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Der narrative Spielertyp

Im Dokument Zwischen Interaktion und Narration: (Seite 183-186)

‚narrativen Begriffsfeld‘

2.5 Profilierung des Kontinuumsmodells

2.5.3 Die Realisierungsebene

2.5.3.2 Der narrative Spielertyp

Das Gegenteil des interaktiven Spielertyps ist der narrative. Er interpretiert das Interaktiv-Narrativ in der Regel narrativ und bevorzugt dementsprechend interaktiv-narrative digitale Spiele mit hohen narrativen Anteilen, wie man sie bei narrativen Spielgenres wie dem Interaktiven Film findet. Er realisiert den Avatar vornehmlich als narrativen Charakter, die Spielwelt als Diegese und fokussiert sich primär auf die Erzählstruktur des

288 Ein weiteres gutes Beispiel für einen derartigen Versuch ist This War of Mine. Dieses Survival Game ist in

einem Kriegsszenario angesiedelt, in dem es gilt, mit der eigenen Gruppe an Avataren das Kriegsende zu erleben.

184 narrativen digitalen Spiels. Neben der medialen Narration neigt dieser Spielertyp zu personalen Narrationen, die nahezu jedes Paidia-Spiel bestimmen (können). Oft kann man, zusammenhängend mit der Affinität für bestimmte digitale Spielgenres, bei diesem Spielertyp beobachten, dass er ein bestimmtes oder eine kleine Gruppe von ähnlichen Narrativen präferiert.289 Dies zeigt sich auch an seinem Konsum von (populärkulturellen) narrativen Medien im Gesamten. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch erklären, warum Genres wie Fantasy, Science Fiction oder Mystery nicht nur in der Medienindustrie so stark vernetzt sind (bspw. im Marketing), sondern auch, warum sie in der Fankultur so oft gemeinsam auftreten.290 Einen ersten, aber dennoch umfassenden Eindruck hiervon kann man bereits gewinnen, wenn man sich auf digitale Feldforschung im Internet begibt und hier v.a.

einschlägige Foren oder Wikis untersucht. (vgl. dazu KOZINETS 2010) Jenseits der Interaktion-Narration kann sich die Tendenz des narrativen Spielertyps zur personalen Narration nämlich auch in bestimmten Online-Aktivitäten manifestieren, wenn das Bedürfnis zur narrativen Ausdifferenzierung des digitalen Spiels auch über dessen eigentliche Rezeption wie auch die anderen narrativen Medien der transmedialen Welt (wenn vorhanden) des betreffenden Spiels hinausgeht. Dieser Spielertyp ist grundsätzlich sehr interessiert daran, sein narratives Erleben zu intensivieren und (v.a. im Rahmen einer transmedialen Welt, zu der die meisten AAA-Spieltitel gehören oder welche sich um sie herum aufbaut)291 durch die Hinzunahme mehrerer medialer Kanäle auszuweiten. So sucht er in Foren oder auf Share-Plattformen nach narrativem Content, der ihm bisher entgangen ist oder befasst sich intensiv mit Fantheorien zu seiner favorisierten narrativen Welt.292 Es kann aber auch sein, dass dieser

289 Zuweilen lässt sich auch feststellen, dass diese Spieler immer wieder interaktiv-narrative digitale Spiele eines

bestimmten Entwicklers konsumieren, dessen Spiele designparadigmatisch den eigenen Präferenzen der Spieler entsprechen. Hierbei fällt v.a. eine Fixierung auf Telltale auf, was aber auch daran liegen mag, dass Telltale in diesem Marktsegment das vielleicht breiteste Produktportfolio hat.

290 So kann man auf Fan-Conventions oder Messen i.d.R. hauptsächlich Cosplayer beobachten, die Figuren aus

Franchise cosplayen, die einem der drei Genres zuzuordnen sind.

291So ist Telltales Game of Thrones-Spiel ein Exempel dafür, wie eine transmediale Welt in einem Medium entsteht (in diesem Fall George R.R. Martins Romanreihe A Song of Ice and Fire (1996 ff.)), über ein anderes popularisiert wird (die Fernsehserie Game of Thrones (2011 ff.)), um sich schließlich auch ins digitale Spiel auszudehnen. Dabei ist zu beobachten, ausgehend von der Tatsache, dass das ‚Urmedium‘ einer transmedialen Welt in der gegenwärtigen Medienkultur i.d.R. ein narratives ist, dass die meisten dieser Spiele, die als Expansion oder Adaption Teil einer transmedialen Welt sind, in narrativen digitalen Spielgenres umgesetzt werden. Ein gegenläufiges Beispiel zum Game of Thrones-Spiel ist u.a. Assassin’s Creed, das 2016 mit Michael Fassbender, Jeremy Irons und Marion Cotillard seine erste Verfilmung erhielt und hierdurch einen bedeutenden Ausbau der transmedialen Welt vornahm, die um Assassin’s Creed herum entstanden ist. Zu transmedialen Welten im Allgemeinen vgl. GABRIEL et al. (2015).

