Prinzipiell ist zur Absorption eines Photons immer auch der Umkehrprozess möglich: Ein Elektron aus dem Leitungsband rekombiniert mit einem Loch aus dem Valenzband unter Emission eines Photons.
Kristallines Silizium ist ein indirekter Halbleiter, das Energieminimum des Leitungsbandes liegt nicht beim selben Kristallimpuls wie das Maximum des Valenzbandes. Daher sind zum Impulsausgleich immer ein oder mehrere Phononen notwendig. Dieser Prozess, strahlende Rekombination genannt, hat als Dreiteilchenprozess einen kleinen Wirkungsquerschnitt und ist sehr unwahrscheinlich, wenn man ihn mit anderen Rekombinationsprozessen vergleicht, die in industriellen Solarzellen auftreten.
Das prominenteste Beispiel ist die Shockley‐Read‐Hall‐Rekombination (SRH), welche die Rekombination über Energieniveaus innerhalb der Bandlücke beschreibt. Diese Defektniveaus werden zum Beispiel durch Kristalldefekte, Fremdatome oder das Ende der periodischen Kristallstruktur an einer Oberfläche oder einer Korngrenze verursacht. Der zweite relevante Mechanismus ist die Auger‐Rekombination, ebenfalls ein Dreiteilchenprozess, welcher bei hohen Ladungsträgerkonzentrationen relevant wird.
Shockley‐Read‐Hall‐Rekombination
Die Wahrscheinlichkeit für die Rekombination eines Elektron‐Loch‐Paares durch thermische Dissipation der Energie hängt stark von der Energiedifferenz des Überganges ab. Je größer diese ist, umso unwahrscheinlicher wird der Übergang. Sie ist daher sehr klein für die mindestens 1,12 eV Energiedifferenz zwischen Leitungs‐ und Valenzband in Silizium. Befindet sich nun nahe der Mitte der
Bandlücke ein lokalisierter Zustand von einem Kristalldefekt oder einem Fremdatom, so ist dieser mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in der Lage, ein Elektron aus dem Leitungsband aufzunehmen, wenn der Zustand unbesetzt ist, bzw. dieses an ein Loch im Valenzband abzugeben, wenn er mit einem Elektron besetzt ist. Diese Art der Rekombination wurde 1952 zuerst von Shockley, Read und Hall beschrieben [37], [38]. Die mittlere Zeit, in der ein Rekombinationsprozess abläuft, ist abhängig vom Einfangquerschnitt für Elektronen und Löcher.
Mit vereinfachenden Annahmen gelang es Shockley, Read und Hall, ein analytisches Modell der SRH‐
Rekombination aufstellen [37], [38]. Die aus SRH‐Rekombination resultierende Lebensdauer berechnet sich damit zu
Hierbei sind ∆p und ∆n die Dichten der Überschussladungsträger, p0 und n0 entsprechen der Gleichgewichtsladungsträgerdichte. Ntrap ist die Dichte der Zwischenbandzustände, vth die thermische Geschwindigkeit und σn und σp die Einfangquerschnitte für Elektronen oder Löcher bei der entsprechenden Zustandsenergie. Bei nf und pf handelt es sich um von der Fermi‐Statistik herrührende Größen, welche den Konzentrationen entsprechen, bei denen die intrinsische Fermienergie der Energie der Zwischenbandzustände Etrap entspricht.
Die Rekombination an Oberflächen läuft ebenfalls nach dem SRH‐Modell ab. Die zahlreichen
„offenen“ Bindungen am Ende des Kristalles erzeugen Defektniveaus in der Bandlücke, sofern sie nicht chemisch durch kovalente Bindungen, eine sogenannte chemische Oberflächenpassivierung, abgesättigt werden. Da es sich um eine flächen‐ und keine volumenbezogene Eigenschaft handelt, ist es hierbei sinnvoll, nicht von einer Lebensdauer, sondern von einer Rekombinationsgeschwindigkeit S der Ladungsträger zu sprechen. Diese lässt sich bei einer Probe der Dicke W mit hinreichender Volumenlebensdauer τbulk ermitteln über [39]:
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Auger‐Rekombination
Eine weitere Form der strahlungsfreien Rekombination ist der Auger‐Effekt im Halbleiter [40].
Traditionell betrachtet man ihn als Dreiteilchen‐Interaktion zwischen einem Loch und zwei Elektronen (eeh) oder zwei Löchern und einem Elektron (ehh), wobei der eeh‐Prozess direkt abläuft.
Das heißt, der Impuls und die Energie eines Elektrons im Leitungsband wird bei der Rekombination vollständig an ein zweites Elektron im Leitungsband abgegeben. Dieser Prozess dominiert in n‐
dotiertem Silizium. Der ehh‐Prozess läuft häufig indirekt ab, das bedeutet, zur Impulserhaltung sind Phononen beteiligt. Dieser Prozess ist vor allem in p‐dotiertem Silizium relevant [41]. Bei beiden Prozessen gibt das nicht rekombinierte Elektron im Leitungsband bzw. Loch im Valenzband seine überschüssige Energie thermisch auf einer sehr kurzen Zeitskala an das Gitter ab.
Abbildung 4: Direkte und indirekte Auger‐Rekombination unter Beteiligung zweier Elektronen und einem Loch.
Als Dreiteilchenprozess ist die Auger‐Rekombination quadratisch von einer Ladungsträgerdichte abhängig. Sie trägt wesentlich zur Rekombination bei, wenn mindestens eine Ladungsträgerart zahlreich vorhanden ist ( > 1018 cm‐3). Dies kann durch hohe Dotierung (Niedriginjektionsbedingung) und auch durch eine große Anzahl photogenerierter Ladungsträger (verglichen mit der Hintergrunddotierung, Hochinjektion) hervorgerufen werden. Das obere Lebensdauerlimit, betrachtet man ausschließlich Auger‐Rekombination, berechnet sich somit für p‐Typ Silizium [42]:
für Niedriginjektion
für Hochinjektion
Hierbei sind die Cx die Auger‐Koeffizienten [43], NA ist die Dichte der Akzeptoren und p die Anzahl der Überschussladungsträger, in diesem Fall Löcher. Für n‐Typ Silizium gelten die Formeln analog, wenn man n und p vertauscht, sowie ND als Anzahl der Donatoren einsetzt. Aufgrund der quadratischen Abhängigkeiten dominiert die Auger‐Rekombination den hochdotierten Emitter einer Solarzelle. Sie spielt jedoch auch eine Rolle in der Basis als oberes Limit, wenn das Material so defektfrei ist, dass die SRH‐Rekombination vernachlässigbar wird.
Strahlende Rekombination
Bei strahlender Rekombination handelt es sich um den Umkehrprozess zur Licht‐Absorption im Halbleiter. Da c‐Si eine indirekte Bandlücke aufweist, ist zur strahlenden Rekombination immer auch ein Phonon mit passendem Impuls notwendig. Dieser Rekombinationsprozess spielt daher nur eine untergeordnete Rolle. Er stellt das fundamentale Lebensdauerlimit in hochreinem, niedrigdotiertem Silizium dar, wenn alle anderen Rekombinationsarten vernachlässigt werden können:
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⋅ Δ
Hierbei ist Δn die Überschussladungsträgerdichte, p0 und n0 die Ladungsträgerdichte im Gleichgewicht und BSi der Koeffizient der strahlenden Rekombination. Für c‐Si beträgt dieser etwa 4,7 ⋅ 10‐15 cm3/s [44].