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Die Bedeutung von Hohenbusch für den Gesamtorden

Im Dokument Wissensraum am Niederrhein (Seite 52-56)

2. Zur Geschichte des Kreuzherrenklosters Hohenbusch

2.2 Geschichte des Klosters Hohenbusch bis zur Säkularisation

2.2.4 Die Bedeutung von Hohenbusch für den Gesamtorden

Hohenbusch erlangte – wohl nicht zuletzt dank der gerade genannten Schwerpunkte des klös-terlichen Lebens – für den Kreuzherrenorden in dreifacher Hinsicht Bedeutung: Es war zeit-weise Sitz des Provinzials, es war zentrales Noviziatshaus, und es war Studienhaus der deut-schen bzw. der Maasprovinz. Vor allem die Geschichte der Provinziale und Provinzialkapitel ist von Anfang an mit Hohenbusch verwoben, denn dort fand – vermutlich im Jahr 1629 – die erste Versammlung von mindestens acht Prioren statt, die in der damaligen Provinz Germania regelmäßig ein Provinzialkapitel abhalten wollten. Das Ansinnen traf bei der Ordensleitung zunächst offenbar auf taube Ohren; doch nach einem eher demütig gehaltenen ‚Erin-nerungsschreiben‘ der Prioren vom April des Folgejahres214 gestattete der Generalprior Renerus Neerius215 schließlich ein solches Kapitel und saß ihm am 10. Juni 1630 in Roermond auch gleich selbst vor.216 Auf diesem wurde, wie schon erwähnt, die Germania in eine Rhein- und eine Maasprovinz geteilt (die Provinzialkapitel fanden dennoch immer ge-meinsam statt). Dieser und fast alle weiteren Beschlüsse, die im Wesentlichen auf eine Ver-besserung bzw. Wiederherstellung der Klosterdisziplin zielten, wurden im Folgejahr vom Ge-neralkapitel übernommen. Die Provinziale hatten durch ihre Stellung als vicarii generales und durch die von ihnen durchgeführten Visitationen großen Einfluss auf die betreffenden Klöster wie auch auf den Gesamtorden217, selbst als längst keine Provinzialkapitel mehr tagten. So wird auf dem Generalkapitel von 1749 der ehemalige Provinzial (und aktuelle Prior von Ho-henbusch) Henricus Silvester Golt den Definitoren und Generalvikaren als Vorbild und Rat-geber empfohlen.218 Hohenbusch stellte in Gestalt seiner Prioren über mehrere Jahre den Pro-vinzial für die Maasprovinz: Leonardus Campius219 1634-1636; Walter Byll220 1677-1698

214 Vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 179f.

215 Zu Neerius s. oben Anm. 87.

216 Vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 179f.; HAAß 1932, S. 24.

217 Wohl aus diesem Grund hatte der Generalprior ihr Ansinnen 1629/30 zunächst ignoriert. Bereits auf dem General-kapitel 1634 sah er sich gezwungen, die Macht der Provinziale wieder einzudämmen; 1639 erlitt er darin einen empfindlichen Rückschlag; vgl. HAAß 1932, S. 25-27.

218 Vgl. DEFINITIONES OSC, S. 535. Zu Golt vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 5, S. 731: Geboren 1682 in Venlo,

Professkloster Wickrath, 1720-1741 Prior in Wickrath und zeitweise Provinzial der Maasprovinz, 1741-1749 Prior in Hohenbusch, 1727, 1733 und 1739 Definitor, † nach 1749; vgl auch SCHMITZ 2001, S. 70.

219 Zu Campius s. oben Anm. 186.

220 Vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 4, S. 426 unter „Byll (Beill, Biel, Byl) Walter“: Professkloster Hohenbusch, 1651-1669 dort, 1651-1669-1670 Prior in Maaseik, 1670-1671 Prior in Bentlage, 1671-1705 Prior in Hohenbusch, 1679 und 1686 Definitor, in Akten von 1677 und 1686 als „Prov[incialis] ad Mosam“ bezeichnet (vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 354, 365), auf den Generalkapiteln 1682 und 1698 als „vicarius generalis“ bestätigt (vgl. DEFINITIONES OSC, S. 506, 511; ANNALES OSC Bd. 3, S. 394), † 1705 in Hohenbusch. – Byll hatte offenbar auch ein gutes Verhältnis

(evtl. bis 1705?); Jacobus Wantzon221 1706; Johannes Heinrich Stevens222 1727-1730 und 1739-1741.

