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Fazit: Dan Flavins Kunst in Abgrenzung zur Minimal Art

Im Dokument der Minimal Art und der Kunstlicht-Kunst (Seite 167-171)

3 DIE KUNST DAN FLAVINS IM KONTEXT DER MINIMAL ART

3.3 Fazit: Dan Flavins Kunst in Abgrenzung zur Minimal Art

Anhand der drei exemplarischen Werke konnten bestimmte Gemeinsamkeiten hin-sichtlich des "Looks" der Minimal Art-Objekte festgestellt werden: sie bestehen aus

werden können, bietet sich in der tatsächlichen Wahrnehmung je nach Standpunkt des Betrachters ein Parallelogramm, eine ungleichmäßige Viereckform oder eine verzogene Raute. Die Diskrepanz zwischen dem rationalen Verstehen (des Titels) und der damit verbundenen 'idealen' Vorstellung und der geschauten räumlichen Wirklichkeit wird zum Antrieb, die Situation abzuschreiten, Beziehungen zwischen dem eigenen Körper und dem Werk herzustellen, um den Widerspruch zwischen Geist und Gefühl zu überbrücken."

217 Vgl. Morris, Part 1, 1966, S. 44.

Industriematerialien, aus vom Künstler gewählten industriell gefertigten Materialien oder aus vorhandenen Industrieprodukten; die Objekte vereinheitlichen Material, Farbe und Form, wobei Flavins Material durch das Licht über das Objekt hinausgeht; die Objekte setzen sich aus einfachen Formen zusammen, deren Zusammensetzung im Fall von Flavins Arbeit nicht eine eindeutige geometrische Form ist; eine serielle Anordnung der Module wird bevorzugt, das Kunstwerk nimmt raumgreifende Dimen-sionen ein, jedoch nicht unbedingt die einzelnen Module. Ein weiteres Charakteristi-kum der drei vorgestellten Arbeiten ist die Integration des Raums. Sie wird durch die Art der Präsentation der Objekteinheiten im Raum erzielt; im Fall von Flavins Kunst zusätzlich durch die Lichtausstrahlung. Durch die Raumintegration ist das selbstrefe-renzielle Objekt nicht autonom. Als weiteres Charakteristikum wurde die explizite Integration des Betrachters erläutert, die je nach Kunstwerk unterschiedliche Akzente zeigt. Da bestimmte Charakteristika den vorgestellten Kunstwerken gemeinsam zugrunde liegen, ist eine vereinheitlichende Bezeichnung Minimal Art als Ausdrucks-form der sechziger Jahre gerechtfertigt. Die Individualität eines jeden Künstlers sollte jedoch beachtet und gewahrt werden.

Die Individualität von Andre, Judd und Flavin beginnt bereits bei den Inspirations-quellen. Während für Donald Judd der Abstrakte Expressionismus die wesentliche Quelle war, konnte in Flavins Frühwerk der Einfluss des New Yorker Abstrakten Expressionismus und des New Realism festgestellt werden. Aber auch das Studium von europäischer und ostasiatischer Kunst gab Flavins Frühwerk wesentliche Impulse.

Zudem war Flavin mit der Kunst des russischen Konstruktivismus vertraut gewesen.

Weitere wichtige Künstler, die in den fünfziger und sechziger Jahren einen großen Einfluss auf die amerikanische Kunst ausübten, sind Marcel Duchamp und Constantin Brancusi. Von der Kunst des letztgenannten war Carl Andre ausgegangen.

Differenzen zeigen sich auch in den Intentionen. Während Donald Judd und Dan Flavin ihre Kunst weder der Malerei noch der Skulptur zugeordnet wissen wollten, hielt Carl Andre an dem Begriff der Skulptur fest. Ein allgemeines Phänomen für die Kunst der sechziger Jahre ist, dass Kunstwerke entstanden, die sich den traditionellen Kunst-gattungen entzogen; dies bemerkte auch Donald Judd in seinem Aufsatz "Specific Objects". Aus diesen neuen Ausdrucksformen, zu der die Stilrichtung der Minimal Art, aber auch jene des New Realism, des Environments, der New Sculpture oder des Happenings zählen, wurde die Rauminstallation respektive Installation Art entwickelt.

Die Rauminstallation hatte Ende des 20. Jahrhunderts in der bildenden Kunst an Bedeutung gewonnen. Allerdings scheinen einige Werke sowohl der Installationskunst als auch der Skulptur mit Raumbezug zugeordnet werden zu können. Eine Überschneidung der Bezeichnung von Rauminstallation und Skulptur zeigt sich in den

hier vorgestellten Werken der Künstler Carl Andre und Donald Judd. Ihre Werke beziehen sich durch die Form der Objekte und durch die Art der Präsentation auf den Raum, sie sind insofern Rauminstallationen. Andererseits können sie aber auch als Skulpturen bezeichnet werden, die sich auf ihren Umraum beziehen. Für Carl Andres und Donald Judds Werke scheint die Zuordnung zur Skulptur auch plausibel.

Die Zuordnung von Dan Flavins Kunst zur Skulptur ist zu hinterfragen. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass Flavin zwar dreidimensionale Objekte bzw.

