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3.5 Intrafamiliäre Tradierung und schulische Vermittlung von Geschichte

3.5.5 Favas rassismuskritische Diskursanalyse zur Erziehung nach Auschwitz in

Fava befasst sich mit dem erziehungswissenschaftlichen Diskurs von 1995 bis 2008 und der Frage nach der Erziehung nach Auschwitz in der Einwanderungsgesell-schaft (Fava, 2015, S. 12-13). Dabei werden insbesondere die Themenschwerpunk-te geschichtsbezogene Identifizierung (bei Jugendlichen und Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund) und Vermittlung von Geschichte in der Gesellschaft im Allgemeinen und im Bildungskontext im Besonderen aufgegriffen. Der alleinige Fo-kus liegt auf der Geschichte des Zweiten Weltkriegs.

Der Textkorpus, den Fava in einer rassismuskritischen Diskursanalyse beleuchtet, setzt sich aus Beiträgen zu den Stichworten „Lernen über Nationalsozialismus und Holocaust“ und „Einwanderungsgesellschaft“ sowie verwandten Begrifflichkeiten zusammen. Auch die Themenschwerpunkte „Geschichtsbezüge von Migranten“

und „aktuelle Anforderungen an die Gedenkstättenpädagogik“ werden berücksich-tigt (Fava, 2015, S. 58-59). Es werden nur Texte in die Analyse aufgenommen, bei denen die Herkunft der Jugendlichen und Erwachsenen klar bestimmt wird (Fava, 2015, S. 59). Im Allgemeinen werden Aufsätze in fachdidaktischen Zeitschriften oder in Sammelbänden und in Zirkularschreiben der sich etablierenden außerschulischen NS-Gedenkstätten- und Museumsdidaktik und eigenständigen Einrichtungen, Mo-nographien, Tagungsankündigungen und Artikel in Zeitungen für pädagogische Be-rufe und einschlägige Internetforen und -archive erfasst (Fava, 2015, S. 59-60).

Grundsätzlich lassen sich die einbezogenen Daten in drei Kategorien einteilen, näm-lich „theoretisch-konzeptionelle Grundlegungen“, „Praxisberichte und empirische Studien“ und „Konzepte für die Praxis“ (Fava, 2015, S. 60). Insbesondere wird noch Material hinzugezogen, in dem Migrant*innen selbst einbezogen werden (Fava, 2015, S. 60). Fava geht unter anderem auch auf die von mir vorgestellten Studien von Kölbl, Georgi und Liakova und Halm ein (siehe 3.4.5 Kölbls Studien zum Ge-schichtsbewusstsein im Jugendalter mit und ohne Migrationshintergrund: Verwis-senschaftlichtes Geschichtsbewusstsein versus „In-Geschichte-verstrickt“; 3.4.6 Georgi: Geschichtsbewusstsein Jugendlicher mit Migrationshintergrund und histo-risch geprägte Positionierungen zum Thema Nationalsozialismus;3.4.7 Liakovas und Halms Studie zu Geschichtsbewusstsein und Migration). Fava geht in ihrer Diskurs-analyse inhaltlich und strukturell orientiert vor und entwirft so ein Bild bezüglich der Themen und Schwerpunkte, Positionen, Bezugnahmen und Kontroversen, die sich

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im Diskurs finden lassen. In einer der groben Analyse folgenden Feinanalyse werden weitere Kategorien gewonnen, Vorannahmen bestätigt oder auch korrigiert (Fava, 2015, S. 58). So schafft es Fava grundlegende Aussagen sozialer Strukturen der Gesellschaft durch ihre Diskursanalyse zur Erziehung nach Auschwitz sichtbar zu machen (Fava, 2015, S. 363) und Argumentationsmuster und implizite Vorausset-zungen und Implikationen herauszuarbeiten (Fava, 2015, S. 61).

Fava formuliert folgende Forschungsfragen:

• „Welche Jugendlichen werden als ,Migranten‘ angesehen, wie werden sie charakterisiert und von den anderen Jugendlichen unterschieden?“ (Fava, 2015, S. 58).

