• Keine Ergebnisse gefunden

Auswertung der rekonstruierten Titelliste

Im Dokument Wissensraum am Niederrhein (Seite 196-200)

Das Inventar des Johann Bernhard von Schönebeck sowie weitere Funde ermöglichten die Aufstellung einer Liste von knapp dreihundert Büchern, die mit hinreichender Sicherheit der untergegangenen Bibliothek des Kreuzherrenklosters Hohenbusch zugerechnet werden kön-nen. In diesem Kapitel erfolgt nun eine Auswertung der Liste im Hinblick auf die materiellen Aspekte der erhaltenen Exemplare – verschollene Exemplare werden nur berücksichtigt, wenn über ihre Besonderheiten Nachrichten in früheren Verzeichnissen vorliegen. Die Auswertung soll in erster Linie Auskunft geben über den Aufbau und das äußere Erscheinungsbild der Bib-liothek, bevor im nachfolgenden Kapitel inhaltliche Aspekte behandelt werden. Hierzu gehört auch in Abgrenzung zur älteren Literatur eine Bestandsklärung anhand der festgestellten Pro-venienzmerkmale.

5.1 Besitzvermerke

Im Fall der Bibliothek von Hohenbusch ist man vielleicht mehr als in anderen Bibliotheken auf Besitzeinträge angewiesen, um ihr ein Buch eindeutig zuordnen zu können. Denn über rein äußerliche Merkmale wie Einbandgestaltung oder eindeutige Signaturen ist dies, wie noch erläutert wird, nicht möglich. In vielen Fällen hilft der Eintrag von Schönebeck aus dem Jahr 1801 weiter, wenn er die in seinem Inventar verzeichnete laufende Nummer in seiner gut zu identifizierenden Schrift auch in einem Hohenbuscher Exemplar vermerkt hat (Abb. 2).

Allzu oft fehlt aber ein solcher Eintrag. Deswegen ist es nicht unerheblich, die Besitzeinträge von Konventualen aus Hohenbusch zu verzeichnen, um eine eindeutige Zuordnung zu ermög-lichen. Die Einträge weiterer Vorbesitzer ermöglichen es noch dazu, den Weg eines Buches in die Konventsbibliothek zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Eine vollständige Auflis-tung der erfassten Besitzeinträge findet sich in Tabelle 8.1.

5.1.1 Besitzvermerke des Konvents Hohenbusch

Die große Zahl unterschiedlicher Schreibstile und Formulierungen bei den Besitzvermerken fällt sofort ins Auge, nur wenige Eintragungen treten mehr als einmal auf. So lassen sich le-diglich fünf Gruppen von Besitzvermerken ausmachen, die zweifelsfrei häufiger als einmal zu identifizieren sind. Die vermutlich ältesten, die somit die erste Gruppe bilden, finden sich in den Handschriften Nr. 114 / EDDB, Cod. 1029; Nr. 115 / EDDB, Cod. 1019; NF 1 / Worces-ter, Clark Univ., MS 5. Charakteristisch für diese Einträge ist vor allem der nicht ganz korrekt

deklinierte lateinische Name des besitzenden Klosters („in altinemore“ statt „in altonemore“;

Abb. 3). Im Wortlaut weichen sie jeweils leicht voneinander ab („Iste liber pertinet …“, „Iste liber Est fratrum …“, „Liber fratrum Sancte Crucis …“), doch ist bei allen dreien die gleiche Hybrida libraria aus dem 15. Jahrhundert zu erkennen. Es handelt sich hier wohl um die Schreiberhand B aus dem Codex in Worcester; die Eintragungen wären folglich genauer auf die Zeit um 1461 zu datieren.

Die zweite Gruppe von Einträgen einer gleichen Hand findet sich in Nr. 132 / EDDB, Cod.

1054 und Nr. 136 / EDDB, Cod. 1073. Auch hier wurde eine Hybrida libraria des 15. Jahr-hunderts verwendet, die sich durch die Formulierung „Liber fratrum sancte crucis in altobusco prope ercklens“ von anderen Vermerken absetzt (Abb. 4).

