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6. ALLGEMEINES ZUR VERDAUUNGSPHYSIOLOGIE

6.1. Allgemeine Chemie und Mechanik im Verdauungstrakt des Hundes

6.1.3 Speichelsekretion, pH-Wert des Speichels

6.1.4.1 Füllung , Schichtung der Nahrung

Bereits im 19. Jh. hatte man sich dafür interessiert, wie die Nahrung im Magen gelagert war und sich aus der Klärung dieser Frage Antworten zum Prozeß der Magenverdauung, aber auch zur unterschiedlichen Verdaulichkeit der Nahrungsmittel erhofft. Noch bis zum Ende des 19. Jhs. war jedoch aufgrund der Studien des kanadischen Arztes BEAUMONT (1834; s. auch ALEXY 1998, S. 42) an einem Pelzjäger, der als Folge einer Schußverletzung eine Magenfistel zurückbehalten hatte, allgemeinhin angenommen worden, der Mageninhalt werde durch die am gefüllten Magen unablässig ablaufenden Magenwandkontraktionen gründlich zu einer homo-genen Masse durchmischt.

Erst zu Beginn des 20. Jh. gelang unabhängig voneinander den Deutschen GRÜTZNER (1905), ELLENBERGER (1906) und SCHEUNERT (1906) der Beweis, daß die nacheinander aufgenommenen Futterportionen im Magen in einer regelhaften Ordnung

abgelegt wurden, die auch dann noch stundenlang weiterbestand, wenn schon ein Teil der zuerst gefressenen Portionen den Magen durch den Magensphinker verlassen hatte.

So hatte GRÜTZNER (1905) den Mechanismus der Magenverdauung an Fröschen, Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen sowie an Hunden untersucht, indem er diesen verschiedenfarbiges Futter verabreichte, die Tiere dann nach Verstreichen fester Zeiten tötete, den Magen einfror und den Mageninhalt in Form von Gefrierschnitten untersuchte. Es zeigte sich, daß die später verabreichte Nahrung konzentrisch in den schon im Magen befindlichen Inhalt eingedrungen war, so daß sich eine schalen- oder trichterförmige Schichtung ergab. Aus seinen Beobachtungen leitete GRÜTZNER die These ab, die zuletzt gereichten Nahrungsmittel würden in die Mitte der älteren Portionen gelangen und durch diese vor der Berührung mit der Magenwand und den sezernierten Verdauungssäften (Salzsäure und Fermente) geschützt sein.

Drei Jahre später prüfte SCHEUNERT (1906) diese These an 6 Pferden und einigen Hunden nach und sah sich aufgrund seiner Befunde genötigt, GRÜTZNERs Postulat zu widersprechen. Zwar konnte auch er erneut eine Aufschichtung der neuen auf die alten Futtermittelportionen, die teilweise bogenförmig war, registrieren. Im Gegensatz zu GRÜTZNERs Befunden war jedoch die schalenförmige Anordnung ausgeblieben und statt dessen kam es zum sofortigen Kontakt der neu hinzugetretenen Futterstoffe mit der Magenschleimhaut. SCHEUNERT verwies darauf, daß beim Zustandekommen der Schichtung stets eine Vielzahl an Faktoren, darunter tierartliche und individuelle Unterschiede beteiligt seien.

Auch ELLENBERGER (1906) veröffentlichte eine Abhandlung, die den Mechanismus der Magenverdauung erörterte, wobei er insbesondere seiner Enttäuschung Ausdruck verlieh, daß die von ihm schon vor fast 2 Jahrzehnten veröffentlichten Versuchsbefunde [u.a. ELLENBERGER u. HOFMEISTER 1882 u. 1883 (Versuche an Pferden); 1889 u.

