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Das Material der Leuchtstofflampe: die Lichtfarbe

2 DIE INSTALLATIONS IN FLUORESCENT LIGHT VON DAN FLAVIN

2.4 Die künstlerischen Prinzipien der realisierten proposals

2.4.2 Dan Flavins kontinuierliche Anwendung seiner Materialien

2.4.2.3 Das Material der Leuchtstofflampe: die Lichtfarbe

Bestanden erste Installationen aus einer Lampe und somit nur aus einer Lampenfarbe, verwandte Flavin bereits 1963 zwei oder mehr Lampen und kombinierte verschiedene Farben miteinander. Flavin erzielte mit seinem Repertoire der fünf Farben – Pink, Rot, Gelb, Blau, Grün –, der vier Weißtöne – Cool White, Daylight, Warm White, Soft White – und der ultravioletten Lampen die unterschiedlichsten Kombinationen: er verband Farben oder Weißtöne untereinander, aber auch miteinander; in einigen Arbeiten kam das Schwarzlicht hinzu. Immer wieder griff er aber auch in einer Installation auf eine einzige Lampenfarbe zurück317, jedoch überwiegen die Farbkombinationen. In den Eckinstallationen der Serie (to European Couples) von 1966–1971 stellte Flavin jeweils eine Farbe oder einen Weißton der standardisierten Lampen vor (Abb. 54).

Grundsätzlich benutzte Flavin für eine Installation in der Regel nicht mehr als vier Farben.318 Nicht allein mit der Konstruktion, sondern auch mit der Lampenfarbe konnte Flavin einer Arbeit einen gewissen Rhythmus verleihen. Waren die Arbeiten der frühen

315 Vgl. Belloli 1977, S. 28.

316 Konstruktionen, bei denen eine oder mehrere Lampen wie bei Arbeiten der sechziger Jahre in den Raum ragen, führte Flavin i. d. R. in den siebziger und achtziger Jahren nicht mehr aus. Dafür beschäf-tigte er sich mit Eckinstallationen, deren Lampen in den Raum vorrückten.

317 Ein spätes Beispiel in Ultraviolett ist untitled (for the staff of the Staatliche Kunsthalle Baden-Baden and their fellow craftsfolk who thought about and worked on this exposition of mine, with gratitude and esteem) von 1989.

318 Eine Ausnahme bilden sehr wenige Arbeiten mit fünf Farben, z. B. untitled (for Leo Castelli at his gallery's 30th anniversary) # 3 von 1989 (Vgl. Löbke 1999, No. 329) und einige der Serie untitled (to Lucie Rie, master potter) von 1990 und eine in der Serie untitled (to Otto Freundlich) von 1990. Zu der Serie untitled (for Lucie Rie, master potter) siehe Dan Flavin, untitled (for Lucie Rie, master potter) 1990 themes and variations, Ausstellungskatalog, Waddington Galleries, London 1990.

sechziger Jahre in ihrer Farbigkeit stets zurückhaltend, so gelangte Flavin seit Ende der sechziger Jahre auch zu sehr bunten Installationen.

Sobald mehr als eine Lampenfarbe eingesetzt wird, entstehen bestimmte Licht-interaktionen. Durch eigene Erfahrung mit dem künstlerischen Material der Leucht-stofflampe erfuhr Dan Flavin im Laufe der Zeit die Interaktion der Lampenfarben. Die Interaktion von rotem und grünem Leuchtstofflampenlicht beispielsweise, bei der das grüne Licht das rote eliminiert, hatte Dan Flavin das erste Mal bei der Arbeit red and green alternatives erfahren.319 Beispiele der Lichtinteraktionen von farbigem Licht wur-den im Kapitel zur Kunsterfahrung beschrieben.

Seit 1964 setzte Flavin gefilterte ultraviolette Lampen ein, doch in der Regel nicht in Kombination mit farbigen Lampen.320 Dan Flavin äußerte sich dazu, dass er diese Kombination Anfang der neunziger Jahre besonders gern anwandte.321 Flavin fand trotz vermeintlich reduzierter Materialien, selbst im Spätwerk noch zu Ausdrucksmög-lichkeiten, die den Künstler neu begeisterten.

Flavin beschrieb die subtile Wechselwirkung zweier Weißtöne bezüglich der Installa-tion im Treppenhaus der Albright-Knox Art Gallery in Buffalo, ihre Eigenschaft die Raumstrukturen zu betonen und seine Intention eines ironischen Kommentars zur Architektur:

Alternating rows are of cool white and daylight lamps for subtle, transitional change and because these "whites" of the medium seem to enhance structural clarity best. And I sense that with the total installation I have been able to accent Gordon Bunshaft's archi-tectural details present (I'm thinking mostly of the simple, somewhat severe staircase, etc.) so consistently. And the orderly rows of lamps are consistently positioned with a difference – the circular light sources remain contrastedly, somewhat ironically, against all that is so straight and right-angled and usual.322

Mit Konstruktion, Lichtfarbe und Lichtwirkung konnte Dan Flavin die Architektur kom-mentieren.

319 Vgl. Smith 1969, S. 212.

320 Seltene Beispiele sind untitled von 1966, eine Eckarbeit in T-Form in der Kombination von Ultraviolett und Blau (Vgl. Löbke 1999, No. 72), und untitled (to Marie Lee Haldeman) von 1971, eine weitere Eckarbeit in der Kombination von Ultraviolett und Pink (Vgl. Löbke 1999, No. 179).