Eine dritte Gruppe von Einträgen, die nach Ausweis der Schrift ebenfalls noch dem 15. Jahr-hundert zugehören dürfte, formuliert den Schenkungsvermerk in der zweibändigen veneziani-schen Ausgabe der Summa theologica das Antoninus Florentinus von 1480/81 (Nr. 191 / EDDB, Inc.d.80 (1) und (2)). Der 1492 verstorbene Jacobus Udeman aus Erkelenz, Pfarrer in Walhorn bei Eupen536, ist dort in einer verschnörkelten Cursiva formata als Geber eingetragen – womöglich stammt dieser Eintrag von Udemans Testamentsvollstrecker, denn sowohl die stark an eine Kanzleischrift erinnernde Hand wie auch die Bezeichnung „Hoembusch“ für das Kreuzherrenkloster unterscheiden sich deutlich von den übrigen Einträgen (Abb. 5). Es würde sich hier somit um einen externen Besitzeintrag handeln.

Erst aus dem vermutlich späten 16. Jahrhundert findet sich in einer vierten Gruppe eine länge-re Reihe von gleichlautenden Besitzvermerken: Der Vermerk „Conuentus Altinemoris“ (Abb.

6) wurde mit einer hellbraunen Tinte, doch relativ starkem Federstrich in einer Antiqua-Kursive auf den ersten Seiten der folgenden Handschriften eingetragen: Nr. 98 / EDDB, Cod.

1016; Nr. 104 / EDDB, Cod. 1058; Nr. 123 / EDDB, Cod. 1055; Nr. 126 / EDDB, Cod. 1012;

NF 1 / Worcester, Clark Univ., MS 5; NF 2 / Brüssel, BR, IV 589; außerdem in sechs Inkuna-beln: Nr. 2 / EDDB, Inc.c.20; Nr. 145 / EDDB, Inc.d.180; Nr. 149 / EDDB, Inc.d.60; Nr. 191 / EDDB, Inc.d.80 (1) und (2); Nr. 252 / EDDB, Inc.d.195 (1) und (2); sowie einem späteren Druck: Nr. 195 / EDDB, Ae 680.

Ein weitaus dünnerer Federstrich eignet dem fünften in Serie auftretenden Besitzvermerk; er stammt wohl aus dem frühen 17. Jahrhundert (Nr. 87 / EDDB, Ae 657; Nr. 88 / EDDB, Aa 1478; Nr. 143 / EDDB, Cod. 1226; Nr. 144 / EDDB, Inc.d.35; Nr. 165 / EDDB, Inc.d.59).

536 Zu Udeman s. oben Anm. 484.

Die Bezeichnungen für das Kloster scheinen hier eine sprachliche Entwicklung hin zur Volks-sprache durchgemacht zu haben; sie reichen von „Conventus Altinemoris“ über „Conventus Hohenbusch“ bis hin zu „Convent Hohenbusch“ (Abb. 7).

Alle anderen Besitzvermerke zeichnen sich durch eine große Vielfalt in der Schrift und in der Formulierung der jeweiligen Einträge aus. In der Regel wird dabei der Konvent von Hohen-busch als Besitzer genannt; eine Bibliothek wird nur zweimal in Einträgen aus dem 17. Jahr-hundert erwähnt (Nr. 26 / EDDB, Aa 1269; Nr. 166-1 / EDDB, Inc.d.190, Abb. 8). Dieser Be-fund könnte sich auch dahingehend interpretieren lassen, dass es in Hohenbusch erst im 17.