• „Welche Beziehungen werden zwischen welchen migrationsanderen Ju-gendlichen [...] und welchem Lerngegenstand und welcher Didaktisierung hergestellt?“ (Fava, 2015, S. 58).

• „Was gilt als das allen Zukommende in Bezug auf das Lernen über Holo-caust und Nationalsozialismus? Ist das allen oder das partikularen Gruppen Zukommende nur durch Reproduktion der Unterscheidung in Deutsche und Migranten lehr- und lernbar?“ (Fava, 2015, S. 58).

• „Welche migrationsdiskurstypischen Phänomene treten auf, und finden da-bei Differenzierungsmechanismen Anwendung, die zur diskursiven Repro-duktion von Migrationsanderen beitragen?“ (Fava, 2015, S. 58).

Die Autorin arbeitet anhand ihres zugrunde gelegten Materials folgende Ergebnisse heraus, wobei die Bezeichnungen der Kernpunkte von Fava selbst übernommen wurden (2015, S. 341-364):

„Welche Jugendlichen werden als ,Migranten‘ angesehen, wie werden sie charakte-risiert und von den anderen Jugendlichen unterschieden?“ (Fava, 2015, S. 58):

Großeltern, Abstammung, Nation oder Islam: Die Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden sich im Hinblick auf die Ge-schichte des Nationalsozialismus vor allem bezüglich der tatsächlichen oder metaphorischen Großelterngeneration. Das meint die Teilhabe der Großel-tern von Jugendlichen ohne Migrationshintergrund am Nationalsozialismus, ungeachtet dessen, ob dies tatsächlich der Fall war. Umgekehrt wird bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund und deren Großeltern davon ausgegangen, dass keine Teilhabe am Nationalsozialismus vorliegt. Diesbe-zügliche Familienerzählungen finden kaum Beachtung. Fava betont vor al-lem die Heterogenität innerhalb der Gruppe der Migrant*innen sowie Ge-meinsamkeiten zu Jugendlichen der Gruppe ohne Migrationshintergrund.

Insgesamt geht es immer wieder um „nationale“ Zugehörigkeitszuordnun-gen und AbgrenzunZugehörigkeitszuordnun-gen, um eine Identifikation als „Deutsche“ versus „Nicht-Deutsche“, das heißt anderer „nationaler“ (oft „türkischer“) oder „religiöser“, meist „muslimischer“ Kategorisierungen. Die Möglichkeit mehrerer neben-einander bestehender Zugehörigkeiten wird in der Regel nicht erfasst (Fava, 2015, S. 341-344; Fava, 2004, S. 7).

Erfahrungen von Flucht, Verfolgung, Krieg, von Migration und von Ras-sismus: Neben der „nationalen“ Unterscheidung vereinen die Gruppe der Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund Kriegserfahrun-gen, Verfolgung, Flucht, Migration und Rassismus. Das grenzt sie im Dis-kurs von den Mitgliedern der deutschen Mehrheitsgesellschaft ab (Fava, 2015, S. 345).

„Welche Beziehungen werden zwischen welchen migrationsanderen Jugendlichen [...] und welchem Lerngegenstand und welcher Didaktisierung hergestellt?“ und

„Was gilt als das allen Zukommende in Bezug auf das Lernen über Holocaust und Nationalsozialismus? Ist das allen oder das partikularen Gruppen Zukommende nur durch Reproduktion der Unterscheidung in Deutsche und Migranten lehr- und lern-bar?“ (Fava, 2015, S. 58):

Grundsätzliches Ziel ist es, die Erziehung nach Auschwitz mit einem interkulturellen Lernen in Einklang zu bringen.

Andere Genozide, Menschenrechtsbildung, türkische Juden; subjekt-orientierte Methoden: Die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust wird für Jugendliche und Erwachsene mit Migrationshintergrund als fremde und nicht eigene Geschichte erachtet, ungeachtet einer tatsäch-lichen Teilhabe (zum Beispiel durch die Verfolgung eigener Landsleute oder durch unterlassene Hilfe gegenüber Verfolgten) (Fava, 2015, S. 346). Gefor-dert werden immer wieder die Herstellung von Beziehungen (zu anderen, zu der Migrationsgesellschaft zuordenbaren Genoizden, zum Beispiel zum Völ-kermord der Türk*innen an den Armenier*innen) oder eine Abstraktion auf übergeordnete Aspekte (wie der Menschenrechtsbildung). Damit sollen mehr subjektive Entfaltungsmöglichkeiten geschaffen werden und das vor-herrschende moralisierende und instruktive Lernen ohne Freiräume ersetzt werden. Grundsätzlich geht es aber immernoch um das Lernziel der An-nahme von Schuld und Verantwortung der eigenen Nation und Großeltern-generation (Fava, 2015, S. 346).

