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2. Literaturübersicht

2.1. Juckreiz

2.1.1. Ursachen

2.1.1.1. Botenstoffe

So wie es verschiedene Ursachen für Juckreiz gibt, so gibt es auch keinen universellen Botenstoff für diesen. In den letzten zehn bis zwanzig Jahren wurde eine Vielzahl an Botenstoffen entdeckt. Diese lösen entweder direkt durch Bindung an Rezeptoren oder indirekt durch Freisetzung anderer Juckreizmediatoren Juckreiz aus. Zum Großteil sind ihre Wirkmechanismen noch ungeklärt (KREMER et al. 2014). Der wohl am besten untersuchte Juckreizmediator ist das biogene Amin Histamin (SIMONE et al. 1987; SIMONE et al. 1991;

KREMER et al. 2014). Daneben gibt es allerdings noch eine große Bandbreite weiterer Botenstoffe wie z. B. Serotonin, Proteasen und Kinine (Trypsin, Chymotrypsin, Bradykinin, Kallikrein), Zytokine (z. B. IL-4, IL-31, TSLP, TNFα), Prostaglandine (PGE2, PGD2), Opioide, Nervenwachstumsfaktor (NGF) und Neuropeptide (Substanz P, Neurokinin A) (PAUS et al. 2006; STEINHOFF et al. 2006; KREMER et al. 2014; STORAN et al. 2015;

Literatur

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MOLLANAZAR et al. 2016). Die Botenstoffe werden in histaminerg und nicht-histaminerg unterteilt. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Vielfalt der bei der Juckreizentstehung involvierten Botenstoffe und der von ihnen aktivierten Rezeptoren.

Abbildung 1: In der Haut von Effektorzellen freigesetzte pruritogene Botenstoffe nach MOLLANAZAR et al. (2016) Effektorzellen (z. B. Lymphozyten [T-Zellen], Mastzellen, Eosinophile, Neutrophile und Keratinozyten) in der Haut setzen verschiedene pruritogene Mediatoren frei, welche die auf den terminalen Enden der sensorischen Nervenfasern exprimierten Rezeptoren in der Haut aktivieren.

Mastzelle Histamin

Eosinophiler

Neutrophiler Keratinozyten Makrophage T-Zelle Nervenendigung in der Haut

Literatur

7 2.1.2. Mechanismen und Neurophysiologie

Viele Studien zur Aufdeckung der molekularen Juckreizmechanismen zeigen, dass vor allem das periphere Nervensystem kutane sensorische Stimuli in elektrische Signale umwandelt und diese an das zentrale Nervensystem weiterleitet (KITTAKA u. TOMINAGA 2017). Exogene und endogene Stimuli, ausgeschüttet von Immun-, Epithel- oder Endothelzellen, induzieren die Aktivierung von Signalkaskaden von der Peripherie über DRGs und das Rückenmark zum zentralen Nervensystem (ZNS). Über einen direkten Axon-Reflex-Mechanismus setzen Nervenendigungen Neuropeptide frei. Diese verstärken die Juckreizantwort durch die Stimulation der Freisetzung weiterer prurizeptiver Mediatoren aus Mast-, Endothel- und Epithelzellen (STEINHOFF et al. 2006).

Eine der ersten Theorien zur Juckreizweiterleitung ist die „Intensitätstheorie“ (intensity theory of itch). Hierbei gehen Forscher davon aus, dass Juckreiz eine milde Form von Schmerz darstellt und dass die selben Neuronen für die Schmerz- und Juckreizsensation verantwortlich sind (VON FREY 1922). Heute weiß man, dass geringe Mengen schmerzauslösender Mittel (Algogene) keinen Juckreiz auslösen (TOTH et al. 2015).

Ein alternativer Gedanke ist die sogenannte „Spezifitätstheorie“ (labeled-line theory/specificity theory of itch). Hier geht man davon aus, dass es ein autonomes prurizeptives System gibt, das unabhängig von der Schmerzempfindung besteht. Dieses Modell geht davon aus, dass spezielle Rezeptorstrukturen und neuronale Signalwege existieren, die ausschließlich Juckreiz verarbeiten (SCHMELZ et al. 1997; ANDREW u.

