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6. ALLGEMEINES ZUR VERDAUUNGSPHYSIOLOGIE

7.3 Intermediärstoffwechsel

7.2.2 Verhalten der Fette im Blut

7.2.2.3 Fettkomponenten des Blutes unter dem Einfluß des Pankreas

Einigen Forschern war im Rahmen von Untersuchungen zum Leberfettstoffwechsel (s.

Kapitel 7.2.3.2) aufgefallen, daß das Pankreas nicht nur einen Einfluß auf die Leberlipide, sondern auch auf den Blutfettgehalt ausübte [Tab. 20].

So hatten CHAIKOFF u. KAPLAN (1934) an Hunden, deren Bauchspeicheldrüse man vollständig entfernt hatte und die mit Hilfe von Insulin-Substitutionen lange Zeit am Leben gehalten werden konnten, die Beobachtung gemacht, daß parallel zur Entstehung einer Fettleber die Fettkomponenten des Blutes deutlich herabgesetzt waren. Besonders empfindlich betroffen war die Fraktion der Cholesterolester, die bei den meisten Tieren gänzlich verschwunden war.

Ein Jahr später bekräftigten CHAIKOFF u. KAPLAN (1935) ihren Befund, als sie bei Hunden erneut unmittelbar im Anschluß an die Pankreatektomie und Insulin-Substitution ein Abfallen der Blutfettwerte registrierten. Zur weiteren Erhärtung ihrer Beobachtung verabreichten sie Rohpankreas, woraufhin sie eine Konzentrations-zunahme aller Blutfettkomponenten, vor allem jedoch der Cholesterolester-Fraktion verzeichneten. Nach Absetzen des Rohpankreas reagierte das Blut erneut mit einem schnellen und beträchtlichen Abfall aller Lipidfraktionen. Das Pankreas schien also bei der Regulation des Blutfettgehalts eine bedeutende Rolle zu spielen.

Um in Erfahrung zu bringen, ob außer dem Rohpankreas auch das länger haltbare autoklavierte Pankreas als Substitut geeignet wäre, untersuchten KAPLAN u.

CHAIKOFF (1936) dessen Wirkung auf das Blut und die Leber pankreatektomierter und Insulin-substituierter Hunde. Zwar konnte auch das autoklavierte Pankreas die für pankreatektomierte Tiere typische Fetteinlagerung in die Leber verhindern, es bewirkte jedoch nicht die vom Rohpankreas bekannte Steigerung der Blutfettwerte.

Als sie (KAPLAN u. CHAIKOFF 1937a) ihren Versuch ein Jahr später wiederholten, erhielten sie die gleichen Ergebnisse, stellten aber außerdem fest, daß durch das

autoklavierte Pankreas zwar keine Steigerung der Blutfette erzielt, aber zumindest der für pankreatektomierte Tiere typische Abfall der Blutfettwerte vermieden werden konnte. Auch das autoklavierte Pankreas schien also, wenn auch schwächer, auf den Blutfettgehalt einzuwirken.

Auch GIBBS u. CHAIKOFF verzeichneten im Jahr 1941 unter der Verabreichung von Rohpankreas an pankreatektomierte und Insulin-substituierte Hunde eine leichte Erhöhung der Blutfettwerte, die vor allem im Cholesterolanteil bestand. Die bisherigen Ergebnisse von KAPLAN u. CHAIKOFF wurden so endgültig erhärtet.

Selbst MONTGOMERY (1941), der Versuchshunden die Pankreasgänge unterband und durchtrennte, fand neben der Ausbildung einer Fettleber die gleiche Erniedrigung der Fettkomponenten des Blutes, wie sie bei pankreatektomierten und Insulin-substituierten Hunden auftrat. Auch bei den Pankreasgang-ligierten Hunden normalisierte sich der Blutfettgehalt unter der oralen Verabreichung von Rohpankreas, aber auch unter der oralen Zufuhr von Pankreassekret.

In Widerspruch hierzu traten Befunde von ALLEN et al. (1943) an Pankreasfistel-hunden. Unter der scheinbar vollständigen Ableitung des Pankreassekrets vermochten die Amerikaner keine Hypolipämie festzustellen. Allerdings bleibt ungeklärt, ob es in diesem Fall zu einer Wiederaufnahme des abgeleiteten Pankreassekrets durch Auflecken aus der Fistelöffnung gekommen war.

