Integration von Hocheffizienzmerkmalen auf im Siebdruckverfahren metallisierte Solarzellen
mittels funktioneller Strukturierung
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)
an der Universität Konstanz
Mathematisch‐Naturwissenschaftliche Sektion Fachbereich Physik
vorgelegt von
Thomas Lauermann
Tag der mündlichen Prüfung: 14. März 2013 Referent: Prof. Dr. Giso Hahn
Referentin: Prof. Dr. Elke Scheer
Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-227435
Vorwort
Immer wieder fragen mich Menschen, ob sich das, was ich tue, überhaupt lohnt.
Ob photovoltaisch generierter Strom nicht einfach zu teuer wäre, um damit in großem Maßstab konventionelle Energieträger zu ersetzen. Ob ein Solarmodul bei seiner Herstellung nicht etwa mehr Energie benötigt als es im Laufe seiner Lebensdauer einbringen kann. Ob man Sonnenenergie nicht Ländern überlassen sollte, die verglichen mit Deutschland eine höhere Sonneneinstrahlung haben.
Und ob man nicht lieber noch ein zusätzliches Jahrzehnt forschen und auf den großen Effizienzsprung hoffen sollte, bevor man als Gesellschaft in Photovoltaik investieren sollte.
Doch die Realität hat diese Art der Argumentation schon seit mindestens zehn Jahren eingeholt. Die Energiegestehungskosten von Photovoltaikstrom kennen nur den exponentiellen Fall, während die Kilowattstundenpreise für Endkunden von Jahr zu Jahr ansteigen. Schon seit Jahren erzeugen Siliziumsolarzellen während ihrer Lebensdauer ein Vielfaches der Energie ihrer Herstellung, auch in Ländern mit gemäßigter Sonneneinstrahlung wie Deutschland. Und in der Tat waren es nicht die großen revolutionären Durchbrüche, welche die weltweit installierte Photovoltaikleistung in den letzten Jahren, fast als würde sie Moores Gesetz gehorchen, alle zwei Jahre verdoppelt hat. Dies kann man eher der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Produktionsmethoden, der Steigerung der Solarzelleneffizienz und Skaleneffekten zuschreiben.
Diese Art der Entwicklung wurde dadurch angetrieben, dass man sie umsetzt, dass man innovative Ideen aus den Labors in ein dynamisch wachsendes industrielles Umfeld transferiert und von deren immer detaillierteren Erfahrung aus der Produktion lernt. Es ist derselbe Evolutionsprozess, der Computer von langsamen, klobigen Rechenwerken in Universitätskellern zu unvorstellbar viel leistungsfähigeren Geräten in den Taschen jedes Bürgers werden ließ. Und die mit einer Selbstverständlichkeit mittlerweile beinahe jeden Aspekt unseres Lebens durchdringen.
Diese Arbeit ist daher all denjenigen gewidmet, die verstanden haben, dass man einen Weg nicht nur kennen, sondern ihn auch beschreiten muss, um sein Ziel zu erreichen. Dass wie in vielen Bereichen des Lebens nur die kontinuierlichen Taten die großen Worte adeln. Dass man eine Technologie erst durch ihre Anwendung richtig verstehen und bewerten kann. Und die so wie ich fest davon überzeugt sind, dass Photovoltaik spätestens in den 2020er Jahren längst kein Thema für Sonntagsreden, sondern selbstverständlich einen wesentlichen Anteil der von uns benötigten Energie Tag für Tag bereitstellt.
