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Die Auseinandersetzung der Opernforschung mit ihrer Motivgeschichte umfasst ein ebenso mannig-faltiges wie heterogenes Spektrum. Grundsätzlich scheint dabei die konventionelle Unterteilung in ernste und heitere Stoff- und Themenkreise noch immer eine erste Orientierung geben zu können.

Im Bereich des Komischen stellen verschiedene Narrentypen ein beliebtes Thema dar. Die Forschung kreist vielfach um den Bühnennarren: Dieser Terminus zielt auf Commedia dell’ arte-Figuren wie beispielsweise den italienischen Arlecchino oder Pagliacco, den englischen Pickelhering, den deut-schen Hanswurst oder den Thaddädl des Wiener Volkstheaters. Eine spezifische Ausprägung des Narren wurde in diesem Rahmen bisher allerdings völlig vernachlässigt – der Hofnarr; er hebt sich von oben genannten Formen in Mittelalter und Neuzeit konzeptionell deutlich ab. Er fußt auf der Narrenidee1, deren stoffgeschichtliche Opernrezeption in der zeitgenössischen Forschung bislang signifikant unterrepräsentiert ist. Bestenfalls flackert in diesem Kontext Giuseppe Verdis Rigoletto (1851) auf, jedoch verbirgt sich in der Operngeschichte eine ungeheure Vielzahl weiterer Hofnar-renidentitäten, die die Öffentlichkeit suchen. Bei diesen Überlegungen darf allerdings nicht vergessen werden, dass ein basaler Unterschied zwischen denjenigen Bühnennarren, die beispielsweise aus Sprechtheatertraditionen der Antike beziehungsweise der Commedia dell’ arte erwachsen, und den Narrentypen, die sich demgegenüber etwa in La finta pazza (1641) von Francesco Sacrati oder Poul Ruders Tycho (1986) wiederfinden, besteht. Aus diesem Grund ist eine differenzierte Betrachtung der teilweise hochgradig differierenden Narrenkonzepte unbedingt erforderlich. In dieser Untersu-chung sollen deshalb (nur) die Narrenfiguren Gehör finden, die unmittelbar auf der Narrenidee be-ruhen, um die Lücke dieses Desiderats zu füllen.

Der gegenwärtige Stand der Forschung ist schnell umrissen: Es gibt bisher lediglich drei Publika-tionen des 20. Jahrhunderts, welche die Narrenidee als lexikalischen Topos erwähnen und somit nicht den Bühnennarren im Sinn haben: Silke Leopolds und Robert Maschkas 1997 publiziertes Le-xikon Who's who in der Oper tangiert zumindest die Narrenidee, währenddessen die 2006 in Frei-burg eingereichte Dissertationsschrift von Esther Huser »Wahnsinn ergreift mich – ich rase!« Die Wahnsinnsszene im Operntext zumindest einige wenige Hofnarrenopern näher betrachtet. Norbert Abels 2009 publizierter Opernführer Ohrentheater verweist demgegenüber auf die Ideengeschichte der Hofnarrenphilosophie anhand der bekannten Figur des Rigoletto. Der zeitgenössische For-schungsstand ist somit als überaus schmal zu bezeichnen, wodurch die vorliegende Arbeit ihre Legi-timation bezieht.

Zwar hat die Figur des Hofnarren seit ihrem Entstehen im Spätmittelalter um 1500 in der europäi-schen Kulturgeschichte – vor allem in den darstellenden Künsten – tiefe Spuren hinterlassen, jedoch gerieten jene im Laufe der Jahrhunderte in Vergessenheit und zeigen sich selbst in geisteswissen-schaftlichen Disziplinen wie Literatur-, Medien-, Theater- Musikwissenschaft oder Opernforschung als kaum bis nicht mehr geläufig. Da der Opernnarr allerdings auf diesen kulturhistorischen Ent-wicklungen gründet, scheint eine kulturwissenschaftliche Vorgehensweise angebracht, die eine dis-kursive Wiederbelebung der ideen- und sozialgeschichtlichen Hintergründe der Narrenidee verfolgt.

