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Der Einfluss der Devotio moderna auf die Buchproduktion im Kreuzherrenorden Nach Geert Groote hatte Handarbeit, egal welcher Art, besonderen Wert für ein wahrhaft Nach Geert Groote hatte Handarbeit, egal welcher Art, besonderen Wert für ein wahrhaft

Im Dokument Wissensraum am Niederrhein (Seite 39-44)

2. Zur Geschichte des Kreuzherrenklosters Hohenbusch

2.1 Geschichte, Spiritualität und Wirken des Kreuzherrenordens

2.1.4 Der Einfluss der Devotio moderna auf die Buchproduktion im Kreuzherrenorden Nach Geert Groote hatte Handarbeit, egal welcher Art, besonderen Wert für ein wahrhaft Nach Geert Groote hatte Handarbeit, egal welcher Art, besonderen Wert für ein wahrhaft

reli-giöses Leben: „Sie war eindeutig kein Selbstzweck, sondern Teil des asketisch-spirituellen Programms [der Devoten-Gemeinschaften], der Meditation und Gebet unterstützen sollte.“137 Durch die Verknüpfung von individueller geistlicher Betrachtung mit weitgehend gemein-schaftlich ausgeführter Arbeit suchte man dem Müßiggang, den man als Hauptlaster ansah, entgegenzuwirken. Ein jederzeit zur Verfügung stehendes Mittel hierzu war eine umfassende Schriftlichkeit, die „zum wichtigsten praktischen Reforminstrument der devoten

Helmicus vgl. auch HAAß 1960, S. 145: Um 1420 herum habe Helmicus den Kölner Kreuzherrenkonvent refor-miert. „Hier in Köln wird er auch die Brüder vom gemeinsamen Leben kennengelernt haben. Denn es ist auffal-lend, daß er in dem Empfehlungsschreiben […] das Kölner Brüderhaus […] an erster Stelle nennt […].“

133 Vgl. BARNIKOL 1917, S. 54; SCHÖLER 2005, S. 24-26; LANGE-MAURIÈGE 2014, S. 85 Anm. 21 mit weiterer Litera-tur. Eine eher zusammenfassende Darstellung der Beziehungen zwischen Kreuzherren und Fraterherren mit Schwerpunkt auf dem „Bewusstsein einer gemeinsamen Schrift- und Buchkultur“ bietet OBERWEIS 2013 (Zitat S. 167). – Auch Thomas von Kempen bezeugt in seiner Lebensbeschreibung des Schulrektors von Zwolle, Johan-nes Cele, dass Devoten-Schüler häufig Regularkanoniker, Kreuzherren oder Zisterzienser wurden; vgl. VAN DIJK

2011, S. 11.

134 KOCK 2004, S. 175. Zu Johannes Terborch vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 6, S. 1501f.: Professkloster Köln, 1428-1437 Prior in Köln, 1428-1437-1441 und 1442-1444 Prior in Bentlage, 1436 Supervisor für Beyenburg, † 1445.

135 Vgl. WEIß 1962/63, S. 31-34 und 71-90, bes. S. 31 und 71-73. – Terborch leitete seit 1437 auch die Neugründung im benachbarten Kloster Bentlage und machte es zu einem Anziehungspunkt für Devotenschüler, vgl. WEIß

1962/63 S. 37-40 und 117-165, hier 122-124.

136 Zu Kirskorff vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 5, S. 971: Professkloster Bentlage, 1457-1483 Prior in Bentlage, 1483-1493 Generalprior, † 18.12.1483-1493 in Huy. Kirskorff machte den Konvent von Bentlage mit bis zu 50 Konventualen zur zahlenmäßig größten Niederlassung des Ordens, von der zahlreiche Neugründungen ausgingen, vgl. WEIß

1962/63, S. 130-138; VAN DIJK 2011, S. 12; zur Baugeschichte von Bentlage SEIFEN 1994. – Weitere Belege für die engen Beziehungen zwischen Devoten und Kreuzherren nennt JANSSEN 1999A, S. 64 Anm. 27 / JANSSEN 1999B, S. 39f. Anm. 27.