CRAIG 2001; TOTH et al. 2015). Dies steht im Widerspruch zur Beobachtung, dass die chemische Ablation sensorischer Neurone mit Capsaicin Defizite, sowohl in der Juckreizempfindung als auch in der Nozizeption, verursachen (TOTH et al. 2015). Weiterhin wurde die Entdeckung gemacht, dass schmerzhafte und mechanische Stimuli die Juckreizempfindung unterdrücken können (MURRAY u. WEAVER 1975; WARD et al.

1996; YOSIPOVITCH et al. 2007). Ein pharmakologisch angewandtes Beispiel ist der Schmerz auslösende TPRV1-Agonist Capsaicin, welcher topisch als antipruritische Substanz eingesetzt wird (SHIM u. OH 2008). Hier wird vermutet, dass dieser eine juckreizlindernde Wirkung durch seine schmerzauslösenden Effekte hervorruft (SHIM u. OH 2008).

Eine Art Kompromiss zwischen den beiden genannten Theorien stellt die sogenannte

„Selektivitätstheorie“ (selectivity theory of itch) dar. Diese besagt, dass juckreizsensitive

Literatur

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Neurone eine spezifische Untergruppe der nozizeptiven Neurone darstellen. Diese Theorie bietet eine Erklärung zu den Mechanismen, warum es durch Capsaicin zu einer gleichzeitigen Verminderung von Schmerz und Juckreiz durch eine Desensibilisierung kommt (TOTH et al.

2015). Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, welche der beiden letztgenannten Theorien eine bessere Erklärung zur Juckreizweiterleitung darstellt (TOTH et al. 2015). Es ist weiterhin möglich, dass Schmerz und Juckreiz über zwei anatomisch separate neuronale Wege weitergeleitet werden, obwohl einige Substanzen, wie Capsaicin, beide Wege ansprechen können. Die Vermutung liegt nahe, dass es zwei verschiedene, aber nicht völlig voneinander unabhängige Signalwege gibt, die sich einige molekularen Mechanismen wie z. B. die TRP-Kanäle, teilen (TOTH et al. 2015).

BICKFORD (1939) stellte schon früh die Hypothese auf, dass Juckreiz, ebenso wie Schmerz, über feine C-Fasern vermittelt wird. Die sogenannten polymodalen C-Fasern machen ca. 80

% der C-Fasern aus und können durch verschiedene chemische, mechanische und thermische Reize aktiviert werden (SCHMIDT et al. 1997). Die meisten dieser Fasern reagieren nicht bis sehr schwach auf Histamin (HANDWERKER et al. 1991). Die übrigen 20 % der Fasern sind hauptsächlich mechano-insensitive Nozizeptoren. Sie werden durch chemische Stimuli entweder direkt durch Kontakt mit den Mediatoren, oder indirekt durch die Ausschüttung juckreizübermittelnder Substanzen, z. B. aus Mastzellen, aktiviert (SCHMIDT et al. 1995;

SCHMIDT et al. 1997) und können aufgrund einer Entzündung auf mechanische Reize sensibilisiert werden. In dieser letzten Gruppe befinden sich einige Untereinheiten (ca. 20 %), die sehr stark und langanhaltend auf Histamin, aber nicht auf mechanische Stimuli, reagieren (SCHMELZ et al. 1997). Insgesamt machen diese juckreizvermittelnden C-Fasern nur ca. 5 % der gesamten afferenten C-Fasern beim Menschen aus (SCHMELZ et al. 1997). Diese marklosen Fasern haben ein großes Innervationsgebiet in der Dermis-/Epidermisgrenze (SCHMELZ et al. 1997). Beim Juck-Kratzreflex leiten die aktivierten C-Fasern in den oberen Hautschichten elektrische Signale zu den oberflächlichen Schichten des Dorsalhorns des Rückenmarks weiter (SCHMELZ et al. 1997). Vom Rückenmark wird das Signal über spinothalamische Projektionen an den Thalamus weitergeleitet und von dort in den Inselcortex projiziert (ANDREW u. CRAIG 2001;