Konstanz, im Dezember 2012
Inhaltsverzeichnis
VORWORT 3
INHALTSVERZEICHNIS 5
LISTE HÄUFIG VERWENDETER ABKÜRZUNGEN 9
EINLEITUNG 11
Motivation dieser Arbeit 12
1 PHOTOVOLTAISCHE ENERGIEKONVERSION 15
1.1 Eine kurze Geschichte der Silizium‐Photovoltaik 15
1.2 Funktionsprinzip der Solarzelle 17
1.2.1 Generation und Ladungstrennung im dotierten Halbleiter 17
1.2.2 Aufbau einer Solarzelle 17
1.3 Generelle Verlustanalyse photovoltaischer Energiekonversion 19
1.3.1 Das Shockley‐Queisser‐Limit 19
1.3.2 Verluste technischer Natur 20
1.3.3 Arten der Rekombination in Silizium 22
1.4 Begrenzung der Oberflächenrekombination 25
1.4.1 Oberflächenpassivierung mittels chemischer Terminierung 25
1.4.2 Oberflächenpassivierung mittels Feldeffekt 25
1.4.3 Techniken der Oberflächenpassivierung 25
1.5 Herstellungsverfahren für Silizium‐Solarzellen 29
1.5.1 Industrielle Fertigung von großflächigen Solarzellen 29
1.5.2 Hocheffiziente Laborsolarzellen 30
1.5.3 Industrielle PERC‐Zellen und selektive Emitter mittels einer Diffusion 32
1.6 Vorstellung der verwendeten Strukturierungsmethoden 33
1.6.1 Inkjetdruck von Ätzresistwachs 33
1.6.2 Laserablation dielektrischer Schichten mittels Pikosekundenpulsen 34 1.7 Charakterisierung von Solarzellen und ihrer Herstellungsprozesse 35
1.7.1 Ermittlung der Strom‐Spannungs‐Kennlinie 35
1.7.2 Ermittlung der internen Quanteneffizienz 38
1.7.3 Elektrolumineszenzmessung 39
1.7.4 Light Beam Induced Current 41
1.7.5 Messung von Lebensdauer und Sättigungsstromdichte 42
1.7.6 ECV zur Bestimmung der Dotierstoffkonzentration 43
1.8 Finite‐Elemente‐Simulation von Solarzellen 45
1.8.1 Der Halbleitersimulator Sentaurus 45
1.8.2 Aufsetzen und Eingabe in eine Simulation 46
1.8.3 Simulation einer Standard‐Industriesolarzelle 49
2 STRUKTURIERUNG ZUR ERZEUGUNG SELEKTIVER EMITTERSTRUKTUREN 53
2.1 Motivation 53
2.1.1 Verfahren der Emitterdiffusion 54
2.1.2 Anforderungen an einen Emitter 55
2.1.3 Einfluss des stark dotierten Bereiches auf den gesamten Sättigungsstrom 56 2.2 Erzeugung eines hochohmigen Emitters durch Zurückätzen 57
2.2.1 Der Ätzprozess 57
2.2.2 Elektronische Eigenschaften rückgeätzter Inline‐Emitter 58
2.3 Integration in einen Solarzellen‐Herstellungsprozess 61
2.3.1 Verwendung von inkjetgedrucktem Ätzresistwachs zur Maskierung 61 2.3.2 Solarzellen mit Inline‐Emitter auf monokristallinen Substraten 61
2.3.3 Solarzellenergebnisse und Gewinnanalyse 63
2.3.4 Einfluss der Maskierungstoleranz 65
2.3.5 Optimierung von Ausgangs‐ und Zielschichtwiderstand 67
2.3.6 Optimierung des Fingerabstandes auf multikristallinen Substraten 68
2.4 Kapitelzusammenfassung 73
2.4.1 Einordnung der Ergebnisse und Stand der Technik 73
3 DIELEKTRISCHE PASSIVIERUNG DER RÜCKSEITE 75
3.1 Motivation 75
3.1.1 Dielektrische Passivierung der Rückseite 75
3.1.2 Stand der Technik zu Beginn der Arbeit 76
3.2 Machbarkeitsstudie auf Lebensdauer‐ und Solarzellenebene 77
3.2.1 Inkjetdruck als Strukturierungsmethode 77
3.2.2 Kontaktbildungstests und Widerstandsevaluation 77
3.2.3 Integration einer dielektrisch passivierten Rückseite in einen siebdruckbasierten Zellprozess 79
3.2.4 Analyse der Zellergebnisse 80
3.2.5 Kommentar zur Prozessreihenfolge 83
3.3 Optische Eigenschaften dielektrisch passivierter Rückseiten 84
3.3.1 Einfluss der Schichtstapeldicke 84
3.3.2 Einfluss der Rückseitenmorphologie 85
3.4 Prozesstemperaturabhängigkeit der Passivierung 86