137 KRAUß 2007, S. 365f.; vgl. auch ebda., S. 286.

gung“138 wurde. Alles Gelesene und Betrachtete wurde notiert, sei es für den eigenen, sei es für den gemeinschaftlichen Gebrauch. Im privaten Bereich entwickelte sich daraus die Gat-tung des Rapiariums, d.h. „eine Sammlung wissenschaftlicher oder moralisch-nützlicher Ma-terien, die aus verschiedenen Quellen zusammengetragen ist, fortgesetzt und ergänzt werden kann […].“139 Als „systematisch oder sukzessiv angelegtes spirituelles Tagebuch“140 diente es der Aufzeichnung der eigenen Lesefrüchte und war somit ein ständiger Begleiter seines Besit-zers. Von den ebenfalls häufig verfertigten Florilegien, d.h. unter bestimmten Gesichtspunkten angelegten Sammlungen von Textauszügen verschiedener Autoren im ursprünglichen Wort-laut, unterscheiden sich Rapiarien durch die eher freie und stark kürzende, immer jedoch der persönlichen Erbauung und sittlichen Besserung dienenden Zitation.

Neben solchen privat oder gemeinschaftlich genutzten Schriften wurden in devoten Häusern in großer Zahl auch Bücher für den Verkauf hergestellt. Für die Gemeinschaften war die handwerkliche Produktion von Gütern ein notwendiges Mittel der Subsistenzsicherung, da ihnen Betteln untersagt war.141 Durch das Schreiben gegen Entgelt ließen sich folglich Er-werbstätigkeit und persönliches Tugendstreben hervorragend miteinander verbinden.142 Wo

138 STAUBACH 1991, S. 428. Nach Staubach umfasst diese „pragmatische Schriftlichkeit“ den gesamten Alltag einer Devotengemeinschaft und steht immer im Dienst der Selbstheiligung: „[…] man kann wohl sagen, daß jeglicher Schriftgebrauch im Bereich des devoten Gemeinschaftslebens – von der Bibellektüre bis zur Kopiertätigkeit, von der Abfassung mystischer Traktate bis zur Anlage eines Güterverzeichnisses oder Nekrologs – sich dem für alle verpflichtenden idealen Zweck funktional unterordnet.“ (ebda., S. 424). Der Bibliothekar der Kölner Kreuzherren, Conradus de Grunenberg (zu ihm s. unten Anm. 159), bezeugt in einem Kolophon, dass er zwar weniger zum vor-liegenden Buch beigetragen habe als die anderen Schreiber, aber dennoch immer mit Schreiben beschäftigt gewe-sen sei: „Librarius autem, licet minus scripserit, tamen nunquam a scribendo vacavit.“ HASt Köln, Best. 7002 (GB fol.) 181, Bl. CCXVIrb, zitiert nach THEELE 1926, S. 258.

139 STAUBACH 2000, S. 117. Der zitierte Beitrag zeigt jedoch auf, dass das Rapiarium keineswegs eine Erfindung der Devoten war, sondern vermutlich aus dem Studien- und Universitätsbetrieb stammte und in der Devotio als eine Art geistlicher Übung übernommen wurde; vgl. ebda., S. 118-124. Vgl. auch grundlegend den etwas älteren Artikel von MERTENS 1988, sowie als Beispiel den Abschnitt von SCHÖLER 2005, S. 73-75 über die Rapiarien des Johan-nes Cele und Conradus de Grunenberg in Handschriften des HASt Köln.

140 KOCK 2002, S. 18.

141 Vgl. KRAUß 2007, S. 284-286; REHM 1992, bes. S. 250-257 mit dem Beispiel der Einkommenssicherung durch Textilherstellung.

