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6. ALLGEMEINES ZUR VERDAUUNGSPHYSIOLOGIE

6.1. Allgemeine Chemie und Mechanik im Verdauungstrakt des Hundes

6.2.1 Direkte mikroskopische und kulturelle Studien

Während die Erforschung der Bakterienflora des menschlichen Verdauungstraktes bereits weiter fortgeschritten war, lagen bis in die 20-er Jahre des 20. Jhs. nur wenige kulturelle und mikroskopische Studien zur physiologischen Maulhöhlen-, Magen- und Darmflora des Hundes vor.

So hatten die Forscher vor allem den Mikroorganismen in der Mundhöhle [Tab. 18 a] des gesunden Hundes weit weniger Beachtung geschenkt, als sie der pathogenen Bakterienflora, für welche die Mundhöhle als Eintrittspforte galt, widmeten.

Eine Ausnahme bildete allerdings 1919 die Arbeit des Deutschen STRAUSS, der sich im Rahmen seiner Dissertation mit der Bakterienflora der Mund- und Rachenhöhle des staupekranken Hundes beschäftigte, zugleich jedoch auch eine Kontrollgruppe von 21 gesunden Hunden untersuchte. Im Bemühen, den Erreger der Staupe zu identifizieren, verglich der Tiermediziner das Sputum beider Versuchsgruppen miteinander, kam aber,

da die Existenz der Viren und die des Staupe-Morbillivirus im besonderen noch unbekannt war, zu der Schlußfolgerung, es bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen der Bakterienflora gesunder und staupekranker Hunde. So fand STRAUSS bei beiden Gruppen weder „Influenzabazillen“ noch Paratyphus-B-Bakterien, von denen angenommen worden war, sie könnten für die Staupeerkrankung verantwortlich sein. In seiner Analyse entdeckte er hingegen auch bei gesunden Hunden im Maul- und Rachenhöhlensekret Kapselbakterien, Kokken, Bacterium coli, bipolare Bakterien, säurefeste Stäbchen (keine Tuberkelbazillen), Bacillus proteus, Bacillus pyocyaneus, Bacillus mesentericus und Bacillus subtilis. Unter den Kokken führte er nach der Häufigkeit des Vorkommens Staphylococcus albus, Diplokokken, Streptokokken, Sarzinen und Tetrakokken auf. STRAUSS machte in seiner Dissertationsschrift geltend, daß besonders die Bakterienflora der Maul- und Rachenhöhle des Hundes von Interesse sein müsse, da wegen des engen Zusammenlebens des Menschen mit dem Hunde nicht ausgeschlossen werden dürfe, „daß gewisse Krankheiten von Mensch und Hund zueinander in Beziehung stehen und die Epidemiologie mancher Infektionskrankheiten dadurch ihre Erklärung finden könnte“.

Schon im Jahre 1892 hatte der Italiener VICENTINI erstmals den Filmbelag auf den Zähnen des Hundes auf seinen Bakteriengehalt hin untersucht und war dabei auf eine spezifische Bakterienart namens Leptothrix racemosa gestoßen.

