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Die hierarchische Struktur des Kreuzherrenordens

Im Dokument Wissensraum am Niederrhein (Seite 32-35)

2. Zur Geschichte des Kreuzherrenklosters Hohenbusch

2.1 Geschichte, Spiritualität und Wirken des Kreuzherrenordens

2.1.2 Die hierarchische Struktur des Kreuzherrenordens

In der für diese Untersuchung relevanten Zeit, also bis 1802, war der Kreuzherrenorden ge-mäß seinen Statuten von 1248 hierarchisch strukturiert.97 Er wurde geleitet vom Generalprior (oder Ordensgeneral), der gleichzeitig auch Prior des Mutterhauses in Huy war. Vier soge-nannte Definitoren fungierten als enger Rat des Generalpriors und bereiteten mit ihm Ent-scheidungen vor; sie wurden auf jedem Generalkapitel neu gewählt. Dieses wiederum setzte sich zusammen aus den Prioren der einzelnen Häuser und je einem oder zwei weiteren Kon-ventualen, entsprechend der Größe der Gemeinschaft. Das Generalkapitel trat anfangs jähr-lich, seit 1614 nur noch alle drei Jahre im Mutterhaus in Huy zusammen. Es entschied über Änderungen oder Ergänzungen der Statuten, über Fragen zur Gestaltung der Liturgie und über andere interne Angelegenheiten wie z. B. die Versetzung von Konventualen in andere Häuser.

Sämtliche Beschlüsse wurden in einem Protokoll, den sogenannten Definitiones,

95 Zur Geschichte des Ordens in der Moderne vgl. JANSSEN 1999A, S. 125-167 / JANSSEN 1999B, S. 70-93; JANSSEN

2010, S. 235-352. Zu den deutschen Klöstern im 20. Jahrhundert vgl. KREUZHERREN 2004. Zu Beyenburg vgl.

auch oben Anm. 53.

96 Vgl. LEWANDOWSKY 2015, S. 1f. – BRINGER 1997, Sp. 460 berichtet von 480 Mitgliedern im Jahr 1997; die Website http://www.kruisheren.eu/wie-we-zijn/geschiedenis/ (9.12.2016) gibt auf der Grundlage von JANSSEN 1999A / JANSSEN 1999B noch rund 600 Mitglieder an.

97 Zum Folgenden vgl. JANSSEN 1999A, S. 86-90 / JANSSEN 1999B, S. 48-50.

gehalten.98 Darin wurden auch die seit dem letzten Kapitel verstorbenen Mitbrüder erwähnt, was die Protokolle zu einer wichtigen prosopographischen Quelle macht. Das Generalkapitel ernannte außerdem Visitatoren – meistens fünf oder sechs der anwesenden Prioren –, die die anderen Konvente jährlich besuchen und über deren Observanz wachen sollten. Als Hand-lungsbevollmächtigte des Generalpriors bzw. des Generalkapitels hatten sie erhebliche Machtbefugnisse.99

Eine Einteilung in Provinzen hatte im Orden offenbar zunächst keine große Rolle gespielt.

Zwar wurde erstmals 1394 ein Prior von Beyenburg zum Provincialis Alamaniae ernannt, doch weder seine Aufgaben noch die Grenzen der Provinz waren klar umrissen.100 Die franzö-sischen Klöster bildeten seit spätestens 1529 eine eigene Provinz, die sich stets durch starke separatistische Tendenzen auszeichnete.101 1630 fand in Roermond erstmals ein Kapitel der Provinz Germania statt, das dieselbe sogleich in eine Rhein- und eine Maasprovinz unterteil-te102, jedoch ein gemeinsames Noviziat in St. Agatha einrichtete. Jeder Provinzial (später vicarius generalis genannt und vom Generalkapitel bestimmt) hatte in seinem Bereich die gleichen Befugnisse wie der Generalprior; er sollte Visitationen durchführen und dem jährlich tagenden Provinzialkapitel bzw. dem alle drei Jahre stattfindenden Generalkapitel darüber Rechenschaft geben. Diese besondere Organisationsstruktur war wohl den Verhältnissen wäh-rend des Dreißigjährigen Krieges geschuldet, als Reisen schwierig war und der Generalprior