3.4.1 Feuertemperaturabhängigkeit auf Solarzellebene 86
3.4.2 Blisterstabilität der dielektrischen Schichten 88
3.5 Vergleich von Inkjetstrukturierung und Laserablation zur Via‐Öffnung 91
3.6 Die Eigenschaften lokaler Kontakte 94
3.6.1 Passivierung lokaler Kontakte mit einem lokalen BSF 94
3.6.2 Der Einfluss der Kontaktgeometrie auf die lokale BSF‐Bildung 96
3.6.3 Vergleich der verwendeten Kontaktgeometrien 97
3.7 Analytisches Verständnis der lokalen BSF‐Bildung 105
3.7.1 Analytische Beschreibung und Lösung des Diffusionsproblems 105
3.7.2 Erweiterung des Modells auf reale Bedingungen 108
3.7.3 Experimentelle Bestimmung der Diffusivität von Aluminiumpasten 108
3.7.4 Berechnung des resultierenden Dotierprofiles 111
3.7.5 Leistungsevaluation lokaler BSF auf Solarzellenebene 113
3.8 Optimierte Prozessierung von iPERC‐Solarzellen 116
3.8.1 Herstellung von iPERC‐Solarzellen mit Standardemitter 116
3.9 Kapitelzusammenfassung 117
3.9.1 Einordnung der Ergebnisse in aktuellen Fortschritt 118
4 SOLARZELLENANALYSE UND OPTIMIERUNG MITTELS SIMULATION 119 4.1 Der Aufbau von Solarzellensimulationen für SE‐ und iPERC‐Zellen 119
4.1.1 Solarzellendesigns mit lokalen Rückkontakten 119
4.1.2 Solarzellen mit selektivem Emitter 120
4.2 Füllfaktoren von iPERC‐Solarzellen 121
4.2.1 Die Grenzen des Zweidiodenmodelles 121
4.2.2 Verifikation des Füllfaktorverlaufes durch ein Solarzellexperiment 124 4.3 Ein Finite‐Elemente‐basiertes Optimierungskalkül für iPERC‐Solarzellen 126 4.4 Verlustanalyse inline‐diffundierter Solarzellen mit selektivem Emitter 129
4.4.1 Simulationsparameter 129
4.4.2 Simulierte Solarzellergebnisse und Verluststromanalyse 129
4.5 Kapitelzusammenfassung 132
5 DEGRADATIONSFREIE SUBSTRATE 133
5.1 Lichtinduzierte Degradation und ihre Vermeidung 133
5.2 Theorie der lichtinduzierten Degradation 134
5.2.1 Auswirkungen auf die Solarzelleffizienz 134
5.3 Experimente mit Ga‐dotierten Wafern 135
5.3.1 Herstellung von Solarzellen mit selektivem Emitter 135
5.3.2 Degradationsexperimente 136
5.4 Diskussion und Fazit 138
ZUSAMMENFASSUNG 139
REFERENZEN 145
PUBLIKATIONSLISTE 159
DANKSAGUNG 161
Liste häufig verwendeter Abkürzungen
Akronym Beschreibung
Ag Silber
Al Aluminium
Al2O3 amorphes Aluminiumoxid
ALD atomic layer deposition, Atomlagenabscheidung
AM1.5 air mass 1.5, genormtes Spektrum der Sonnenstrahlung nach IEC 60904‐3 ARC anti‐reflection coating, Antireflexschicht
B Bor
BDG Diethylenglycolmonobutylether
BSF back surface field, hochdotierte Region unter dem Rückkontakt cSi Konzentration (in diesem Falle von Silizium)
c‐Si kristallines Silizium
Cz Nach dem Czochralski‐Verfahren gezogenes, monokristallines Silizium CP4 chemical polish, saure Ätzlösung für Silizium
DI‐H2O deionisiertes Wasser
Dit Grenzflächen‐Defektzustandsdichte
DLM double light method, Methode zur Serienwiderstandsbestimmung e Elementarladung, entspricht etwa 1,602 ∙ 10‐19 C
ECV electrochemical capacitance‐voltage measurement, Messung des Dotierprofils EDX energiedispersive Röntgenspektroskopie
EEB emitter etch back, Emitterrückätzen bzw. dafür verwendete saure Lösung Eg Energie der Bandlücke, für Silizium 1,12 eV bei 300 K
EL Elektrolumineszenz
EQE externe Quanteneffizienz
FCA free carrier absorption, parasitäre Absorption durch freie Ladungsträger FEM Finite‐Elemente‐Methode
FF Füllfaktor
FZ floatzone, nach dem Zonenschmelzverfahren hergestelltes, hochreines Si
Ga Gallium
HCl Salzsäure