Der amerikanische Zahnmediziner BEUST (1929) verfolgte dieses Thema in Anlehnung an die Untersuchung von VICENTINI viele Jahre später weiter, dehnte seine Studie jedoch auf die physiologische Mundhöhlenflora aus. Er analysierte von insgesamt 15 Versuchshunden Schmierproben, die er von der Zahnkrone und dem Ansatz des Zahnfleisches gewann und verglich selbige mit der Mundhöhlenflora des Menschen, bei dem man anders als beim Hund zur gleichen Zeit auf etliche Veröffentlichungen zur Thematik zurückblicken konnte. Neben Kokken (v.a. Diplokokken), die recht häufig in seinen Proben vorhanden waren und unter denen Streptokokken fehlten, stieß er auf eine Spirochaeta buccalis-Art, auf Spirillum sputigenum, Leptothrix gigantea, auf zwei dem Menschen fehlende Varietäten von Leptothrix und auf einen Mikroorganismus, dem er Protozoencharakter zuwies. Das Auftreten von Leptothrix racemosa, das von VICENTINI postuliert worden war, konnte er jedoch nicht bestätigen. Im Hinblick darauf gab er zu bedenken, daß abgesprengte „Bakterien-Fäden“ wegen ihrer ähnlichen Morphologie leicht als Spirochaeten mißzudeuten seien. BEUSTs Studie offenbarte eine starke Ähnlichkeit der Mundhöhlenflora von Mensch und Hund (Spirochaetum buccalis, Spirillum sputigenum, fusiforme Bakterien, einige Leptothrix-Arten, Kokken), wenn auch die Flora des Hundes stets eine größere Bakterienvielfalt gezeigt hatte. Die Ursache dieser Ähnlichkeit mußte nach Ansicht des Amerikaners in der Tatsache gesucht werden, daß der Hund vom Menschen oft mit Speiseresten, die bereits mit menschlichem Speichel in Berührung (abgekaute Knochen) gekommen waren, gefüttert wurde sowie in den Liebkosungen, die Mensch und Hund austauschten. [„...that Fido, when he kisses his mistress or licks the hands of children, or barks in proximity to his masters, thereby transmits representatives from his own (microbial) film.“].

Im Rahmen ihrer bakteriologisch-experimentellen Arbeit am Hundedarm sollte sich ebenfalls die Amerikanerin PETRAN (1935) zur Bakterienflora im Maul und Rachen des Hundes äußern, von der sie angab, diese enthielte physiologischerweise große Mengen an Streptokokken-Bakterien.

Mahlzeit aus Milch oder Hühnereiweiß unterschied. HOROWITZ machte bei der Auszählung der jeweiligen Keimzahl die erstaunliche Feststellung, daß die Bakterien-flora trotz der unterschiedlichen Einflüsse stets ausgesprochen spärlich war. So konnte sie in 1 mg Schleimhautbelag des nüchternen Magens nur 33 Keime, in 1 mg Verdauungsbrei nach der Fütterung sogar jeweils nur 25 Keime nachweisen. Nach der Auszählung der Magenkeime bemühte sie sich weiter um eine qualitative Bestimmung der Bakterien. Als obligate Keime vermochte sie im nüchternen, leeren Hundemagen die Bakterienarten Staphylococcus albus, Staphylococcus aureus, Bacillus mesentericus vulgaris und Micrococcus cereus albus auszumachen, sowie das Pneumobakterium Friedländeri, das sie jedoch den zufälligen fakultativen Bakterien zuordnete. Nach der Verfütterung von Milch bestimmte sie im Mageninhalt Staphylococcus aureus, Bacillus acidi lactici, Micrococcus aureus flavus und Sarcina flavescens; nach Eiweißfütterung Bacillus mesenterius vulgatus, Micrococcus tetragenus, Sarcina flavescens und den Hefepilz Saccharomyces Pastorianus. Die von ihr im Hundemagen vorgefundene Keimarmut, die selbst nach reichlicher Fütterung bestand, sollte sich ihrer Ansicht nach zum einen aus der Tatsache erklären, daß gekochte Nahrung verabreicht worden war, zum anderen mit der stark bakteriziden Wirkung reinen frischen Magensaftes in Zusammenhang stehen.

Schon der niederländische Bakteriologe (alte Bezeichnung: Hygieniker) KOHLBRUGGE, der aus Interesse an den Verhältnissen beim Menschen einige post-mortem-Untersuchungen zur Bakteriologie des Magens an verschiedenen nicht näher benannten Tierarten durchführte, hatte sich im Jahre 1901 (a) dahingehend geäußert, daß viele Bakterien während der Magenverdauung absterben würden. Anders als HOROWITZ hatte KOHLBRUGGE jedoch noch angegeben, aus der Ingesta des gefüllten Magens zahllose Bakterien isoliert zu haben, während er den leeren oder fast leeren Magen mehrfach ganz steril vorgefunden hatte.