„Pädagogik der Anerkennung“, Integration: Aktuell wird das Lernen über den Nationalsozialismus als instruktiv und moralisierend charakterisiert, das wenig Freiraum für persönliche Entfaltungen und Eigenständigkeit lässt (Fava, 2015, S. 347). Die Migrant*innen sollen die ihnen zugeschriebene Identifikation als „Nicht-Zugehörige“ bezüglich des Zweiten Weltkriegs an-nehmen (Fava, 2015, S. 347). Von den Jugendlichen ohne Migrationshinter-grund wird stattdessen das Annehmen von Verantwortung und Schuld durch die eigene Großelterngeneration und eine „Anerkennung des Frem-den und anderen“ erwartet. Damit wird in der Anerkennung der Schuld und Verantwortung des Nationalsozialismus im gleichen Atemzug erneut eine Abgrenzung und Ausgrenzung anderer vorgenommen, die am deutschen Kollektiv nicht teilhaben (dürfen) (Fava, 2015, S. 348).

Antisemitismus: Antisemitismus wird im Diskurs unter der türkischstämmi-gen Migrationsgesellschaft meist durch die Weigerung der Annahme des jü-dischen Opferstatus im Kontext des Nahostkonflikts zum Ausdruck ge-bracht (Fava, 2015, S. 348-349).

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Gleichsetzung, Feindschaft gegen Kurden, Opferkonkurrenz: Im Diskurs herrscht die Haltung einer Differenzierung vor, statt einer Gleichsetzung von Ereignissen (zum Beispiel die Exklusion von Kurd*innen oder Armenier*innen durch die Türk*innen) mit dem Holocaust und dem Nationalsozialismus. Nur wenige Autor*innen befürworten eine Analogiebildung als Aktualisie-rungsprozess. Die Mehrzahl spricht sich lediglich für die Aufnahme der schmerzhaften Erfahrungen in Form eines Forums aus (Fava, 2015, S. 349).

Diskriminierungserfahrungen und dem Opferstatus der heutigen Migrant*in-nen wird kaum Raum eingeräumt. Im Sinne der Integrationspolitik wird ein gemeinsamer Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus propagiert. Un-ter der Migrationsgesellschaft herrscht manchmal ein Vergleich zwischen dem eigenen Opferstatus als Migrant*innen zum Opferstatus der Jüd*innen/

Juden vor, der so im Diskurs meist nicht zugelassen wird. Gleichzeitig gilt aber der Gegenwartsbezug des Nationalsozialismus als Leitkriterium.

Grundsätzlich wird immer nur eine Täteridentifikation zugelassen (Fava, 2015, S. 349-351; Fava, 2004, S. 6).

Eintrittsbillet: Eine Heterogenität innerhalb der Aufnahmegesellschaft und der Migrationsgesellschaft wird nicht aufgegriffen: Auch Mitglieder der Min-derheitengesellschaft könnten sich mit dem Nationalsozialismus auseinan-dersetzen, genauso wie es Angehörige der Mehrheitsgesellschaft nicht tun könnten (Fava, 2015, S. 351; Fava, 2004, S. 7).

Fehlen familienbiographischer Bezüge: Familienbiographische Bezüge von „leiblichen Vorfahren, die Teil der deutschen ,Schicksalsgemeinschaft‘

gewesen seien“ fehlen (Fava, 2015, S. 352). Auch tatsächliche Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus der Großelterngeneration der Migrant*innen finden keine Beachtung. Wie bereits erwähnt, geht es vorrangig um eine Identifikation als Täter, Mitläufer oder mindestens Zuschauer, nicht als Op-fer. Weil der Nationalsozialismus als der Migrationsgesellschaft nicht zuge-hörig beschrieben wird, werden Vergleiche und Abstrahierungen angestellt (zum Beispiel zum Völkermord an den Armenier*innen oder zur Menschen-rechtsbildung im Allgemeinen), damit auch Angehörige einer Minderhei-tengesellschaft von der Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus profitieren können (Fava, 2015, S. 352-353).