So konnte zwar an pankreatektomierten und Insulin-substituierten Hunden bewiesen werden, daß der Ausschluß von Rohpankreas aus der Diät zu einer deutlichem Abfall der Blutfettwerte (Gesamtcholesterol, Phospholipide, Gesamtfettsäuren) führte; gleichzeitig war jedoch noch immer nicht Klarheit darüber geschaffen worden, welcher Bestandteil der Bauchspeicheldrüse den Blutfettgehalt tatsächlich regulierte und welche Substanz pankreatektomierten, Insulin-substituierten Hunden sowie Pankreasgang-ligierten Hunden fehlte, so daß es zur typischen Hypolipämie kam.

Um aufzuklären, ob möglicherweise der im Pankreassekret enthaltene Cholinanteil für den Blutfett-steigernden Effekt des Rohpankreas verantwortlich sein könnte, prüften KAPLAN u. CHAIKOFF im Jahre 1937 (b) den Einfluß oral verabreichten Cholins auf die Leber- und Blutfettwerte pankreatektomierter und Insulin-substituierter Hunde.

Während das Cholin den Fettgehalt der Leber verringerte, blieb es jedoch bezüglich einer Erhöhung der Blutfettwerte wirkungslos.

Etwas anders waren die Befunde, die ENTENMAN et al. (1940) an Hunden erhielten, deren Pankreasgang unterbunden worden war. Zu ihrer Studie waren sie durch eigene frühere Beobachtungen (unter MONTGOMERY et al. 1939) angeregt worden. Damals hatten sie pankreatektomierten und Insulin-substuierten Hunden frisches Pankreas-sekret als Substitut verabreicht und daraufhin neben einer starken Verringerung der Leberfettkomponenten eine Erhöhung des Blutfettgehalts gefunden. Mit dieser Beobachtung hatte die Frage im Raum gestanden, ob eventuell der Cholinanteil des Pankreassekrets für die Beeinflussung der Fettkomponenten in Frage kommen könnte.

In ihrem Anschlußversuch mit Pankreasgang-ligierten Hunden beobachteten ENTENMAN et al. (1940) nun, daß die sich üblicherweise unter dem Ausschluß des Pankreassekrets einstellende Fettleber durch die tägliche Verabreichung von 2 g Cholinchlorid / Tier positiv beeinflußt werden konnte. Während die verabreichte Cholinmenge das Auftreten einer Fettleber jedoch vollständig hatte verhindern können, erwies sich die Cholindosis bezüglich einer Wiederherstellung des nach der Pankreasgangligatur im Blut erniedrigten Gesamtfettsäure-, Phospholipid- und Cholesterolgehalts als unzureichend. Die Fettwerte im Blut waren zwar

wieder-angestiegen, hatten jedoch keineswegs präoperative Normalwerte erreicht. ENTENMAN et al. sahen sich daher nicht imstande die Frage, ob der im Pankreassekret enthaltene Cholinanteil die eigentlich wirksame Substanz darstellte, eindeutig zu beantworten.

ENTENMAN prüfte daher in Zusammenarbeit mit anderen Physiologen (ENTENMAN et al. 1948) einige Jahre später, ob mit Hilfe des Cholins umgekehrt eine hinlängliche Senkung von stark erhöhten Blutfettwerten, wie sie bei hypophysektomierten und thyroidektomierten Hunden auftraten, möglich war. Auch hier hatte die alleinige Verabreichung von Cholin für eine Normalisierung der Blutfettwerte (Blutfettsenkung) nicht ausgereicht.

Im Jahre 1942 verfütterten ENTENMAN u. CHAIKOFF daher an normale Hunde über einen längeren Zeitraum (34 bis 41 Tage) sehr hohe Mengen an Rohpankreas (2-mal täglich 125 g Rohpankreas zur Fleisch-Saccharose-Diät), um herauszufinden, ob die Steigerung der Blutlipide möglicherweise durch einen Fettansatz-Effekt des Rohpankreas bedingt war. Trotz der Gewichtszunahme, die sich aufgrund der Überfütterung mit Rohpankreas einstellte, war es andererseits jedoch nie zu bedeutenden Variationen im Blutlipidgehalt gekommen, so daß die Amerikaner auch die Überfütterung bzw. Verfettung als Ursache der Pankreaswirkung ausschlossen.

Bisher waren alle Experimente an pankreatektomierten Hunden unter Insulin-Substitution erfolgt und auch bei den Versuchshunden, deren Pankreasgänge man ligiert hatte, war die körpereigene Insulinproduktion ungestört geblieben. Der Einfluß des Insulins auf den Blutfettgehalt war daher noch weitestgehend unerforscht.