Die damit einhergehende interdisziplinäre Stoßrichtung soll helfen, das semantische Feld Narr aus

1 Die Termini Narrenidee und Hofnarrenidee, Narr und Hofnarr lassen sich grundsätzlich synonym verwenden.

unterschiedlichen Blickwinkeln zu ordnen, um dessen tiefe Symbolfülle vollständig abbilden zu kön-nen. Die bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Narrenidee konzentrieren sich demgegenüber stets nur auf einzelne und isolierte Aspekte wie ikonographische Beschreibungen, ethnologische Analysen, literarische Betrachtungen etc. Eine umfassende Behandlung des Konzepts der Narrenidee, so wie sie in der vorliegenden Arbeit verfolgt werden wird, stellt bisher ein Desiderat dar.

Der Narr ist eine äußerst vielschichtige Figur. Gedanklicher Ausgangpunkt dieser Arbeit ist daher die Vermittlung philosophischer Grundlagen der Narrenidee, die im institutionellen und damit real-historischen Hofnarrentum wirksam wurden. Aus (musik-)theaterwissenschaftlicher Sicht ist dabei eine exakte Abgrenzung von anderen Narrenentitäten, wie zum Beispiel dem Spielmann, erforder-lich, um die wesentlichen Unterschiede und Eigenschaften der Narrenfiguren nicht zu vermengen.

Zudem muss das Hofnarrenwesen auch auf der Folie von Komiktheorien beleuchtet werden, die über das verhängnisvolle Verhältnis von Lachen und Verlachen reflektieren. Die ideen- und sozialge-schichtlichen Aspekte der Narrenidee werden die Popularität der Hofnarrengestalt in der Renais-sance begründen. Wesentliches Anschauungsmaterial liefert zudem die mittelalterliche Ikonogra-phie, die den symbolischen Status des Narren innerhalb theologischer Systeme exemplifiziert: Der Hofnarr ist keineswegs nur eine Erscheinung des Mittelalters, sondern wird überhaupt erst vor der Kulisse des christlichen Glaubenssystems geboren.

Den maßgeblichen Einfluss, den diese Kreatur auf die kollektiven Gedächtnisstrukturen des Mit-telalters und der Neuzeit ausübt, wird durch den Moraldidaktiker Sebastian Brant prolongiert, der Narrheit zur Sünde und Sünde zur Narrheit verdammt. Mit dieser Verlautbarung eröffnet sich gleichsam eine moralphilosophische Diskussion über die normative Verortung der Narrenidee, deren satirischer Niederschlag folgenschwere Konsequenzen nach sich zieht. Mit Foucaultschen Worten dient der Narr aus diskursanalytischer Perspektive dem Sichtbarmachen von sozialen Demarkations-linien.2 Als allegorischer Repräsentant einer typologischen Negativgestalt feiert das Narrenprinzip ebenso seinen Einzug in das kollektive Fastnachtsbrauchtum, dessen Sinnbildcharakter gleichfalls konkrete Bezüge zwischen Narrenidee und verkehrter Welt herstellt und deshalb dafür sorgt, dass alle Fastnachtsakteure als Narren gelten.

Mit dem Ende des Mittelalters erwacht dagegen eine neuzeitliche Narrenliteratur, die einen eige-nen Umgang mit den Kategorien von Narrheit pflegt. Diese vorzustellen ist ein grundsätzliches An-liegen, da all diese Narrentypen ebenfalls in der Oper vertont werden. Hierbei lauern zwar Narrenfi-guren wie Parzival, Don Quijote und Till Eulenspiegel am Wegesrand – diese literarischen Wesen tangieren jedoch nicht den Kerngedanken des Hofnarrenwesens und sind damit keine genuinen Hof-narrenfiguren: So verfügt der Hofnarr beispielsweise immer zwingend über einen Herren oder eine andere personale Bezugsgröße; ein konstitutives Faktum, das für oben genannte Charaktere nicht zutrifft. Die vorliegende Untersuchung muss daher – alleine schon aufgrund ihres pionierartigen Charakters – von einem engen Narrenbegriff ausgehen, um eine arbiträre sowie auffächernde Verfla-chung der Hofnarrenfigur zu vermeiden.