98 Herausgegeben 1969 von Antoine van de Pasch = DEFINITIONES OSC.

99 Vgl. hierzu JANSSEN 2005, S. 21.

100 Vgl. HAAß 1932, S. 10, 23, 45.

101 Der Prior des Pariser Konvents Michel Mulot (Prior 1518-1529, 1530 in Genf als Anhänger Calvins, in den Jahren danach verstorben) erstrebte mehr Einfluss über die französischen Klöster und führte einen erbitterten Kampf ge-gen das Visitationsrecht des Generalpriors. 1529 und 1530 wurde er vom Generalkapitel exkommuniziert und der Niederländer Thomas von Gouda als Provinzial eingesetzt (vgl. DEFINITIONES OSC, S. 293, 295). 1641 wollte sich das Pariser Kloster mit der Congrégation de France vom Orden trennen, was aber verhindert werden konnte. 1670 nahmen die Pariser Konventualen den Status von Regularkanonikern an (d.h. sie durften Privateigentum besitzen) und nannten sich nun Chanoines Reguliers de l’ordre de Saint-Augustin, Congrégation de Sainte-Croix. Vgl. dazu REPERTORIUM OSC Bd. 3, S. 155f.

102 Zur deutschen Provinz und deren Kapiteln vgl. vor allem HAAß 1932, S. 23-29, sowie etwas kritischer RAMAEKERS

1984, S. 69-82. Die Grenzen der deutschen Provinz orientierten sich „weitgehend an den Grenzen des [Römisch-deutschen] Reiches vor dem Westfälischen Frieden.“ (BRINGER 2006, S. 186.) Nach der Aufteilung in zwei Teil-provinzen zählten zur Provincia Mosana die Klöster von St. Agatha, Venlo, Roermond, Maaseik, Maastricht, Kolen-Kerniel, Brüggen, Dülken, Wickrath, Hohenbusch, Schwarzenbroich, Aachen, Brandenburg, ‘s-Hertogen-bosch, Hoorn, Schiedam, Asperen, Woudrichem und Goes. Der Provincia Rhenana hingegen wurden zugeschlagen Helenenberg, Ehrenstein, Köln, Düsseldorf, Duisburg, Emmerich, Marienfrede, Bentlage, Osterberg, Beyenburg-Steinhaus, Glindfeld, Höhnscheid, Ter Apel, Sneek, Franeker und Scharmer. Vgl. dazu die Akten des Provinzial-kapitels in ANNALES OSC Bd. 3, S. 180-186, hier 184f. Die Klöster in Maaseik, Maastricht, Kolen-Kerniel, Aachen und Brandenburg sind nicht genannt bei der Approbation dieser Beschlüsse auf dem folgenden Generalkapitel 1631, vgl.DEFINITIONES OSC, S. 454. „Sie sind offensichtlich der belgischen Provinz, die unmittelbar dem General unterstand, zugewiesen worden“ (HAAß 1932, S. 25) und sollten wohl eine zu große Sonderstellung der deutschen Provinzen verhindern.

alleine die Klöster nicht visitieren konnte.103 Nach dieser Zeit wurde der Orden wieder stärker zentralisiert, so dass nach 1682 keine Provinzialkapitel mehr tagten.104

An der Spitze der einzelnen Konvente stand ein Prior, gewählt von den Konventualen mit einfacher Mehrheit.105 Der Prior selbst ernannte für sein Haus einen Subprior, der für das geistliche Leben und die Ausbildung der Novizen zuständig war, einen Prokurator für die wirtschaftlichen Angelegenheiten sowie einen Cellerar für die Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung.