SIMONE et al. 2004). Des Weiteren werden von dort motorische Areale aktiviert, die vermutlich für die stattfindende Juckreizantwort in Form von Kratzen verantwortlich sind

Literatur

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(MOCHIZUKI et al. 2003; PAUS et al. 2006). Zu den aktivierten Arealen zählen der primäre und sekundäre somatosensorische Cortex, der prämotorische und supplementäre motorische Cortex, der inferiore parietale Lobus, das Cerebellum, und einige Regionen im Temporallappen (PAUS et al. 2006; TOTH et al. 2015). Abbildung 2 zeigt einige der aktivierten Hirnregionen und ihre Funktionen. Es scheint zudem, dass der durch andere nicht-histaminerge Mediatoren ausgelöste Juckreiz über vom Histamin unabhängige Wege an das ZNS weitergeleitet wird (STEINHOFF et al. 2006). Als Beispiel sei hier der durch die Haare der Juckbohne (mucuna pruriens) ausgelöste Juckreiz genannt, der über den Protease aktivierten Rezeptor 2 (PAR2) vermittelt wird (DAVIDSON et al. 2007; JOHANEK et al.

2007; NAMER et al. 2008). Intradermales Einbringen dieser Haare führte in der Studie von NAMER et al. (2008) zu einer Aktivierung von mechanosensitiven, Histamin-insensitiven C-Fasern. Dies führte zur Annahme, dass es verschiedene Typen von Juckreiz-weiterleitenden Neuronen in der Peripherie gibt. NAKANO et al. (2008) untersuchten diese These durch Auswertung der Fos-Expressionsmuster nach Gabe verschiedener Juckreizstimuli. Die intradermale Gabe von Histamin oder SLIGR-NH2 zeigte, dass unterschiedliche Neuronenpopulationen in verschiedenen Regionen des Dorsalhorns aktiviert werden.

RINGKAMP et al. (2011) zeigten zusätzlich, dass auch myelinisierte A-Fasern an der Juckreizempfindung, ausgelöst durch die Juckbohne, beteiligt sind. PAPOIU et al. (2012) konnten zudem nachweisen, dass es durch die Juckreizauslösung mit verschiedenen Substanzen (hier Histamin und Juckbohne) zu unterschiedlichen Aktivierungsmustern im Gehirn kommt. Dennoch wird immer eine gemeinsame Menge an Kernstrukturen aktiviert.

Ebenso verhält es sich bei chronischem Juckreiz. Je nach Ursache für diesen (z. B. AD, Psoriasis, Nierenversagen) kommt es zu unterschiedlichen Akivitätsprofilen des ZNS (MOLLANAZAR et al. 2016).

Literatur

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Abbildung 2: Zentrale Juckreizverarbeitung, modifiziert nach PAUS et al. (2006)

Primäre prurizeptive afferente Neurone der Haut aktivieren spinale Neurone der Lamina I des Dorsalhorns des Rückenmarks. Diese projizieren in den Thalamus. Direkte exzitatorische Verbindungen des Thalamus beinhalten den anterioren cingulären Cortex (ACC), den Inselcortex (Insula) und die primären und sekundären somatosensorischen Cortices. Zusammenfassend dargestellt sind die möglichen Funktionen der bei bildgebenden Studien aktivierten Hirnregionen. SMA = supplementärer motorischer Cortex, PMA = prämotorischer Cortex, PF = präfrontaler Cortex, OrbitoF = orbitofrotnaler Cortex, PAG = periaqueduktales Grau,SI/SII = primärer und sekundärer somatosensorischer Cortex

SMA PMA

Motorische Antwort Kratzen

Rückenmark Haut

Prurizeptive afferente Fasern

Prurizeptive Projektionsneurone,

Lamina I

Räumliche, zeitliche und Intensitätsaspekte;