1890 (Versuche an Schweinen), 1891 (Versuche an Hunden)] in Vergessenheit geraten waren, so daß andere Autoren diese als neue, eigene Ergebnisse ausgeben konnten. Auch er wollte der Anschauung GRÜTZNERs, die spätere Nahrung würde an keiner Stelle mit der Magenwand in Berührung treten, aufgrund eigener Untersuchungen nur eingeschränkt zustimmen. Seiner Meinung nach hatte dies zwar Gültigkeit für Pferde, Schweine, Ratten etc.; d.h. für Tiere mit einem kardiaseitigen Magenabschnitt, der frei von abscheidenden Magendrüsen (Salzsäure-, Pepsinsekretion) war, gälte jedoch nicht für die Fleischfresser und Menschen mit einer sezernierenden Kardiadrüsenzone. Bei letzteren würden daher die Nahrungsmittel bald nach ihrer Ankunft im Magen auch mit Magensaft in Kontakt treten.

Auch die Deutschen SICK (1906) und PRYM (1907) beschäftigten sich experimentell am Menschen und Hund mit den Schichtungsverhältnissen des Mageninhaltes. Ihre Versuche erbrachten jedoch keine neuen Anhaltspunkte, sondern bestätigten nur ein weiteres Mal die bestehende Nichtdurchmischung. SICK belegte dies durch portions-weises Aushebern des Mageninhaltes, PRYM durch Gefrieren des Mageninhaltes von Hunden, die u.a. mit Suppe gefüttert worden waren.

Ganz anders war die Methodik, die SCHILLING im Jahre 1912 zur Beantwortung der Frage „Mischung oder Schichtung?“ anwandte. SCHILLING verabreichte Versuchs-hunden und -katzen verschiedenartige Kost, die in etwa der Zusammensetzung eines menschlichen Mittagessens entsprach und die ohne Pausen verfüttert wurde.

Anschließend tötete er die Tiere, lagerte den Magen vor und eröffnete ihn, um den Inhalt Stück für Stück mit der Pinzette zu entnehmen und in der vorgefundenen Anordnung außerhalb des Magens detailgetreu wieder aufzubauen. Seine Studie ergab, daß sich feste Kost im Magen an-, nebeneinander und übereinander gelagert hatte, ohne sich

dabei regelmäßig zu schichten. Breiige Kost und Flüssigkeiten hingegen hatten sich vermischt. Die Portionen, die nachträglich in den gefüllten Magen gelangt waren, wurden seiner Meinung nach längs der großen Magenkurvatur befördert, um sich letztendlich an entstandenen Lücken in die Futtermasse einzufügen.

Im Jahre 1917 sollte schließlich SCHEUNERT durch genaue Wiederholung der Versuchsanordnung GRÜTZNERs (Verabreichung verschiedenartig gefärbter Futter-portionen, Tötung des Tieres, Einfrieren des Magens im Block, Gefrierschnitte) an mehreren Katzen und einem Dachshund der Beweis gelingen, daß die GRÜTZNER’sche Anordnung einen Spezialfall darstellte, zu dem es nur kam, wenn die bereits im Magen befindlichen älteren Futteranteile in ihrer Konsistenz wesentlich dünnflüssiger als die zuletzt verabreichte Nahrung waren. War die nachfolgende Nahrung dagegen dünnflüssiger als die älteren Futteranteile, umhüllte diese die älteren Portionen sogar mehr oder weniger, wobei sie sich ähnlich verhielt wie nach der Mahlzeit getrunkenes Wasser. Waren die nacheinander gereichten Futterportionen allerdings in ihrer Konsistenz ungefähr gleich, war es zu der von SCHEUNERT u. ELLENBERGER beschriebenen Über- und Nebeneinanderschichtung der Portionen gekommen [Abb. 5].

Längsschnitt durch den Magen; Verabreichungsreihenfolge der Futterportionen:

blau gefärbte, gelb gefärbte und zuletzt ungefärbte (weiße) Portionen Milchbrotbrei

Abbildung 5: Neben- und Übereinanderschichtung von zu unterschiedlichen Zeitpunkten verabreichter und entsprechend verschiedenartig gefärbter Nahrung; nach SCHEUNERT (1917)

6.1.4.2 Magenentleerung

Der Mechanismus der Magenentleerung war selbst zu Beginn des 20. Jhs. ein noch recht unaufgeklärter Vorgang, der Anlaß zu reger Forschungstätigkeit gab.