Wer in ein Kreuzherrenkloster eintrat, hatte zuerst eine Probezeit und dann ein einjähriges Noviziat zu absolvieren. Dieses lag zunächst in der Verantwortung jedes einzelnen Hauses;

erst seit dem 17. Jahrhundert wurden zeitweise zentrale Noviziate für die Provinzen eingerich-tet. Die Ewigen Gelübde am Ende des Noviziatsjahres wurden zwar auf den Gesamtorden ab-gelegt, doch blieb man in der Regel in seiner domus nativa. Versetzungen sollten von den Ge-neralkapiteln begründet und zeitlich begrenzt werden. Die Versetzungspraxis scheint in ver-schiedenen Zeiten allerdings unterschiedlich gehandhabt worden zu sein: Der Traktat De con-ventualitate des Marienfreder Priors Johannes Spyck († 1676) etwa wandte sich gegen zu häu-fige Versetzungen und verlangte eine stärkere Autonomie der einzelnen Klöster, konnte sich damit allerdings nicht durchsetzen.106

Die Konventualen teilten sich auf in drei Stände.107 Die Priester, canonici oder Chorherren genannt, waren verantwortlich für Chorgebet, Seelsorge und Verwaltung der Häuser. Ihre phi-losophische und theologische Ausbildung fand wie das Noviziat überwiegend in den Konven-ten statt; durch die Einrichtung zentraler Studienhäuser versuchte man immer wieder, die theologische Bildung zu verbessern. Die Begabten unter den Priesteramtskandidaten wurden zu weiteren Studien an die Universitäten von Köln, Leuven, Paris, Toulouse oder Caen ge-schickt. Den zweiten Stand bildeten die Laienbrüder (conversi); sie übten Tätigkeiten in Land-wirtschaft und Haushalt aus. Da sie theologisch nicht gebildet waren – die Statuten

103 Vgl. DEFINITIONES OSC, S. 458: „Pater generalis his turbulentissimis temporibus totum ordinem per se visitare non potest […]“.

104 Vgl. BRINGER 2006, S. 187.

105 Das galt bis 1410 auch für Huy, wie eine Formulierung des Reformkapitels vermuten lässt: „Et convocatione conventuali canonica et collatione facta […] eligentibus […] confratrem nostrum […]“ (DEFINITIONES OSC, S. 25).

Nach 1410 wurde der Generalprior von einem Gremium aus acht Definitoren gewählt (jeweils vier aus den beiden letzten Generalkapiteln vor der Wahl), die allerdings gehalten waren, zuvor den Willen der Konventualen von Huy zu erfragen (vgl. Constitutiones dist. 2, cap. 3 = ANNALES OSC Bd. 2, S. 51; VAN DE PASCH 1952, S. 82). Erst seit 1489 durften die Konventualen mit den acht Definitoren zusammen ihren Oberen wählen. Dieses Verfahren wurde eingeführt auf Wunsch von Papst Innozenz VIII. (vgl. JANSSEN 1999A, S. 86 / JANSSEN 1999B, S. 48) und in den Statuten von 1660 verankert, vgl. REGULA OSC, S. 76f.: „Definitores, qui cum Conventu Huyensi maiorem Priorem debent eligere […]“. Zu dieser Änderung im Wahlmodus insgesamt vgl. VAN DEN BOSCH 1989, S. 82.

106 S. unten Kap. 6.5.7.3; zu Spyck und seinem Traktat s. Anm. 520 und 1094.

107 Vgl. hierzu auch BRINGER 2006, S. 179.

sagten ihnen gar das Lesen von Büchern108 –, hatten sie geringere Gebetsverpflichtungen. Seit 1433 wurden als dritte Gruppe auch Oblatenbrüder (donati) zugelassen. Sie legten ihre Ge-lübde immer nur auf ein bestimmtes Haus ab, konnten also nicht versetzt werden, und waren dort für die sehr einfachen und schweren Arbeiten zuständig.109

Die Stände unterschieden sich nicht nur in ihren Aufgaben, sondern auch nach außen in ihrer Kleidung. Die Priester trugen eine Tunika aus ungefärbter Wolle, darüber ein ursprünglich graues, später schwarzes Skapulier mit Kapuze sowie einen schwarzen Chormantel (cappa).

Auf Skapulier und Mantel war ein griechisches Kreuz angebracht, dessen Balken sich außen verbreiterten; seine vertikalen Arme mussten rot sein, die horizontalen weiß.110 Die Konver-sen trugen statt dem Chormantel ein etwas breiteres, graues Skapulier.111 Die Donaten hinge-gen erhielten lediglich eine kurze graue Tunika.112

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