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Das deutsche Rußlandgeschäft am Anfang des Jahres 1033

Im Dokument MARKT OST-EUROPA­ (Seite 36-41)

Von Roland.

I.

Aussichten lür die Entwicklung des Lieferungsgeschäfts.

Das neue Jahr beginnt mit einer Phase der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, die nicht gerade zu den durchsichtigsten g e h ö r t . D a s B e s t r e b e n , d i e D i f f e r e n z z w i s c h e n d e n j e ­ w e i l i g e n Z a h l u n g s v e r p f l i c h t u n g e n R u ß l a n d s u n d d e n E r l ö s e n a u s s e i n e r A u s f u h r h e r a b z u m i n d e r n , hat den Beziehungen seinen Stempel aufgedrückt. Man kann sagen:

„Wieder einmal". Gerade vor Jahresfrist suchten die beiden Ver­

tragspartner nach Wegen zur Schließung der damals vorhandenen Lücke. Das Wirtschaftsprotokoll vom 21. Dezember 1931 zog das Fazit aus den Verhandlungen darüber. Es sollte insbesondere die Wege weisen, die ohne Beeinträchtigung der deutschen Produktions­

interessen eine Steigerung der Sowjetausfuhr nach Deutschland her­

beiführen sollen. Das deutsch-russische Zolltarifabkommen vom Mai 1932 war ein Ausfluß dieses Schlußprotokolls. Wenn die Sowjetseite trotz dieser Vereinbarungen gegen Ende des Jahres 1932 neue Maß­

nahmen zur Förderung ihrer Ausfuhr verlangte, so lag dies daran, daß die allgemeine Absatzkrise doch schärfere Formen annahm, als man seinerzeit erwartet hatte. Die Frage, mit welchen Mitteln das erwähnte Ziel erreicht werden kann, schwebt noch immer. Trotzdem kann die Lage als weniger prekär angesehen werden, als sie manch­

mal ohne hinreichende Prüfung der Verhältnisse hingestellt wird.

Man geht durchaus fehl, wenn man befürchtet, der Handelsverkehr zwischen Deutschland und Rußland habe keine Möglichkeiten mehr zu seiner Entfaltung. Daß an seiner Weiterentwicklung mit Erfolg gearbeitet wird, beweist der Umstand, daß allen Schwierigkeiten zum Trotz Maßnahmen zur Hebung des Liefergeschäftes auch in den letz­

ten Wochen noch erwogen werden konnten. Zu diesen Maßnahmen g e h ö r t i n s b e s o n d e r e d i e W i e d e r a u f n a h m e d e s G a r a n t i e ­ verfahrens, das seit Ende Oktober 1932 geruht hat. Es ist an­

zunehmen, daß die Entscheidung über die Frage der Wiederaufnahme positiv ausfallen wird. Bestimmend dafür dürfte die Erkenntnis sein, daß im Laufe der Entwicklung es stets gelungen ist, schwieriger Situationen Herr zu werden. Der Garantiebedarf der deutschen In­

dustrie stellt sich zudem nicht höher, als Garantiemittel auf Grund von Rückflüssen aus früheren Geschäften vorhanden sind. Gerade um die Jahreswende sind größere Wechselverpflichtungen der Russen aus früheren Geschäften fällig geworden, die entsprechende Garan­

tiemittel freigesetzt haben. Auf die Garantiedeckung warten sowohl Geschäfte, die in den Monaten November bis Januar zum Abschluß gelangt sind, als auch Geschäfte, deren Abschluß von den Firmen zurückgestellt wurde, weil die Garantiefrage noch nicht hinreichend geklärt erschien.

II.

Die Bedingungen des neuen Geschäfts.

Damit ist selbstverständlich die Frage, in welcher Weise sich das Geschäft in nächster Zukunft entwickeln soll, noch nicht gelöst.