Mit der Errichtung eines zentralen Noviziats für die Provinz Germania stellte „das General-kapitel des Jahres 1620 […] die Ausbildung des Ordensnachwuchses auf eine neue Grundla-ge. War bis dahin jedes Kloster eigenständig für die Erziehung der Novizen zuständig, so wurde nun in Hohenbusch ein gemeinsames Noviziat für die rheinischen Klöster und für die an das deutsche Sprachgebiet angrenzenden Konvente im heutigen Belgien und den heutigen Niederlanden eingerichtet.“223 Nach einer ersten Probezeit kamen die Novizen somit für elf Monate in das Noviziatskloster; erst den zwölften Monat verbrachten sie wieder in ihrem Heimatkloster, auf das sie dann auch Profess ablegten.224 Für Hohenbusch als ersten Sitz die-ser Institution dürften 1620 der Wohlstand des Hauses wie auch die vorbildliche Klosterdis-ziplin gesprochen haben. Auf dem folgenden Generalkapitel 1624 wurde das Noviziat aller-dings in das nicht weniger wohlhabende und vorbildliche, doch größere Kloster Schwarzen-broich bei Düren225 verlegt, 1631 nach St. Agatha.226 Erst 1677 kam diese für den Orden höchst sinnvolle Einrichtung wieder nach Hohenbusch zurück, diesmal als Zentralnoviziat für die Maasprovinz.227 Allerdings hängt auch dessen Abschaffung gegen Ende des 17. Jahrhun-derts wohl mit dem Untergang der Provinzialkapitel zusammen.228

Länger als das Zentralnoviziat hielten sich die wissenschaftlichen Studienkurse, die zeitwei-se ebenfalls in einem bestimmten Kloster konzentriert wurden. Das erste deutsche

zum Pfarrer von Doveren Johannes Sellarii, der ihn 1680 zu seinem Testamentsexekutor bestimmte, vgl. HAAß

1932, S. 66.

221 „Vic[arius] Generalis et Prior Altinemoris M[osanae] P[rovinciae]“: ANNALES OSC Bd. 3, S. 417. Zu Wantzon vgl.

REPERTORIUM OSC Bd. 6, S. 1614: Professkloster Hohenbusch, ab 1674 Studium in Köln, 1677 Subprior und Novizenmeister für das Provinzialnoviziat in Hohenbusch, 1691-1699 Prior in Maaseik, 1699-1705 Prior in Düs-seldorf, 1705-1715 Prior in Hohenbusch, † um 1721. Unter seinem Priorat erhielt Hohenbusch den Mittelbau mit dem Laienbrüderhaus und zwei große Wirtschaftsgebäude, s. oben Kap. 2.2.2 mit Anm. 190; vgl. außerdem SCHMITZ 2001, S. 69f.

222 Vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 5, S. 1476f.: Professkloster Hohenbusch, Studien dort, in Lüttich und in Köln, 1709 Verteidigung einer theologischen These, ab 1723 Prior in Hohenbusch, 1730 und 1736 Definitor, 1727-1730 und 1739 als vicarius generalis erwähnt; das vermutliche Todesjahr 1741 wird aus dem Amtsantritt seines Nachfolgers Henricus Silvester Golt abgeleitet. Vgl. auch SCHMITZ 2001, S. 70.

223 BRINGER 2006, S. 186. Für die Häuser in Frankreich und im Fürstbistum Lüttich blieb offenbar das Mutterhaus Huy zuständig, die Akten sind hier nicht eindeutig; vgl. DEFINITIONES OSC, S. 439.

224 Vgl. JANSSEN 2012, S. 74.

225 Vgl. HAAß 1932, S. 92-105, hier 101; JANSSEN 2012, S. 97f.

226 S. oben Kap. 2.1.2.

227 Vgl. Beschluss des Provinzialkapitels 1677 in ANNALES OSC Bd. 3, S. 354, bestätigt vom Generalkapitel 1679, vgl.

DEFINITIONES OSC, S. 502.