Wie sich im Verlauf der hier durchgeführten Untersuchungen zeigen wird, findet das Konzept der Narrenidee in der Personifikation des Hofnarren den Eingang in die Oper beinahe ausschließlich durch die Rezeption literarischer Vorlagen für Libretti. In diesem Kontext zeigen sich bestimmte

2 Vgl. Pilarczyk 2005, S. 16f.

Sujets als besonders ergiebig und werden mehrfach in der Oper aufgegriffen wie etwa der barocke Roman Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch von Hans Jakob Christoph von Grimmelshau-sen aus dem 17. Jahrhundert; noch größere Anziehungskraft strömen allerdings die zahlreichen Hof-narrengestalten im Œuvre William Shakespeares, die besonders in jüngster Zeit (ab 2000) vielfachen Niederschlag in der Oper finden.

Ein zentrales Anliegen der vorliegenden Arbeit, die sich als erste grundlegend mit dem Phänomen des Hofnarren in der Oper auseinandersetzt, besteht darin, eine Sammlung von Werken im Sinne einer inventarischen Bestandsaufnahme vorzustellen; um dabei einen grundsätzlichen Forschungs-einblick geben zu können, schien die Entscheidung für ein eher in der Breite als in der Tiefe orien-tiertes Vorgehen indiziert. Detaillierte Analysen mit einzelnen Hofnarrenfiguren müssen daher spä-teren Untersuchungen vorbehalten bleiben.

Aufgrund der strukturellen Konzeption der vorliegenden Arbeit ergaben sich zwei Schwerpunkte, durch welche die Untersuchung in zwei Teile untergliedert wird. Der erste Abschnitt erhellt den kul-turhistorischen Werdegang der Narrenidee und erörtert damit die Voraussetzungen für deren Ein-dringen in die Operngeschichte. In dieser Perspektive lässt sich die Oper als kulturhistorisches Phä-nomen begreifen, die das Konzept der Narrenidee auf ihre eigene Weise weiterverfolgt. Es stellt sich an dieser Stelle die grundsätzliche Frage, wie der Narrenfigur in der Oper analytisch adäquat zu be-gegnen sei: Die sich grundsätzlich anbietende Möglichkeit einer typologischen Systematisierung schien allerdings aufgrund verschiedener Aspekte als weniger optimales Procedere. Die zahlreichen Facetten der Hofnarrenidee und ihre Rezeption und Verarbeitung in der Oper lassen sich nicht auf einige wenige systematisierende Typologien verengen, ohne dass dabei die Tiefendimension der Nar-renfigur deutlich (und unzulässig) verkürzt werden würde, denn die Konzeptionen des Hofnarren in der Oper stellen nicht nur eine Variation eines oder weniger Grundtypen dar. Gerade in der Oper des 20. Jahrhunderts etwa geht der Hofnarr neue Wege – so verlässt er in Heinz Friedrich Hartigs Esco-rial (1961) seine Opferrolle und wird selbst zum Täter. Tatsächlich sind derartig viele Hofnarrenper-sönlichkeiten in der Oper auszumachen, dass sie sich nicht mehr allzu leicht überblicken lassen.

Eine höhere Sachdienlichkeit vermag deshalb ein diachrones Ordnungsprinzip zu versprechen, das die Konzeption der Narrenidee von den Anfängen bis in die Gegenwart auf der Opernbühne un-tersucht und hierbei das Entwicklungspotential des Narren innerhalb verschiedener opernästheti-scher Gattungstraditionen und -konventionen katalogisiert.