142 Zum weiten Bereich der Buchproduktion pro pretio speziell bei den Devoten-Gemeinschaften vgl. STAUBACH 1996;

KRAUß 2007, S. 291-295; sowie KOCK 2002, S. 79-121. Gegen die verbreitete Vorstellung der älteren Forschung, die Fraterherren hätten zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts regelrechte ‚Bücherfabriken‘ betrieben (ein von Klemens Löffler geprägter Begriff, zitiert u.a. bei HEMFORT 2001, S. 26), stellt Thomas KOCK allerdings fest, dass die Buchproduktion bei Fraterherren und Chorherren lediglich ein Nebenerwerb gewesen sein könne und für den alleinigen Lebensunterhalt nicht ausgereicht habe, vgl. das Resümee von KOCK 2002, S. 120f. mit Anm. 252. Als Beispiel führt Kock Einträge aus dem Rechnungsbuch des Fraterhauses von Wesel auf; anhand dieser Einträge las-sen sich Einnahmen aus der Arbeit des Skriptoriums im ersten Halbjahr 1487 von etwa 70 Gulden errechnen (vgl.

ebda., S. 100-105, hier S. 101). Diesen stehen aber nicht unerhebliche Ausgaben für Material gegenüber, so dass der Gewinn wesentlich geringer ausfällt. Vollends erstaunlich gerät der Vergleich mit den weiteren Einnahmen des Klosters: „Bereits die Zahlungen aus Renten liegen in demselben Zeitraum bei knapp 500 Gulden, davon über 200 Gulden als jährlicher Zins.“ (ebda., S. 103.) Es verstärkt sich also der Eindruck, dass das Schreiben von Büchern in erster Linie als asketische Übung betrieben wurde, die Einnahmen durch den Verkauf derselben eher als willkom-menes Zubrot denn als notwendiger Lebensunterhalt angesehen wurden. Dessen ungeachtet führte das Schreiben von Büchern, ob nun für den Verkauf oder für den eigenen Bedarf, zu einem rasanten Anwachsen der

Bibliotheks-Handschriften nicht verkauft wurden, dienten sie doch wenigstens dem Aufbau der eigenen Bibliothek und entlasteten dadurch die Gemeinschaftskasse. Wo immer also die Reform einer Ordensgemeinschaft durch das Frömmigkeitsideal der Devotio moderna geprägt war, findet sich auch die Übernahme der Wertschätzung von Handarbeit und insbesondere des Schreibens als gleichermaßen asketischer wie materiell nützlicher Tätigkeit.143

So überrascht es nicht, dass im Gefolge der Reform des Kreuzherrenordens ab 1410 ein signi-fikanter Anstieg der Buchproduktion in den einzelnen Häusern einsetzte. Zwar sind die we-nigsten Handschriften eindeutig datiert, doch lässt sich die überwiegende Mehrheit der erhal-tenen Exemplare dem zweiten und dritten Drittel des 15. Jahrhunderts zuordnen. Sind aus der Zeit vor 1400 noch nicht einmal Chorbücher in nennenswerter Zahl nachzuweisen144, lässt sich der Beginn der Handschriftenproduktion in einem Kreuzherrenkonvent meist mit dem Zeitpunkt der Einführung der Reform gleichsetzen. Dabei liegen längst nicht für jedes Kloster gesicherte Nachrichten vor, da die Bibliotheken der Kreuzherrenklöster mit deren Auflösung meist zerstreut wurden. Größere, relativ gut dokumentierte Handschriftenbestände befinden sich heute u.a. in folgenden Einrichtungen: Universitätsbibliothek Lüttich (Handschriften aus den Konventen von Huy und Lüttich)145, Bibliothek des Priesterseminars Lüttich (ebenfalls aus Huy und Lüttich)146, Historisches Archiv der Stadt Köln (aus dem Kölner Kloster)147, Diö-zesan- und Dombibliothek Köln (aus Hohenbusch, Aachen148 und Köln149), Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf (aus Düsseldorf, Marienfrede und Beyenburg)150, Universitäts-

bestände in den Fraterhäusern und Kreuzherrenklöstern, vgl. die summarischen Angaben bei NEDDERMEYER 1998 Bd. 1, S. 248-250 und Bd. 2, S. 637.