In den interessierten Kreisen der deutschen Wirtschaft besteht in voller Uebereinstimmung mit den amtlichen Organen die Absicht, a n d e n B e d i n g u n g e n d e s R a h m e n a b k o m m e n s v o m 15. Juni 1932 festzuhalten. Dies bedeutet, daß verschie­

dentlich aufgetauchte Wünsche, das Geschäft durch allgemeine Ver­

längerung der Kreditfristen zu beleben, nicht erfüllbar sind. Ganz abgesehen davon, daß die Reichsgarantie für verlängerte Fristen nicht zu haben wäre, würde auch die Finanzierung dafür nicht sicher­

gestellt werden können. Der Versuch, die Lieferungen zu Großauf­

trägen zusammenzufassen, um so für eine Verlängerung der Kredit­

ziele bessere Voraussetzungen zu schaffen, muß gleichfalls als wenig zweckmäßig angesehen werden, da der deutschen Wirtschaft wenig daran gelegen sein kann, daß die Bestellungen nur einer kleinen An­

zahl potenter Firmen zugutekommen.

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In gleichem Zusammenhang muß auch das Bestreben der Gegen­

s e i t e e r w ä h n t w e r d e n , a n d e n a l l g e m e i n e n L i e f e r u n g s ­ bedingungen der Handelsvertretung, die lt. Rahmenabkommen allen Geschäften zugrundegelegt werden müssen, gewisse Aende-rungen vorzunehmen. Derartige Versuche sind von den Lieferfirmen bereits in verschiedenen Fällen als unzulässig zurückgewiesen wor­

den. Sie tauchen aber immer wieder auf und bringen Firmen, die über die Wirkungen derartiger Abänderungen nicht unterrichtet sind, in die Gefahr, daß ihnen die Reichsgarantie zunächst verweigert wird. Unabhängig davon, wäre es sehr zu begrüßen, wenn diese all­

gemeinen Lieferungsbedingungen, die ja noch aus dem Jahre 1927 stammen, nun endlich den veränderten Verhältnissen angepaßt wer­

den und die neue Fassung erhalten, an der schon seit längerer Zeit gearbeitet wird.

III.

Garantie und Finanzierung.

Während es noch vor einigen Monaten geringere Schwierig­

keiten verursachte, für Lieferungsgeschäfte nach Rußland die Reichs - und Ländergarantie zu erhalten als garantierte Geschäfte zu finanzieren, ist jetzt — wohl zum ersten Male in der Geschichte des Rußlandgeschäfts — eine Situation eingetreten, bei welcher Finanzierungsmittel schneller beschafft werden können als Garantiezusagen der öffentlichen Hand- Die letzten Kreditkonsortien der I f a g o hatten ihre Mittel zwar stets nach einigen Wochen erschöpft; sie konnten den Fonds aber gewöhnlich bald wieder auf­

füllen, So ist das Bankenkonsortium Rußland 10a als letztes noch rechtzeitig zustandegekommen und konnte die Geschäfte finanzieren, die unter dem Konsortium 10 nicht mehr voll berücksichtigt wurden.

Wenn auch die Mittel dieses letzten Konsortiums inzwischen bis auf einen verhältnismäßig geringen Rest aufgebraucht sind, so bestehen doch Aussichten dafür, daß die Finanzierung keine längere Unter­

brechung erleidet und daß die Ifago ihre Mittel durch Bildung eines neuen Konsortiums in absehbarer Zeit wieder auffüllen wird. Die Reichs- und Ländergarantie wurde ursprünglich in dem Umfange eingeräumt, als aus den jeweiligen Rückflüssen in den ein­

zelnen Zeitabschnitten Garantiemittel zur Verfügung standen.

In den letzten Wochen sind die an sich ausreichenden Mittel nicht verbraucht worden. Die Garantieerteilung wurde vielmehr aus be­

sonderen Gründen unterbrochen, die zum Teil bereits oben angedeu­

tet worden sind. Obwohl diese Gründe jetzt nicht mehr ausschlag­

gebend sein dürften und die vorhandenen Mittel wahrscheinlich bald in vollem Umfange freigegeben werden, ist doch damit zu rechnen, daß auch in Zukunft andere, außerhalb der Garantieaktion stehende Ursachen wieder auf das Verfahren maßgebenden Einfluß gewinnen können.