Allerdings wirft die daraus resultierende historische Betrachtungsweise weitere Fragen auf, wie zum Beispiel nach dem Umgang von Text und Musik und damit dem wechselseitigen Verhältnis von Libretto und Partitur im Verbundsystem Oper. Carolyn Abbate und Roger Parker erläutern den Nuk-leus der Kontroverse um die Vormachtstellung von Text und Musik folgendermaßen:

Immer wieder wird gesagt, bei der Oper finde, da sie im Grunde genommen gesungenes Theater sei, ein Kampf zwi-schen Text und Musik statt. Ganze Opern sind über diesen vermeintlichen Kampf geschrieben worden. Eine der be-rühmtesten aus dieser Rubrik ist (zumindest den Geschichtsbüchern zufolge) Antonio Salieris kleine komische Oper

›Prima la musica, poi le parole‹ (›Erst die Musik, dann die Worte‹), die ihre Premiere 1786 im opulenten Ambiente der Wiener Orangerie feierte, eines Luxus-Gewächshauses mit Wintergarten im Park des Schlosses Schönbrunn. Ein Dichter und ein Komponist erhalten den Auftrag, innerhalb von vier Tagen eine Oper zu schreiben. Der Dichter fin-det es unwürdig, auf eine bereits fertige Musik einen Text machen zu müssen, und beklagt sich darüber; der Kom-ponist entgegnet, die Bedenken des Dichters seien banal – auf die Texte achte sowieso kein Mensch. Die

Grundposi-tionen, die auf diesem Streit definieren, sind in der Geschichte der Oper immer wieder eingenommen worden, die Frontlinien immer wieder abgesteckt worden.3

Es gibt mannigfaltige Blickwinkel auf die Oper, in denen je nach Interesse divergierende Zielfragen zusammenlaufen: Der Romanist und Librettoforscher Albert Gier geht davon aus, dass sich das Ge-bilde Oper bereits über das Libretto erschließen lassen würde, da sich dessen Textsinn durch eine Vertonung nicht verändere.4 Gleichwohl lässt sich ebenfalls so argumentieren: Durch den Medien-wechsel einer narrativen Textvorlage in eine musikalische Formgebung ändert sich die Ausdrucks-qualität des Librettos in der Partitur und geht schließlich in Gesang und Musik auf. Den Aspekt der Vertonbarkeit zu vernachlässigen scheint jedenfalls diskussionswürdig, weshalb auch Daniel Bran-denburg auf die Oper als Zusammenspiel von verschiedenen Ausdrucksmedien wie Proxemik, Büh-nentechnik, Licht, Tanz etc. verweist und allem voran betont: »Oper zieht aber – eigentlich eine Bin-senweisheit – ihre Faszination aus dem Zusammenwirken von Szene und Musik.«5 In der Konse-quenz dieser Gedankenführung avanciert die Oper damit zum Forschungsgegenstand unterschiedli-cher Disziplinen. Aber gerade die Musiktheaterwissenschaft kann den Stellenwert von Musik aus verschiedenen Seiten beleuchten und dessen Funktionsgebundenheit betonen. Denn wie ein Schau-spiel ist auch das Musiktheater für die Szene geschaffen und befasst sich mit deren vielfältigen Ge-staltungsmöglichkeiten. Diese Arbeit konstatiert daher einen szenischen Ansatz, ohne diesen freilich apodiktisch zu verabsolutieren: Die Aussagefähigkeit der Musik erschließt sich selbstverständlich nicht nur durch deren szenisches Potential. Ohne Zweifel kann sich der Narrenidee in der Oper auf unterschiedliche Weisen genähert werden – der vorliegende Deutungsversuch verkörpert lediglich eine vieler Möglichkeiten.

