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Aufgaben der akademischen Gesamtleitung

4. Ergebnisse

4.1. Studiengangkoordination als Berufsfeld

4.1.3. Aufgaben der akademischen Gesamtleitung

Auch die akademischen Leitungen nehmen ganz unterschiedliche Aufgaben in der Durchfüh-rung der Weiterbildungsangebote wahr. Generell sind sie übergeordnet verantwortlich für

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das gesamte Weiterbildungsangebot. Darüber hinaus sind sie für die strategische Ausrich-tung zuständig, sind Repräsentanten des Angebotes nach innen und nach außen, beraten Teilnehmende und (meist externe) Dozierende, lehren selbst im Angebot, betreuen Ab-schlussarbeiten und treffen als Teil des Prüfungsausschusses Entscheidungen in Zulas-sungs- und Anrechnungsfragen.

Die akademische Gesamtleitung ist – wie bereits in Kapitel 2.3.1 dargestellt – eine Professo-rin oder ein Professor mit einschlägigem fachlichem Bezug zum Weiterbildungsangebot. In den meisten Fällen ist diese bzw. dieser auch in die Entwicklung des Angebotes involviert. In der Durchführung des Angebotes wird deutlich, dass die akademischen Gesamtleitungen (eigentlich) keine operativen Aufgaben übernehmen, vielmehr ist es deren Aufgabe, „die strategischen Entscheidungen zu treffen, das operative Geschäft, das machen die Koordina-toren, die also im Detail da auch, denke ich, viel intensiver involviert sind“ (akademische Ge-samtleitung 2, Abs. 5). Meist sind ihre Aufgaben daher auch beratender Natur:

„[Akademische Leitung] kommt beratend dazu. Wenn wir nicht sicher sind, ob die Qualifikatio-nen ausreichend sind. Oder spezifische Fragen von den Teilnehmern kommen. Auch bei der Planung. Wie planen wir das Jahr? Wie sind wir finanziell aufgestellt? Da kommt [Akademi-sche Leitung] mit ins Spiel“ (Studiengangkoordination 2, Abs. 31).

Anhand der Interviewaussagen wird verdeutlicht, dass die akademischen Leitungen insbe-sondere in Zulassungs- und Anrechnungsfragen einbezogen werden und hier auch finale Entscheidungen treffen.

In der Funktion als akademische Gesamtleitung gehört es auch zu ihren Aufgaben, das An-gebot nach innen (beispielsweise im Fachbereich oder in Verhandlungen mit der Hochschul-leitung) und nach außen (bei hierarchisch höhergestellten Gesprächen mit Kooperations-partnern, etc.) zu vertreten. Ferner werden akademische Leitungen eher bei inhaltlichen bzw.

fachlichen Fragen hinzugezogen: „organisatorische Fragen, da geht alles sozusagen an die Koordinatoren. Aber die inhaltlichen Fragen, die kommen eher zu mir, glaube ich“ (akademi-sche Gesamtleitung 1, Abs. 25).

Manche akademische Leitungen sind auch direkte Ansprechpartner für (externe) Lehrende, insbesondere wenn es um die Besonderheiten der wissenschaftlichen Weiterbildung, der Teilnehmenden oder auch des spezifischen Angebotes geht:

„Weil, für viele Referenten ist das neu. Viele Referenten machen [Berufs]fortbildungen natür-lich, viele Referenten halten Vorträge auf wissenschaftlichen Tagungen oder machen so [Se-minare]. Aber dieses spezielle Format Master ist natürlich vielen neu. Deswegen war es jetzt als meine Aufgabe angesehen […] klarzumachen, den Referenten, dass man jetzt acht Stun-den am Stück sozusagen vor einer Gruppe steht“ (akademische Gesamtleitung 1, Abs. 17).

Alle akademischen Leitungen sind darüber hinaus selbst auch Lehrende in den Angeboten und betreuen in dem Rahmen Prüfungen sowie Abschluss- bzw. Masterarbeiten.

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In Abgrenzung zu den Studiengangkoordinationen wird deutlich, dass die akademischen Leitungen wesentlich stärker in fachliche bzw. inhaltliche Fragen des Weiterbildungsangebo-tes involviert sind als in das ‚operative Tagesgeschäft‘. Die akademischen Leitungen über-nehmen die Kommunikation auf der (hierarchisch) höheren Ebene mit Kooperationspartnern und beispielsweise der Hochschulleitung und sind darüber hinaus für die Repräsentation des Weiterbildungsangebotes ins Hochschulinnere und nach außen zuständig.

