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2. Literaturübersicht

2.6. Juckreizmodelle in der Tiermedizin

2.6.1. Einflüsse auf die Juckreizantwort im Mausmodell

Beim Menschen ist zu beachten, dass es zu interindividueller Variabilität bei der Juckreizausprägung kommen kann (GREEN et al. 2006). Aber auch bei Tieren kommt es aufgrund diverser Einflussfaktoren zu einer Beeinflussung der Intensität der Juckreizantwort.

Allen voran ist darauf zu achten, dass allein schon die Dosierung des Pruritogens einen Einfluss auf die Stärke der Juckreizantwort hat (GREEN et al. 2006).

2.6.1.1. Mausstämme

Die Auswahl des richtigen Mausstammes ist essentiell für die Etablierung eines guten Juckreizmodells. Unter der Vielzahl an für die Forschung zur Verfügung stehenden Mausstämmen, befinden sich wenige, die für die Juckreizforschung gut geeignet sind.

Vergleichende Untersuchungen haben ergeben, dass nicht alle Stämme gleich empfindlich auf die jeweilig applizierten Stimuli reagierten. INAGAKI et al. (2001) haben in zwölf

A. B.

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verschiedenen Mausstämmen gezeigt, dass die Juckreizantwort nach intradermaler Histamingabe (50 nmol/ 20 µl) sehr stark variierte. Sie konnten u. a. zeigen, dass die vielfach verwendeten Mäuse des Stammes BALB/c kaum auf Histamingabe reagierten, während sich die Mäuse des ICR(CD1)-Stammes sehr intensiv kratzten. Weiterhin konnte bei Mäusen der Stämme C57BL/6, WBB6F1-+/+ und WBB6F1W/Wv eine geringe, aber signifikante Juckreizantwort hervorgerufen werden.

Mit Serotonin (50 nmol/20 µl) konnte bei elf von zwölf Stämmen Juckreiz ausgelöst werden.

Hierbei fiel aber erneut auf, dass sich die ICR-Mäuse in dem Beobachtungszeitraum ca.

doppelt so oft kratzten wie die anderen verwendeten Stämme. Eine spätere Studie von GREEN et al. (2006) an elf verschiedenen Inzuchtstämmen zeigte ähnliche Ergebnisse für subkutane Injektionen von Histamin und Chloroquin. In der gleichen Arbeit hat die Arbeitsgruppe die gewonnen Daten mit früheren Daten aus Schmerzversuchen verglichen und konnte eine negative Korrelation zwischen Schmerz und Juckreiz erkennen. Mausstämme, die sehr sensitiv auf Schmerzreize reagierten, waren eher resistent gegen Juckreiz und vice versa.

Es ist also darauf zu achten, dass der ausgewählte Mausstamm maßgeblich die Juckreizantwort auf gewisse applizierte Substanzen beeinflusst. Dieses Phänomen ist nicht nur auf Mäuse beschränkt. Auch für den Menschen wurde herausgefunden, dass es Unterschiede in der Stärke des Juckreizes im Vergleich verschiedener ethnischer Gruppe gibt (HAJDARBEGOVIC u. THIO 2012; LEADER et al. 2015).

2.6.1.2. Geschlecht

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Ausprägung der Juckreizantwort ist das Geschlecht.

GREEN et al. (2006) zeigten in ihrer Studie, dass sich weibliche Mäuse nach subkutaner Chloroquininjektion im Durchschnitt häufiger kratzten (+ 23 %) als männliche. Dies konnte jedoch nicht für alle untersuchten Stämme bestätigt werden. Ähnliches konnte für SLIGRL-NH2-induzierten Juckreiz bei Mäusen gezeigt werden (YAMAURA et al. 2014). Obwohl nicht statistisch signifikant, konnten auch bei anderen getesteten Substanzen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren erkannt werden: bei dem durch Substanz P ausgelösten Juckreiz kratzen sich z. B. die weiblichen Mäuse häufiger (+ 31 %) als die männlichen. In einem chronischen Juckreizmodell konnten YAMAURA et al. (2014) im Unterschied zu einigen Studien beim Mensch keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern erkennen. Dies steht im Widerspruch dazu, dass auch in einem Modell für