Lokalisierung schädlicher Noxen

Vergnügen/Belohnung, Aversion, Zielsetzung, Entscheidungsfindung;

Zwanghaftes Kratzen

Affektives Verhalten, Aversion,

Leiden Modulation, Interaktion, Schmerz, Inhibition Juckreiz

Literatur

11 2.2. Histamin

Das biogene Amin Histamin, oder auch 2-(4-Imidazolyl)ethylamin (C5H9N3), ist im Körper ubiquitär verbreitet. Es zählt zu den Gewebshormonen und befindet sich u. a. in der Haut, der Lunge, der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts sowie im Hypothalamus (DALE u.

LAIDLAW 1910; BEST et al. 1927; SCHWARTZ et al. 1991). Gespeichert wird es in höheren Mengen in intrazellulären Vesikeln der Mastzellen (RILEY 1953), eosinophilen und basophilen Granulozyten (GRAHAM et al. 1955) sowie enterochromaffin-ähnlichen (ECL) Zellen der Magenschleimhaut (PRINZ et al. 2003).

Nach Entdeckung des ß-Imidazolylethylamins im Mutterkorn (BARGER u. DALE 1910) wurden kurze Zeit später, noch bevor die Rezeptortheorie weitgehend akzeptiert war, die ersten Wirkungen des Histamins entdeckt (BARGER u. DALE 1910; DALE u. LAIDLAW 1910). Unter anderem konnte gezeigt werden, dass es bei einer Histaminapplikation durch eine Vasodilatation zu einer Blutdrucksenkung bis hin zum tödlichen Schock kommen kann.

Die Bezeichnung "Histamin" wurde wenige Jahre später von DALE u. RICHARDS (1918) eingeführt. Eine erste Isolation aus tierischem Gewebe gelang fast 20 Jahre nach der Entdeckung (BEST et al. 1927), wodurch der Beweis erbracht wurde, dass Histamin ein im lebenden Organismus natürlich vorkommender Stoff ist und dort physiologische Funktionen übernimmt. Histamin moduliert die Funktion von antigenpräsentierenden Zellen (dendritischen Zellen, Makrophagen), T-Zellen, B-Zellen, epithelialen und endothelialen Zellen. Weiterhin beeinflusst es die Proliferation von T-Zellen, die Zytokinsekretion von dendritischen Zellen und die Expression von Adhäsionsmolekülen auf Monozyten (z. B.

ICAM-1; BÄUMER u. ROSSBACH 2010). Hieraus ergibt sich seine Funktion als wichtiger Mediator bei Entzündungsreaktionen. Bei intradermaler Injektion von Histamin kommt es zu der sogenannten „triple response“. Diese setzt sich zusammen aus lokal begrenzter Hautrötung, Erythem (diffuse Rötung) und juckender Quaddelbildung (LEWIS u.

ZOTTERMAN 1927). Eine große Bedeutung kommt Histamin bei der allergischen Reaktion des Soforttyps zu (Typ-I-Allergie; BÄUMER u. ROSSBACH 2010). Schon seit langer Zeit werden in diesem Zusammenhang H1R-Antagonisten zur Therapie von z. B. allergischer Rhinitis oder Urtikaria eingesetzt (ORTONNE 2012; CHURCH 2017).

Über die verschiedenen Histaminrezeptoren übernimmt dieses Amin im Körper vielschichtige physiologische und pathophysiologische Aufgaben (BÄUMER u. ROSSBACH 2010).

Literatur

12 2.3. Histaminrezeptoren

Heute kennt man vier G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs), die Histamin als Liganden besitzen. Nach der Reihenfolge ihrer Entdeckung, welche eine Zeitspanne von fast 100 Jahren abdeckt, werden sie Histamin-1- bis -4-Rezeptor genannt (H1R-H4R). 1930 bis 1940 wurden die ersten Substanzen entwickelt, die die Histaminwirkung blockierten (H1R-Antagonisten).