Zusammenfassend zeigt sich, dass Studiengangkoordinationen als ‚Eier-legende-Wollmilchsau‘ mit hohem Engagement und starker Serviceorientierung unter strukturell un-terschiedlichen Bedingungen arbeiten und dabei von einer akademischen Leitung insbeson-dere in fachlicher und strategischer Hinsicht unterstützt werden. Ihre Beschäftigung an der Hochschule hängt jedoch – wie bereits dargestellt – mehr oder weniger auch vom zukünfti-gen Stellenwert der wissenschaftlichen Weiterbildung an diesen ab, daher wird dieser nun in einem Exkurs ausgeführt.

Exkurs: Zukünftiger Stellenwert der wissenschaftlichen Weiterbildung

Anhand der Frage nach dem zukünftigen Stellenwert wissenschaftlicher Weiterbildung an Hochschulen wird die gesamte Spannbreite der Zukunftsaussichten für die wissenschaftliche Weiterbildung deutlich. Auf der einen Seite heben mehrere Befragte eine optimistische Sicht auf die Zukunft hervor oder begründen eine zukünftige Notwendigkeit der wissenschaftlichen Weiterbildung. Auf der anderen Seite äußern mehrere Befragte Skepsis oder haben ge-mischte Vorstellungen. Diese Sichtweisen werden im Folgenden ausgeführt.

Mehrere Befragte gehen von einer zukünftig steigenden Relevanz aus. Das wird unter ande-rem damit begründet, dass die „Überlastsituation“ (Hochschulleitung 1, Abs. 39) der hohen Studierendenzahlen in Zukunft abnehmen wird, wodurch nach Meinung der befragten Hoch-schulleitung längerfristig Bemühungen seitens der Universität nach einem weiteren „Stand-bein, um die Finanzierung unserer Hochschule sicherzustellen“ (Hochschulleitung 2, Abs.

47) angestrebt werden sollten. Dies könnte zu einem Bedeutungszuwachs führen, da die Studiengänge wissenschaftlicher Weiterbildung durch ihre Vollkostenfinanzierung kein finan-zielles Risiko darstellen oder sogar in geringem Ausmaß Gewinne erwirtschaften können, solange das Angebot durch die Mindestteilnehmendenzahl finanziell abgedeckt ist.

„Und da sind natürlich die Universitäten, die bereits jetzt in diese Schiene eingestiegen sind, die auch diese wissenschaftliche Weiterbildung bereits geübt haben und optimiert haben in manchen Bereichen, ganz gewaltig im Vorteil“ (Hochschulleitung 2, Abs. 47).

Des Weiteren begründet eine akademische Gesamtleitung den vermuteten zukünftig stei-genden Stellenwert durch die Bedeutungszunahme von „Weiterbildung, Stichwort Lebens-langes Lernen“ (akademische Gesamtleitung 2, Abs. 68). Eine Studiengangkoordination hin-gegen äußert die Vermutung, dass durch stärkere Spezialisierung verschiedener

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reiche der Bedarf nach Spezialistinnen und Spezialisten und spezialisierten Studiengängen steigen wird. Eine weitere Studiengangkoordination geht mit Bezug zum eigenen Fach davon aus, dass einige Einrichtungen, besonders in Nischenfeldern, durch Druck auf dem Arbeits-markt Studiengänge wissenschaftlicher Weiterbildung einrichten werden:

„Also ich glaube/ Ich kann jetzt nur für das Feld sprechen, in dem ich mich bewege. Ich glau-be, dass es da zunehmen wird und dass da noch mehr Studiengänge entstehen werden oder dass auch grundständige Studiengänge umgewandelt werden. […] Ich glaube, dass in diesen kleinen Nischenfeldern der Arbeitsmarktdruck so hoch sein wird von Personal/ qualifiziertem Personal, dass sich keine Einrichtung es mehr leisten kann, die Leute [Zahl] Jahre freizustel-len für irgendwas und es wird berufsbegleitend laufen und es wird modularisiert laufen und es wird punktuell laufen und ich glaube das wird eher zu- als abnehmen“ (Studiengangkoordina-tion 4, Abs. 163).

