• Keine Ergebnisse gefunden

Digitales Engagement

Im Dokument Dritter Engagementbericht (Seite 57-62)

Definitiv neu in den Fokus der jungen Generation gerückt ist das Ziel, sich spezifisch für Themen der digitalen Welt zu engagieren. Immerhin mehr als jede*r vierte*r Befragte stimmt der Aussage zu, durch das Engagement die digitale Welt zu einem besseren Ort für alle machen zu wollen (28,9 %, eher wichtig oder sehr wichtig).

Themen wie mangelnder Datenschutz, die Wirkungen von Hate Speech oder auch die wahrgenommene Zunahme politischer Indoktrination durch sogenannte Fake News rufen junge Menschen auf den Plan. Die digitale Welt ist für diese Generation zu einem wichtigen und selbstverständlichen Teil ihrer Lebenswelt geworden (vgl. auch Wolfert und Leven 2019: 213 ff.).

Ein Beleg für diese Annahme ist der hohe Anteil Jugendlicher, deren Engagement in rein online organisierten Gruppen erfolgt. Mehr als jede*r Fünfte nennt diesen organisationalen Rahmen für das Engagement (21,9 %).

Zwar bilden auch die Kontexte Verein, Verband oder Organisationen nach wie vor die wichtigsten Rahmenbe-dingungen (64,2 %) für das Engagement, daneben tritt jedoch das Internet als neuer, gleichberechtigter Aktions-raum, auch neben Bildungsinstitutionen wie Schule und Hochschule (23,8 %), selbst organisierte Gruppen

21%

23%

26%

28%

37%

40%

49%

65%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Im Internet darauf gestoßen Diskussionen in Internet

oder sozialen Medien Schule/Lehrkräfte Werbung von Organisation/

Verein/Gruppe Familie Persönliche Ansprache von Organisation/Verein/Gruppe

Selbst überlegt Freund*innen

ANSTOSS FÜR ENGAGEMENT

Drucksache 19/19320

– 56 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode (30,3 %) und diejenigen, die sich eher allein engagieren (22,0 %). Online organisiertes Engagement ist gekenn-zeichnet durch keine zwingende Präsenzinteraktion vor Ort, wodurch sowohl im lokalen wie im globalen Kontext neue Formen der Vernetzung, eine höhere Frequenz und Geschwindigkeit der Kommunikation sowie völlig neue Kreativitätsräume ermöglicht werden.

2.3.1 Relevanz digitaler Aktivitäten im Engagement junger Menschen

Für die weitere Analyse sollen zwei Gruppen von jungen Engagierten im Vergleich betrachtet werden: zum einen jene, die kaum digitale Medien für ihr Engagement nutzen, und zum anderen diejenigen, die dies deutlich häufiger tun: Als „digital Engagierte“ (43,2 % aller Engagierten) werden dabei im Folgenden alle Jugendliche bezeichnet, die bei der Frage, ob sie ihr Engagement auch über das Internet oder soziale Medien ausüben, mit „teils/teils“

(26,1 % aller Engagierten), „überwiegend“ (14,4 %) oder „vollständig“ (2,7 %) geantwortet haben. Alle anderen Engagierten in irgendeinem Bereich fallen unter die „kaum digital Engagierten“ (56,8 % aller Engagierten). Dif-ferenzen zwischen männlichen und weiblichen Befragten finden sich hier nicht. Ebenso viele junge Frauen wie junge Männer bedienen sich digitaler Medien für ihr gesellschaftliches Engagement.

Vergleicht man die Engagementfelder der digital und kaum digital Engagierten, zeigen sich interessante Unter-schiede in den Schwerpunkten: So sind beispielsweise in vielen Feldern, etwa Kultur, Geselligkeit, aber auch Politik und Umweltschutz die digital Engagierten überproportional vertreten, während in den Feldern des kirch-lichen Engagements oder des Rettungsdienstes deutlich weniger digital Engagierte zu finden sind. Darüber hinaus eignen sich digitale Medien sehr gut, um sich auch informell für ein Thema einzusetzen: mit 40,0 Prozent ist der Anteil der in selbst organisierten Gruppen Tätigen unter den digital Engagierten fast doppelt so hoch wie unter den kaum digital Engagierten (22,6 %). Gerade die digitalen Vernetzungsmöglichkeiten befördern solche selbst organisierten Gruppenstrukturen. Ebenso scheint das Netz auch vielen Jugendlichen Möglichkeiten zu bieten, sich allein und ohne feste Gruppenstrukturen zu engagieren: Immerhin 21,3 Prozent der digital Engagierten geben dies an, aber auch die kaum digital Engagierten üben ihre Tätigkeit in einem ähnlich hohem Maße eher allein aus (22,3 %).