Man stellte fest, dass dies über eine kompetitive Bindung an einen Rezeptor passierte, der heute als H1R bekannt ist (WELLS et al. 1945). Diese ersten Antihistaminika bildeten die Basis für sehr erfolgreiche und z. T. bis heute eingesetzte Medikamente. Nichtsdestotrotz wurden durch diese Substanzen, da sie nicht alle durch Histamin ausgelösten Reaktionen hemmen konnten, eine Vielzahl neuer Fragen aufgeworfen. Diese führten zu der Annahme, dass es einen weiteren Histaminrezeptor geben könnte, den H2R (ASH u. SCHILD 1966).

Ähnlich wurde der H3R entdeckt - es fiel auf, dass einige Histaminrezeptor-Liganden, deren Pharmakologie nicht zu der Wirkung vom H1R und H2R passten, Histaminwirkungen im Gehirn beeinflussten (ARRANG et al. 1983). Ab den 1990er Jahren wurden neue Rezeptoren fast nur noch über die Identifizierung ihrer Gensequenz entdeckt und nicht mehr ausschließlich über ihre Pharmakologie. In den frühen 90er Jahren wurde die cDNA des H1R und H2R das erste Mal kloniert (GANTZ et al. 1991a; GANTZ et al. 1991b; DEBACKER et al. 1993). Für den H3R gelang dies erst Ende der 90er-Jahre (LOVENBERG et al. 1999).

Durch die Entdeckung der Gensequenzen wurde ein neues Werkzeug geschaffen, um weitere homologe Sequenzen in bestehenden Datenbanken zu finden. Auf diesem Weg fand man einen Rezeptor, der zu ca. 35 % mit dem H3R übereinstimmte und eine sehr hohe Affinität zu Histamin besaß (LIU et al. 2001a). Dieser Rezeptor ist heute als H4R bekannt und wurde von sechs unabhängig voneinander arbeitenden Forschungsgruppen nahezu gleichzeitig beim Menschen charakterisiert und kloniert (NAKAMURA et al. 2000; ODA et al. 2000; LIU et al.

2001a; MORSE et al. 2001; NGUYEN et al. 2001; ZHU et al. 2001). Im Gegensatz zum H3R war der H4R eine Neuentdeckung und seine Funktion(en) dadurch vollkommen unbekannt.

Erste Hinweise lieferte die nachgewiesene Expression im Knochenmark (NAKAMURA et al.

2000; LIU et al. 2001a) und auf hämatopoetischen Zellen (NAKAMURA et al. 2000; ODA et al. 2000), welche bekannt dafür sind, im inflammatorischen Geschehen und bei Immunantworten beteiligt zu sein. Eine Übersicht über die Histaminrezeptoren findet sich in Tabelle 1.

Literatur

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2.3.1. Intrazellulärer Signalweg des histamininduzierten Juckreizes in sensorischen Neuronen

Ein möglicher Signalweg des über den H1R induzierten Juckreizes wurde von KREMER et al. (2014) beschrieben. Der an ein G-Protein gekoppelte H1R wird durch Histamin oder andere H1R-Agonisten stimuliert. Dadurch aktiviert er das membranassoziierte Enzym Phospholipase Cß3 (PLCß3), welches über drei G-Proteinuntereinheiten mit dem H1R verbunden ist (Gαq, G11, Gßγ; KREMER et al. 2014). Dieses Enzym katalysiert die Hydrolysierung des Membranphospholipids Phosphatidylinositol-4,5-Bisphosphat (PIP2) in die second messenger Diacylglycerol (DAG) und Inositoltriphosphat (IP3) (HAN et al. 2006).

DAG aktiviert die Proteinkinase Cε (PKCε), welche den TRPV1-Kanal phosphoryliert und somit aktiviert (PRESCOTT u. JULIUS 2003). Die Aktivierung des TRPV1-Kanals führt zu dessen Öffnung und macht das Durchtreten von positiv geladenen Ionen wie Natrium, Kalium und Calcium möglich. Dies wiederum führt zu einer Depolarisation, wodurch spannungsabhängige Natriumkanäle aktiviert werden, die ein Aktionspotential entlang der Nervenfaser generieren und so zur Juckreizempfindung führen (KIM et al. 2004; PAUS et al.

