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6. ALLGEMEINES ZUR VERDAUUNGSPHYSIOLOGIE

7.3 Intermediärstoffwechsel

7.3.1 Fett(re-)synthese im Darmepithel und Transportwege des synthetisierten Fetts

7.3.1.1 Fettresynthese im Darmepithel

Während die ältere Physiologie die Tatsache, daß Fett hinter der Darmwand in ähnlicher chemischer und physikalischer Natur auftrat, wie es in den Darm verabreicht worden war, zunächst als Beweis dafür gewertet hatte, daß Fett als feine Emulsion auch korpuskulär aufgenommen werden konnte, waren bereits einige andere Forscher im 19.

Jh. darauf gestoßen, daß sich selbst nach der Verfütterung freier Fettsäuren Triglyceride in der Lymphe finden ließen. Ein Teil dieser Forscher postulierte daher einen Fett-synthetisierenden Prozeß innerhalb der Darmwand. Andere vermuteten hingegen, die Triglyceride könnten auch aus körpereigenen Fettausscheidungen in den Darm in Form von Galle oder zugrundegegangenen Darmzellen herrühren, welche durch die Darmwand reabsorbiert worden waren.

Schon MUNK (u.a. 1884) war von einer Fettresynthese überzeugt gewesen („in Form freier Fettsäuren zur Resorption gelangt ... weiterhin zu Neutralfett regeneriert werden.“).

Noch im 19. Jh. hatte MINKOWSKI (1886) mit Hilfe der Verfütterung einer speziellen Fettsäure, die im Tierkörper natürlicherweise nicht vorkam und die durch einen definierten Schmelzpunkt gekennzeichnet war (Erucasäure), versucht, die Fett-resynthese nachzuweisen. Tatsächlich fand er nach der Fettsäurenzufuhr im Chylus Neutralfett in Form einer geringen Menge Erucin und in Form größerer Mengen Triplamitin und Tristearin.

FRANK (1898) bemängelte an diesem Versuchsaufbau jedoch die relative Nähe des Schmelzpunktes der Erucasäure zu dem nahe der Körpertemperatur liegenden Schmelzpunkt der Chylusfette bei Mischkost mit gewöhnlichen Fetten. Daher verfütterte er an Chylusfistelhunde in großen Mengen einen Aethylester der Palmitinsäure, dessen Schmelzpunkt er, anders als bei der Erucasäure, mit 24,3 °C für weit genug von dem der körpereigenen Fettsäurengemische entfernt befand und der sich in vorherigen Ausnutzungsstudien (Kotanalyse: Ausnutzung zu 87%) trotzdem als gut resorbierbar erwiesen hatte. Im Lymphchylus konnte FRANK anschließend anhand der

Bestimmung des Schmelzpunktes nicht mehr die geringste Spur des Esters nachweisen, sondern nur ein beim Erkalten des Chylusextrakts ausfällbares Tripalmitin. Er ging deshalb von einer vollständigen Spaltung des Esters aus und konstatierte außerdem auf dem Weg durch die Darmzellen einen Triglycerid-synthetisierenden Prozeß, bei dem sich die aus der Spaltung resultierenden Fettsäuren mit Glycerin zu Tripalmitin verbunden haben sollten.

Im 20. Jh. war es als erster PFLÜGER (1900b), der anhand eigener mikroskopischer Untersuchungen des „lebendigen in Fettresorption begriffenen“ Darmepithels des Hundes diese Anschauung von der Fettsynthese teilte. PFLÜGER vertrat die Ansicht, daß Fette, um vom Darmepithel resorbiert werden zu können, durch Lipasen in Fettsäuren gespalten und anschließend in wasserlösliche Seifen umgewandelt werden müßten, fand jedoch nach der Resorption in den Darmzotten große Mengen an Neutralfett. „Da wo die Dünndarmepithelzelle vom Speisebrei und der darin befindlichen Fettemulsion bespült wird, ... keine Spur von Fettstäubchen oder Tröpfchen findet sich in diesem Theil ... der Zelle, während im tieferen Theile der Zelle eine reichliche Fettemulsion vorhanden ist.“.