Im Jahre 1931 interessierte erstmals TANGL die Frage, wie sich die Menge des Gesamtfettes und der ungesättigten Fettsäuren im Blut unter der Verabreichung von Insulin verhielt. Zunächst verabreichte er zu diesem Zweck jeweils 60 Einheiten Insulin an normale Hunde, wobei er anschließend die Erfahrung machte, daß der Blutfettgehalt innerhalb von 2 h auf ein Maximum stieg, während der Blutzuckergehalt gleichzeitig stark abfiel. Auch die Menge der ungesättigten Fettsäuren erfuhr eine beträchtliche Steigerung, wenn auch sehr viel langsamer als die Gesamtlipide. Ganz anders waren die Befunde bei pankreasdiabetischen Hunden (totale Pankreatektomie). Schon kurz nach der Pankreatektomie stieg der Blutzuckergehalt und es manifestierte sich eine Lipidämie bei gleichzeitiger Abnahme der ungesättigten Fettsäuren. Nach der Insulininjektion kehrten sich bei den pankreasdiabetischen Hunde die Verhältnisse um;

der erhöhte Gesamtfett- und Blutzuckergehalt fiel, während unmittelbar nach der Insulingabe die Konzentration der ungesättigten Fettsäuren zugenommen hatte, jedoch nur solange, wie die gleichzeitige Änderung der Blutzuckermenge erfolgt war. So wurde deutlich, daß das Insulin bei den beiden Hundegruppen nur bezüglich der Menge der ungesättigten Fettsäuren eine gleichartige Wirkung entfaltete, während es den Blutfettgehalt unterschiedlich beeinflußte. Dennoch ergaben sich Gesetzmäßigkeiten:

nahm der Blutfettgehalt ab, stieg alsbald die Menge der ungesättigten Fettsäuren; fiel die Menge der ungesättigten Fettsäuren, stieg mit deren Verschwinden der Blutzucker-gehalt. Nach Ansicht TANGLs wies dies darauf hin, daß die ungesättigten Fettsäuren sich in Zucker umgewandelt hatten und als Zwischenstufen zwischen Fett und Zucker angesehen werden mußten. Eine Insulinverabreichung an normale Hunde verringerte die Blutzuckermenge, was dazu führen sollte, daß Fett aus den Fettdepots mobilisiert und in der Leber zu ungesättigten Fettsäuren abgebaut worden war. Die ungesättigten Fettsäuren sollten ins Blut freigesetzt und zu Blutzucker synthetisiert werden. Bei diabetischen Tieren sei der Blutzuckergehalt hoch und das Fett könne aus noch

unbekannter Ursache nicht abgebaut werden. Daß das Insulin jedoch an der Fettzelle statt einer gesteigerten Fettfreisetzung eine vermehrte Aufnahme von Glukose und einen verstärkten Abbau derselben bewirkte, so daß es zu einem erhöhten Baustein-angebot (Acetyl-CoenzymA) für die Synthese von Fettsäuren (Lipogenese) kam, war TANGL noch nicht klar geworden. Genausowenig wie die Tatsache, daß das Insulin in der Muskel- und Leberzelle die Glykogensynthese steigerte.

BEREND machte im Jahre 1932 an pankreasdiabetschen Hunden die Erfahrung, daß der Gehalt an stark ungesättigten Fettsäuren sank, während gleichzeitig der Fettgehalt im Blut angestiegen war. Unter dem Einfluß einer Insulininjektion konnten sich die Werte hingegen wieder normalisieren.

SOPP u. SELBACH (1932) ließen normale Versuchshunde zunächst 8 Tage fasten und fütterten sie anschließend weitere 8 Tage lang mit einer zuckerreichen Diät. Unter der parallelen Gabe von Insulin erhöhte sich auch bei ihren Hunden der Blutfettgehalt, während gleichzeitig der Blutzuckergehalt gesunken war. Anstelle der Zunahme der ungesättigten Fettsäuren ermittelten sie eine Zunahme der Blutmilchsäure, wobei ihr Höhepunkt noch vor Erreichen des Maximalwertes der Blutfette lag. Nach 24-tägiger Insulingabe und Kohlenhydratdiät enthielt die Leber weit weniger Fett und Glykogen als zuvor, während der Fett- und Glykogengehalt der Muskulatur zugenommen hatte.

Die Forscher nahmen daher an, das Insulin habe eine vermehrte Umwandlung von Zuckern zu Fett bewirkt, wobei dieser Prozeß vorrangig in der Leber über das Zwischenprodukt Milchsäure abgelaufen sein sollte.