2006; SHIM et al. 2007). Es wurde zudem gezeigt, dass die Entfernung des oben genannten PIP2 den TRPV1 disinhibiert (PRESCOTT et al. 2003). Für die PIP2-abhängige Aktivierung des TRPV1 wird das Membranprotein phosphoinositide-interacting regulator of transient receptor potential channels (PIRT) benötigt (KIM et al. 2008; PATEL et al. 2011). Ein weiterer Weg zur Aktivierung des TRPV1-Kanals nach Aktivierung des H1R führt über die direkte Aktivierung des Enzyms Phospholipase A2 (PLA2). Diese führt zu einem Ca2+

-Abbildung 3: Strukturformel Histamin

https://chem.nlm.nih.gov/chemidplus/name/histamine (abgerufen: 22.08.2017)

Literatur

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Anstieg und zur Freisetzung von Arachidonsäure. Welche wiederum durch das Enzym Lipoxygenase (LO), zu diversen Produkten metabolisiert wird, darunter z. B. zur 12-Hydroperoxyeicosatetraenoischen Säure (12-HPETE). 12-HPETE selbst aktiviert nun den TRPV1-Kanal (KIM et al. 2004; SHIM et al. 2007). Histamininduzierter Juckreiz kann neben H1R-Antagonisten auch durch andere Inhibitoren an jeder Stufe dieses Signalweges inhibiert werden (Abb. 4). SHIM et al. (2007) zeigten z. B., dass der intradermal durch Histamin induzierte Juckreiz bei CD-1-Mäusen auch durch PLA2-, 12-LO- und TRPV1-Inhibitoren reduziert werden kann. Zu beachten ist hierbei, dass trotz allem einige der Neurone, die auf Histamin mit einer Erhöhung des intrazellulären Calciums reagieren, nicht auf Capsaicin reagieren (11,4 %) und somit TRPV1 nicht exprimieren (KIM et al. 2004; SHIM et al. 2007).

Dies lässt vermuten, dass noch andere Mechanismen beteiligt sind. Des Weiteren sind die Signalweiterleitungsmechanismen für den H4R, der auch von Histamin aktiviert wird, noch weitestgehend unbekannt. Es ist jedoch bekannt, dass selektives Aktivieren dieses Rezeptors sowohl zu einer Erhöhung des intrazellulären Calciums in sensorischen Neuronen, als auch zu einer Juckreizantwort bei Tieren führt (BELL et al. 2004; ROSSBACH et al. 2011). Die Arbeit von JIAN et al. (2016) zeigte, dass auch beim H4R der TRPV1-Kanal und die Phospholipase C (PLC) eine Rolle spielen. Weitere Mechanismen der nachgeschalteten Signalkaskade wurden noch nicht untersucht.

Abbildung 4: Putativer Signalweg des über den H1R induzierten Juckreizes, modifiziert nach KREMER et al. (2014)

H1-Rezeptor

Histamin

Depolarisation Aktionspotentiale spannungs-

abhängige Na+-Kanäle

Literatur

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Tabelle 1: Übersicht über die Histaminrezeptoren und ihre Funktionen, modifiziert nach BÄUMER u.

ROSSBACH (2010)

DC = dendritische Zelle; HTMT = Histamin-Trifluoromethyl-Toluidin-Dimaleat

Literatur

16 2.4. Histamin-4-Rezeptor

Der H4R wurde von NAKAMURA et al. (2000) aus humaner Leukozyten-DNA kloniert und ist ein 44-kDa Protein mit 390 Aminosäuren. Auch er gehört zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Die Aminosäuresequenz des H4Rs stimmt mit der des H3Rs zu 35 - 43 % überein (NAKAMURA et al. 2000; ODA et al. 2000; LIU et al. 2001a; MORSE et al. 2001;

NGUYEN et al. 2001; ZHU et al. 2001). NGUYEN et al. (2001) zeigten zudem eine 58 %ige Homologie der Transmembranedomänen des H3Rs und des H4Rs.