Jahrhundert, als das Kloster häufig Noviziats- und Studienhaus für die Ausbildung des Or-densnachwuchses war, eine Bibliothek im eigentlichen Sinn gegeben hat, d.h. einen abge-trennten Raum mit systematisch aufgestelltem Buchbestand. Bis dahin könnte es einen kleine-ren, zentralen Studienraum mit Büchern537 gegeben haben und ansonsten üblich gewesen sein, dass die Konventualen im Einklang mit der Ordensregel die sie interessierenden Bücher mit in ihre Zellen genommen haben, was auch die Vielzahl der unterschiedlichsten Besitzvermerke erklären würde. Gestützt wird diese Vermutung durch den Eintrag „Ad usum fratris Conradi Saeren“ aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts (Nr. 94 / EDDB, Cod. 1079) – der Ho-henbuscher Konventuale538 bekam diesen Band von einem nicht näher identifizierbaren Wil-helm Duker geschenkt und durfte ihn zwar nicht als Privateigentum behalten, jedoch offenbar lebenslang benutzen. Aus früherer Zeit – vor 1543 – deutet der Eintrag des Ghysbertus Wenlensis am Beginn des zweiten Blocks eines Sammelbandes (Nr. 181-2 / EDDB, Inc.a.110) auf diese Praxis. Hier ist zu vermuten, dass die Faszikel 2 bis 6 zunächst im Besitz des Ghysbertus waren; nach dessen Tod könnten sie dem ersten Faszikel – einer Herolt’schen Predigtsammlung (Nr. 181-1 / EDDB, Inc.a.109) – beigebunden und, versehen mit dem Be-sitzvermerk „Conventus Altinemoris“ auf dem Titelblatt, der Klosterbibliothek hinzugefügt worden sein.

Diese These der Gleichzeitigkeit von separatem Studienraum und privater Nutzung der Bü-cher durch einzelne Kreuzherren widerspricht auch nicht dem Signaturensystem, mit dem überwiegend Handschriften aus dem 15. Jahrhundert gekennzeichnet wurden und das eine systematische Aufstellungsordnung für einen Bibliotheksraum voraussetzt (s. unten Kap.

5.7.2). Das System könnte genau für diesen kleinen Studienraum geschaffen worden und beim

537 Ein solcher „Bibliotheks- und Studienraum, in dem Schülerinnen ausgebildet werden und Handschriften abge-schrieben oder mit Notizen versehen werden konnten“, wird etwa im Augustiner-Chorfrauenstift Steterburg vermu-tet, vgl. KRUSE/SCHNABEL 2012, Zitat S. 172.

538 Zu Conradus Saeren s. oben Anm. 409.

Anwachsen der Bibliothek wieder aufgegeben worden sein. Allerdings reichen die Hinweise auf dieses Signaturensystem sowie die nur wenigen Besitzvermerke, die eine Bibliothek er-wähnen, nicht aus, um diese Problematik zufriedenstellend zu erörtern.

5.1.2 Besitzvermerke anderer Personen

Außer den erwähnten Vermerken der Konventualen Ghysbertus Wenlensis und Conrad Saeren gibt es noch eine recht große Zahl von Namenseinträgen, die direkt oder indirekt auf den Vor-besitzer eines Bandes hinweisen. Die ältesten davon scheinen von einem Presbyter Johannes Tegger zu stammen, der sich etwas ausführlicher auf dem vorderen Einbandspiegel einer Mariale-Abschrift in roter Textualis formata verewigt hat (Nr. 114 / EDDB, Cod. 1029); zwei weitere, doch gekürzte und kaum erkennbare Einträge „tegg[er]“ in schwarzer Tinte finden sich auf den vorderen Deckeln von Nr. 115 / EDDB, Cod. 1019 und Nr. 135 / EDDB, Cod.

1083. Alle drei Handschriften tragen auch Besitzvermerke des Kreuzherrenkonvents Hohen-busch, zwei davon könnten von Hand B des Worcester-Codex aus der Zeit um 1461 stammen (s. oben Kap. 5.1.1). Der Vorbesitzer Tegger, dem folglich die Codices recht früh539 gehört haben müssten, konnte bislang nicht näher identifiziert werden; lediglich die Schrift spricht für eine – gleichwohl unsichere – Zuweisung in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Eindeutig als Geschenke gekennzeichnet sind die Cusanus-Inkunabel (Nr. 2 / EDDB, Inc.c.20;

Abb. 9), das Praeceptorium des Johannes Nider (Nr. 145 / EDDB, Inc.d.180; Abb. 10) sowie die beiden schon erwähnten Antoninus Florentinus-Bände (Nr. 191 / EDDB, Inc.d.80). Die je-weiligen Vorbesitzer Peter Wymar540, Dietrich Poelman541 und Jacobus Udeman542 konnten identifiziert werden. Dass sie in engerer Beziehung zu dem Hohenbuscher Kreuzherrenkon-vent standen, scheint jeweils durch ihre Herkunft aus der unmittelbaren Nähe der Erkelenzer Kanonie bedingt zu sein; möglicherweise waren sie in ihrer Jugend Schüler des Klosters.