292 Eine der meist diskutiertesten Fantheorien der vergangenen Jahre, auch wenn sie nicht aus einer transmedialen Welt stammt, deren Urmedium ein digitales Spiel ist, betrifft die Abstammung Jon Snows aus der Serie Game of Thrones. Unter Eingeweihten wurde sie i.d.R. unter der Abkürzung „R+L=J“ diskutiert. Vgl. dazu exemplarisch das folgende Video von EMERGENCY AWESOME https://www.youtube.com/watch?v=OOcD_Mz-VZw (30.06.2018). Am Ende der sechsten Staffel der Fernsehserie bestätigt sich diese Annahme als korrekt.

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Spielertyp seine Rezipientenrolle verlässt und sich zu einem sog. ‚prosumer‘ entwickelt. Dies ist i.d.R. dann der Fall, wenn dem Rezipienten das vorhandene Angebot nicht ausreicht bzw.

er selbst am Ausbau der transmedialen Narration teilhaben möchte und sich deshalb selbst als Produzent von neuem Content betätigt, indem er bspw. Fan-Fiction anfertigt. (vgl. JAMISON

2013)

Aber auch Feldforschungen im analogen Raum scheinen vielversprechend, um die Zusammenhänge zwischen Fankulturen zu analysieren, die auf ähnlichen Narrativen basieren.

(vgl. dazu JENKINS 2006) Interessante Untersuchungsorte sind diesbezüglich Messen oder Conventions, die in den letzten Jahren zunehmend unter dem Einfluss des ‚Cosplays‘ stehen, das längst nicht mehr bloß auf die japanische Populärkultur beschränkt ist, sondern zunehmend auch in die westliche Populärkultur ausgreift. (vgl. dazu HEINRICH 2013) Grundsätzlich ist im Cosplay eine bedeutende Form des Community-Buildings transmedialer Welten zu sehen, das v.a. Fans mit Vorliebe für Narrative und mediale Narrationen anzuziehen scheint. Abgesehen davon kann eine vergleichende Betrachtung des Mediennutzungsverhaltens auch Rückschlüsse auf den narrativen Spielertyp erlauben, v.a.

wenn sich hieran eine verdichtete Rezeption von narrativen Medien ergibt, die Teil der transmedialen Welt der gespielten digitalen Spiele sind. Dass medienkomparatistische Erhebungsverfahren von Vorteil sein können, um den narrativen Spielertyp zu identifizieren und analysieren zu können, liegt daran, dass die Rezeption von narrativen Medien grundsätzlich einen sehr wesentlichen Aspekt der Mediennutzung dieses Spielertyps darstellt.

Man kann für den narrativen Spielertyp festhalten, dass er interaktiv-narrativ polyvalente Elemente größtenteils narrativ interpretiert. Dieser Spielertyp legt deshalb beim Spielen eines interaktiv-narrativen digitalen Spiels einen besonderen Wert auf Cutscenes, die sich in Extremfällen bis auf Spielfilmlänge ausweiten können. Dieser Spielertyp ist häufig in der japanischen digitalen Spielkultur zu finden. Dies spiegelt bereits der japanische digitale Spielmarkt wider,293 da die japanische digitale Spielbranche auf die Präferenzen des narrativen Spielertyps reagiert und dementsprechende Genres bzw. Varianten von Genres geschaffen hat, die sich nach dessen Vorlieben richten.294 Digitale Spiele wie Asura’s Wrath

293Bei der Bestimmung von Spielertypen ist es überaus interessant, wie sich an dieser Stelle bereits andeutet, regionale, kulturelle oder soziale Faktoren in empirische Erhebungsverfahren miteinzubinden, um mögliche Verbindungen offenzulegen. Dieses Unterfangen kann aber im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls leider nicht besorgt werden.

294 Eine Gegenbewegung dazu stellen in den vergangenen Jahren zunehmend die digitalen Spiele von From Software dar, die mit der Souls-Reihe oder Bloodborne einen interaktiven Spielertyp ansprechen, der digitale Spiele mit extremem Schwierigkeitsgrad bevorzugt.

186 oder japanische RPGs (JRPG) wie Final Fantasy zeugen davon. Diese Spiele betonen besonders die narrativen Figurenkonstellationen und versuchen hierdurch narrativ motivierte Emotionalisierungen zu evozieren.295 Zudem, und dies untermauert den Stellenwert, den Narrativität in diesen Genres einnimmt, werden solche digitalen Spiele besonders oft, wenn sie zu transmedialen Welten werden, in jenen medialen Kanälen adaptiert oder expandieren in diese, die genuin narrativ sind wie Mangas, Animes oder Filme. Neben Reihen wie Final Fantasy gilt dies u.a. auch für Persona oder Metal Gear (1987 ff.). Hieran wird aber auch evident, warum es sich anbietet, diesen Spielertyp unter dem Aspekt eines transmedialen Mediennutzungsverhaltens zu analysieren. Es liegt die Vermutung nahe, und dies bedarf einer Verifizierung mittels medienkomparatistischer Nutzungsstudien, dass dieser Typus (narrativ-)interaktiv-narrative digitale Spiele nicht unbedingt aufgrund ihrer Ludizität spielt, sondern aufgrund ihrer Narrative, ihrer Themen, Inhalte und Motive oder für ihn interessanter digital-transmedialer Erzähltechniken.

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