Noch im alten 19. Jh. war der russische Physiologe PAWLOW (1898) durch Versuche an Hunden zu dem Schluß gelangt, der Vorgang der Magenentleerung werde mit Hilfe des sog. Pylorusreflexes reguliert. Dieser Chemoreflex sollte von Seiten der Duodenal-schleimhaut ausgelöst werden und als Reaktion auf den Übertritt von Säure oder Fett einen Schluß des Pylorus, als Reaktion auf Wasser, Alkali oder Salzlösung hingegen eine Öffnung des Pylorussphinkters und eine anschließende Magenentleerung bewirken.

Im 20. Jh. gelang dem Deutschen TOBLER (1905) dagegen an Hunden der Nachweis, daß die Magenentleerung nicht nur durch chemische Faktoren beeinflußt wurde, sondern daß auch eine Dehnung des Duodenums eine Hemmung der Magenentleerung nach sich zog.

Auch COHNHEIM u. DREYFUS (1908/1909) machten darauf aufmerksam, daß Säurereize nicht die einzigen an der Magenentleerung beteiligten Faktoren waren, sondern daß auch psychische Stimuli Auslöser für die Öffnung des Pylorus sein konnten.

Gleichwohl wollten sie eine unterstützende Wirkung der Salzsäure und der Menge des Mageninhaltes nicht ausschließen.

Im Gegensatz dazu versuchte der Engländer CANNON (1911), der schon früh insbesondere die mechanischen Faktoren der Verdauung studierte, an Hunden zu bele-gen, das an erster Stelle die Salzsäure, vor allem aber das Auftreten von freier Salzsäure im Antrum pylori den eigentlichen Reiz für die Öffnung des Pylorus gab. Wegen der Unzulänglichkeit seiner Versuchsanordnung mißglückte jedoch der Nachweis.

Im Jahre 1914 bestätigte BABKIN in Experimenten an Hunden die Beobachtungen PAWLOWs und TOBLERs, laut denen, ausgelöst von der Darmschleimhaut, Fett, Säure und die mechanische Dehnung des Darms eine Schließung des Pylorus bewirkten; die Anwesenheit von Wasser, Salzlösungen und Alkalien dagegen die Pylorusöffnung zustande kommen ließen. Gleichzeitig nahm BABKIN jedoch an, daß auch unmittelbar durch die Pylorusschleimhaut (Antrum pylori) ausgelöst, ein gewisser Säuregrad und das Vorhandensein von Wasser öffnend, das Andrängen fester Partikel gegen die Schleimhaut schließend auf den Pylorussphinkter wirken würde. Er schrieb vor allem dem Pylorus (Pylorusschleimhaut), ähnlich wie CANNON (1911) eine beherrschende Rolle bei der Säurekontrolle zu.

Eine wichtige Bedeutung beim Verständnis der Magenentleerung sollte noch einem anderen experimentell belegten Befund zukommen. Es handelte sich um die Beobachtung des Rücktritts von Darminhalt in den Magen.

Der russische Physiologe BOLDYREFF hatte dieses Phänomen schon 1904 beobachtet.

So registrierte er im Anschluß an die Verfütterung von Fett im Magen seiner Versuchshunde einen Rücktritt von Galle, Pankreassekret und Darmsaft. Im Jahre 1914 veröffentlichte BOLDYREFF eine zweite Studie mit Hunden, die belegte, daß das Zurücktreten dieser alkalischen Sekrete zur Erhaltung einer definierten Säure-konzentration im Antrum pylori beitrug.