Inzwischen hat man sich weiter bemüht, die Bedingungen, unter denen die Hermes-Kreditversicherungsbank Liefe­

r u n g s g e s c h ä f t e n a c h R u ß l a n d s i c h e r s t e l l t e , d e n B e d i n g u n g e n d e r D e u t s c h e n R e v i s i o n s - u n d T r e u h a n d - A . - G . a n ­

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z u g l e i c h e n . D e r H e r m e s h a t e s b e k a n n t l i c h ü b e r n o m m e n , G e ­ schäfte mit verhältnismäßig kurzfristigem Kredit (bis zu 12 Monaten) zu versichern, während die Deutsche Revisions- und Treuhand-A.-G.

bzw. der Interministerielle Ausschuß sich die Verbürgung des lang­

fristigeren Kredits vorbehielt. Der Hermes versicherte die Geschäfte u n t e r d e m s o g e n a n t e n P l a n C d e r E x p o r t k r e d i t v e r s i c h e r u n g z u 7 0 % . Diese Versicherungsbedingungen waren in manchen Punkten ungün­

stiger als die Garantiebedingungen der Deutschen Revisions- und Treuhand-A.-G. Insbesondere bestanden gewisse technische Schwie­

rigkeiten bei der Finanzierimg der durch den Hermes versicherten Geschäfte, weil an den betreffenden Wechseln die bei der Reichs­

garantie übliche Allonge (Vermerk über die Garantie bzw. Versiche­

rung) fehlte. Die Hermes-Bedingungen sind nunmehr den Garantie­

g r u n d s ä t z e n i n w e i t g e h e n d e m M a ß e a n g e p a ß t w o r d e n . D a s S y s t e m d e r V e r s i c h e r u n g w u r d e d u r c h d a s G a r a n ­ tieverfahren ersetzt. Der Hermes hat seine Kunden bereits durch Rundschreiben ausführlich über die neuen Bedingungen unter­

richtet.

IV.

Stellungnahme der Industrie zur Herabsetzung des Mindestdiskontsatzes.

Mitte November 1932 wurde das Abkommen über die Herab­

setzung des Mindestdiskontsatzes von 7 auf 6 % zwischen der Han­

delsvertretung und den Vertretern der deutschen Industrie getroffen.

Das Abkommen sollte nur für neue Geschäfte zwingende Wirkung haben. Dagegen blieb es hinsichtlich zurückliegender Geschäfte den Firmen unbenommen, auf dem alten Mindestsatz von 7 % zu be­

stehen, oder sich mit der Herabsetzung einverstanden zu erklären.

Die meisten Firmen haben zu der von der Handelsvertretung vor­

geschlagenen Herabsetzung ihre Zustimmung gegeben, andere, und zwar gerade sehr große Firmen, verhalten sich vorläufig ablehnend.

Sie begründen ihre Ablehnung damit, daß sie die russischen Wechsel nicht bei der Ifago, sondern zu höheren Sätzen anderweitig unter­

bringen müßten und daß sie daher durch eine Herabsetzung auf 6 % effektive Verluste erleiden würden. Gegen die Neuregelung wird ferner geltend gemacht, daß die Diskontierung der ungarantier-ten 40 % nach wie vor erhebliche Unkosungarantier-ten verursacht, die auch durch den alten Diskontsatz von 7 % bei weitem nicht gedeckt wer­

den. Die Handelsvertretung setzt sich gegenwärtig mit den wider­

spenstigen Firmen auseinander. Zum Teil ist es gelungen, durch Einräumung von Gegenzugeständnissen eine Einigung zu erzielen; in anderen Fällen ist die Frage nach wie vor ungeklärt.

V.

Verhandlungen über Fragen der Geschäftsabwicklung.

Die Bedingungen für die Sicherstellung russischer Anzahlungs wechsel wurden im Zusammenhang mit dem Ab­

kommen über die Zinsherabsetzung neu formuliert. An dieser Neu­

formulierung haben sich v, eitere Aenderungen als erforderlich ge­

zeigt. Darüber sind gegenwärtig noch Verhandlungen im Gange. Da es sich um keine sehr wesentlichen Punkte handelt, kann angenom­

men werden, daß die Endregelung bald vollzogen sein wird.