HF Flusssäure
HNO3 Salpetersäure
H3PO4 Phosphorsäure bzw. Diffusion im Durchlaufofen mit flüssigem H3PO4‐Precursor iPERC industrial passivated emitter and rear solar cell
IQE interne Quanteneffizienz
IR Infrarot, hier Anteil des Spektrums mit Wellenlängen zw. 800 nm und 1200 nm IV Strom‐Spannungs‐Messung, Kennlinie
j0 Sättigungssstromdichte jSC Kurzschlussstromdichte
KOH Kaliumhydroxid
LBIC laser beam induced current, Messung der lokalen Quanteneffizienz LBSF local back surface field, lokale Kontaktpassivierung
LID lichtinduzierte Degradation
MPP maximum power point, Arbeitspunkt maximaler Leistungsabgabe
NaOH Natriumhydroxid
NH3 Ammoniak
PECVD plasma enhanced chemical vapor deposition PERC passivated emitter and rear solar cell
POCl3 Phosphoroxychlorid, bzw. Rohrofendiffusion mit POCl3‐Precursor PSG Phosphorsilikatglas
Qf Flächenladungsdichte
QSSPC quasi‐steady‐state photoconductance decay REM Rasterelektronenmikroskop
RS Serienwiderstand, flächenbezogen RSh Schichtwiderstand, gemessen in Ω/square SE selektiver Emitter
Si Silizium
SiH4 Silan
SiNx:H amorphes Siliziumnitrid mit eingelagertem Wasserstoff SiO2 amorphes Siliziumoxid
Seff effektive Rückseitenrekombinationsgeschwindigkeit
Smet Rückseitenrekombinationsgeschwindigkeit des metallisierten Bereiches Spass Rückseitenrekombinationsgeschwindigkeit des passivierten Bereiches SR spectral response, Messung der spektralen Empfindlichkeit
SRH Shockley‐Read‐Hall‐Rekombination an Defektniveaus innerhalb der Bandlücke SRV surface recombination velocity, Oberflächen‐Rekombinationsgeschwindigkeit
TMA Trimethylaluminium
Tpeak Maximaltemperatur eines Feuerprozesses
UV Ultraviolett, Anteil des Spektrums mit Wellenlängen < 400 nm Via vertical interconnect access, Kontaktöffnung in Isolationsschicht VOC offene Klemmenspannung
Wpeak Watt‐peak, Leistung bei Bestrahlung mit 1000 W/m²
η Effizienz einer Solarzelle, Verhältnis zwischen elektrischer und Lichtleistung ρBasis Spezifischer Basiswiderstand einer Solarzelle, gemessen in Ωcm
τ Lebensdauer der Überschuss‐Minoritätsladungsträger
ϕAM1.5 wellenlängenabhängige Photonenflussdichte der Sonne nach AM1.5, normiert
auf 1000 W/m²
Einleitung
Die vorliegende Arbeit zielt auf die Weiterentwicklung siebdruckbasierter Fertigungskonzepte für Siliziumsolarzellen. Dabei handelt es sich um die Integration zusätzlicher Prozessschritte in den industriell etablierten Siebdruckprozess, welcher weltweit einen Marktanteil von mehr als 80% der neu produzierten Photovoltaikleistung (2011: 29 GWpeak pro Jahr) aufweist. Im Rahmen dieser Arbeit werden die wesentlichen Verlustmechanismen mit dem Siebdruckverfahren hergestellter, großflächiger Siliziumsolarzellen analysiert und aufgezeigt, dass ein beträchtlicher Anteil hiervon auf Effekte an der Vorder‐ und Rückseite der Solarzelle zurückgeführt werden kann.
Der Ansatz dieser Arbeit besteht darin, durch Strukturierung dieser Oberflächen Bereiche mit unterschiedlichen Anforderungen getrennt voneinander zu optimieren. Im Einzelnen ist dies erstens die Einführung eines selektiven Emitters, welcher direkt unter der Vorderseitenelektrode auf gute Kontakteigenschaften und im beleuchteten Bereich auf eine hohe Transparenz entwickelt wird. Zum Zweiten ist dies die Anwendung einer dielektrischen Passivierung auf der Rückseite, um den Verlust in Bereichen, welche nicht zur rückseitigen Kontaktierung benötigt werden, zu minimieren.