Aufgrund der geringen Keimdichte der natürlichen Hundemagenflora, die sich auch unter der Nahrungszufuhr nicht reaktiv veränderte, schlußfolgerte HOROWITZ (1907), eine Beteiligung der natürlichen Magenflora an der Nahrungsverdauung sei außer vom Bacillus acidi lactici (Milchfütterung) nicht zu erwarten. Mit dieser Feststellung sollte sie einer der wenigen Wissenschaftler sein, die sich schon früh der Bedeutung der natürlichen Magen-Darmflora für die Verdauung und Auswertung der Nahrung bewußt waren.

Der Deutsche SCHÜTZ (1900) befaßte sich zu Beginn des 20. Jhs. zwar im besonderen mit der Bakteriologie des Hundedarms [Tab. 18c], ähnlich wie seine Wissenschafts-kollegen aus dem 19. Jh. interessierte ihn aber vor allem die Frage der gastro-intestinalen Desinfektion und des Zusammenhangs zwischen Darmfäulnis und bakte-rizider Wirkung der Magensalzsäure. Um der gängigen Lehrmeinung, „die Darmfäulnis verlaufe unter der exactesten Controlle des Magens“ entgegenzutreten, entwarf er eine Versuchsanordnung, bei der er Hunden große Mengen des leicht zu identifizierenden Keims „Vibrio Metschnikoff“ unter Umgehung des Magens über eine in den Magen und Darm eingenähte Kanüle (Magen-Darm-Kanüle nach Kühne, die eine Trennung des Mageninhalts vom Darm ermöglicht) verabreichte. Da sich später aus dem Chymus des oberen Colons trotz des Ausfalls der bakteriziden Wirkung der Magensalzsäure nur wenige Kolonien von Vibrio Metschnikoff anzüchten ließen und im unteren Colon und

Rektum sogar nur Reinkulturen von Escherichia-coli-Bakterien vorhanden waren, vermutete er erstmals auch im Dünndarm eine „höchst energische Desinfektion“.

Auch KOHLBRUGGE (1901a) hatte sich bei seinen bakteriologischen Studien neben der Magenflora mit der Bakterienflora des Dünn- und Dickdarms befaßt, jedoch vor allem unter quantitativen Gesichtspunkten. Gezielt öffnete er den Darm seiner Tiere post mortem innerhalb bestimmter Digestionsperioden. Da er bei allen Tieren, bei denen die Nahrung erst ins Ileum eingetreten war, das Jejunum; bei Tieren, bei denen die Ingesta das Jejunum erreicht hatte, das Ileum scheinbar steril vorfand, postulierte er, wie zuvor schon SCHÜTZ, das Dünndarmsekret entfalte eine „sterilisierende“ Wirkung. Der Niederländer sprach im Gegensatz zu den Verhältnissen im Dickdarm, den er auch im leeren Zustand niemals steril gesehen hatte, von der sog. Autosterilisation des Dünndarms. Den Processus vermiformis des Caecums beschrieb KOHLBRUGGE gar als eine der Peristaltik entzogene Kulturstätte der Escherichia-coli-Bakterien (Bacterium coli commune), wobei er berichtete, bereits in dem noch mit Mekonium gefüllten Processus vermiformis eines neugeborenen Hundewelpen Coli-Bakterien entdeckt zu haben. Die Coli-Bakterien, die KOHLBRUGGE vor obigem Hintergrund gerne zu Bacterium coeci (Coecum: veralteter Begriff für das heutige Caecum) umbenennen wollte, betrachtete er als symbiotische Keime, die von der ersten Milchaufnahme an vorhanden seien und den Körper nie verließen. Zwar würden sie mit der erstmaligen Aufnahme gemischter Nahrung beim Säugling vor allem den eiweißzersetzenden und sporenbildenden Bakterien im Colon und Rectum weichen, im Caecum würden die zuckervergärenden Coli-Bakterien aber stets den ersten Platz behaupten.