Konstruktionen präsentierte, doch Flavins Licht-Konstruktionen befinden sich niemals – im Gegensatz zu Andres und Judds Arbeiten – frei im Raum; der Betrachter kann die Arbeit nicht als Objekt umschreiten. Die installations in fluorescent light stehen aufgrund der Konstruktion und der Lichtwirkung immer im direkten Bezug zur Archi-tektur, die mit den Linien der Leuchtstofflampe akzentuiert und immateriell bemalt wird.

Häufigster Träger der Arbeiten Dan Flavins ist nicht der Boden, sondern die Wand bzw. die Ecke.

Die drei hier vorgestellten Künstler der Minimal Art schufen nicht generell Boden-skulpturen bzw. -installationen, zu denen die drei Werkbeispiele dieses Kapitels zäh-len. Der Anteil der Bodenarbeiten ist im Œuvre der drei vorgestellten Künstler verschieden gewichtet: Während Carl Andre bisher in seiner Laufbahn ausschließlich Arbeiten für den Boden schuf218, sind in Judds Gesamtwerk Wand- und Bodenarbeiten ungefähr zu gleichen Anteilen vorhanden.219 In Flavins Œuvre findet sich die frei im Raum stehende Installation äußerst selten, nämlich lediglich in den Barrieren, doch durch die Lichtwirkung ist ein eindeutiger Bezug zu den Wänden gegeben. Da Flavins Arbeiten sich durch die Konstruktionsart und Lichtwirkung auf den Umraum beziehen, sind sie nicht autonom im Sinne einer Architektur-Unabhängigkeit. In Judds und Andres Arbeit bedingt die Präsentation der Objekte im Raum die Raumintegration.

Ein weiterer Punkt, der Flavin von den anderen Künstlern unterscheidet, ist der, dass er auf andere Art und Weise die Objekteinheiten komponierte bzw. konstruierte.

Flavin wählte die Länge der Lampen, setzte Halterungen in einer bestimmten Kon-struktion, was er in seinen Entwurfszeichnungen festhielt, und entschied in einem weiteren Schritt die Farbzusammensetzung. Dabei entwickelte er Formen, die nicht grundsätzlich einfache Primärformen sind. Die anderen Künstler lassen das Material in der Fabrik in einer bestimmten Form herstellen und bedienen sich in der Regel ein-facher quadratischer oder rechteckiger Formen. Flavin verwandte komplizierte Formen und seit den siebziger Jahren auch die Kombination von Rundleuchten.

218 Vgl. Carl Andre, Ausstellungskatalog, Haags Gemeentmuseum, Den Haag / Stedelijk Van Abbe Mu-seum, Eindhoven 1987; mit Werkkatalog 1958–1986. Vgl. Andre, Krefeld/Wolfsburg 1996.

219 Vgl. Judd, Ottawa 1975.

Die Kunst der Minimal Art wird mit einer gewissen Kühle und Sterilität verbunden.

Doch Flavins farbige Arbeiten sind nicht kühl und wirken in einigen Fällen durch die Art der Farbzusammenstellung sehr dekorativ. Flavin entfernte sich zusätzlich von der Kühle der Minimal Art, indem er seinen Arbeiten Untertitel gab. Größtenteils sind es individuelle Bezüge zu Menschen, mit denen Flavin zur Entstehungszeit einer Arbeit zu tun hatte. Die Widmungen sind sehr persönlich. Ein wesentlicher Unterschied zu Donald Judds und Carl Andres Titeln.

Andres und Judds Arbeiten beziehen sich auch auf den Raum, doch kommt in Flavins Werk zusätzlich das Licht ins Spiel, dem sich der Betrachter schwerlich entziehen kann. Entgegen Andres Forderung der Unauffälligkeit eines Kunstobjekts bleibt die Barriere schon allein durch das Licht bestimmt nicht unbeachtet.

Der entscheidende Aspekt, in welchem sich Dan Flavin von den anderen Künstlern der Stilrichtung der Minimal Art unterscheidet, ist der Einsatz von elektrischem Licht.

Einzig Flavins Arbeiten sind in ihrer Präsentation vom elektrischen Strom abhängig, einzig Flavins Arbeiten erzeugen künstliches Licht. Das Licht geht über das Material hinaus und breitet sich im Umraum aus. Flavins Materialien sind nicht allein das konstruierte Lampenarrangement, sondern auch das Licht, die bestrahlten Ober-flächen der Konstruktion und der Architektur sowie eine entstehende Raumatmosphäre. Nicht allein das Objekt, sondern auch Architekturelemente und ein gesamter Raum mit seiner Atmosphäre werden zu einem weiteren gestalteten Material. Doch ist Flavin in den sechziger Jahren nicht der einzige Künstler, der im elektrischen Licht ein Arbeitsmaterial findet. Gemeinsamkeiten können zu anderen Künstlern gesehen werden, was im folgenden Kapitel zur Kunstlicht-Kunst näher untersucht werden soll.

Im Dokument der Minimal Art und der Kunstlicht-Kunst (Seite 167-171)