Zusätzlich können aus Gründen problematischer Materialbeschaffung, geltenden Verlagsrechten oder editionsgeschichtlichen Reglementierungen nicht alle erforderlichen Libretti, Klavierauszüge oder Partituren herangezogen werden, so dass sich – je nach Entstehungskontext – leider oft nur eine oder keine dieser informellen Grundlagen als ermittelbar erweist.6 Eine Ausweichmöglichkeit geben allerdings schriftlich geführte Dialoge bzw. Interviews mit zeitgenössischen Komponisten, die darin die jeweiligen individuellen Deutungshorizonte ihrer Narrenopern vorstellen. Grundsätzlich wurde stets versucht, sämtliche verfügbaren Quellen in Darstellung und Analyse des Narrentopos miteinzubeziehen. Diese werden – wenn möglich – in ihrer Originalsprache rezipiert. Vielfach konn-te nur auf restaurierkonn-te Bearbeitungen zurückgegriffen werden, da die Originale nicht mehr vorhan-den waren. Aufgrund der Fülle von Hofnarren, die in der Oper ihr Unwesen treiben, kann der vorlie-genden Text jedoch – wie bereits erwähnt – keine tiefgehende Detailuntersuchung jeder Narrenoper liefern, sondern versteht sich als erste, aber umfassende Dokumentation eines motivgeschichtlichen Sujets, das in der zeitgenössischen Opernwissenschaft bisher kaum erschlossen wurde.

Es ergeben sich gewisse Analyseprämissen, die den Untersuchungsgegenstand auf musiktheatra-lischer Folie limitieren. Neben dem bereits erläuterten kulturwissenschaftlichen Hinweis auf einen engen Narrenbegriff, konzentriert sich die Lektüre innerhalb der Operngeschichte ausschließlich auf

3 Abbate/Parker 2013, S. 16.

4 Albert Gier erläutert seine Begriffsvorstellung des Librettos in seiner Schrift Das Libretto. Theorie und Geschichte einer musikoliterarischen Gattung. Darmstadt 1998.

5 Brandenburg 2012, S. 9.

6 Eine Vielzahl von Opern sind ausschließlich in den Bibliotheken der Vereinigten Staaten von Amerika vorzufinden, deren Beschaffung an finanziellen Restriktionen scheiterte.

das Terrain der Oper. Die Berücksichtigung weiterer musiktheatraler7 Bereiche wie Operette, Musi-cal oder Tanztheater würde den Umfang und Rahmen der Arbeit jedoch deutlich sprengen und da-mit zu einer Nivellierung der narrenthematischen Aussagekraft führen, die ihren roten Faden verlie-ren könnte. Der Ausschluss jener damit verbundenen Wiener Operetten wie beispielsweise Der Hof-narr von Adolf Müller (dem Jüngeren) (1886) oder Simplicius8 (1887) von Johann Strauss (Sohn) lässt sich dabei mit den Worten von Carl Dahlhaus verdeutlichen:

Daß – um an der komischen Oper zu exemplifizieren die Operette seit Offenbachs Opéra bouffe, ebenso wie das Mu-sical, nicht der Operngeschichte angehört, ist keine Konvention, die aus der Arroganz des Bildungsbürgertums ge-genüber dem ,niederen’ Genres stammt, sondern läßt sich historiographisch begründen: Im Unterschied zur Opera buffa des 18. Jahrhunderts, deren Ensembletechnik und Personencharakteristik die Opera seria tiefgreifend beein-flußten, ging von der Operette, wenn man von vereinzelten Einschlägen in Werken wie Arabella absieht, nicht die geringste Wirkung auf die Opernentwicklung aus. Und es besteht historiographisch wenig Grund, Genres, die bezie-hungslos nebeneinander herlaufen, miteinander zu koppeln, als wären sie zusammen die Operngeschichte.9

