer Höhe von 109 Mill. Für einzelne Industriezweige ergibt sich folgendes Resultat:

Kapital Zahl der Ges. Gewinn Zahl Verlust Bergwerksindustrie . 713 Mill. ZI. 5 6,1 Mill. ZI. 10 12,2 Mill. ZI.

Textilindustrie . . . 348 16 1,9 29 16,8 Naphthaindustrie . . 449 ,, 13 1,6 ,, 19 12,5 ,, ,, M e t a l l i n d u s t r i e . . . 1 1 5 „ , , 2 1 4 , 4 , , , , 2 9 1 6 , 1 , , , ,

Zementindustrie 79 ,, ,, 2 1,3 6 4,4 ,,

H o l z i n d u s t r i e . . . . 1 4 „ 1 0 , 0 2 „ 1 3 2 , 8 „ , ,

Die Aussichten für den deutsch-polnischen Güteraustausch 1933.

Angesichts der Bedrohung des Exports einerseits und der Not­

wendigkeit der Aufrechterhaltung der Ausfuhr anderseits, ist in Polen bereits im vergangenen Jahr der schon seit längerer Zeit gefaßte Plan einer umfassenden Revision der Handelsbeziehungen in Verbin­

dung mit dem neuen Zolltarif, der im Oktober 1933 in Kraft treten soll, energisch betrieben worden.

Aus vielen Gründen, deren Struktur hier angedeutet worden ist, b e s t e h t e i n e u n v e r k e n n b a r e B e r e i t w i l l i g k e i t , a u c h m i t D e u t s c h l a n d d i e H a n d e l s b i l a n z i n v e r t r a g l i c h e Bahnen zu bringen. Die immer noch behauptete Vorrang­

stellung Deutschlands im wechselseitigen Warenaustausch, die die äußere Erscheinung der Tatsache ist, daß die deutsche Exportwirt­

schaft den Anforderungen des polnischen Verbrauchs am besten ge­

recht wird und daß der deutsche Markt das bequemste, unkosten­

günstigste und natürliche Absatzgebiet für die polnische Ausfuhr ist, hat ihre Wirkung auf die wirtschaftlichen Kreise Polens nicht ver­

fehlt. Polen hat sich damit vertraut gemacht, daß Deutschland nicht mehr in nennenswertem Maße als Abnehmer landwirtschaftlicher Produkte auftreten wird. Der Dzien Polski, ein Organ des Groß­

grundbesitzes und des Leviathan-Verbandes, konstatierte schon Ende des vergangenen Jahres die Durchführung einer annähernden Lebens­

mittelautarkie Deutschlands, Auch läßt das schlechte Ernteergebnis, das für Weizen durch den Brand einen Ausfall von 41 % gegen 1931 ergibt, dem nur eine 7 %ige Zunahme der Roggenernte gegenüber­

steht, eine Entlastung des Getreidemarktes erhoffen.

W a s d i e E i n f u h r b e s c h r ä n k u n g e n a n b e t r i f f t , s o g l a u b t m a n a n d e r G r e n z e d e s M ö g l i c h e n a n g e l a n g t zu sein. Bei völlig veränderten Formen des Außenhandels, so er­

kennt man an, besteht heute ein viel innigerer Zusammenhang zwi­

schen Import und Export, Der kostspielige, verlustreiche Export nach entfernten Märkten würde gern gegen Absatzmöglichkeiten in der Nachbarschaft eingetauscht werden, in der Einsicht, daß eine Be­

teiligung an der Versorgung des internationalen Bedarfs nur in dem

Maße möglich ist, als Polen in entsprechender Weise der Produktion seiner Abnehmer die Grenzen öffnet. Polen steht vor der Zwangs­

lage, seinem Export Ersatz für die versperrten oder verkleinerten Absatzmärkte zu finden und weiß, daß sie nur unter Gegenleistun­

gen zu öffnen sind.