Beiden vorgestellten Verfahren ist die Randbedingung gemein, dass sie sich mit dem angemessenen Durchsatz in bereits bestehende Produktionslinien integrieren lassen, ohne den Prozessfluss wesentlich zu verändern. In den folgenden Kapiteln werden die Verfahren einzeln erläutert, der theoretische Hintergrund, auf dem die erwarteten Effizienzsteigerungen beruhen, wird dargelegt und in Solarzellen‐Herstellungsexperimenten verifiziert. Mit den umfangreichen an der Universität Konstanz zur Verfügung stehenden Charakterisierungsmethoden werden die physikalischen Eigenschaften der resultierenden Solarzellen mit den IV‐Kenndaten korreliert. Verlustanalysen und Simulation von Solarzellen im Betrieb und Modellierung konzeptinhärenter Effekte erweitern das Verständnis der so hergestellten Solarzellen und zeigen somit Möglichkeiten zur Optimierung der beteiligten Parameter auf.
Die vorliegende Arbeit ist wie folgt gegliedert:
Das erste Kapitel erläutert neben einer kurzen historischen Einordnung die theoretischen Grundlagen der Photovoltaik in Hinblick auf Halbleiterelektronik und Thermodynamik.
Besonderes Augenmerk wird hierbei auf die Unterscheidung der Verlustmechanismen in systeminhärent und technisch bedingt gelegt, beide werden quantitativ analysiert. Des Weiteren werden die Fertigungsmethoden einer Solarzelle im industriellen Umfeld vorgestellt und mit der photolithographiebasierten Herstellung von Hochleistungssolarzellen im Labor verglichen. Ebenfalls werden die in dieser Arbeit verwendeten Charakterisierungsmethoden erläutert sowie ein auf der Finite‐Elemente‐Methode basierendes Simulationsverfahren für Solarzellen vorgestellt.
Das zweite Kapitel beinhaltet die industrielle Implementation eines selektiven Emitters durch Maskieren und Zurückätzen. Das Aufbringen einer Säureschutzmaske mittels eines durchsatzstarken Inkjetdruckverfahrens wird vorgestellt und der Effizienzgewinn bei Anwendung auf Inline‐Emitter wird demonstriert. Der Ursprung dieser Effizienzgewinne wird durch systematische Untersuchung der beteiligten Rekombinationsmechanismen erfasst und quantifiziert. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird hierzu die Anpassung der bei einer Solarzelle mit selektivem Emitter zusätzlich auftretenden Parameter verglichen mit einer
Solarzelle mit homogenem Emitter vorgenommen. Das neue Optimum hierbei wird experimentell bestätigt und anhand der physikalischen Daten der resultierenden Solarzellen diskutiert.
Das dritte Kapitel widmet sich der Integration einer dielektrischen Rückseitenpassivierung in den Siebdruckprozess. Eine mittels Siebdruck metallisierte, großflächige Solarzelle, welche erstmals Aluminiumoxid als Rückseitenpassivierung verwendet, wird vorgestellt und anhand dieser wird exemplarisch der Ursprung der beobachteten Effizienzgewinne hergeleitet.
Basierend auf einer systematischen Untersuchung der zur Effizienzsteigerung beitragenden Komponenten, wird deren Einfluss auf die Betriebsparameter der Solarzellen quantitativ ermittelt. Das so gewonnene Verständnis der optischen, elektrischen und elektronischen Eigenschaften der resultierenden Solarzellen wird zur Optimierung der Effizienz herangezogen. Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt hierbei auf der Herstellung der lokalen Rückkontakte und ihrer Passivierung mit einer durch Legieren erzeugten, hochdotierten Schicht. Rekombination an den Kontakten stellt eine Hauptverlustquelle dieses Solarzellkonzeptes dar. Lateral inhomogene Legierungsvorgänge weichen dabei wesentlich von homogenen ab. Hierzu wird aus den Beobachtungen diverser Kontaktierungsexperimente ein analytisches Modell der lokalen Kontaktbildung durch Einlegieren hergeleitet. Dieses Modell wird auf durch Messung an realen Metallisierungspasten gewonnenen Daten angewendet. Drei Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Legierungseigenschaften werden aufgezeigt und deren Effekt auf die IV‐
Daten resultierender Solarzellen berechnet.