143 Schreibtätigkeit und andere Handarbeit in Klöstern ist allerdings nicht immer nur auf devote Einflüsse zurückzu-führen. Insbesondere in Klöstern der benediktinischen Ordensfamilie gehörte sie schon aus immanenten Gründen zum Programm der observanten Reformer: Die um 529 entstandene Regula Benedicti, sieht schon lange vor Geert Groote Müßiggang als „Feind der Seele“ an (cap. 48) und empfiehlt ein ausgeglichenes Tagesprogramm mit den Elementen oratio, labor und lectio, vgl. HOLZHERR 2005, S. 287-289 (Zitat 287). Eine verstärkte Schreibarbeit als Wiederbelebung alter benediktinischer Werte sieht Elisabeth HEMFORT vor allem im Zuge von Reformen in süd-deutschen Klöstern; Skriptoriumstätigkeit als Folge einer Beeinflussung durch die Devotio sei dagegen eher im nördlichen Rheinland zu finden, vgl.HEMFORT 2001, S. 13.

144 „De oudste Kruisherenhandschriften stammen uit de laatste decennia van de veertiende eeuw, zonder dat we weten of deze handschriften door de Kruisheren zelf vervaardigd zijn.“ VAN DEN BOSCH 1974, S. 575.

145 Vgl. VAN DE PASCH 1951/52, S. 3-30.

146 Vgl. VAN DE PASCH 1951/52, S. 68-115.

147 Vgl. die entsprechenden Registereinträge der Handschriftenkataloge KAT.KÖLN I und KAT.KÖLN II.

148 Köln, EDDB, Cod. 1010, vgl. HCR Nr. 1209.

149 Köln, EDDB, Cod. 1451, vgl. HCR Nr. 1307. Die Handschriften Köln, EDDB, Codd. 221-225 (HCR Nr. 1165-1169) wurden lange Zeit dem Skriptorium des Fraterhauses am Weidenbach zugeschrieben (außer Cod. 225 / HCR Nr. 1169); neuere kunsthistorische Forschungen sehen in ihnen jedoch ein zumindest überwiegend im Kreuzbrü-derkonvent entstandenes Ensemble, vgl. etwa GLAUBE UND WISSEN 1998, S. 481-499; HEMFORT 2001, S. 91-93 und 221-226.

150 Vgl. die entsprechenden Registereinträge in KAT.DÜSSELDORF B, KAT.DÜSSELDORF C, KAT.DÜSSELDORF D, sowie für weitere Signaturen im HCR.

und Landesbibliothek Darmstadt (aus Schwarzenbroich und Köln)151, Österreichische Natio-nalbibliothek Wien (aus Köln152, Namur, Roermond, Brandenburg und Tournai153). In der Bibliothèque Royale zu Brüssel befinden sich außerdem Handschriften aus den Klöstern zu Huy, Lüttich, Namur, Tournai, ’s-Hertogenbosch, Hoorn, Kolen-Kerniel, Maastricht, Roermond, Beyenburg und Köln154 sowie eine aus Hohenbusch.155 Im Kloster St. Agatha schließlich wurde 2006 ein Erfgoedcentrum voor Nederlands Kloosterleven eingerichtet, das Handschriften und Archivalien aus der eigenen Klostergeschichte, aber auch von anderen nie-derländischen Kreuzherrenklöstern aufbewahrt.156

Unter den genannten Handschriften sind nicht nur Exemplare, die für den Eigenbedarf des jeweiligen Hauses geschrieben wurden, sondern auch zahlreiche Auftragsarbeiten. Wie bei den Fraterherren entstanden in vielen Kreuzherrenklöstern leistungsfähige Skriptorien, die durch ihre Spezialisierung auf Liturgica noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine vom Buchdruck nicht besetzte Marktnische bedienten.157 Für die Stadt Köln etwa belegen dies eindrucksvoll die fünf um 1520 für den Domherren Brictius Eberauer angefertigten Anti-phonarien Codd. 221-225 der Dombibliothek (Kreuzherrenkonvent) und das 1531 entstandene Graduale Cod. 274 (Fraterhaus am Weidenbach).158 Das Skriptorium des Kölner Kreuz-herrenklosters konnte zu dieser Zeit bereits auf eine fast hundertjährige Erfahrung zurück-blicken: Es war im frühen 15. Jahrhundert im Wesentlichen durch den umtriebigen Biblio-thekar Conradus de Grunenberg aufgebaut und organisiert worden.159

Gerade angesichts einer Produktion von über 200 erhaltenen (!) Handschriften und mehr als 40 nachgewiesenen Schreibern in Köln160 fällt es schwer zu glauben, dass in den

151 Vgl. die entsprechenden Einträge in den Provenienzregistern von KAT.DARMSTADT, zu Köln auch SCHÖLER 2005, S. 32 Anm. 81.