„Welche migrationsdiskurstypischen Phänomene treten auf, und finden dabei Diffe-renzierungsmechanismen Anwendung, die zur diskursiven Reproduktion von Migra-tionsanderen beitragen?“ (Fava, 2015, S. 58).

Differenzierung auf Basis des Multi- und Interkulturalismus: Ziel ist es, dass Deutschland zur multikulturellen Gesellschaft wird. Dazu soll auch die Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus interkulturell geöffnet werden (Fava, 2015, S. 354-355). Fava formuliert: „Migranten sollen als Trä-ger_innen anderer als deutscher nationalkollektiver Erinnerungen einen gleichwertigen Raum im Medium der staatlichen Selbstrepräsentation erhal-ten“ (Fava, 2015, S. 355). Damit soll auch Diskriminierungen begegnet wer-den und verschiewer-dene Sichtweisen/Perspektiven und eine interkulturelle Re-flexion für alle Schüler*innen sinnvoll genutzt werden. Das könnte allerdings dazu führen, dass Migrant*innen auf diese Weise wiederum zu „anderen“

gemacht werden, um überhaupt Anerkennung erfahren zu können (Fava, 2015, S. 355-356).

Türkisierung und Muslimisierung:Vor allem der türkischstämmigen Migra-tionsgesellschaft wird eine besondere Stellung zum Nationalsozialismus ein-geräumt, nämlich dann, wenn es um die Türkei als Exilland oder um eine unterlassene oder unzureichende Hilfe der Türkei zur Rettung jüdischer Türk*innen geht (Fava, 2015, S. 356-357).

Entgleichung:Grundsätzlich liegt im Diskurs eine Verschiedenheit zwischen der Migrationsgesellschaft und der Aufnahmegesellschaft vor, was die Be-schäftigung mit dem Nationalsozialismus angeht. So halten es Autor*innen für erklärungsbedürftig, wenn sich Migrant*innen für den Nationalsozialis-mus interessieren, während bei der Aufnahmegesellschaft eine diesbezügli-che Beschäftigung vorausgesetzt wird. Damit findet auch hier eine „nicht-deutsche nationale“ oder „religiös islamische“ Zuschreibung statt (Fava, 2015, S. 357-358).

Differenzierung durch Integrations- und Antidiskriminierungsmaß-nahmen: Eine Differenzierung wird auch dadurch vorgenommen, dass der Migrationsstatus oft fälschlicherweise mit dem Sozialstatus in Zusammen-hang gebracht wird, woran didaktische Überlegungen ansetzen (Fava, 2015, S. 358).

Differenzierung über Sprechermächtigung: Eine weitere Differenzierung entsteht dadurch, dass in der Migrationsgesellschaft oft erst eine Sprecher-mächtigung (zum Beispiel durch die Einladung von Migrant*innen zu einer Tagung oder der Aufforderung, einen Artikel zu schreiben) notwendig wird, durch die sich die Mitglieder der Migrationsgesellschaft von der Auf-nahmegesellschaft unterscheiden (Fava, 2015, S. 359).

„Othering“: Grundsätzlich wird im Diskurs ein „Othering“ vorgenommen (siehe 3.2.3 Exkurs Migrationspädagogik): Auf der einen Seite stehen die

„Deutschen“, denen die Verbrechen am Zweiten Weltkrieg zugeschrieben werden und von welchen eine Schuld- und Verantwortungsübernahme und emotionale Auseinandersetzung erwartet wird, auf der anderen Seite die Mi-grant*innen, die bezüglich der Geschichte des Nationalsozialismus frei von Schuldgefühlen sind, die am „deutschen“ Erbe aber auch nicht teilhaben (können) und sich dadurch, wenn, dann auf einer rational intellektuellen Ebene mit dem Nationalsozialismus beschäftigen. Das trägt aber wiederum, wie bereits erwähnt, zu einer Stabilsierung einer „deutschen“ Identifizierung und einer Ausgrenzung anderer bei. Eine (Über-)Identifikation mit den Op-fern des Holocaust, die Ablehnung der Annahme der Täteridentifikation so-wie das Vergleicheziehen mit anderen Genoziden wird abgelehnt. Der Holo-caust soll für die heutige Zeit lehren, Rechtsextremismus vorzubeugen/zu bekämpfen und einer Völkerverständigung dienlich sein (Fava, 2015, S. 359-363).