Das vierte Kapitel widmet sich der Verlustanalyse und der Optimierung mittels Simulation nach der Finite‐Elemente‐Methode. Es zeigt sich, dass sich komplexe, höherdimensionale Solarzellendesigns nicht mehr mit ausschließlich analytischen Methoden beschreiben lassen.
Der Einfluss experimentell schwer zugänglicher Parameter der zuvor vorgestellten Solarzellkonzepte auf ihre elektrischen Leistungsmerkmale wird somit quantifiziert, mit realen Zelldaten und Rekombinationsparametern verglichen und ein Optimierungskalkül wird vorgestellt.
Das fünfte Kapitel handelt von einem Verlustmechanismus im Volumen des Basissubstrates, welche durch einen Effekt der üblicherweise verwendeten Bordotierung herrührt. Diese Verluste sind nach Minimierung von an Vorder‐ und Rückseite auftretender Rekombination begrenzend für die Solarzelleneffizienz. Das Kapitel beinhaltet eine Exkursion über Solarzellen mit alternativer Basisdotierung.
Am Ende jedes Kapitels wird ein Fazit über den Beitrag des vorgestellten Konzeptes zur Weiterentwicklung von Solarzellen in industrieller Produktion gezogen und die Ergebnisse dieser Arbeit werden in den aktuellen Stand der Forschung eingeordnet. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung.
Motivation dieser Arbeit
Für Solarmodule wurde in den vergangenen Jahren ein rapider Preisverfall beobachtet [1]. Musste man 2009 für ein Solarmodul noch über 2,50 € pro Wpeak bezahlen, kann man Ende 2012 bereits Module mit Solarzellen aus kristallinem Silizium zu Preisen von unter 0,65 € pro Wpeak erwerben [2].
Dies bedeutet, dass die Module selbst am Gesamtsystem einen immer kleineren Wertanteil
ausmachen, da die Kosten für Land, Installation, Materialien tendenziell mit der Zeit teurer werden und die Kosten für Inverter und andere elektrische Komponenten sehr viel langsamer sinken.
Geringfügig höhere Kosten der Herstellungsprozesse lassen die Kosten pro Wpeak des Gesamtsystems sinken, wenn diese dazu führen, dass die resultierenden Solarzellen eine höhere Leistung haben.
Dieser Effekt ist so stark, da Materialkosten, allen voran die Kosten der Siliziumwafer, aber auch Aufwendungen für Silber, Modulglas, Spezialfolien etc. etwa 70% eines Modules ausmachen. So bewirkt beispielsweise die Steigerung der Effizienz von 18% auf 19% eine Erhöhung der Peakleistung einer monokristallinen Solarzelle der Kantenlänge 156 mm von 4,3 Wpeak auf 4,55 Wpeak und rechtfertigt somit etwa 0,15 € Mehrausgaben pro Solarzelle für den Herstellungsprozess. Es liegt somit nahe, industriell umsetzbare effizienzsteigernde Maßnahmen innerhalb dieses Kostenrahmens zu evaluieren, da sie eine weitere Expansion der Energiegewinnung mittels Photovoltaik ermöglichen können.
Das Ziel dieser Arbeit ist es nun, ein tieferes, quantitativ belastbares Verständnis von industriell hergestellten Solarzellen zu erhalten, welche einen selektiven Emitter oder eine dielektrische Rückseitenpassivierung aufweisen. Die resultierenden Erkenntnisse werden verwendet, die Effizienzgewinne bei Integration dieser beiden Hocheffizienzmerkmale in einen siebdruckbasierten industriellen Herstellungsprozess zu quantifizieren. Ebenfalls werden deren Potential und Routen weiterer Optimierung aufgezeigt. Dazu ist die quantitative Evaluation der geänderten physikalischen Eigenschaften und das Verständnis ihres Zusammenspiels beim Betrieb der Solarzelle erforderlich.
Dieses Verständnis wird durch Kombination von Variationsexperimenten, Untersuchung der resultierenden Solarzellen mittels bildgebender Verfahren und Simulation des Gesamtsystems mit gezielter Variation einzelner Parameter erreicht.