Kurze Zeit später (1901b) untersuchte KOHLBRUGGE ein weiteres Mal die Bakterien-flora des Dünndarms, um der aus dem 19. Jh. stammenden Ansicht des Bakteriologen ESCHERICH, der als Entdecker der E.-coli-Bakterien bekannt geworden war und der behauptet hatte, der gesunde Dünndarm der Säuglinge (Mensch) und Hunde besitze seine eigene Flora, nachzugehen. Da es KOHLBRUGGE jedoch angeblich niemals gelang, im gesunden Dünndarm seiner Versuchstiere Coli-Bakterien zu entdecken und er zudem eine Pathogenität derselben gegenüber dem Peritoneum, der Blase und der Leber feststellte, widersprach er ESCHERICHs Befund. Nur für den Dickdarm ließ er diese Anschauung aufgrund eigener Untersuchungen (am Kaninchen) gelten, wies aber gegen Ende seiner Ausführungen auf die Möglichkeit des Vorhandenseins einer physiologischen Keimflora (Bacterium coli) im Dünndarm des Hundes und auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen hin.

KOHLBRUGGEs Anschauung vom Caecum als Brutstätte der E.-coli-Bakterien wurde 3 Jahre später auch von dem deutschen Tierarzt BALLNER (1904), der vor allem den Darminhalt von Kaninchen studiert hatte, geteilt. Neben den Kaninchen untersuchte er auch die Darmflora eines Welpen, den er 12 h nach der Geburt tötete. Er fand in der Magen- und Dünndarmflora durch Plattenanzuchtversuche nur sehr wenige, aus Kokken und Stäbchen bestehende Bakterienkolonien, während die Anzuchtplatten nach der Beimpfung mit Caecalinhalt dicht mit E.-coli-Kolonien besät waren. Damit war dem Deutschen der Nachweis gelungen, daß sich das E.-coli-Bakterium beim Welpen zuerst im Caecum und daran anschließend in der Umgebung des Caecums etablierte und sich dort weiterentwickelte. BALLNER betrachtete die Coli-Keime daher im Gegensatz zur

„variablen Flora der oberen Darmabschnitte“ als obligate Flora der unteren Darmabschnitte, die konstant und typisch sei.

BISANTI war es zu verdanken, daß bereits im Jahre 1903 weitreichendere Kenntnisse zur Bakterienflora des vollständig gesunden Hundedarms, die auch eine Identifizierung der einzelnen Bakterienarten umfaßten, vorlagen. Darüber hinaus beschäftigte sich der

Tiergesundheit auch stark pathogene Keime (Pasteurella, Staphylococus pyogenes aureus) zu finden seien, beherbergen. Diese pathogenen Bakterien seien unter bestimmten Umständen in der Lage, in die inneren Organe einzudringen und sich zu vermehren; sie würden so eine wichtige Rolle bei bestimmten Krankheiten spielen [„L’intestin du chien contient fréquemment des germes pathogènes qui peuvent, sous l’influence de causes diverses (refroidissement, intoxications, etc.), gagner les organes profonds et y pulluler. Il est donc admissible que ces germes jouent un rôle important dans certaines affections.“]. Die von ihm im Darminhalt gefundenen Bakterien waren Staphylococcus pyogenes aureus und albus sowie Staphylococcus citreus, eine Streptokokken-Art, die dem Druseerreger ähnelte, das Bacterium coli, eine Pasteurella-Art und drei weitere Bakterienarten, die er mit Bacillus A,B und C bezeichnete.

BISANTI behauptete, der Bakteriengehalt des Darmes würde je nach der Verdauungs-periode variieren und ein gewisser Teil der mit der Nahrung eindringenden Keime sei anscheinend durch die Darmwand hindurch getreten und ins Blut und zu den Organen gelangt. Diese These versuchte er mit der Beobachtung zu belegen, daß die Bakterien-konzentration des Organparenchyms (Leber, Milz, Nieren) von der 1.-5. Stunde nach der Nahrungsaufnahme zunahm, um anschließend wieder bis zum völligen Verschwinden abzufallen.