228 Vgl. HAAß 1932, S. 28f., 35. Ein Nachtrag vermutlich aus dem 18. Jh. in einer Handschrift mit den Kapitelsbe-schlüssen (St. Agatha, Archief, A1; vgl. DEFINITIONES OSC, S. 10) zum Jahr 1679 beklagt den massiven Verfall der Sitten und der Bildung nach dem Wegfall der zentralen Noviziate: „Optandum, quod istae definitiones adhuc essent nostris temporibus in viridi observantia: Certe non experiremur tantas dissolutiones in aliquibus conventibus et juvenum indisciplinatorum, inutilium, illiteratorum, ad professionem admissiones“. ANNALES OSC Bd. 3, S. 736 Anm. (b).

kapitel von Roermond 1630 bestimmte, dass für die ‚Novizen‘ (gemeint sind in diesem Fall wohl die Triennalprofessen) beider Teilprovinzen in Brüggen Philosophie und in Emmerich Theologie gelehrt werden sollte.229 1632 wurde die Theologie zunächst nach Düsseldorf, im Jahr darauf nach Köln verlegt, während in Düsseldorf (offenbar zusätzlich zu Brüggen) Philo-sophie gelehrt wurde.230 Das Provinzialkapitel der Germania zählte 1633 schon 23 Novizen und Studenten – und war offenbar von den dadurch entstehenden Kosten überrascht worden, die schleunigst auf die beteiligten und zahlungsfähigen Klöster umgelegt werden mussten.231 Als die Zahl der Berufungen weiter zunahm, wurde 1647 eigens für die Maasprovinz ein phi-losophischer Studienkurs in Hohenbusch eingerichtet; als Professoren verpflichtete man zahl-reiche Konventualen aus anderen Häusern.232

Diese wissenschaftlichen Studienkurse waren jedoch eine rein interne Angelegenheit und dienten der geistigen wie geistlichen Ausbildung des Ordensnachwuchses, die in der Regel mit der Priesterweihe endete.233 Akademische Grade hingegen mussten an den Universitäten von Köln, Lüttich oder Paris erworben werden. Dass diese Ausbildung jedoch Früchte trug, geht u.a. aus einer gestiegenen literarischen Produktion der Kreuzherren im 17. Jahrhundert hervor. Aus der deutschen Provinz sind hier vor allem der ursprünglich Hohenbuscher Kon-ventuale Arnoldus Hertzworms234 mit seiner Ordensgeschichte von 1661 und der Prior von Ehrenstein Aegidius de Vrese235mit seinem umfangreichen dichterischen Werk zu nennen. In

229 Vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 182. Unter ‚Philosophie‘ ist dabei der propädeutische Unterricht in den septem artes liberales zu verstehen; s. dazu unten Kap. 6.4.5 mit Anm. 892 und Kap. 6.4.8 mit Anm. 919.

230 1632 wird ein theologisches Studium „auf Wunsch des Fürsten von Pfalz-Neuburg“ in Düsseldorf eingerichtet (vgl.

ANNALES OSC Bd. 3, S. 197). Die 1633 erfolgte Verlegung nach Köln (vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 200 Anm. a) wird vom Generalkapitel 1634 bestätigt (vgl. DEFINITIONES OSC, S. 459). Auf dem Provinzialkapitel 1640 werden die gestiegenen Studienkosten (420 Rtlr.) neu aufgeteilt und erwähnt, dass die jungen Brüder Theologie auch an der Universität studieren konnten (vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 213).

231 Vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 200f. Dass die Ausbildung mehr kostete, als die ursprünglich veranschlagten 10 Reichstaler pro Konvent und Jahr, geht hervor aus einer Aufstellung des Provinzialkapitels von 1633. Demzu-folge seien dem Noviziats- und den beiden Studienhäusern Kosten von 369 ½ Rtlr. entstanden, denen lediglich 160 Rtlr.

an Einnahmen gegenüberstanden. Der große Rest wurde gemäß der Anzahl der entsandten Studierenden aufgeteilt;

ein Zusatzbeitrag diente der Unterstützung der mittellosen Konvente. Um sich besser ihren Studien widmen zu können, sollten die Studenten außerdem nicht öfter als zweimal im Jahr in ihr Heimatkloster zurückgerufen wer-den.

232 Vgl. ANNALES OSC Bd. 3, S. 719. Für die Rheinprovinz wurde das Philosophicum demnach in Köln weitergeführt.

233 Die Provinzialkapitel nahmen diese Ausbildung sehr ernst, weil die theologische Bildung für sie zum Profil des Ordens gehörte. Sie unterstellten sie direkt der Verantwortung der Provinziale und ermahnten die Prioren, nur ent-sprechend geneigte Interessenten in den Orden aufzunehmen, wie aus einer Bemerkung in den Kapitelsakten von 1644 hervorgeht: „De studiis philosophicis et Coloniae de theologico ad ordinis utilitatem et splendorem tractabunt R[everendi] P[atres] utriusque provinciae Vicarii. Monemus vero R[everendi] P[atres] Priores, ne juvenes ad ordinem suscipiant, qui cum zelum religionis animam ad studia et decentem qualificationem non habeant.“

(ANNALES OSC Bd. 3, S. 216.)

