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Einfluss des Mausstammes auf die über den H4R induzierte Juckreizantwort

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5.1. Einfluss des Mausstammes auf die über den H4R induzierte Juckreizantwort

zur Beantwortung der großen Variation an vorhandenen Fragestellungen geeignet sind (PLAYFAIR 1968; BECK et al. 2000; GREEN et al. 2006). Die richtige Auswahl des zur Fragestellung passenden Modells ist besonders wichtig, um keine fehlleitenden oder widersprüchlichen Daten zu generieren. KURAISHI et al. (1995) postulierten, z. B. zunächst anhand einer Studie an ddY-Mäusen, dass Histamin in Mäusen keinen Juckreiz auslöst. In späteren Studien wurde im Gegenteil gezeigt, dass einzelne Mausstämme unterschiedlich sensitiv auf Juckreizstimuli, wie z. B. Histamin, reagierten (INAGAKI et al. 2001; BELL et al. 2004; GREEN et al. 2006). INAGAKI et al. (2001) konnten Mäuse des Inzuchtstammes C57BL/6 und des Auszuchtstammes CD-1 als am sensitivsten gegenüber der Gabe von Histamin identifizieren, wobei die CD-1-Mäuse sich durch eine mehr als doppelt so hohe Reaktion auf die getestete lokal applizierte Menge von 50 nmol/50 µl auszeichneten. Ebenso geben BELL et al. (2004) in ihrer Studie an, dass die CD-1-Mäuse 30-mal sensitiver auf Histamin reagierten als die Mäuse des Inzuchtstammes BALB/c. Diese Ergebnisse konnten in der vorliegenden Studie durch einen Vergleich der Kratzantwort nach intradermaler 4-MH-Gabe von jeweils zwei In- (BALB/c; C57BL/6) und Auszuchtstämmen (NMRI; CD-1) nachvollzogen werden. Wie erwartet, zeigten sich die Mäuse des Stammes CD-1 sowie des Stammes C57BL/6 auch für über den H4R induzierten Juckreiz am sensitivsten. Schon ab einer intradermal applizierten Menge von 5 nmol/50 µl war die durch 4-MH ausgelöste Kratzantwort bei den CD-1-Mäusen signifikant stärker als bei den anderen getesteten Mausstämmen. Die Mäuse der Stämme BALB/c und NMRI stellten sich bis zu einer Menge von 500 nmol/50 µl als wenig bis gar nicht sensitiv heraus. Wenig sensitiv bedeutet in diesem Fall, dass sich die BALB/c-Mäuse erst in einer sehr hohen Applikationsmenge (1 µmol/50 µl) stärker zu kratzen begannen. Im Zusammenhang mit den Angaben von INAGAKI et al.

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(2001), SHIM et al. (2007), FERNANDES et al. (2013), LAURINO et al. (2015) führten diese Ergebnisse zu der Entscheidung, CD-1-Mäuse für die vorliegende Studie zu nutzen.

Warum es zu solchen Unterschieden in der Juckreizantwort kommt, ist nicht bekannt. Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, dass die an der Juckreizweiterleitung beteiligten Rezeptoren und Ionenkanäle bei den verschiedenen Mausstämmen unterschiedlich stark exprimiert werden. In der eigenen Studie wurde daher die Sensitivität der aus CD1-, BALB/c- und C57BL/6-Mäusen isolierten DRG-Neurone auf 4-MH, Histamin, AITC und Capsaicin untersucht. Bei den drei untersuchten Stämmen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl der auf 4-MH-Gabe reagierenden Neurone (3 – 4 %). Diese Angaben stimmen mit den in der Literatur für die Sensitivität auf H4R-Stimuli zu findenden (3 – 10 %;

ROSSBACH et al. 2011; JIAN et al. 2016) überein. In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass sowohl der TRPV1- als auch der TRPA1-Kanal sowohl an histamin- als auch 4-MH-induziertem Juckreiz beteiligt sind. Dies ist daran zu erkennen, dass bei den beiden in dieser Studie für über den H4R induzierten juckreizsensitiven Stämmen die Mehrheit der 4-MH-sensitiven Neurone AITC- und Capsaicin-positiv waren, wohingegen bei dem H4R-insensitiven Stamm die Mehrheit der 4-MH-positiven Neurone nur Capsaicin-positiv waren.