Kurz nach der ersten Klonierung beim Menschen folgte die Klonierung des H4R in anderen Spezies wie Ratte, Maus, Meerschweinchen, Schwein, Affe und Hund (LIU et al. 2001b;

ODA et al. 2002; ODA et al. 2005; JIANG et al. 2008). Dabei stellte man fest, dass es zwischen den einzelnen Spezies große Unterschiede in der Homologie dieser Rezeptoren gibt.

Dies spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Wirkungspotenz/Bindungsaffinität der einzelnen Agonisten und Antagonisten bei den Spezies wider (LIU et al. 2001b).

2.4.1. Vorkommen und Funktion

Im Zuge der Entdeckung wurde der H4R in einer Vielzahl von Geweben detektiert, u. a. in Herz, Niere, Leber, Lunge, Pankreas, Skelettmuskulatur, Leukozyten, Prostata, Dünndarm, Milz, Hoden, Knochenmark und Lymphknoten (NAKAMURA et al. 2000). Später wurde der H4R auch auf humanen Hautmastzellen (LIPPERT et al. 2004) oder auf Nervenzellen der Spinalganglien und im Rückenmark nachgewiesen (STRAKHOVA et al. 2009). Die Angaben zur Expression im Gehirn variieren je nach Autor. STRAKHOVA et al. (2009) zeigten eine Expression des H4R in Cortex, Cerebellum, Hirnstamm, Amygdala, Thalamus und Striatum.

LIU et al. (2001b) konnten eine Expression im Gehirn dagegen nicht bestätigen.

Neben dem H1R spielt auch der H4R eine große Rolle bei der Juckreizentstehung. Da Antihistaminika (H1R-Antagonisten) zwar wirksam in der Reduktion von Urtikaria und allergischer Rhinitis sind, aber keine Wirkung bei anderen pruritischen Erkrankungen wie der AD zeigen, stellte sich mit der Entdeckung des H4R die Frage, ob dieser für den nicht über den H1R mediierten Juckreiz verantwortlich sei. Mit H4R-Agonisten konnte in verschiedenen Studien im Mausmodell Juckreiz ausgelöst (BELL et al. 2004; DUNFORD et al. 2007;

ROSSBACH et al. 2011) und mit dem spezifischen Antagonisten JNJ7777120 geblockt

Literatur

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werden (DUNFORD et al. 2007; YAMAURA et al. 2009). Auch für H4R-Antagonisten mit anderer chemischer Struktur konnte dies gezeigt werden (BELL et al. 2004; COWART et al.

2008; LIU et al. 2008; KOENIG et al. 2010; SHIN et al. 2012; SAVALL et al. 2014). Ebenso konnte bei H4R-defizienten Mäusen im Vergleich zu Wildtypmäusen kein oder nur wenig Juckreiz durch Histamin oder H4R-Agonisten ausgelöst werden (DUNFORD et al. 2007; YU et al. 2010). Weiterhin hemmten H4R-Antagonisten bei Mäusen den Juckreiz ausgelöst durch Substanz P (YAMAURA et al. 2009), Haptene (ROSSBACH et al. 2009; SUWA et al. 2011) und auch in verschiedenen Dermatitis-Modellen (COWDEN et al. 2010a; OHSAWA u.

HIRASAWA 2012). Diese und weitere präklinische dermatologische Studien zeigten, dass H4R-Antagonisten gegen pruritische Erkrankungen wie die AD wirksam sein könnten. Des Weiteren konnte der H4R Agonist 4-Methylhistamin ebenso wie Histamin eine Degranulation der Mastzellen auslösen. Dieser Effekt konnte durch JNJ7777120 geblockt werden (JEMIMA et al. 2014). Weiterhin kam es wie bei den eosinophilen Granulozyten zu einem intrazellulären Ca2+-Anstieg und zu einer histamininduzierten Chemotaxis (REHER et al.