152 Vgl. VAN ASSELDONK 1969; SCHÖLER 2005, S. 32 Anm. 79.

153 Vgl. VAN ASSELDONK 1969, S. 47 Anm. 1.

154 Vgl VAN DE PASCH 1951/52, S. 31-58 sowie die entsprechenden Registereinträge in VAN DEN GHEYN 1901.

155 Brüssel, BR, Ms. IV 589: Gregor I., Papst: Moralia in Iob, lib. XI-XXII. 1465 (s. unten Kap. 4.2, NF 2).

156 Vgl. http://www.erfgoedkloosterleven.nl/erfgoedcentrum/erfgoedcentrum.html (4.3.2015).

157 Vgl. hierzu STAUBACH 1996, S. 156. – Mit Skriptorien in Kreuzherrenklöstern unter besonderer Berücksichtigung der Handschriften aus Namur und Köln hat sich kürzlich Xavier HERMAND beschäftigt (vgl. HERMAND 2015). Ne-ben den oNe-ben beschrieNe-benen Aspekten betont er die große kodikologische und paläographische Ähnlichkeit der Produkte, sowohl innerhalb eines Konvents wie auch zwischen verschiedenen Kanonien (ebda., S. 280f.) – eine Behauptung, die sicher nicht uneingeschränkt gilt und etwa durch die vorliegende Untersuchung widerlegt wird.

Durch eine Vielzahl unterscheidbarer Hände, so bemerkt Hermand allerdings, werde deutlich, dass die Handschrif-ten häufig in Gemeinschaftsarbeit entstünden (ebda., S. 282), was die Hohenbuscher HandschrifHandschrif-ten durchaus bestä-tigen.

158 Vgl. GLAUBE UND WISSEN 1998, S. 481-499 bzw. 519-524.

159 Vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 6, S. 1410 unter „Scheyck (de Groenenberg, Gunenberg de, Coliniensis) Conrad“:

Professkloster Köln, 1417 an der Kölner Artistenfakultät immatrikuliert, 1418 scriptor in Deventer, 1420 Profess in Köln, 1425-1436 Subprior in Köln, 1436-1466 scriptor und librarius in Köln, † 1466. Zu Grunenberg vgl. auch REIJNERS 1994, HEMFORT 2001, S. 24f., zuletzt ausführlich SCHÖLER 2005.