Zwei Jahre später konnte BOLDYREFF (1916/17) diesen Befund weiter präzisieren, indem er an Hunden feststellte, daß immer, wenn der Salzsäure-Gehalt im Pylorusteil des Magens die Konzentration von 0,1-0,2% überstieg, ein Rückfluß von Duodenalinhalt in den Magen erfolgte. Die Ursache des Zurückwerfens von Duodenalinhalt beruhte seiner Ansicht nach auf einer Reizung der Duodenalschleimhaut durch Säure, die

genauso wie von der Salzsäure auch durch einen reichlichen Gehalt der Nahrung an Fett und Fettsäuren hervorgerufen werden konnte. So beobachtete BOLDYREFF im Anschluß an die Verabreichung verschiedenster Sorten fetter Nahrung (Brot mit Butter, Fleisch mit Fett, Eigelb, Sahne, neutrales und saures Öl, Natrium-Oleinat-Lösungen) sogar ein mehrfaches Hin- und Herströmen der Magen-Darminhalte. Der Russe wertete den Rückfluß daher als Schutzmaßnahme des Verdauungstraktes gegen zu hohe, die Darmschleimhaut schädigende Säurereize. Dieser Rückfluß, der die Acidität des in den Dünndarm entleerten Mageninhaltes regulierte und auf einem tolerierbaren Niveau hielt, sei als Selbstregulationsmechanismus des Magens zur Einstellung der Magen-acidität zu werten.

In Kenntnis obiger Versuche und der Tatsache, daß die Acidität des aus dem Magen austretenden Mageninhaltes immer erheblich geringer war als die Acidität des reinen Magensaftes, so daß es den Anschein hatte, als dürfe eine gewisse maximale Acidität zum Schutze des Darms nicht überschritten werden, unternahm der Wiener Veterinärinspektor ORTNER im Jahre 1917 erneut einen Versuch, den Vorgang der Magenentleerung einer abschließenden Klärung zuzuführen. So konstatierte er, „welcher Natur jedoch die Reize sind, ob es psychische oder chemische, die von der Magenschleimhaut durch den Magensaft oder die entstandenen Verdauungsprodukte ausgelöst werden, oder ob es mechanische (Flüssigkeitsreiz) sind, entzieht sich zurzeit jedweder eindeutigen Beurteilung.“ Um herauszufinden, welche Ursache sich für die Öffnung des Pylorus vom Magen aus verantwortlich zeigte und ob neben der Konzentrationseinstellung des Magensaftes durch den Rücktritt von Duodenalinhalt auch eine Verdünnungssekretion im Magen an der Einstellung des austretenden Mageninhaltes auf eine definierte Acidität beteiligt war, unternahm ORTNER eine Reihe von Experimenten an Duodenalfistelhunden mit DASTRE-PAWLOW’scher Kanüle (s. auch Abkürzungen und Erläuterungen; Einnähen einer Metallkanüle mit einem Durchmesser von 14-16 mm und einer Länge von 30-45 mm Länge ins Duodenum und Einheilung derselben an der seitlichen Bauchwand). Den Hunden goß er verschiedene Mengen an Flüssigkeiten (Wasser, angesäuertes Wasser, Sodalösungen verschiedener Konzentrationen) und Nährstoffen (Eieralbuminlösungen, Pepton-lösungen mit unterschiedlichem Salzsäurezusatz, Fleisch- und Kohlenhydrate mit verschiedenem Säurezusatz) unterschiedlichster Acidität und Alkalität in den Magen ein. Anschließend versuchte ORTNER diejenige Zeit zu ermitteln, die vom Eingießen bis zur ersten Öffnung des Pylorus verstrich und mußte erkennen, daß die Salzsäure die Pylorusöffnung ganz im Gegensatz zu CANNONs Behauptung verzögert hatte, (ein Salzsäure-Gehalt von mehr als 0,3-0,4% hemmte die Pylorusöffnung vom Magen aus), daß die Öffnung des Pylorus aber weder durch die saure Reaktion des Mageninhaltes noch durch das Auftreten freier Säure verursacht worden war. Hingegen sollte, wie er in Anschlußversuchen durch das Einbringen dickbreiiger Stoffe in den Magen feststellte, ein bestimmter Verflüssigungsgrad der Nahrung, unabhängig von ihrer Reaktion oder chemischen Beschaffenheit, den ersten Reiz zur Pylorusöffnung und Magenentleerung abgeben. Da er ferner im austretenden Mageninhalt eine Herabsetzung der Acidität registrierte, obwohl bei seinen Hunden ein Rücktritt von alkalischem Duodenalsekret aufgrund der Pylorus-nahen Lage der DASTRE-PAWLOWSCHEN Kanüle im Duodenum ausgeschlossen war, postulierte er die Existenz einer Verdünnungssekretion von Seiten der Magenschleimhaut.