Vor diesem Hintergrund bleiben ebenfalls Possen mit Gesang wie zum Beispiel Franz von Suppés Gervinus, der Narr vom Unterberg, oder: Ein patriotischer Gesang (1859) unberücksichtigt, die hierbei ebenfalls das Gesicht der Wiener Theaterlandschaft formen: Als »[…] Spielart des bürgerli-chen Lachtheaters […]«10 rückt diese Bühnenform durch die Verwendung von musikalischen Num-mern zwar in die Nähe des Singspiels; gespielt wird diese Gattung meistens von singenden Schau-spielern, weshalb Volker Klotz über den differierenden Gattungsstatus von Operette und Posse mit Gesang formuliert:

Die Operette hingegen […] läßt Singstimmen sowie Orchesterpart genau das mitteilen, was sich zwischen und in den handelnden Personen abspielt. Deren eigentlicher Umgang vollzieht sich in musikalischer Sprache. Musik ist hier kein Zusatz wie bei der ›Posse mit Gesang‹. […] Stutzt oder tilgt man der Operette die Musik was die Posse […] ver-trüge, dann ergibt es bestenfalls einen dramatisch erschlafften Schwank. […] Nur, was und wie da gesungen wird, nimmt sich anders aus und hat anderes zu vollbringen als in der Operette. Für die Posse sind die Musiknummern nur vereinzelte Schübe in einen sprach- und sprechbestimmten Raum: eben ins charakteristische Ortsmilieu, das sich mundartlich verlautbart.11

Daneben lassen Titelbezeichnungen gesichteter Opern zwar immer wieder Hofnarrenpersönlichkei-ten vermuHofnarrenpersönlichkei-ten, erweisen sich jedoch als Sackgasse, in denen die Narrenidee thematisch nicht anklingt (so etwa bei Wilhelm Kienzls Heilmar, der Narr (1892), Heinrich Bienstocks Sandro, der Narr (1916) oder Marcel Landowskis Le Fou (1956) etc.).

Die grundlegende Konfiguration dieser Arbeit orientiert sich an der Suche nach hofnarrenaffinen Opernwerken, die sich dieser Idee – in welcher Form auch immer – verschreiben.

Die Suche nach der Hofnarrenidee in der Oper erfolgt auf unterschiedlichen Wegen und bedient sich vielerlei Quellen. Neben der Recherche in allgemeinen Universitätsbibliotheken und

7 Der Terminus Musiktheaterist ein umstrittener Oberbegriff, der je nach Definition und Perspektive unterschiedli-che Gattungen berücksichtigt. Thomas Steiert notiert beispielsweise: »,Musiktheater’ wird […] in drei grundsätzlich verschiedenen Zusammenhängen verwendet: erstens gilt der Begriff als ,Dachbegriff’ für alle musikbezogenen Gat-tungen und Genres, zweitens als ,Sammelbegriff’ für die Werkkonzepte eines avancierten Musiktheaters, die sich dezidiert von der Oper unterscheiden, und drittens spricht man von Musiktheater, wenn eine traditionelle Oper in einer Inszenierung erscheint, die sich durch eine aktuelle Deutung’ von einer konventionellen Regie abhebt.« (Stei-ert 2011, S. 27).

8 In dieser Veroperung ist das Element der Hofnarrenidee seitens des Komponisten und der Librettisten Victor Léon und Ludwig Dóczi eliminiert worden.