234 Vgl. HERTZWORMS 1661 und HERTZWORMS 1686 (= 2. Aufl.). Zu Hertzworms selbst s. oben Anm. 5.

235 Vgl. REPERTORIUM OSC Bd. 6, S. 1602f. unter „Vrese de (Vriese de, Vreese de) Aegidius“: Geboren in Deventer 1596, Professkloster Köln, 1621-1625 (Schul-)Lehrer in Venlo, 1625-1630 Prior in Marienfrede, 1634-1641 Prior in Ehrenstein, 1643-1644 Studienpräfekt in Venlo, 1644 Lehrer in Maaseik, 1627 und 1644-1646 Titularprior in Osterberg, † um 1650. Er gab „1639 ein asketisches Werk für Ordensleute, die ‚Vestis nuptialis‘ des 1382

verstor-Maaseik bzw. St. Agatha wirkte der ebenfalls als Poet bekannte Theodorus Candidus (Dublanc/Duplan)236, und kleinere lateinische Versdichtungen sind von zahlreichen weiteren Kreuzherren bekannt.237 Sie dürften vielgelesener Bestandteil etlicher Konventsbibliotheken gewesen sein, doch sind sie heute nur noch vereinzelt nachweisbar.

Für das 18. Jahrhundert konstatiert HAAß einen starken Rückgang schriftstellerisch tätiger Kreuzherren und erklärt diesen mit einem Verfall des geistigen Lebens, resultierend u.a. aus einem Rückgang des Studienbetriebs.238 Erst zwischen 1721 und 1733 ist auf den Generalka-piteln wieder von Studienkursen in Hohenbusch die Rede; nun gibt es sie allerdings auch in zahlreichen anderen Klöstern, d.h. sie sind offenbar nicht mehr zentralisiert.239 1749 beginnen dann – anscheinend wieder zentral – in Hohenbusch für die Maasprovinz und in Köln für die Rheinprovinz neue Kurse in Philosophie und Theologie, zu denen die Klöster ihre Novizen schicken können, aber nicht mehr müssen240; die Kurse werden bestätigt in den Jahren 1756, 1764 und 1767.241 Immerhin sind aus diesen Jahren philosophisch-theologische Disputationen erhalten, die sich an Themen der Neoscholastik orientieren, wie sie zu der Zeit an Universitä-ten üblich waren.242 So spricht nicht zuletzt diese Tatsache dafür, dass man zumindest ver-sucht hat, in Hohenbusch und anderen Konventen das theologische Bildungsniveau zu halten.

Es bleibt festzuhalten, dass Hohenbusch als Sitz eines Provinzials, insbesondere jedoch als Noviziats- und Studienhaus im 17. und 18. Jahrhundert Literatur in entsprechendem Umfang für die geistliche und die wissenschaftliche Bildung bereithalten musste. Deren Spuren sollten sich eigentlich in der Bibliothek wiederfinden. In welchem Maß dies tatsächlich der Fall ist, wird im Laufe dieser Arbeit geklärt werden.

Wie zahlreiche andere geistliche Institutionen wurde das Kreuzherrenkloster Hohenbusch während der Säkularisation im Jahr 1802 aufgehoben. Weil die Vorgänge vor, während und nach der Aufhebung eine entscheidende Rolle für das Schicksal der Bibliothek spielten, soll auf sie im nächsten Kapitel genauer eingegangen werden.

benen Ordensgenerals Petrus Pincharius, neu heraus. […] Eine Sammlung seiner Gedichte gab 1665 der Kölner Prior Clamor Averkamp unter dem Titel ‚Aegis Aegidio-Vresana‘ (373 S.) heraus.“ (HAAß 1932, S. 21.)

236 Zu ihm s. unten Kap. 6.5.8.3 mit Anm. 1124.

237 Weitere Dichter des 17. Jh.s nennt JANSSEN 2010, S. 183-187, bes. 184; vgl. auch HAAß 1932, S. 21f. Schriftsteller des 15./16. Jh.s benennt HAAß 1932, S. 16f., 80f., 123, 140.

238 Vgl. HAAß 1932, S. 34f.

239 Vgl. DEFINITIONES OSC, S. 520, 522, 524, 528, 530.

240 Vgl. DEFINITIONES OSC, S. 535f.

241 Vgl. DEFINITIONES OSC, S. 539, 541, 542.

242 Vgl. ANNALES OSC Bd. 1,2, S. 133-135; HAAß 1932, S. 67.

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