Interessanterweise reagierten bei dem histaminsensitiven Stamm C57BL/6 weniger Neurone (12 %) auf eine Histamin-Stimulation als bei den beiden anderen Stämmen (16 – 19 %). In der verfügbaren Literatur liegen die Werte der histaminsensitiven DRG-Neurone von Labornagern bei 11 – 16 % (HAN et al. 2006; KAJIHARA et al. 2010). Erneut reagierten bei den C57BL/6-Mäusen mehr Zellen auf AITC-, AITC- und Capsaicin-Stimulation als bei den beiden anderen Stämmen. Möglicherweise wird dadurch die geringere Anzahl an histaminsensitiven Neuronen im Vergleich zu dem in vivo ebenfalls hoch histaminsensitiven CD-1-Stamm ausgeglichen. Auffallend ist zudem, dass bei dem histamininsensitiven Stamm BALB/c etwa ein gleicher Teil der 4-MH- bzw. histaminsensitiven auf AITC, Capsaicin, AITC und Capsaicin oder auf keinen der Simuli sensitiv reagierte. Die Proportion der nicht auf Capsaicin- oder AITC-Gabe reagierenden Zellen war bei diesem Stamm höher als bei den anderen Stämmen. Hierzu sind keine Literaturangaben verfügbar, die diese Ergebnisse erklären könnten. Eventuell könnte dies aber ein Grund sein, weshalb die Mäuse des BALB/c-Stammes weniger sensitiv auf histamininduzierten Juckreiz reagierten. Anhand der durchgeführten Untersuchungen ist es jedoch noch nicht möglich, eine eindeutige Aussage zu

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den Ursachen der stammspezifischen Unterschiede in der Sensitivität auf Histamin zu treffen.

Verschiedene Faktoren sind hierbei zu beachten, zunächst wurden in der vorliegenden Arbeit alle und nicht nur die hautspezifischen Neurone untersucht. Eine Untersuchung z. B. über eine retrograde Färbung der hautspezifischen DRG-Neurone mit einem Fluoreszenzmarker könnte in nachfolgenden Studien hilfreich sein (ROSSBACH et al. 2011). Auch ist zu beachten, dass weitere Zellen im Organismus an der Juckreizentstehung beteiligt sind und dass es sich bei der Weiterleitung um ein komplexes Gefüge aus Botenstoffen, Rezeptoren und Effektormolekülen handelt, die sowohl das Geschehen als auch sich gegenseitig beeinflussen.

Vor kurzem konnte z. B. gezeigt werden, dass TRP-Kanäle auf Keratinozyten ebenfalls in das Juckreizgeschehen involviert seien (CHEN et al. 2016). Weiterhin beschrieben RU et al.

(2017), dass TRPA1- und TRPV1-Kanäle zwar in den durch intradermale Applikation von Pruritogenen ausgelösten Juckreiz involviert sind, aber bei der initialen Auslösung des Juckreizsignales keine Rolle spielten. Sie konnten in einem neu entwickelten Haut-Nerven-Präparat zeigen, dass histaminerge und nicht-histaminerge Agonisten in großen Teilen die gleiche Subpopulation der TRPV1- und TRPA1-exprimierenden C-Fasern aktivierten. Im Widerspruch dazu steht, dass ein gezieltes Ausschalten trigeminaler histaminerger Fasern den nicht-histaminergen Juckreiz nicht beeinflusste (ROBERSON et al. 2013). Diese Diskrepanz reflektiert die Unterschiede im spinalen und trigeminalen System und bedarf weiterer Untersuchungen (GAMPER 2017). Auch zeigten RU et al. (2017) interessanterweise, dass die Antwort der juckreizspezifischen peripheren C-Fasern von TRPA1-/-- oder TRPV1-/-/TRPA1-/--Mäusen auf die pruritogenen Substanzen Histamin, Chloroquin und Ovalbumin im Vergleich zu den Wildtyp-Mäusen unverändert war. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit und den Angaben von SHIM et al. (2007) und WILSON et al. (2011), die eine Beteiligung sowohl des TRPV1- als auch des TRPA1-Kanals am Juckreizgeschehen verschiedener Pruritogene nachwiesen, könnten die Erkenntnisse von RU et al. (2017) dafür sprechen, dass diese Kanäle zwar beteiligt sind am Juckreizgeschehen, aber an anderer Stelle als auf den Nervenendigungen der juckreizspezifischen Fasern (GAMPER 2017). Weiterhin zeigen diese Daten, dass die Untersuchung der DRG-Neurone zur Detektion der stammspezifischen Unterschiede in der Ausprägung der Juckreizantwort allein nicht ausreicht, um dieses Ziel zu erreichen. Eventuell liegen die Unterschiede direkt

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am Ort des Ursprungs des Juckreizsignals, bei nicht-neuronalen Zellen, und nicht erst auf der Ebene der sensorischen Neurone oder im ZNS.