9 Dahlhaus 1983, S. 7.

10 Klotz 1987, S. 88.

11 Ibd., S. 185f.

tenbanken wie etwa dem Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK), der Deutschen Nationalbibliothek mit Sitz in Leipzig und Frankfurt, der Staatsbibliothek zu Berlin, der Landesbibliothek Coburg oder der Bayerischen Staatsbibliothek in München usw., ist beispielsweise auf die digitale Librettosammlung der letztgenannten Institution sowie auf das DFG-Opernprojekt der Universität zu Köln Die Oper in Italien und Deutschland zwischen 1770 und 1830 zu verweisen. Daneben sind das Don Juan Ar-chiv12, die Albert-Schatz-Collection13, der Catalogo analitico14 von Claudio Sartori respektive die Sammlungen der globalen Forschungsorganisation RISM15 zu nennen. Aus lexikalischer Sicht fungie-ren überdies The New Grove Dictionary of Opera16, The Grove Dictionary of Music and Musicians17, The New Grove Dictionary of American Music18, Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters19, Die Mu-sik in Geschichte und Gegenwart20, Handbuch der Oper21, Elisabeth Schmierers Lexikon der Oper22, Ulrich Schreibers Opernführer für Fortgeschrittene23, Kurt Pahlens Oper der Welt24, Amanda Hold-ens The New Penguin Opera Guide25, Denis Formans The Good Opera Guide26, Kimmo Korhonens Inventing Finnish Music27, George A. Proctors Canadian Music of the Twentieth Century28 etc. als wesentliche Pflichtlektüre.

Neben allgemeiner Sekundärliteratur, der Suche in Werkregistern und einer Vielzahl von Pro-grammheften, lässt sich inzwischen ebenso das Internet heranziehen. Dadurch entstand der Kontakt mit Musikverlagen, Dramaturgen und Komponisten wie Aulis Sallinen (Finnland), Alexander Wa-gendristel (Österreich), David Winkler (USA), David Amram (USA), John Eaton (USA) und Joel Feigin (USA) oder deren Angehörigen wie Georgia Casciato, der Nichte und Nachlassverwalterin von John Balamos (USA).

Für die Rezeption der bunten Narrenwelt in Shakespeareveroperungen gelten Christopher R. Wil-sons29 1997 publizierter Aufsatz im The New Grove Dictionary of Opera, Bryan N. S. Goochs und

12 Das Don Juan Archiv in Wien untersucht den Opernbestand von den Anfängen der Oper bis ins frühe 19. Jahrhun-dert.

13 Diese ist im Besitz der Library of Congress und gilt als eine der wichtigsten Librettosammlungen, die ebenfalls über einen Online-Katalog zu Recherchezwecken verfügt.

14 Jener umfasst in sechs Bänden italienische Libretti von 1551-1800.

15 Das 1952 in Paris gegründete Répertoire International des Sources Musicales widmet sich der Quellendokumenta-tion von Musik und agiert weltweit.

16 Herausgegeben von Stanley Sadie in London in vier Bänden und vier Auflagen zwischen 1992 und 1997.

17 Herausgegeben von Stanley Sadie in London in zwei Ausgaben: 1980 (20 Bände) und 2001 (29 Bände).

18 Herausgegeben von Hugh Wiley Hitchcock und Stanley Sadie in London 1986 in vier Bänden.

19 Dieses ist in sechs Bänden und einem Registerband von 1986-1997 durch das FIMT (Forschungstheater für Musik-theater der Universität Bayreuth) unter Carl Dahlhaus und Sieghart Döhring erschienen.

20 Jenes siebzehnbändige Musiklexikon (MGG) wird seit 1949 herausgegeben.

21 Herausgegeben von Rudolf Kloiber, Wulf Konold und Robert Maschka mittlerweile in der elften Ausgabe seit 1985.

22 Unter der Mitarbeit des Forschungsinstituts für Musiktheater der Universität Bayreuth (FIMT).

23 Dieses fünfbändige Lexikon ist von 1988-2006 in Kassel erscheinen.

24 Jenes Werk ist bisher in zweifacher Ausgabe 1963 und 1987 in Zürich publiziert worden.

25 Veröffentlicht London 1994 und 1998.

26 Erschienen in London [u. a.] 2001.

27 Publiziert in Helsinki 2003 und 2007.

28 Veröffentlicht in Toronto, Buffalo und London 1980.

29 Wilson 1977; Wilson 1997; Wilson/Calore 2007.

David Thatchers fünfbändiges Werk A Shakespeare music catalogue30, Gary Schmidgalls

David Thatchers fünfbändiges Werk A Shakespeare music catalogue30, Gary Schmidgalls