Abschließend soll noch eine Wertung Favas Vorgehen und ihrer Ergebnisse und ein Brückenschlag auf meine eigene Studie gemacht werden. Fava befasst sich, anders

3.5 Intrafamiliäre Tradierung und schulische Vermittlung von Geschichte

als ich, ausschließlich mit der Thematik des Zweiten Weltkriegs. Positiv anzumerken ist, dass Fava eine Vielzahl verschiedenster Studien in ihre Analyse einbezieht und explizit auch auf Quellen eingeht, die Jugendliche und Erwachsene mit Migrations-hintergrund im Bildungskontext einbeziehen. Fava bleibt dabei nahe an den Aussa-gen der ursprünglichen Autor*innen, um Ergebnisse nicht dadurch zu verfälschen, dass sie aus dem Zusammenhang gerissen sind und schafft so eine qualitative Charakterisierung des Diskurses. Inhaltlich setzt meine Studie, auch wenn ich mich gerade nicht explizit auf die Geschichte des Zweiten Weltkriegs beziehe, an Favas Ergebnissen an: So ist es mir besonders wichtig, keine („nationale“) Zuschreibung vorzunehmen, sondern dies den Betroffenen und Befragten selbst zu überlassen. In meinen Ergebnissen wird sich aber zeigen, dass die Angehörigen der Migrationsge-sellschaft immer wieder eine „nationale“ Zuschreibung von außen erleben und eine solche auch selbst vornehmen (siehe 5.1.1 Ergebnisse im Überblick). Außerdem er-möglicht meine Befragung mehrere gleichzeitige Kategorisierungen, was Fava in ih-rer Diskursanalyse als Kritikpunkt äußert. Ich lasse nicht nur die geschichtliche The-matik offen, sondern auch die Bezugnahme der Befragten zum Zweiten Weltkrieg.

Zum Teil finden sich auch bei mir ähnliche Argumente wie sie Fava formuliert, ob-wohl unsere Studien sehr unterschiedlich aufgebaut sind (Fava analysiert den bil-dungspolitischen Diskurs zur Frage der Erziehung nach Auschwitz, ich befrage Ju-gendliche mit Migrationshintergund im System ihrer Familien zur Identifizierung, zum Geschichtsbewusstsein und zur intrafamiliären Tradierung und schulischen Vermittlung), zum Beispiel das Ansprechen des Völkermordes an den Armenier*in-nen, das Infragestellen des Opferstatus der Jüd*innen/Juden, die Erwartung an die deutschstämmigen Jugendlichen der Annahme von Schuld und Verantwortung be-züglich des Zweiten Weltkriegs oder der Auftrag an die Bildung in Deutschland der Völkerverständigung und Multiperspektivität. Vor allem auf die beiden letzten As-pekte werde ich ausführlich zu sprechen kommen und diese spezifizieren (siehe 5 Ergebnisse).

Auf den Aspekt der Opferschaft bezüglich des Zweiten Weltkriegs in Abgrenzung zu anderen möglichen „Opferschaften“ wird noch gesondert eingegangen (siehe 6.6 Einordnung meiner Ergebnisse in den Forschungsstand und gewinnbringende Er-gebnisse: „Nationale“ Identifizierung, „Daseinsberechtigung“ und „Völkerverständi-gung“ als zentrale Kategorien). Anmerken möchte ich an dieser Stelle noch, dass ich durchaus von der Möglichkeit einer Opferschaft auch außerhalb des Nationalsozia-lismus ausgehe, solange dies klar voneinander abgegrenzt bleibt.

3.5.6 Seixas zur Vermittlung von Geschichte intrafamiliär und