Im Jahre 1924 übernahm der Tierarzt DANZIGER (unter SCHWARZ, 1924b) die Versuchsanordnung ORTNERs, indem er ebenfalls Hunde, denen man einer hohe

Duodenalfistel mit DASTRE-PAWLOW’scher Kanüle angelegt hatte, einsetzte.

DANZIGER bestimmte nach der Verabreichung verschiedenster Futtermittel (Brot, rohes und gekochtes Fleisch, Suppe, Milch) neben der Zeit bis zur ersten Pylorusöffnung auch die Wasserstoffionenkonzentration des durch die Kanüle austretenden Mageninhaltes. Da er beobachtete, daß die Wasserstoffionenkonzentration des ausgetretenen Mageninhaltes bei verschiedener Fütterung nicht vollkommen konstant war, sondern in gewissen Grenzen schwankte, entschied DANZIGER, eine bestimmte Wasserstoffionenkonzentration im Mageninhalt sei zur ersten Öffnung des Pylorus nicht entscheidend. Er vertrat seine These mit einer Einschränkung; eine zu hohe Wasserstoffionenkonzentration könne durchaus eine Hemmung der Pylorustätigkeit zur Folge haben, genauso wie sich eine bestimmte Konzentration begünstigend für die Pylorusöffnung auswirken könne. Nur für spätere Pylorusöffnungen ließe sich eine relative Konstanz der pH-Werte des Mageninhaltes unabhängig von der Fütterungsart feststellen. Damit war DANZIGER zusammen mit ORTNER (1917) einer der ersten Wissenschafter, die nicht die Gesamtentleerungszeit des Magens, sondern gezielt die Zeit der ersten Pylorusöffnung prüften. Als Ergebnis seiner Studie resümierte DANZIGER, die Einstellung des Magensaftes auf eine bestimmte Wasserstoff-ionenkonzentration würde nicht die Ursache für die Öffnung des Pylorus darstellen.

Im Widerspruch dazu gingen TÖNNIS u. NEVER (1925) erneut davon aus, daß ein Zusammenhang zwischen dem Schließreflex und der Acidität bestand. Sie studierten die Pylorustätigkeit und den Vorgang der Magenentleerung an Hunden, denen eine Duodenalfistel angelegt worden war und bei denen sie außerdem zuvor die normale Entleerung mit Hilfe von Kontrastbrei am Röntgenschirm beobachtet hatten. In Fütterungsversuchen mit Ölen einer Acidität von 1-7% (Olivenöl, Rüböl, Baumöl, Arachisöl) und denselben Ölen, die durch Schütteln des Öls mit Kalkwasser neutralisiert worden waren, machten sie die Erfahrung, daß allein das Vorhandensein freier Fettsäuren im Duodenum den Schließreflex des Magenausgangssphinkters herbeiführen konnte, neutralisiertes Fett dagegen ohne Wirkung blieb. Sie nahmen daher an, daß ähnlich der Reaktion des Sphinkters auf Säure auch bei der Reaktion auf Fett ein Zusammenhang zur Acidität vorlag, wobei für die Auslösung des Schließreflexes ein Mindestfettsäureanteil, der einer Säurekonzentration von 0,2% entsprechen müsse, notwendig sei.

Erst 1942 sollte es den Amerikanern QUIGLEY et al. mit Hilfe einer speziellen Methodik gelingen, Licht in die Widersprüchlichkeit der Befunde zu bringen. Sie plazierten Tandemballons im Antrum pylori, Pylorussphinkter und im Anfangsteil des Duodenums von trainierten, unbetäubten Hunden und konnten so die Motilität der einzelnen Bereiche streng getrennt voneinander untersuchen.