In ihrer sehr ausführlichen Arbeit über die Bakterien des Verdauungstraktes des Hundes hatte sich HOROWITZ (1907) auch mit der Keimflora des Dünndarms befaßt.

Im Widerspruch zu den Befunden BISANTIs behauptete die Pathologin jedoch aufgrund quantitativer Analysen, daß alle mit der Nahrung per os eingeführten Bakterien schon im Magen oder spätestens im Darm rasch zugrunde gingen. Ihr Ergebnis, daß die Zahl der Dünndarmbakterien nach dem Fasten deutlich reduziert war, sich in der Verdauungsperiode aber wieder vermehrte und gegen das distale (anale) Ende des Darmtraktes erheblich anstieg, begründete HOROWITZ mit der These, während der Verdauung einer bestimmten Nahrung hätte sich eine gewisse reaktive Vermehrung der Bakterienart eingestellt hätte, welche die betreffenden Nahrungsstoffe abzubauen vermochte. Als Nährböden für die Bakterien würden dabei die Gallenflüssigkeit, der gallensaure Pankreassaft und der Darmsaft fungieren, wobei auch die Nahrungs-eiweißspaltprodukte (u.a. Acidalbumine) das Bakterienwachstum begünstigen sollten.

Allein reiner frischer Magensaft habe in hohem Maße eine bakterien-abtötende Wirkung. HOROWITZ beobachtete ferner anhand von Bakterienanzuchtversuchen auf bestimmten Nährböden [Tab. 17], daß einige obligate Dünndarmbakterien, besonders die aus dem unteren Teil des Darms, Eiweiß zu spalten vermochten und zumeist auch Kohlehydrate wie z.B. die Laktose abbauten. Keine der von ihr gefundenen Bakterienarten hatte allerdings zu ihrer Entwicklung ausschließlich Fettnahrung benutzt. Sie fand als obligate Darmbesiedler das Bacillus mesentericus, nach der Milchnahrung vor allem reichlich Bacterii acidi lactici und im Anschluß an Eiweißnahrung hauptsächlich Bacillus proteus. Außerdem stellte sie fest, daß manche der obligaten Dünndarmbakterien in der Regel nur in bestimmten Darmabschnitten [Tab. 16], wie der nur im unteren Teil des Ileums auffindbare Bacillus septicus putidus, der Eiweiß spaltete, gediehen; andere hingegen bald hier, bald dort anzutreffen waren.

Das Bacterium coli schien eine Sonderstellung einzunehmen, weil es als bleibender Bewohner des gesamten Darms in Erscheinung trat.

Tabelle 16: Bakterienflora in Abhängigkeit von der Lokalisation, nach HOROWITZ (1907)

Bakterienart Magen oberer Dünndarm unterer Dünndarm - Bacterium coli

- Bacillus septicus putidus - Bacillus mesentericus vulgatus - Sarcina flavescens

- Bacillus lacticus - Bacillus proteus vulgaris - Staphylococcus albus - Staphylococcus aureus

+ + + + +

+ 1 / 2

+ 1 + + + 2 + + + + + + +

1nach Milchfütterung

2nach Eiweißfütterung

Tabelle 17: Fermentative Wirkung der Bakterienflora gegenüber Nährsubstraten, nach HOROWITZ (1907)

Bakterienart Gelatine Peptone Hühner- Milchcasein Laktose Fett eiweiß

-Staph. albus -Staph. aureus -Sarcina flavescens -Bac. mesentericus -Bac. proteus