Die Initiative liegt allerdings bei den Regierungen, und hier zeigt sich die Bedeutung des politischen Moments, die Abhängigkeit der Handelsbeziehungen von der außenpolitischen Einstellung beider Staaten. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus läßt sich nur fest­

stellen, daß die Erkenntnis der Ergänzung und nicht Gegensätzlich­

keit des deutschen und des polnischen Wirtschaftssystems von ernst­

hafter, politisch nicht voreingenommener Seite in Polen nicht mehr geleugnet werden kann.

T r o t z d e m w i r d d e r d e u t s c h e E x p o r t a u c h h i e r a u f e i n e g e s t e i g e r t e K o n k u r r e n z d e s e n g l i s c h e n wahrscheinlich schon in diesem Jahre rechnen müssen, wenn Polen nicht einzelne, auch nur bescheidene Konzessionen in der Agrarausfuhr gemacht werden. Englands Bilanz mit Polen ist dauernd passiv; dazu kommt die notwendige Auseinandersetzung zwischen englischer und polnischer Kohle, die England sicher zur Förderung seines Industrieexports nach Polen nutzen wird. Eine Ver­

nachlässigung dieser Ueberlegungen könnte sehr leicht Verluste für die deutsche Ausfuhr nach sich ziehen. Es wäre zu bedenken, daß durch die Sperrung des Imports aus Polen in erster Linie die ehe­

mals deutschen Gebiete Posen und Pommerellen betroffen werden, die am polnischen Agrarexport mit 50 bis 80 % in den einzelnen Gattungen vertreten sind. Hieran wieder hat der deutsche land­

wirtschaftliche Besitz einen hervorragenden Anteil. Um nur ein Beispiel zu nennen: es gibt in Posen und Pommerellen 121 deutsche Molkereigenossenschaften, die jährlich 217 Mill. kg Milch verar­

beiten, und nur 62 polnische Genossenschaften mit einer Verar­

beitung von 119 Mill. kg.

Daß der polnische Markt durchaus einer Bemühung wert ist, be­

weist die Absicht verschiedener Solinger Messerschmiedefabriken, nach dem Muster der Niederlassungen in Holland, Dänemark und Spanien auch in Polen die Arbeit durch Zweigfabriken aufzunehmen, um das polnische Absatzgebiet, eins der wichtigsten für Rasier­

messer, Rasierklingen und andere Messerschmiedeerzeugnisse, nicht zu verlieren. Nachdem die polnische Industrie im vorigen Jahre einen Vorstoß gegen die Einfuhr ausländischer Haferflocken, die durch Knorr, Hohenlohe und Quaker Oats vertreten werden, unter­

nommen hat, will die Firma Knorr, wie gemeldet wird, die Produk­

tion in Posen aufnehmen.

Was die Preisgestaltung in Polen angeht, so wird die von der Regierung eingeleitete Preissenkungsaktion nicht ganz ohne Wirkung bleiben. Die Preise für Zucker, Spiritus, Stabeisen (auf 280 ZI. pro To.), Träger (NP 26 und mehr auf 315 ZI.), Bleche (über 5 mm auf 351 ZI.), U-Eisen (auf 324 ZI.) usw. sind gesenkt worden. Die Preise sind im allgemeinen auf ein Niveau gefallen, das für nicht mehr unter­

schreitbar gehalten wird. Sie waren 1932 noch bedeutend niedriger als 1931. Bei Landmaschinen beispielsweise kostete:

1931 1932

Eitischarpflug, kompl. Stahl . . . 34,30 ZI. 30,40 ZI.

Häckselmaschine (Nr. 3) .... 132,30 „ 99,75 „

Kultivator, 5zähnig 102,90 „ 93,37 ,,

Reihensähmaschine, 15 Furchen . 862,40 ,, 668,80 „ Göpel (System Clayton) .... 401,80 „ 299,05 ,,