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 57 –

Drucksache 19/19320

Abbildung 4: Engagementbereiche (Antwort: „Trifft zu“, Mehrfachantworten möglich, Basis: Engagierte, N = 639, geringe Abweichungen der Fallzahlen durch einzelne fehlende Antworten)

Die digital und die kaum digital Engagierten unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Bereiche, in denen sie sich engagieren, sondern auch deutlich in Bezug auf die Ziele, die sie mit ihrem Engagement verfolgen. So sind praktisch alle konkreten Ziele, von der Vertretung der Interessen Jugendlicher über Umweltschutz bis zu politi-schen Veränderungen bei den digital Engagierten stärker ausgeprägt; sie haben offenbar eine breitere Perspektive auf ihr Engagement. Auch hinsichtlich der Motive zeigen sich Unterschiede: Spaß und Geselligkeit nehmen für die kaum digital Engagierten die ersten Rangplätze ein, während bei den digital Engagierten die Ziele, etwas Sinnvolles zu tun und für die Gesellschaft etwas zu bewegen, die obersten Ränge belegen. Unverbindlichkeit und zeitliche Selbstbestimmung haben demgegenüber bei ihnen ein stärkeres Gewicht als bei denjenigen, die sich seltener digitaler Medien für ihr Engagement bedienen (siehe Abbildung 2).

Interessant erscheint hier zudem, dass bei den digital Engagierten zwar das Internet (31,0 % vs. 13,1 %) und die sozialen Medien (35,9 % vs. 12,5 %) eine deutlich größere Rolle als Anstoßgeber für das Engagement spielen, dass diese Bereiche aber nicht die dominanten sind. Alle anderen Bereiche verlieren dadurch für die digital En-gagierten nicht an Bedeutung, sondern ebenso wie in der Gruppe der kaum digital EnEn-gagierten sind es an erster Stelle die Freund*innen, die einen Impuls zum Engagement geben. Und auch die Familie, die Schule oder die Ansprache durch Vereine sind in beiden Gruppen gleichermaßen relevant und weisen keine signifikanten Unter-schiede auf.

Drucksache 19/19320

– 58 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

2.3.2 Nutzung digitaler Tools

Die Vielfalt der neuen Interaktionsmöglichkeiten zeigt sich zudem darin, dass insgesamt das digitale Handeln für das Engagement der Jugendlichen an Bedeutung gewinnt. Auch Jugendliche, die nicht primär digital engagiert sind, nutzen die Möglichkeiten digitaler Medien zur Realisierung ihrer Ziele. Nur ein Drittel der engagierten Be-fragten gibt ganz allgemein an, im Engagement gar nicht auf digitale Medien zurückzugreifen (31,4 %). Fragt man jedoch direkt nach der Nutzung von konkreten Tools für das Engagement, sagen deutlich mehr Jugendliche, dass sie solche digitalen Möglichkeiten für ihr Engagement nutzen. So geben beispielsweise zwar 75,9 Prozent an, dass WhatsApp für die Organisation ihres Engagements eher wichtig oder sehr wichtig ist. Jedoch geben nur 11,0 Prozent an, dass dieses Tool für sie ganz unwichtig sei. Hier zeigt sich, dass die Nutzung von WhatsApp und Co. offenbar bereits so eng in die vielfältigen Kommunikationsrepertoires junger Menschen eingewoben ist, dass ihnen eine abstrakte Unterscheidung zwischen digital und nicht digital schwerfällt (Engel et al. 2017).

Betrachtet man deshalb alle Engagierten, dann zeigt sich, dass vor allem die Nutzung sozialer Medien eine große Rolle spielt. Mehr als die Hälfte der engagierten Jugendlichen bedient sich sozialer Medien, wie WhatsApp, Facebook oder Instagram zum Austausch im und zur Organisation des Engagements (58,1 %). Videoplattformen wie YouTube oder Vimeo werden immerhin von fast 40 Prozent der engagierten Jugendlichen genutzt (38,9 %).

Für jede*n Fünfte*n spielen die Dateiorganisation über Cloud-Systeme (Dropbox, iCloud u. dgl.) (21,8 %) und jeweils für etwa 16 Prozent Webseiten- oder Bloggingtools bzw. Crowdfunding-Plattformen (zum Beispiel bet-terplace.org) eine Rolle im Engagement. Tools für das digitale Projektmanagement, wie Trello oder Asana, haben für etwa 15 Prozent der Engagierten Relevanz (siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Relevanz von Online-Diensten für die Organisation des Engagements (Antwort: „Eher wich-tig“/“Sehr wichtig“, Basis: Engagierte, N = 633–639, geringe Abweichungen der Fallzahlen durch einzelne feh-lende Antworten)

Innerhalb der Kommunikationstools sind für engagierte Jugendliche und junge Erwachsene vor allem die Kom-munikation über WhatsApp (75,9 %), per E-Mail (55,7 %) und Facebook (53,2 %) von besonderer Bedeutung, fasst man die Angaben unter „eher wichtig“ und „sehr wichtig“ zusammen (siehe Abbildung 6). Andere Tools wie Snapchat (16,2 %) oder Skype (19,2 %) sind offenbar entweder durch ihren sogenannten Story-Modus mit zeitlich begrenzter Verfügbarkeit der Nachrichten nicht geeignet (zum Beispiel Snapchat) oder spiegeln alters- bzw. generationsspezifische Präferenzen wider, wie bei der Verwendung von Skype oder Facebook. Während ältere Jugendliche und vor allem junge Erwachsene häufiger E-Mail und Facebook nutzen, sind bei den jüngeren Jugendlichen vor allem Snapchat und Instagram en vogue (p jeweils < 0,05). WhatsApp hingegen wird alters-übergreifend für die Organisation des gesellschaftlichen Engagements genutzt.