321 "For the past 2 years [sc. 1991–1993], I have become fascinated with banding all available colors and filtered ultra-violet light. The long horizontal of the lobby of the Chase Manhattan Bank's vast new Downtown Brooklyn Metroplex is exemplary. Therein, contrasted with green, the filtered ultraviolet 'dis-appears'. Against red, it assumes a deep blue purple glow." Dan Flavin, Februar 1993, in: Flavin, Frank-furt 1993, S. 28.

Anhand der blauen Lampen der Installation untitled (for Professor Klaus Gallwitz) kann der Einfluss der ultravioletten Lampen gut beobachtet werden, da nur ein Teil der blauen Objekteinheiten mit ultravioletten Lampen kombiniert ist. Während bei dem Lichtobjekt mit Schwarzlicht die Konturen der blauen Röhren gut zu sehen sind, verunklärt bei der anderen das fließende Licht die Konturen der blauen Röhren. Zudem lässt das ultraviolette Licht die angrenzenden blauen Röhren in einem dunkleren Ton erstrahlen.

Eine besondere Rolle spielt in Flavins System die Kombination der Weißtöne. Die Weißtöne sind dem Rezipienten vom alltäglichen Einsatz der Leuchtstofflampen ver-traut, jedoch achtet er in der Regel nicht darauf, ob diese unterschiedliche Töne auf-weisen, da das Material funktional der Beleuchtung dient. Verwandte Flavin für einige Arbeiten nur einen Weißton, wie in der Mehrzahl der "monuments" for V. Tatlin323, so kombinierte er in anderen Werken die unterschiedlichen Weißtöne miteinander oder auch mit einer farbigen Lampe. Vor allem in den aus mehreren Weißtönen bestehen-den Arbeiten zeigt Flavin, welche zarten Unterschiede zwischen bestehen-den Tönen existieren (Abb. 80)324 und schärft somit die Wahrnehmung dafür.

Flavin setzte einen Weißton zum einen in Arbeiten ein, bei denen die Konstruktion im Vordergrund steht. Ein Beispiel ist die Serie der "monuments" for V. Tatlin, in denen er die symmetrischen, und selten die asymmetrischen, Kombinationsmöglichkeiten von 2-, 4-, 6- und 8-ft-Lampen akribisch durchexerzierte. Zum anderen setzte Flavin weiße Lampen ein, um einem Raum Klarheit zu verleihen, wie dies von Rauh und Flavin für die Einzelausstellung in Los Angeles beschrieben wurde (Abb. 34), deren Werke alle aus Cool White bestanden: "The cool white of the entire installation clearly defined its room and its details."325 Die Klarheit des Raums wollte Flavin auch in den Raumabsperrungen, wie untitled (to Dorothy and Roy Lichtenstein on not seeing anyone in the room von 1968/1969 bzw. 1968/1970 (Abb. 42) oder untitled (for Stephen with gratitude aplenty) von 1974–1985326, erzielen, die grundsätzlich in Weiß gehalten sind.

Die runden Leuchtstofflampen standen dem Künstler allein in den Weißtönen zur Verfügung, sodass alle Arbeiten mit Rundleuchten in einem weißen Licht erstrahlen. In der Wandarbeit untitled (in memory of my father D. Nicholas Flavin) von 1974 (Abb. 69) und in der Rauminstallation untitled von 1973 (Abb. 67) kombinierte Flavin Rundleuchten mit geradlinigen Lampen. In der Wandarbeit, untitled (to Tina and Christoph and their Palladio) von 1972/1973 (Abb. 61) setzte Flavin Rundleuchten in

322 Dan Flavin, in: James N. Wood: Notes on an exposition of cornered installations in fluorescent light by Dan Flavin set to celebrate ten years of the Albright-Knox Art Gallery, in: Studio International, Vol. 184, No. 950, Dezember 1972, (S. 230–232), S. 231.

323 Dem Katalog von Los Angeles zufolge gibt es nur drei Ausnahmen dieser Serie, die aus der Kombination Cool White und Farbe bestehen. Vgl. Flavin, Los Angeles 1989, No. 90, 91, 93.

324 Die Arbeit untitled (for Hans Coper, master Potter) macht auf die amerikanischen Weißtöne Cool White, Daylight und Warm White aufmerksam. Die Leuchtstoffröhren in Warm White sind die leicht rosa gefärbten, die in Cool White die neutral wirkenden und die in Daylight die bläulich scheinenden.

(Freundliche Mitteilung zu den Weißtönen von Herrn Heinrich Ehrhardt, Frankfurt a. M., 07.11.1994.) Soft White, das Flavin sehr selten verwandte, besitzt einen gelblichen Weißton.

325 Flavin/Rauh, St. Louis 1973, Vol. I, No. 71. Es handelt sich um die Einzelausstellung in der Wilder Gallery in Los Angeles im Dezember 1966.

326 Raumabsperrung: 150-cm-Leuchtstofflampen in Cool White. Siehe Flavin, Baden-Baden 1989, No. 5.

Cool White und Warm White ein, wohingegen er die Wandarbeit untitled (to a man, George McGovern) von 1972 in den drei Weißtönen Cool White (Abb. 62), Daylight und Warm White ausführte.