-Bac. septicus putidus -Bact. coli

-Bac. acidi lactici

+ + + + + + + - +1 +1 + + (+) + +(inkonst.) + + + +(z.T.) + + + +

1 Abbau nur bis zu Peptonen

HOROWITZ konstatierte anhand der Ergebnisse ihrer Kulturanzuchtversuche, „dieser Mangel an peptonisierenden Bakterien in dem oberen Darmteil, welch letzterer an den durch ihre stark peptonisierende Wirkung ausgezeichneten Verdauungssäften reich ist, erscheint sehr zweckmäßig. Im unteren Teil des Dünndarms dagegen, wo die Verdauungssäfte ihre Wirkung zum großen Teil eingebüßt haben, wo aber einige Eiweiß-portionen nicht selten noch in unverdautem Zustand anlangen, könnte Bac. septicus putidus ... dank seiner spaltenden Wirkung, an Stelle der Verdauungssäfte treten“; ferner

bald zugrunde gingen und sich nach 1-2 Tagen nicht mehr anzüchten ließen. Dies müsse man berücksichtigen, um der Gefahr einer Fehlinterpretation der tatsächlichen Keimzusammensetzung der natürlichen Darmflora des Hundes zu entgehen.

Der deutsche Veterinärmediziner BRÜGGEMANN untersuchte im Jahre 1916 den Darminhalt und die Fäzes von 15 staupekranken und 15 gesunden Hunden, um die Frage abzuklären, ob der Paratyphusbacillus als Erreger der Staupeerkrankung in Frage kommen könnte. Da er sowohl bei den erkrankten als auch bei den gesunden Tieren Bakterien fand, die er als Paratyphus-B-Bakterien identifizierte (noch nicht serologisch), und eine Reihe anderer gesunder Hunde, die er mit Reinkulturen derselben infizierte, keine Krankheitserscheinungen entwickelten, verneinte er die Frage. Sowohl bei den staupekranken als auch den gesunden Hunden gelang es ihm fernerhin, in allen Fällen neben den Paratyphus-Bacillen Diplokokken, Streptokokken und Stapylokokken, Coli-Bakterien, fast regelmäßig auch Bacillus proteus und in der Hälfte der Fälle Bacillus pyocyaneus und Bacillus mesentericus nachzuweisen, die er daher als physiologische Bakterienflora des Darms ansprach.

Seine Untersuchungen sollten drei Jahre später eine wertvolle Grundlage für die Studie des Veterinärmediziners STRAUSS (1919) zur Bakterienflora in der Maul- und Rachenhöhle des Hundes bilden.

Der Amerikaner SISSON (1917) studierte ein Jahr darauf, 10 Jahre nach HOROWITZ (1907) den Einfluß verschiedener Milchkonfektionierungen auf die Darmflora von Hundewelpen, um der Frage nachzugehen, inwieweit die Art der Säulingsnahrung die Intestinalflora des menschlichen Säuglings beeinflussen konnte. Aus seinen Versuchsprotokollen war zu entnehmen, daß sich die Flora, die sich nach der Gabe einer Milchdiät mit 10-15% Laktose oder Sukrose entwickelte, kaum von der unterschied, die nach der Gabe von pasteurisierter Milch entstanden war. Auch eine Milchnahrung mit einem extrem hohen Proteingehalt hatte die Zusammensetzung der Darmflora anscheinend nicht merklich verändert. Sogar unter einer Milchdiät mit sehr hohem Zuckergehalt wollte er keine acidophilen Bakterien gefunden haben. Da auch ihm dieser Befund überraschend erschien, wies er auf die mögliche Unzulänglichkeit seines Kultivierungsmediums hin.

Tatsächlich konnte der Amerikaner TORREY (1918/19), der sich erneut mit der Frage nach dem Einfluß der Diät auf die Darmflora des Hundes beschäftigte, entgegen den Befunden von SISSON belegen, daß ein Diätwechsel unter physiologischen Verhältnissen mit großer Regelmäßigkeit eine Veränderung der physiologischen Intestinalflora bewirkte. SISSONs Methodik rügte er mit dem Hinweis, daß das Kultivierungsmedium nur aus Fleischbrühe mit 3% Säurezusatz bestanden hatte, ohne den acidophilen Bakterien Nahrung in Form von Kohlenhydraten bereitzustellen.