Im wesentlichen liegt aber die Stärke des deutschen Exports nicht in der Billigkeit, die von der polnischen P r o d u k t i o n i n d e n m e i s t e n F ä l l e n m ü h e l o s u n t e r b o t e n w i r d , s o n ­ dern in der Qualität oder dem Umstand, daß die polnische Industrie Lücken aufweist. Gegenüber der in Polen oft gehörten, durch Angabe von Einzelheiten aber selten gestörten Behauptung, die polnische industrielle Erzeugung sei imstande, den Bedarf des Landes völlig zu decken, seien hier nur zwei Feststellungen von ge­

wiß sachverständiger Seite angeführt. Der Präsident des Verbandes polnischer Elektrounternehmungen, Okoniewski, erklärte (in der Fachzeitschrift Swiatlo i Sila) daß, trotzdem die Bemühungen des Verbandes um Zollschutz erfolgreich waren, die Lage der polnischen elektrotechnischen Unternehmungen nicht zufriedenstellend sei, und zwar wegen der Organisationsmängel und der chaotischen Preis­

politik; das Arbeitsfeld der Industrie sei aber sehr groß, und viele Artikel würden überhaupt noch nicht hergestellt. Und schließlich:

die Gazeta Handiowa erklärte in einer längeren Untersuchung über die polnische Werkzeugindustrie, daß in Polen nur einfache Werk­

zeuge wie Bohrer, Gewindebohrer, Feilen, Zangen, Hämmer, Aexte hergestellt werden könnten; kompliziertere Werkzeuge müßten, be­

sonders aus Deutschland, eingeführt werden.

Danzig, Ende März 1933. H. G.

Osteuropäische Wirtschaftschronik.

S o w j e t u n i o n :

Der Januarhandel

über sämtliche Grenzen der UdSSR erreichte nach den letzten amtlichen Ver­

öffentlichungen eine Gesamtumsatzmenge von 1,3 Mill. To, im Werte von 87,5 Mill, Rbl. Daraus ergibt sich im Vergleich mit dem Vormonat ein Rückgang um 19 % bezw. 15,2 % und im Vergleich mit dem Januar 1932 ein solcher von 21,4 % bezw. 37,1 %.

A u s g e f ü h r t w u r d e n i n d e r B e r i c h t s z e i t 1 , 2 M i l l . T o . f ü r 4 5 , 9 M i l l . R b l . Gegen den Vormonat entspricht das einer Senkung um 16,6% bezw. 13,1%

und gegen den Januar 1932 um 19,5% bezw. 22,1%,

Die wichtigsten Ausfuhrwaren sind Naphta, Rauchwaren, Gewebe, Flachs, Schnittwaren usw. Die Getreideausfuhr ist außerordentlich stark zusammengeschrumpft, was in der schlechten sowjetrussischen Ernte 1932 seine Erklärung findet. Die Stellung Deutschlands als Käufer sow­

j e t r u s s i s c h e r W a r e n i s t i m V e r g l e i c h m i t d e m J a n u a r 1 9 3 2 w e s e n t l i c h b e s s e r geworden, und zwar in einer Weise, durch die der englische Vorsprung fast aufr geholt ist. Von der sowjetrussischen Ausfuhr nahm Deutschland nämlich im

Januar 1932 17,7% auf, in der Berichtszeit aber schon 23,6%, wogegen England von 24,9% auf 24,2% zurückging.

Die Einfuhr stellte sich in der Berichtszeit auf 125000 To. im Werte von 41,6 Mill. Rbl. Somit trat auch hier im Vergleich mit dem Vormonat eine Senkung um 36,9 % bezw. 18,3 % und gegen den Januar 1932 von 35,9 % bezw. 48,1 % ein.

E i n g e f ü h r t w u r d e n v o r a l l e m M a s c h i n e n u n d A p p a r a t e , E i s e n u n d Stahl, Elektromaschinen, Elektroapparate und Zubehör, Wolle, Aluminium usw.

Als Lieferant nach der Union steht Deutschland in der Berichts­

zeit mit 55,3 % an weitaus erster Stelle und hat seine günstige Position vom Januar 1932 (43,7%) damit noch verbessert. Allerdings muß hierzu ein­

s c h r ä n k e n d f e s t g e s t e l l t w e r d e n , d a ß d e r a b s o l u t e d e u t s c h e A u s f u h r w e r t in der Berichtszeit gegen den Januar 1932 um 34,3 % gesunken ist. Englands absolute Stellung hat sich um volle 75 % verschlechtert, so daß sein relativer Anteil gegenwärtig nur noch 7,9 % ausmacht.