160 Vgl. THEELE 1926, bes. S. 253, 258f.; HEMFORT 2001, S. 25.

renklöstern kein eigener Raum für die Buchherstellung zur Verfügung stand, wie dies etwa bei den monastischen Orden die Regel war.161 Doch die Konstitutionen sind hier so dürftig wie eindeutig: „In cellis vero scribere, legere, orare et de nocte ad lumen vigilare possunt aliquando de licentia propter studium.“162 Bücher wurden also in den Zellen abgeschrieben, was wiederum der Praxis in den Devoten-Häusern entsprach; entgegen deren Usancen durften Kreuzherren allerdings auch Bücher in ihrer Zelle in einer eigens erwähnten Kiste aufbewah-ren.163 Verwunderlich ist jedoch, dass sich weder das Generalkapitel von 1410 noch die ihm nachfolgenden über Schriftlichkeit im Orden auslassen. Petrus VAN DEN BOSCH sieht hierin drei mögliche Ursachen: Die zitierte Anweisung der Statuten über das Schreiben und Lesen sei eindeutig und habe keiner Interpretation bedurft; das Bücherkopieren sei nach Meinung der Ordensleitung schon ausreichend ausgeübt worden; oder es sei nur eine von vielen gleichwertigen (Hand-)Arbeiten gewesen, die nicht besonders hervorgehoben werden soll-te.164 Offenbar lag es also alleine an einer geänderten Geisteshaltung, an einer Verschiebung der Kreuzherrenspiritualität in die kontemplative Richtung unter Einfluss der Devotio moderna, dass Buchproduktion und -besitz in den Konventen derartig anstiegen. Das häufig zitierte Kolophon einer Handschrift von 1448-1451 aus dem Kölner Konvent165 soll in diesem Zusammenhang auch hier abschließend genannt werden. Es ist einerseits Beleg für die Wert-schätzung der Handarbeit, wenn es heißt, dass die Brüder „fideliter manus moverunt non solum in laboribus murorum cum construetur hec nova plantacio nostra“; es belegt sodann die gemeinschaftliche Buchherstellung – „sed eciam in conscripcione librorum tam chori quam librarie“ – durch viele Schreiber je nach ihrem Vermögen, „pro possibilitate sua“. Es sagt au-ßerdem aus, dass diese Arbeiten künftigen Generationen zum Vorbild dienen sollten, „ut verecundentur, si non ipsi similiter faciant“. Wenn schließlich von den Beteiligten nur die Vor-namen, nicht jedoch die Beinamen genannt werden, ist dies sicher ein Beleg dafür, dass die

161 Neben einem Skriptorium muss es in Köln und anderen Kreuzherrenkonventen auch eine eigene Buchbinderei gegeben haben, vgl. THEELE 1926, S. 260; VAN DEN BOSCH 1968, S. 134: In einer Kölner Handschrift, an der ein Rekluse mitgewirkt hatte, wird von einer Hand des 16. Jahrhunderts mitgeteilt, dass sich seine Klause „in parvo orto non longe a camera ligatoria versus latrinam“ befunden habe (HASt Köln, Best. 7004 [GB 4°] 218, Bl. 78v, zitiert nach THEELE, a.a.O., Hervorhebung im Original. Die Hs. selbst ist beschrieben bei KAT.KÖLN I Bd. 2, S. 232-237, zum Zitat vgl. ebda., S. 234).

162 Constitutiones dist. 2, cap. 8 = ANNALES OSC Bd. 2, S. 57f.; VAN DE PASCH 1952, S. 92.

163 „Unusquisque fratrum clericorum suam cellam habeat, si fieri potest, in qua habeat cistam ad custodiendum libros suos et res alias sibi concessas.“ Constitutiones dist. 2, cap. 8 = ANNALES OSC Bd. 2, S. 57f.; VAN DE PASCH 1952, S. 91f. – Die von verstorbenen Brüdern hinterlassenen Bücher gingen in den gemeinschaftlichen Besitz, d.h. in die Bibliothek, über: „In Handschriften van Hoei, Luik en Keulen treft men regelmatig de kanttekening aan ex parte fratris nostri, met toevoeging van de naam, doorgaans van een overleden prior of rector.“ VAN DEN BOSCH 1968, S. 134 (Hervorhebung im Original).

164 Vgl. VAN DEN BOSCH 1974, S. 576.

165 HASt Köln, Best. 7002 (GB fol.) 181, Bl. CCXVIrb; Zitate nach THEELE 1926, S. 258. Vgl. auch VAN DEN BOSCH

1968, S. 131-133; VAN DEN BOSCH 1974, S. 576f.; HEMFORT 2001, S. 25; SCHÖLER 2005, S. 66f.; LANGE -MAURIÈGE 2014, S. 86-88. Die Hs. selbst ist beschrieben in KAT.KÖLN II Bd. 1, S. 75-79.

oben erwähnte Geringschätzung der eigenen Person in devoten Kreisen, wo sich Schreiber in der Regel gar nicht nannten, auch bei den Kreuzherren Einzug gehalten hat. Dennoch zeugt dieser Sonderweg genauso vom Selbstbewusstsein eines etablierten Ordens, dessen Mitglieder sich eben doch in erster Linie als Regularkanoniker empfanden – und dies in späteren Jahr-hunderten dann auch wieder stärker in den Vordergrund rückten.

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