In einer zweiten Veröffentlichung (1902b) erklärte er diese Tatsache mit einer in den Zottenepithelien stattfindenden Resynthese von Fett aus den aufgenommenen Seifen.

Im Jahre 1913 gelang ARGYRIS u. FRANK (1913) in einer Versuchsreihe, die ursprünglich dazu diente, die These von der Spaltung der Fette vor ihrer Resorption zu stützen, ein definitiver Beleg für die Fettsynthese in der Darmwand. In Anlehnung an einen früheren Versuch FRANKs (1898) verfielen die beiden Physiologen auf die Idee, ihren Versuchshunden anstelle der Fettsäuren und Ester bestimmte Monoglyceride, die durch einen sehr niedrigen körperuntypischen Schmelzpunkt ausgezeichnet waren, zu verfüttern. Anhand chemischer Analysen konnten sie anschließend zeigen, daß trotz erfolgreicher Resorption nie wesentliche Mengen dieser Monoglyceride im Lymphchylus auftraten, sondern daß sich stets nur Triglyceride wie nach reiner Triglycerid-Verfütterung nachweisen ließen. Die Monoglyceride mußten ihrer Ansicht nach folglich auf dem Weg durch die Darmwand in Triglyceride umgewandelt worden sein.

Im Jahre 1922 erörterte BLOOR im Rahmen einer zusammenfassenden Übersicht zum Fetttransport im tierischen Körper vor allem die physikalischen Grundlagen einer Fettsynthese im Darm. So würde die Fetthydrolyse zunächst in der Freisetzung einfacher gebauter kristalloider Fettderivate resultieren, die sehr gut vom Darm resorbiert werden könnten, um dann anschließend jenseits der Grenzmembran wieder zu hochmolekulären Lipoiden zusammengesetzt zu werden.

Histologische Bekräftigung fand dieser Befund u.a. durch die Arbeit des Anatomen CHAMBERS (1922-23) an Fröschen. Der Amerikaner vermochte dank feinster lichtmikroskopischer Technik den weiteren Weg der resorbierten Fettsäuren zu erkennen und schilderte, daß sich hinter dem Epithelium striatum der Darmschleimhaut zunächst kleinste Fetttröpfchen bildeten, die jedoch mit weiterer Entfernung von der Grenzmembran immer mehr an Größe gewannen. Mittels spezifischer Färbemethoden seien diese eindeutig als Neutralfett zu identifizieren. Ihm schien hiermit der Beweis erbracht, daß der Gallensäure-Fettsäuren-Komplex unter Freisetzung der Fettsäuren aufgespalten worden war und unmittelbar danach die Synthese von Neutralfett aus Fettsäuren und Glycerin begonnen hatte.

Einen anderen Ansatz zum Beweis der Fettsynthese in der Darmwand fand im Jahre 1926-27 der Amerikaner SPERRY, als er Hunde, denen er eine komplette Gallengangsfistel angelegt hatte, einige Zeit mit einer fettfreien Diät ernährte. Er stellte fest, daß seine Tiere trotz der mangelnden exogenen Versorgung mit Fetten dennoch

eine beträchtliche Menge an Fett mit dem Kot ausschieden. Zudem war die ausgeschiedene Fettmenge bei den Hunden, die einer totalen Gallensaftdeprivation unterlagen sogar noch um einiges größer als bei Hunden, deren Galle ungehindert in den Darm abfließen konnte. Den Ursprung des fäkalen Fettes sah SPERRY daher in einer Fettsynthese und Fettsekretion von Seiten des Darms. Sein Versuch ist aus heutiger Sicht jedoch nicht beweisend, da eine bakterielle Fettsynthese nicht ausgeschlossen werden konnte.

Mit dem Einsatz von radioaktiv-markierten Molekülen, sog. Tracern, die eine genaue Beobachtung des Umsatzes eines Stoffes im menschlichen und tierischen Körper ermöglichte, wurde in den 30-er Jahren (s. SCHÖNHEIMER u. RITTENBERG; 1935 a/b: Markierung von Fettsäuren mit Deuterium) neue Wege in der Erforschung des Fetttransports durch die Zellen eingeleitet.