Die sowjetrussische Außenhandelsbilanz zeigt für die Berichtszeit ein Aktivum von 4,2 Mill. Rbl. gegen ein solches von 1,9 Mill. Rbl. im Vor­

monat und ein Aktivsaldo von 21,2 Mill. Rbl. im Januar 1932.

Die Bestelltätigkeit der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland weist im letzten Viertel des Jahres 1932 eine Steigerung auf, wobei jedoch die über 60 Mill. RM betragende Röhren- und Maschinenbestellung noch nicht berücksichtigt ist. Die Bestellwerte stiegen von 17,4 Mill RM im Oktober auf 26,9 Mill. RM im November und 31,3 Mill. RM im Dezember. Insgesamt bestellte die UdSSR somit im letzten Jahresviertel für 75,6 Mill. RM Waren.

Die Kürzung des Importprogramms,

die auf Befehl des Kommissars der Schwerindustrie, Ordshonikidse, ausgeführt wird, beläuft sich auf insgesamt 21 Mill. Rbl., von denen 17,4 Mill. Rbl. auf die E i s e n h ü t t e n i n d u s t r i e u n d n u r 2 M i l l . R b l . a u f d e n M a s c h i n e n b a u entfallen. Gestrichen werden sollen acht Exhaustoren, 60 Pumpen, ein Hoch­

frequenzofen für 145 000 Rbl., 23 Kräne, vier Elektromagneten, 23 Elektro- und Motor-Lokomotiven, eine Walzenstraße für 1,1 Mill, Rbl., neun Lokomotiven, Kesselarmaturen für 45 000 Rbl., zwei Mühleneinrichtungen, vier Vacuumfilter, 16 Magnetseparatoren, drei automatische Wagen, vier Steinbrecher, Dampf­

leitungen für 75 000 Rbl., komplette Ausrüstung für zwei Hochöfen, Selbstentlade­

wagen, Motoren für 200 000 Rbl., Werkzeugmaschinen für 500 000 Rbl. (darunter 48 Fräsbänke, acht Rundschleifmaschinen, 14 Drehbänke, acht Hobelmaschinen, zwei Radialbohrmaschinen), ein Turbogenerator, Kranausrüstungen für 100 000 Rbl., Laboratorien-Ausrüstungen, Kontroll- und Meßapparate für 83 000 Rbl., drei Kompressoren, vier Greifer, zehn Plattformen, eine Sauerstoffanlage für 100 000 Rbl., zwei Elektromotoren, eine kleine Turbine, eine Ziegelpresse, sieben Kranmotoren, vier Elektro- und Motorkarren, eine Schere für 25 000 Rbl., und eine Dampfturbinenpumpe.

Man ist in der UdSSR der Meinung, daß man in der Lage sein werde, d i e s e n B e d a r f d e r s o w j e t r u s s i s c h e n H ü t t e n i n d u s t r i e a u s e i g e n e r P r o d u k -t i o n zu decken. Wenn man aber in diesem Zusammenhang berücksich-tig-t, daß die Maschinenbauindustrie der UdSSR auch im letzten Jahr die auf sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen konnte und daß auch aus diesem Grunde das Produktionsprogramm für 1933 niedriger als für das Vorjahr in Anschlag ge­

bracht wurde und daß die sowjetrussische Eisen- und Stahlindustrie (siehe unsere Meldung in der Wirtschaftschronik dieses Heftes) ebenfalls zu Beginn dieses Jahres mit den an sie gestellten Forderungen nicht fertig wurde und wird, dann muß man sich die Frage stellen, welche neuen Hilfsmittel in der UdSSR entdekt worden sind, um das bisher Unmögliche doch noch möglich zu machen. Nach allen vorhandenen Anzeichen ist nicht damit zu rechnen, daß die von Ordsho­

nikidse vorgenommene Kürzung des Imports durch die Produktion in der UdSSR kompensiert werden wird, es sei denn, auf Kosten anderer Bedarfspositionen.

Neue Wirtschaftsorgane.

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Im Dokument MARKT OST-EUROPA­ (Seite 163-187)