Bereits im Jahre 1929 waren Gummiballons von BOLDYREFF [Abb. 6] zur Beobachtung der motorischen Tätigkeit des Magens an Fistelhunden eingesetzt worden.

Der durch die Magenperistaltik ausgeübte Druck wurde von ihm mit einem Manometer gemessen und mit Hilfe eines Kymographionzylinders aufgezeichnet.

Während die Eingabe einer Salzsäurelösung in das Antrum pylori in den Versuchen der Amerikaner (QUIGLEY et al. 1942) kaum eine Wirkung auf die Bewegung der beiden Magenbereiche gezeigt hatte, hatte die gleiche Lösung, sofern sie in das Duodenum eingegeben worden war, einerseits einen hemmenden Einfluß auf die Motilität des Antrum pylori und Duodenums ausgeübt, andererseits für eine Entspannung des Magensphinkters gesorgt. Die Magenentleerung dauerte aufgrund der chemischen Reizung des Duodenums also nur länger, zu einem Pylorusschluß war es dagegen nicht gekommen.

Abbildung 6: Beobachtung der motorischen Magen- und sekretorischen Darmtätigkeit; nach BOLDYREFF (1929): (1) Gummifistelschläuche im Magen und Duodenum. (2) Gummiballon mit Wasser oder Luft gefüllt. (3) Gummiverbindungsschlauch. (4) skaliertes Manometer mit farbiger Flüssigkeit gefüllt (5) MAREYsche Trommel. (6) Rotierender Kymographionzylinder

Parallel zur Beeinflussung der Magenentleerung durch chemische Parameter stieß ein weiterer möglicher Einflußfaktor - die Magenmotorik - bei den Wissenschaftlern auf Interesse.

So hatte der Russe BOLDYREFF im Jahre 1904 durch Studien an 14 Hunden mit Fisteln verschiedenster Lokalisation schon früh erkannt, daß die im Verdauungstrakt ablaufenden Bewegungen einschließlich des Sekretionsvorgangs Ausdruck einer periodischen Tätigkeit waren. BOLDYREFF beobachtete, daß der Magen selbst im Hungerzustand in Bewegung war und im Abstand mit 2-stündigen Ruhepausen eine 20-30-minütige Bewegungstätigkeit durchführte. Diese periodische Tätigkeit des Magens hörte nur bei der Verabreichung von Nahrung mit anschließender Magenverdauung und bei leerem Magen während der Sekretion der Magendrüsen auf und wurde in der Folgezeit von anderen Forschern mit dem Begriff „Hungerkontraktionen des Magens“

belegt. Auch SCOTT et al. (1940) registrierten am Magen hungernder Hunde eine periodische Muskelkontraktion.

Während diese Beobachtungen den leeren Magen betrafen, machten andere Forscher eine Aussage zur Bewegung des gefüllten Magens.

So untersuchte der Militärtierarzt JAROS (1917) den Vorgang der Magenentleerung, wobei ihm insbesondere daran gelegen war, den Einfluß der Körperbewegung auf den Prozeß der Verdauung darzustellen. Da aus dem 19. Jh. zu dieser Frage nur wenige aussagekräftige Studien vorlagen, entwarf er eine spezielle Versuchsanordnung.