Eine weitere Variante sieht die Person also in der Umwandlung von grundständigen Studi-engängen in Studiengänge wissenschaftlicher Weiterbildung. In diesem Rahmen kann Wei-terbildung berufsbegleitend und modularisiert erfolgen, was für viele Einrichtungen finanziell weniger kostenintensiv ist. Zudem stellt diese eine weitere Vermutung auf:

„Und was ich auch sehe ist, dass wenn so Krisenzeiten sind wie jetzt, dass einfach die Ba-chelor-Kandidaten zack in den Arbeitsmarkt verschwinden, aber die werden irgendwann wie-derkommen und noch mal was machen wollen und ob die dann alle einen grundständigen Master machen oder ob die nicht doch schon einen spezialisierten Master machen, weil sie sich in ihrem Berufsfeld schon etabliert haben, kann ich nicht einschätzen. Also es wird sicher vom Volumen her nie die grundständige Lehre ablaufen. Aber ich glaube in der Logik des Bil-dungssystems wird es eher wachsen“ (Studiengangkoordination 4, Abs. 163).

Eine weitere positive Auswirkung wissenschaftlicher Weiterbildung wird darin gesehen, dass ein Austausch mit den Teilnehmenden mit beruflicher Erfahrung nicht nur für Teilnehmende, sondern auch für Dozierende interessant ist: „Und für die Uni selber finde ich es persönlich jedenfalls sehr interessant, auch mit Leuten mal stärker zu reden, die eben auch berufliche Erfahrung haben“ (akademische Gesamtleitung 1, Abs. 215).

Zwei der Befragten begründen die Notwendigkeit wissenschaftlicher Weiterbildung mit einem zukünftigen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Flexibilisierung, Individualisierung und geringerer Strukturierung von Arbeitsmarkt und Biografie. Berufe werden nicht mehr ein gan-zes Leben lang ausgeübt und unterliegen veränderten Anforderungen, sodass Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung zunehmend relevant werden:

„Wir haben ja immer stärker Leute, die jetzt nicht in der klassischen eindimensionalen berufli-chen Entwicklung stehen, sondern die atypische Lebensläufe haben. […] Dann gibt es eben zum einen [Beruf 15], die werden plötzlich verantwortlich auch für die gesamte Produktion o-der es gibt Leute, die haben mal irgendwann [Fach 55] studiert, werden aber plötzlich zustän-dig auch für das [Thema], weil sie als Stufenplanverantwortlicher plötzlich für die [Thema] ver-antwortlich sind und mit Beschwerden umgehen müssen und Behörden kommen und wollen irgendwas. Das heißt, wir haben immer mehr so atypische Karrieren. Und die erfordern eigent-lich auch, dass man jetzt solche Lehrangebote entwickelt“ (akademische Gesamtleitung 1, Abs. 215).

Zudem ist es im Sinne des lebenslangen Lernens notwendig, sich auch nach dem Erststudi-um weiterzubilden, Erststudi-um in Bezug auf Neuerungen auf dem aktuellen Stand zu bleiben:

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„Dass es nicht reicht, drei bis fünf Jahre an die Uni zu gehen und dann den Rest irgendeinen Beruf auszuüben. Sondern es wird immer wieder Neuerungen geben und wissenschaftlichen Diskurs geben, bei dem man einfach dranbleiben muss. Und ich denke, da kann die Uni auch einen Beitrag leisten“ (Studiengangkoordination 2, Abs. 99).

Die Hälfte der Befragten äußert eine negativ ausgerichtete Zukunftssicht. Vier Befragte be-gründen dies mit der möglichen Entwicklung in Richtung einer zukünftigen Kostenpflicht aller (auch der grundständigen) Masterstudiengänge, die dann mitunter allein durch die Teilneh-menden, aber auch mit Unterstützung durch Stiftungen und Stipendien sowie die Arbeitge-benden getragen werden müssten. Unter anderem wird die Besorgnis geäußert, dass Studi-engänge der wissenschaftlichen Weiterbildung als „Türöffner“ für eine solche Entwicklung wirken:

„Wo ich ein bisschen Angst habe ist, […] dass irgendwann die Hochschulpolitik auf die Idee kommt, und mit Blick auf diese Weiterbildungsstrukturen sagt: Ach, das grundständige Studi-um, das ist kostenfrei, gibt es keine Studiengebühren, aber wenn jemand einen Studiengang darauf aufbaut, so wie jetzt schon bei den Weiterbildungsmasterstudiengängen, dann könnte man das ja auch bei den anderen Masterstudiengängen mal in Erwägung ziehen […]. Und da habe ich so ein bisschen Sorgen, weil ich bin da ja nun auch beteiligt, dass für eine solche Entwicklung, solche Weiterbildungsstudiengänge möglicherweise Türöffner sein könnten, und damit bin ich Akteur sozusagen bei einer Entwicklung, die ich eigentlich so nicht will“ (akade-mische Gesamtleitung 2, Abs. 68-70).