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mögliche, mit Juckreiz einhergehende Autoimmunerkrankungen gezeigt werden konnte, dass sich die dort untersuchten weiblichen Mäuse mehr kratzten als die männlichen (UMEUCHI et al. 2005). Diese Befunde bestätigen die Daten aus mehreren humanen Studien, bei denen gezeigt wurde, dass es bei chronischem Juckreiz einen Geschlechtsunterschied gibt. Auch hier kratzten sich Frauen häufiger als Männer (STAENDER et al. 2013; MARTÍN-BRUFAU et al.

2017).

2.6.1.3. Alter

Obwohl es in der Humanmedizin widersprüchliche Daten zur Assoziation des Auftretens von Juckreiz und dem Alter der Individuen gibt (REA et al. 1976; DALGARD et al. 2007;

STÄNDER et al. 2010; CHINNIAH u. GUPTA 2014; WEISSHAAR 2016), haben MATTERNE et al. (2013) in ihrer Arbeit eine Korrelation zwischen dem Alter der Patienten und der Häufigkeit des Auftretens von chronischem Juckreiz erkennen können. Hiernach scheint die Anzahl der mit Juckreiz einhergehenden Hauterkrankungen im Alter anzusteigen.

2.6.1.4. Äußere Einflüsse

Experimentator und auch laborassoziierte Umwelteinflüsse könnten die Juckreizantwort der Tiere beeinflussen. Dies wurde schon für Schmerzexperimente gezeigt (CHESLER et al.

2002b; CHESLER et al. 2002a). Zu diesen Einflüssen könnten z. B. die Tageszeit, Luftfeuchtigkeit und Besatzdichte der Käfige (veränderte Hormonspiegel durch sozialen Stress) zählen. Der Experimentator hat nach oben genannten Studien höchstwahrscheinlich auch einen Einfluss auf das Verhalten der Tiere. Ob bzw. in welchem Maße sich diese Daten aus den Schmerzstudien auf Juckreizstudien übertragen lassen, ist unklar. Generell sind Mäuse durch männliche Experimentatoren gestresster als durch weibliche (FESSENDEN 2014). Zudem sollte ein Wechsel der Experimentatoren während einer Studie vermieden werden, da dies zu Veränderungen im Verhalten der Tiere führen kann (FESSENDEN 2014).

Weiterhin sollte vermieden werden, Studien mit Mäusen die gerade aufgewacht sind, oder deren Käfige gerade gewechselt wurden, durchzuführen (FESSENDEN 2014). Die Lichtstärke und Umgebungsgeräusche (z. B. Schritte auf dem Gang) sind weitere Einflüsse, die das Verhalten von Mäusen beeinflussen können (FESSENDEN 2014). Weiterhin kann die Phase des Östruszyklus der Maus Einfluss auf ihr Verhalten haben (FESSENDEN 2014).

Erhöhter psychologischer Stress, z. B. durch Wassermangel, schwierige Aufgaben oder hartes

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Training, erhöhen ebenfalls die Juckreizantwort bei Mäusen (AMANO et al. 2008; ORITA et al. 2010; SPRADLEY et al. 2012; ZHAO et al. 2013) und auch beim Menschen (VERHOEVEN et al. 2009; TRAN et al. 2010).

Juckreiz hat zudem eine sehr starke soziale Komponente. Bei Menschen ist der „ansteckende“

Juckreiz, ebenso wie das ansteckende Gähnen, weit verbreitet (PROVINE 2014). Auch bei Mäusen konnte gezeigt werden, dass Tiere, bei denen keine Pruritogenapplikation stattfand, sich kratzten, wenn sie andere Mäuse beobachten konnten, die dieses Verhalten ausübten (YU et al. 2017).

Material und Methoden

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