Die Handelsvertretung hatte sich früher im allgemeinen gewei­

gert, über kleinste Auftragssummen in Höhe von einigen Hundert RM Abrechnung zu erteilen. Sie berief sich dabei auf eine Bestimmung, wonach erst eine bestimmte Mindestauftrags-summe erreicht werden muß, wenn die Abrechnung erfolgen soll.

Die dadurch hervorgerufene Verzögerung der Zahlungen war für die betroffenen Firmen äußerst peinlich, da sie oft monatelang warten mußten, bis sie Aufträge in der vorgesehenen Mindesthöhe herein­

bekommen konnten. Es wurde infolgedessen mit der Handelsvertre­

tung vereinbart, daß in Zukunft auch kleinste Auftragssummen ab­

gerechnet werden sollen, soweit die Firmen nicht regelmäßig Bestel­

lungen erhalten. Weiterhin wurde mit der Handelsvertretung eine Vereinbarung darüber getroffen, daß die in dem Abkommen vom 1 5 . J u n i 1 9 3 2 v o r g e s e h e n e n v e r s c h i e d e n e n Z a h l u n g s ­ raten bei Auftragssummen unter 10 000 RM wegfallen und durch ein Akzeptersetztwerden, Da es sich bei so kleinen Aufträgen ohnehin um kurze Lieferzeiten handelt, hat die Anzahlung, die durch die Zusammenfassung der Raten in Zukunft fortfallen soll, keinen besonderen praktischen Wert. In bezug auf die Garantie­

erteilung sollen Firmen, die sich mit der neuen Zahlungsmethode bei kleineren Geschäften einverstanden erklären, nicht benachteiligt werden. Es wird allerdings zur Bedingung gemacht, daß die durch­

schnittliche Kreditfrist die gleiche bleibt wie vorher. Zu bemerken ist ferner, daß die Zinsen bei Zusammenfassung der Raten nicht mehr vierteljährlich in Sechsmonatsakzepten, sondern entweder durch Zu­

schlag auf die Lieferwechsel oder in einem besonderen Zinsakzept abgerechnet werden. Dieses Zinsakzept würde dann ebenso lange laufen wie der Lieferwechsel.

VI.

Russische Absatzmethoden.

Mit besonderem Nachdruck versuchen es jetzt wieder die russi­

schen Exportorgane, die am Liefergeschäft nach Rußland laufend b e t e i l i g t e n I n d u s t r i e f i r m e n z u r A b n a h m e r u s s i s c h e r E x ­ porterzeugnisse, insbesondere von Naphthaprodukten und Holz, zu veranlassen, Sie begnügen sich dabei nicht nur mit dem Abschluß von Lieferverträgen, die über ganz bestimmte Mengen lauten, legen den Firmen vielmehr zur Annahme einen Revers vor, in dem die Firmen sich verpflichten sollen, ihren gesamten Bedarf an den betreffenden Erzeugnissen aus der Sowjetunion zu decken.

Gegen den Abschluß von Lieferverträgen, in denen bestimmte Men­

gen angegeben sind, werden im allgemeinen keine Bedenken geltend gemacht, soweit die russischen Erzeugnisse qualitativ den Anforde­

rungen entsprechen und soweit die russischen Preise und Zahlungs­

bedingungen noch als angemessen bezeichnet werden können. Da­

gegen wird Anstoß genommen an einer Verpflichtung, die einem russischen Exportorgan das Monopol an der Belieferung eines

bestimmten Abnehmers zusichert. Es wird auch gar nicht für er­

forderlich angesehen, die Bindungen so weit auszugestalten, da den russischen Verkäufern durch Abschlüsse über ganz bestimmte Quan­

ten nicht weniger gedient wird. Es ist auch zu berücksichtigen, daß in der Garantiefrage Schwierigkeiten entstehen können, wenn die Firmen derartige Verpflichtungen eingehen.

Abgeschlossen am 24. Januar 1933.

Im Dokument MARKT OST-EUROPA­ (Seite 36-41)