Zunächst wurden zwei Magenfistelhunden verschiedene Futtermengen und Futterarten (Kohlenhydrate und Eiweiße) verabreicht und anschließend der Grad der Magen-entleerung 2-4 h nach der Fütterung durch Aushebern und Überprüfung der noch im Magen vorhandenen Futtermenge einerseits bei Körperruhe, andererseits bei Körperbewegung an 2 aufeinanderfolgenden Tagen ermittelt. Den Zustand der Körperruhe führte er durch Aufhängen der Hunde in der PAWLOW’schen Schwebe oder einfaches Liegenlassen in der Box herbei, den Zustand der Körperbewegung durch selbständiges Laufen auf der Tretmühle. JAROS erkannte, daß die Körperbewegung bei einem an die erhebliche Anstrengung gewöhnten Hund keinen Einfluß auf die Magenentleerung gehabt hatte, sondern sich genauso wie beim ruhenden Tier verhielt, während die Magenentleerung beim untrainierten Hund einer merklichen Beeinflussung durch die Körperbewegung unterlag (einmal hemmende, einmal fördernde Beeinflussung). Zudem wurden die sehr unterschiedlichen Futtermittel, Kohlenhydrate und Fleisch, bei Körperbewegung (trainierte Hunde) in derselben Zeit aus dem Magen befördert wie bei Körperruhe. Somit war nur beim untrainiertem Hund eine Beeinflussung der Magenmotorik durch die Körperbewegung, die nach Ansicht von JAROS in einer Veränderung der Durchblutungsverhältnisse der Magenwand und Drüsenzone bestand, gegeben.

Die Physiologen BÁRSONY u. HORTOBÁGYI (1925) sollten dagegen im Zusammenhang mit dem operativen Eingriff der hohen Duodenalfistel im Darm ihrer Hunde feststellen, daß auch hierdurch die Magenmotorik deutlich beeinflußt wurde. Als Folge des Eingriffs kam es zu einer Muskelexcitation am Magen, die nachfolgend zu einer raschen Entleerung desselben führte. Die Physiologen wiesen daher darauf hin, daß die bisherigen Versuchsbefunde, die sich bei Tieren mit hoher Duodenalfistel ergeben hatten, nie physiologische Prozesse am Magen widergespiegelt hatten, sondern vielmehr einen pathologischen Zustand zeigten, wie er auch beim Duodenalgeschwür gefunden werden konnte. Es sei daher notwendig, eine Vielzahl von Versuchsergebnissen zu überdenken.

Nicht nur die Versuchsergebnisse von ORTNER (1917) und DANZIGER (unter SCHWARZ, 1924b) erschienen so in neuem Licht.

Im Gegensatz zu BÁRSONY u. HORTOBÁGYI interessierten sich HERTEL u.

SARTORIUS (1933) für den Einfluß einer partiellen Magenresektion auf die Chemie des Dünndarms, machten jedoch nach dem operativen Eingriff an ihren Versuchshunden die Erfahrung, daß sich nicht nur die chemischen Verhältnisse im Darm, sondern auch die Magenmotorik verändert hatte. Während der normale Magen sowohl bei Milchfütterung als auch Fleischnahrung eine protrahierte schubweise Entleerung zeigte, entleerte sich der Magen nach der Teilresektion (nach BILLROTH) sturzartig, wobei der flüssige Milch- und Molkechymus den Magen schneller verließ als das Fleisch.

Drei Jahre später gelang es VAN LIERE et al. (1936), detaillierte Angaben zur normalen Entleerungszeit des Hundemagens zu machen. Zu diesem Zweck verfütterten sie an 50 Hunde gemischte Nahrung und bestimmten mit Hilfe der Röntgenmethode in 540 Aufnahmen die durchschnittliche Entleerungszeit. Diese betrug im Mittel 6,47 h mit einer Schwankungsbreite von 5,41-8,20 und war für jeden einzelnen Hund von Tag zu Tag streng identisch.

Auch REINHARDT u. VÖLKER, die sich im Jahre 1930 in Leipzig mit der Magenfunktionsprüfung bei Hunden befaßten, hatten für die Motilitätsprüfung in Kliniken die Röntgenmethode vorgeschlagen, für die Praxis dagegen Retentions-prüfungen mittels Ausheberung, wie sie JAROS 1917 durchgeführt hatte, als

Auch REINHARDT u. VÖLKER, die sich im Jahre 1930 in Leipzig mit der Magenfunktionsprüfung bei Hunden befaßten, hatten für die Motilitätsprüfung in Kliniken die Röntgenmethode vorgeschlagen, für die Praxis dagegen Retentions-prüfungen mittels Ausheberung, wie sie JAROS 1917 durchgeführt hatte, als