Drei Jahre später nahm auch der russische Humanmediziner LEWIN (1935) eine Blutanalyse an pankreatektomierten Hunden vor, bei denen die Insulin-Substitution unterblieb, so daß sich ein schwerer Diabetes entwickelte. Einige Zeit später beobachtete er eine Steigerung des Blutfettgehalts, ein schrittweises Verschwinden der Fettdepots in Unterhaut und Bauchraum (Bauchfett) sowie eine Steigerung des Fettgehaltes bestimmter Organe (u.a. Lunge). Durch die Gabe von Insulin konnten diese Veränderungen jedoch reduziert werden. Im Gegensatz zu TANGLs Befunden (1931) hatte sich im Blut der diabetischen Hunde (ohne Insulin) nicht in erster Linie eine erhöhte Konzentration an ungesättigten Fettsäuren, sondern eine mittelgradige Erhöhung der Cholesterol- und Fettphosphor-Fraktion eingestellt. Die intraduodenale Verabreichung von Pankreassaft brachte keine Veränderung bezüglich der erhöhten Werte.

GIBBS u. CHAIKOFF (1941) setzten dagegen pankreatektomierte Hunde ein, die zunächst Insulin erhielten, dann jedoch einer totalen Insulindeprivation unterzogen wurden. Genau wie LEWIN (1935) beobachteten sie bei den diabetischen Hunden (Insulindeprivation) eine Erhöhung des Blutcholesterol- und Blutphospholipidgehaltes, aber auch wie TANGL (1931) eine Zunahme des Gesamtfettsäuren. Die Steigerung der einzelnen Fettfraktionen war jedoch nur gering oder blieb zum Teil ganz aus, da GIBBS u. CHAIKOFF ihre Hunde hungern ließen. Die Amerikaner fanden zudem eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen der beträchtlichen Hyperlipidämie des Diabetes und der geringgradigen Hyperlipidämie bei pankreatektomierten Hunden, die sowohl Rohpankreas als auch Insulin erhalten hatten. Die diabetische Hyperlipidämie ging vorrangig auf die Zunahme des Blutcholesterol- oder Blutphospholipidgehaltes zurück, während die Steigerung des Blutfettgehaltes bei pankreatektomierten und Insulin-substituierten Hunden, die Rohpankreas erhalten hatten, vor allem auf den gestiegenen Blutcholesterolgehalt zurückzuführen war.

Die Wissenschaftler sollten so erkennen, daß dem Insulin tatsächlich eine Wirkung beim Fettstoffwechsel zugesprochen werden mußte, wobei man zunächst annahm, das Insulin

würde bei normalen Hunden eine andere Wirkung als bei diabetischen Tieren entfalten (s. TANGL 1931). Sein zweifacher Effekt auf den Fettumsatz sollte darin bestehen, daß bei normalen Tieren durch die Gabe von Insulin eine Förderung des Fettabbaues, bei diabetischen Hunden dagegen eine Hemmung des Fettabbaues erfolgte. Erst nach 1950 erkannte man, daß das Insulin den Fettabbau insgesamt hemmte (Hemmung der Triacylglycerin-Lipase in Blut und Gewebe, Stimulation der Fettbildung).

So hatten sich die Wissenschaftler der ersten Hälfte des 20. Jhs. bereits einige Zusammenhänge zwischen Blutfettgehalt und Funktion des Pankreas erschlossen, die man sich vor allem im Rahmen der (humanmedizinischen) Diabetesdiagnostik und -therapie zunutze machte. Eine weitere klinische Nutzung zur Diagnostik der Pankreasinsuffizienz unterblieb dagegen.

Tabelle 20: Hundestudien zum Zusammenhang zwischen Blutfettwerten und Pankreas

Jahr Autor Eingriff Blutfettgehalt Substitution

1931 TANGL a) (normale Hunde)

b) Pankreatektomie

1932 BEREND Pankreatektomie a) Abfall Gesamtfette, Anstieg

unges. Fettsäuren

Pankreatektomie a) Abfall Gesamtfette b) Anstieg Gesamtfette, v.a.

v.a. Cholesterolester

a) Insulin b) Insulin,

Rohpankreas

1935 LEWIN a) Pankreatektomie

(Diabetes) b) Pankreatektomie

a) Anstieg Gesamtfette, mittlerer Anstieg Cholesterol u. Phospholipide

b) Reduktion der Zunahmen

a)

-b) Insulin

1936 KAPLAN u.

CHAIKOFF

Pankreatektomie a) Abfall Gesamtfette

b) keine Steigerung des Gesamtfettgehaltes

1941 MONTGOMERY Pankreasgangligatur a) Abfall Gesamtfette

b)

- (normale Hunde) relative Konstanz der Blutlipide Rohpankreas in überreichlicher Menge 1943 ALLEN et al. Pankreasfistelhunde kein Abfall des Gesamtfette