Ein Antwerpener Bibeldruck (Nr. 87 / EDDB, Ae 657) stammt – sofern der Besitzeintrag kor-rekt entziffert wurde und auch tatsächlich diese Person meint – aus dem Besitz des Bischofs von Brügge François de Baillencourt.543 Der Band könnte anlässlich einer Visitationsreise oder aus dem Nachlass des Bischofs an ein belgisches Kreuzherrenkloster oder Studienhaus gekommen und von dort aus nach Hohenbusch gelangt sein.

539 Nr. 115 / EDDB, Cod. 1019 ist im Kolophon auf das Jahr 1438 datiert.

540 S. Anm. 372 und 600.

541 S. oben Anm. 457.

542 S. oben Anm. 484 und 536.

543 S. oben Anm. 402.

Zwei Schreiber können mittelbar als Vorbesitzer einer späteren Hohenbuscher Handschrift an-gesprochen werden: Heinrich Hothuys von Greveraed544 (Nr. 124 / EDDB, Cod. †1056) und Fr. Adolph zum Hoff545 (Add. 5 / Neuss, Archiv Schram, H 13). Heinrich Hothuys war Welt-priester und hat sicher für den Eigenbedarf geschrieben, bevor er dem Kloster seine 1425 an-gefertigte Summa de casibus conscientiae überließ. Adolph zum Hoff stellte gegen Ende des 17. Jahrhunderts einen Regeltraktat und mehrere Archivalien zu seinem Orden ebenfalls für den Eigenbedarf zusammen; er kennzeichnete seinen Sammelband ausdrücklich mit einem Besitzvermerk („sum fratris Adolphi …“). Bei allen weiteren, in Kap. 5.2.2 genannten Schrei-bern von Handschriften ist nicht eindeutig nachvollziehbar, inwieweit sie für eigene Zwecke oder für ihren jeweiligen Konvent geschrieben haben, da explizite Besitzvermerke fehlen. Es wäre daher zu kurz gegriffen, sie pauschal als „Vorbesitzer“ ihrer Manuskripte zu bezeichnen.

Unklar bleibt schließlich die Bedeutung der übrigen Personennamen in Hohenbuscher Bü-chern: Christ[ian] Aldenh[oven] Juliac[ensis] (Nr. 88 / EDDB, Aa 1478), Johannes Broickhuisen (Nr. 183 / EDDB, Inc.a.27), F. Gritteren (Nr. 204 / EDDB, Ac 158), Petrus Henrici (Nr. 166-1 / EDDB, Inc.d.190), Franciscus Rungers und Reinerus Uphoff (Nr. 90 / EDDB, Bibl. 733) sowie Johannes Wörner (Nr. 132 / EDDB, Cod. 1054). Diese Personen konnten nicht näher identifiziert werden. So lässt sich nicht mehr feststellen, ob es sich dabei um Konventualen von Hohenbusch oder eines anderen Klosters handelte, ob es dem Konvent nahestehende Personen waren, die der Gemeinschaft ein Buch aus ihrem Besitz schenkten, oder ob das Kloster die Bücher aus deren Vorbesitz käuflich erwarb.

5.2 Handschriften

5.2.1 Bestandsklärung

Die meisten erhaltenen Bände aus Hohenbusch sind Handschriften und Inkunabeln. In der diesbezüglichen Literatur kursieren jedoch divergierende oder unvollständige Angaben hin-sichtlich der Provenienz aus Hohenbusch. Eine Bestandsklärung bei Handschriften und Inku-nabeln auf der Grundlage des Schönebeck’schen Inventars und mithilfe der Erkenntnisse über die Besitzvermerke ist daher unabdingbar.

544 S. oben Anm. 434.

545 S. oben Anm. 521.

Im Dokument Wissensraum am Niederrhein (Seite 196-200)