Eine weitere Begründung einer kritischen Zukunftssicht liegt in der Kritik der aktuellen hoch-schulstrukturellen Verhältnisse und Abläufe in Bezug auf den Bereich wissenschaftlicher Weiterbildung. Vier Befragte schildern, dass ihrer Ansicht nach Verbesserungen notwendig sind und der zukünftige Stellenwert der wissenschaftlichen Weiterbildung durch die derzeiti-ge Situation derzeiti-gering ausfallen wird. Auf Dauer ist eine Etablierung ohne strukturelle Änderun-gen schwierig. Konkret wird Änderun-genannt, dass die Universität wirtschaftlicher und kundenorien-tierter denken lernen muss, um schnellere Abläufe zu etablieren, um Wartezeiten bis zum Studienbeginn zu verkürzen und somit die Attraktivität des Studiums wissenschaftlicher Wei-terbildung zu steigern:

„Also die Uni muss noch sehr viel lernen. De facto versuchen wir ja hier so zu sein wie Wirt-schaftsunternehmen, kostendeckend zu arbeiten. Aber wir behandeln diejenigen, die bei uns studieren wollen in den Weiterbildungsstudiengängen auch noch viel zu sehr als Bittsteller. Al-so wir sind nicht kundenorientiert“ (akademische Gesamtleitung 3, Abs. 107).

Bisher resultiert dies häufig in einem Motivationsverlust bei den Interessierten oder in der Abwanderung zu anderen Anbietern. Die Ursache wird darin gesehen, dass Verantwortliche in „alten, konservativen Strukturen“ (Studiengangkoordination 3, Abs. 86) verbleiben und sich nicht auf Neuerungen einlassen.

Auch ein Studiendekanatsmitglied sieht die Notwendigkeit, sich auf Fachbereichsebene zu überlegen, wie man sich zukünftig in Bezug auf wissenschaftliche Weiterbildung positionie-ren möchte und wie diese zukünftig besser unterstützt werden kann.

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Zwei Personen schildern eine unklare bzw. gemischte Zukunftssicht. Eine Studiengangkoor-dination hofft auf mehr wissenschaftliche Weiterbildung an Universitäten, da dies ihrer Auf-fassung nach zu inhaltlicher Professionalisierung beiträgt, allerdings sollten angesichts des

„Trends“ zu wissenschaftlicher Weiterbildung auch weiterhin grundständige Masterstudien-gänge beibehalten werden, um akademische Laufbahnen zu fördern. Eine Hochschulleitung sieht den zukünftigen Stellenwert in Abhängigkeit von finanziellen Fragen und identifiziert zwei mögliche Zukunftsszenarien, die beide einen gesteigerten Stellenwert der wissenschaft-lichen Weiterbildung zum Resultat haben würden. Gleichzeitig verweist er darauf, dass sich die Angebote in der wissenschaftlichen Weiterbildung auch dauerhaft durchsetzen müssen:

„Das ist auch nicht die Garantie, dass es immer so weitergeht. […] was man jetzt […] sehen muss, ist bei aller Freude über diese Entwicklung, was davon wird sich am Markt wirklich durchsetzen. Also nehmen Sie [Studiengang (Weiterbildung) 1] als Beispiel, ist jetzt nicht mehr davon die Rede jedes Semester, auch nicht mehr jedes zweite, ist eher so bei jedem dritten Semester und man ist auch am überlegen, das noch englischsprachig das noch zu verbessern und Standards zu senken und so ist es ja an vielen Stellen. Also was davon wird wirklich übrig / also einigermaßen dauerhaft bleiben“ (Hochschulleitung 1, Abs. 47).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Befragten in Bezug auf die Zukunft der wissenschaftlichen Weiterbildung unterschiedliche Positionen einnehmen. Einige Befragte bewerten wissenschaftliche Weiterbildung als zukünftig wichtiges Standbein von universitä-rer Finanzierung oder sehen sie im Kontext derzeitiger Entwicklungen hin zu Lebenslangem Lernen, Spezialisierung, Flexibilisierung oder Individualisierung von Arbeit. Andere Befragte hingegen sehen die Gebührenfinanzierung der Angebote kritisch, da sie eine ähnliche Ent-wicklung im Bereich grundständiger Studiengänge befürchten. Zudem scheint eine Anpas-sung von Hochschulstrukturen, beispielsweise in Bezug auf Abläufe oder Kundenorientie-rung, notwendig.