TORREYs Versuche mit adulten Hunden und Hundewelpen sollten deutlich machen, daß unter der Verabreichung von ungekochter Milch vor allem das Bacterium coli, Bacillus acidophilus und Streptokokken in großen Mengen in der Darmflora vorhanden waren. Die Vermehrung der Fäulniserreger (Staphylokokken, Bacillus mesentericus, Bacillus proteus, Bacillus pyocyaneus etc.) ließ sich hingegen durch die Ernährung mit tierischem Eiweiß steigern, blieb unter der Ernährung mit Milchcasein und pflanzlichem Eiweiß dagegen unbeeinflußt und verringerte sich sogar unter der Verabreichung von Stärke. Unter Fettnahrung konnte auch TORREY keine oder nur geringe Verän-derungen in der Darmflora seiner Hunde registrieren. Unter der Verfütterung von

Brot-und Milchnahrung sah er hingegen eine starke Zunahme der Säurebakterien, wovon vor allem Bacillus acidophilus und weniger Bacillus bifidus betroffen waren. Gleiches bewirkte der Zusatz der Zucker Laktose und Dextrin zu einer Fleisch- und Reisnahrung, nicht jedoch die Zugabe von Saccharose, Maltose und Glukose, die zu keiner Veränderung der bakteriellen Flora führte. Aus seinem zusammenfassenden Befund, daß eine aus Reis und Rinderherz bestehende Diät eine Vorherrschaft des Bacterium coli, eine Diät aus Brot und Rinderherz hingegen die vermehrte Entwicklung der Säurebildner nach sich zog, schlußfolgerte er, die Effektivität des Brotes bei der Wachstumsstimulanz des Lactobacillus acidophilus sei in seinem Gehalt an Dextrin und Laktose zu vermuten. Als wichtiges Versuchsergebnis hielt TORREY vor allem die Tatsache fest, daß nicht alle Kohlenhydrate das gleiche Vermögen zeigten, eine rein fermentative Bakterienflora zu etablieren, wie auch nicht alle Proteinquellen (Rindfleisch, Rinderherz, Fisch, pflanzliches Eiweiß) in selbem Maße das Wachstum von Fäulnisbakterien zu fördern vermochten.

Auch HERTER u. KENDALL waren durch Versuche an Katzen und Affen schon früh (1908 u. 1909/10) in der Lage gewesen, in detaillierter Weise den Einfluß der Nahrung auf die physiologische Bakterienflora darzustellen. Sie bewiesen, daß sich die unter einer Proteindiät (Fleisch und Ei) gewachsene Darmflora unter einer Nahrungs-umstellung auf Milch und Dextrose rasch dahingehend veränderte, daß die stark proteolytischen Bakterien durch nicht-proteolytische und milchsäurebildende Bakterien ersetzt wurden.

Weitere 10 Jahre nach den Fütterungsexperimenten von TORREY (s.o. 1918/1919) gelang es dem Humanmediziner NECHOROSCHEW (1929), die normale Darmflora zweier Hunde durch die Verfütterung einer Bacillus-acidophilus-Diät (acidophile Sauermilch) unter Verdrängung der anaeroben Proteolyten fast ganz in Richtung der acidophilen Flora zu verschieben, um den möglichen Einfluß einer veränderten Bakterienflora bzw. die Auswirkung der Verschiebung ihres

Weitere 10 Jahre nach den Fütterungsexperimenten von TORREY (s.o. 1918/1919) gelang es dem Humanmediziner NECHOROSCHEW (1929), die normale Darmflora zweier Hunde durch die Verfütterung einer Bacillus-acidophilus-Diät (acidophile Sauermilch) unter Verdrängung der anaeroben Proteolyten fast ganz in Richtung der acidophilen Flora zu verschieben, um den möglichen Einfluß einer veränderten Bakterienflora bzw. die Auswirkung der Verschiebung ihres