15%

16%

16%

22%

39%

58%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Projektmanagement-Tools Spenden- oder Crowdfunding-Plattformen Webseiten- oder Blogging-Tools Cloud-Systeme Video-Plattformen Soziale Medien

RELEVANZ VON ONLINE-DIENSTEN FÜR ENGAGEMENT

Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 59 –

Drucksache 19/19320

Abbildung 6: Relevanz von Kommunikationstools für die Organisation des Engagements (Antwort: „Eher wich-tig“/“Sehr wichtig“, Basis: Engagierte, N = 636–640, geringe Abweichungen der Fallzahlen durch einzelne feh-lende Antworten)

Auch wenn die Befragten diese Tools für die Organisation ihres Engagements nutzen, zeigt die aktuelle Shell-Jugendstudie, dass Jugendliche insgesamt die etwa bei YouTube, Facebook oder Twitter präsentierten Informati-onen für wenig vertrauenswürdig halten (Schneekloth und Albert 2019: 54). Dies könnte auf einen eher instru-mentellen Umgang mit diesen Medien für die eigenen Engagementzwecke hindeuten.

2.3.3 Vorteile digitalen Engagements

Werden die Jugendlichen, die das Internet oder soziale Medien für ihr gesellschaftliches Engagement nutzen, nach den Gründen für diese verstärkte Nutzung gefragt, betonen sie deutlich die damit verbundenen Freiheiten für das Engagement (siehe Abbildung 7).

Abbildung 7: Gründe für Internetnutzung im Engagement (Antwort: „Trifft eher zu“/“Trifft voll zu“, Basis: En-gagierte, N = 436–440, geringe Abweichungen der Fallzahlen durch einzelne fehlende Antworten)

Zum einen schätzen die Jugendlichen die Möglichkeit, sich für multiple Themen und Ziele einsetzen zu können.

Mit 72,3 Prozent Zustimmung rangiert dieser Grund weit oben unter den Motiven für digitales Engagement. Na-hezu vergleichbar relevant sind aber auch die Freiheiten bei der Entscheidung, wofür und wann man sich enga-gieren möchte. Jeweils mehr als 70 Prozent der Jugendlichen schätzen diese durch die Nutzung von Internet und sozialen Medien entstehenden Freiheiten im Engagement, die sich durch den Wegfall verschiedener physischer Restriktionen für Kommunikation und Interaktion (zeitlich, räumlich) durch digitale Medien ergeben (72,7 % und 71,9 %). Deutlich wird dies exemplarisch an der Bedeutung der räumlichen Dimension des Engagements: So

16%

19%

23%

34%

53%

56%

76%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Snapchat Skype Twitter Instagram Facebook E-Mail WhatsApp

RELEVANZ VON KOMMUNIKATIONSTOOLS FÜR ENGAGEMENT

29%

65%

66%

69%

72%

72%

73%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Vor Ort gibt es keine Möglichkeit, sich zu engagieren Eröffnet andere Themen als Engagement vor Ort Mehr für die Gesellschaft bewegen Gut nutzbar für das Engagement vor Ort Für verschiedene Dinge und Themen gleichzeitig einsetzen Freier entscheiden, wann man sich engagiert Freier entscheiden, wofür man sich engagiert

GRÜNDE FÜR INTERNETNUTZUNG IM ENGAGEMENT

Drucksache 19/19320

– 60 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode geben mehr als zwei Drittel der Befragten an, dass sie ihr digitales Engagement mit dem vor Ort kombinieren können (69,2 %). Zugleich gibt ein ähnlich großer Anteil der Befragten an, dass sich durch das Internet und soziale Medien völlig neue Themenfelder für soziale Aktivitäten auch jenseits des eigenen Ortes ergeben (65,3 %).

Das zeigt einerseits, wie sehr für junge Menschen Online- und Offline-Engagement bereits verschmolzen sind und dass sie längst nicht mehr zwischen diesen Handlungsfeldern trennen. Andererseits wird deutlich, wie digitale Zugänge auch neue Themenfelder für das eigene Engagement eröffnen, die sich im eigenen lokalen Lebensbereich so nicht realisieren lassen würden. Und immerhin mehr als ein Viertel der engagierten Jugendlichen (28,7 %) gibt an, das Internet und soziale Medien zu nutzen, weil sie vor Ort sonst gar keine Engagementmöglichkeiten vorfin-den und ihnen überhaupt erst online Engagement ermöglicht wird.

Im Dokument Dritter Engagementbericht (Seite 57-62)