So hatten die amerikanischen Physiologen ZILVERSMIT et al. (1948a), die obige Methode zur Markierung bestimmter Fettkomponenten anwandten, die Kenntnisse um die enterale Fettsynthese um die Frage bereichert, ob Phospholipide als obligater Bestandteil tierischer Membranen Intermediärprodukte einer Fettsynthese in der Darmwand sein könnten. Sie verabreichten Versuchshunden nach 24-stündiger Nahrungskarenz mittels einer Magensonde süße Sahne oder Maisöl und injizierten gleichzeitig über die Venen ein radioaktiv-markiertes Phosphat. Nach 6-stündiger Einwirkzeit wurde bei der Hälfte der Hunde der Dünndarm abgebunden, so daß ein fettabsorbierender Darmabschnitt von einem fettfreien Darmbereich getrennt war; der anderen Hälfte wurde der Magendarmtrakt entfernt und auf den Phospholipidgehalt des Duodenums, Jejunums und Ileums untersucht. In keinem der genannten Fälle konnte jedoch in der Schleimhaut oder den Zotten des Dünndarms aufgrund der Absorption der Sahne, des Maisöls oder der Maisölfettsäuren eine Zunahme des Phopholipidumsatzes festgestellt werden. Die Physiologen sahen sich gezwungen, ihre These, daß alles Fett zu Phospholipiden umgewandelt und in dieser Form als obligate Intermediärprodukte die Darmwand passieren würde, zu verwerfen.

Dennoch befaßte sich der Schweizer Pharmakologe FAVARGER (1949) ein Jahr später erneut mit dieser Theorie. Er verabreichte seinen Versuchshunden, die er 24-stündig hatte hungern lassen, ein markiertes Fett, das Trielaidin, unmittelbar als Nahrungs-stoff. Nach einer gewissen Einwirkzeit tötete er die Tiere und untersuchte gesondert im Duodenum, Jejunum und Ileum die Zottenschicht, die „Epithelschicht“ und den Schleimhautrest auf ihren Gehalt an Fetten. Während er in der Epithelschicht des Ileums auf die größte Menge an Glyceriden und Fettsäuren stieß, fand er in der Epithel-und Zottenschicht des Duodenums die höchste Gesamtphospholipid-Konzentration vor.

Weiterhin war der Gehalt an neusynthetisierten Phospholipiden in der Epithelschicht des oberen Darmabschnitts größer als in den unteren Bereichen wie auch grundsätzlich die Neusynthese an Phospholipiden in der Epithelschicht höher war als in den anderen Schleimhautschichten. Die Synthese von Phospholipiden in der Darmwand schien somit mit den Nahrungsfetten in einer direkten Verbindung zu stehen.

Für eine mit dem Fettgehalt der Nahrung verknüpfte Synthese von Phospholipiden sollten 1950 auch die Befunde von BOLLMAN et al. sprechen, die nach der Verabreichung einer sehr fetthaltigen Nahrung in der Darm- und Ductus-thoracicus-Lymphe ihrer Versuchshunde einen 2-bis 3-fachen Anstieg der Phospholipid-konzentration registrierten.

Als FAVARGER in einem Versuch, bei dem er in Zusammenarbeit mit zwei Biochemikern (FAVARGER et al. 1949) erneut markiertes Trielaidin an Hunde und Ratten verfütterte und anschließend die Epithel- und Zottenschicht des Dünndarms

verglich, beobachtete, daß die Phosphatide der Epithelschicht höhere Mengen der markierten Elaidinsäure als die Zottenschicht enthielten, kam er zu einem abschließenden Postulat. Er und seine Mitarbeiter konstatierten, die Fettsäuren der Nahrung könnten in der Darmwand im Rahmen einer Phosphoryllierung zu Phosphatiden umgewandelt werden; aktivster Sitz der Fettsäurephosphoryllierung und Phosphatidsynthese sei das Randgebiet der Zotten bzw. die Grenze zwischen Zotten- und

„Epithelschicht“ des Dünndarms.