2012), welche in H4R-defizienten Mäusen nicht vorhanden war (HOFSTRA et al. 2003) . Die Effekte auf Mastzellen und Eosinophile deuten ebenfalls auf eine Beteiligung an Erkrankungen wie der AD und Asthma hin. Dies wurde durch verschiedene Arbeiten belegt.

Die Blockade des H4R bewirkte eine Reduktion der Entzündungsreaktion in verschiedenen Asthma- und AD-Modellen (COWDEN et al. 2010a; SEIKE et al. 2010; SUWA et al. 2011;

MATSUSHITA et al. 2012; OHSAWA u. HIRASAWA 2012; THURMOND et al. 2014;

ROSSBACH et al. 2016).

Es gab bereits erste klinische Studien am Menschen, in denen die antipruritische Wirkung von H4R-Antagonisten getestet wurden. Der potente und selektive H4R-Antagonist JNJ39758979 hat hier gezeigt, dass er die histamininduzierte Juckreizantwort beim gesunden Probanden im Vergleich zu der Placebo-Gruppe reduzieren konnte (KOLLMEIER et al. 2014). In einer Phase 2a Studie an Patienten mit moderater AD, konnte mit dieser Substanz ebenfalls eine Verbesserung im Pruritus-Score erzielt werden. Leider musste diese Studie aufgrund zweier Fälle von Agranulozytose abgebrochen werden. Diese Nebenwirkung wurde vermutlich durch reaktive Metaboliten des Antagonisten ausgelöst und nicht durch den Antagonismus am H4R selbst (MURATA et al. 2015). In einer aktuellen Phase-IIa-Studie reduzierte der H4R-Antagonist ZPL-389 die klinischen Symptome, inklusive des Juckreizes, von Patienten mit

Literatur

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milder oder moderater AD (WERFEL et al. 2016). Weitere H4R-Antagonisten wurden in klinischen Studien getestet. Ihre Ergebnisse wurden bis zum heutigen Zeitpunkt aber nicht publiziert (THURMOND 2015). Weitere präklinische Daten lassen vermuten, dass eine Kombination aus H1R- und H4R-Antagonisten bessere Wirkungen in der Therapie pruritischer Erkrankungen erzielen kann, als die Hemmung des H1R oder H4R alleine (DUNFORD et al. 2007; ROSSBACH et al. 2009; OHSAWA u. HIRASAWA 2012;

KÖCHLING et al. 2017). Neben der Linderung des Juckreizes wurden weitere Parameter dieser Erkrankungen verbessert. Tabelle 2 zeigt eine Übersicht über einige H4R-Liganden.

Aufgrund der großen Homologie des H4R zum H3R sind einige für den H3R entwickelte Substanzen auch am H4R wirksam und werden deshalb ebenfalls in Tabelle 2 aufgeführt.

Tabelle 2: Ausgewählte Histamin-4-Rezeptor-Liganden

H4R-Agonisten H3R/H4R-Agonisten H4R-Antagonisten H3R/H4R-Antagonisten

OUP-16 Immepip JNJ7777120 Thioperamid

4-Methylhistamin Imetit JNJ10191584 (VUF6002)

VUF-8430 (R)-α-Methylhistamin JNJ28307474

Dimaprit VUF5222 JNJ40279486

ST-1006 (Compound32) JNJ39758979

Clobenpropit Clozapin Burimamid

(LIU et al. 2001a; HASHIMOTO et al. 2003; JABLONOWSKI et al. 2003; THURMOND et al. 2004; LIM et al.

2005; VENABLE et al. 2005; LIM et al. 2006; SANDER et al. 2009; COWDEN et al. 2010b; ISTYASTONO et al. 2011; ROSETHORNE u. CHARLTON 2011; SAVALL et al. 2011; THURMOND et al. 2014)

2.5. TRP-Ionenkanäle

In den letzten drei Jahrzehnten haben sich die TRP-Kanäle in der biomedizinischen

In den letzten drei Jahrzehnten haben sich die TRP-Kanäle in der biomedizinischen