Beim Herstellungsprozessfluss ist darauf zu achten, so wenige zusätzliche Schritte wie möglich einzuführen und die Prozessführung bei industriell bereits etablierten Methoden zu belassen, um eine einfache Implementierung zu gewährleisten. Diese Randbedingung erfordert ein Abstimmen der Prozessschritte untereinander, einen Transfer des über Hocheffizienzsolarzellen bekannten Wissens auf die Maßstäbe von industriell hergestellten Solarzellen und eine Ausnutzung von Synergieeffekten. Mit diesen Erkenntnissen lassen sich letztendlich quantitative Aussagen darüber treffen, wie der Effizienzgewinn im besten Falle bei gegebenem überschaubaren Produktionsaufwand für beide Solarzellenkonzepte ausfällt und welche physikalischen Ursachen diesem zugrunde liegen. Somit wird es letztendlich möglich, das inhärente Potential aller beteiligten Verfahren zur weiteren Steigerung der Solarzelleneffizienz mit einem prozeduralen Mindestaufwand realistisch zu korrelieren, um damit ökonomische Entscheidungen zu vereinfachen.
1 Photovoltaische Energiekonversion
In diesem Kapitel werden Aufbau und Funktionsweise einer Siliziumsolarzelle erklärt, sowie die unvermeidbaren Verlustquellen von den technisch minimierbaren Verlusten abgegrenzt. Das industrielle Herstellungsverfahren einer Solarzelle wird vorgestellt und Unterschiede zu Höchstleistungszellen werden aufgezeigt. Weiterhin werden die in dieser Arbeit zur Verlustanalyse verwendeten Charakterisierungsmethoden eingeführt. Es wird ein auf der Finite‐Elemente‐Methode basierendes Simulationsverfahren vorgestellt, welches hilft, die Verlustquellen zu quantifizieren und ein Optimierungskalkül durchzuführen.
1.1 Eine kurze Geschichte der Silizium‐Photovoltaik
Die Geschichte der kommerziellen Stromgestehung mittels Photovoltaik reicht bis in die 1940er‐
Jahre zurück. In vielen Forschungsinstituten wurden Halbleitermaterialien untersucht, die zu dieser Zeit in immer höherer Reinheit verfügbar wurden. Diese Forschungen waren durch den erst 1938 von Walter Schottky erklärten gleichrichtenden Effekt eines Metall‐Halbleiterkontaktes angetrieben [3].
Man versprach sich für die gerade entwickelte RADAR‐Technologie Vorteile, da die damals zum Gleichrichten der empfangenen Signale verwendeten Vakuumröhren für die Frequenzen der verwendeten Funk‐ und Mikrowellenstrahlung oberhalb 500 MHz zu langsam schalteten.
Im Jahr 1940 wurde an den Bell Labs von Russell Ohl an einer beidseitig kontaktierten, verunreinigten Siliziumprobe ein Stromfluss festgestellt, sobald er diese mit Licht beleuchtete [4]. Er hatte damit durch Zufall den pn‐Übergang und dessen ladungstrennende Eigenschaften entdeckt, denn die Verunreinigungen erzeugten auf einer Seite einen Elektronenüberschuss und auf der anderen Seite einen Überschuss an Löchern. Dieser Effekt wurde von Jack Scaff und anderen Forschern der Bell Labs aufgegriffen, welche in den folgenden Jahren das absichtliche Verunreinigen von Halbleitermaterial mit Elementen aus der III. und V. Hauptgruppe, das sogenannte Dotieren untersuchten. Der Fortschritt in diesem Gebiet inspirierte William Shockley 1948 zur Entwicklung des Bipolartransistors. Die Transistor‐Theorie, welche er hierzu ausformulierte, beinhaltet die erste theoretische Beschreibung der Funktionsprinzipien einer Solarzelle [5].
Gleichzeitig wurde von Gordon Teal 1948 das Ziehen von Si‐ und Ge‐Einkristallen nach dem Czochralski‐Verfahren etabliert, um das gesteigerte Interesse an möglichst reinen, monokristallinen Halbleitermaterialien zu befriedigen. Die Dotierung dieser Kristalle wurde durch das gezielte Einbringen von Elementen der III. und V. Hauptgruppe vorgenommen, welche nacheinander der Schmelze zugefügt wurden. Die so gezogenen Kristalle wiesen pn‐Übergänge längs der Ziehrichtung auf.
Obwohl Anfang der 1950er Jahre Experimente mit gezogenen pn‐Übergängen und Dotierung mit Heliumionen Ströme generierten, welche Effizienzen im Bereich von 1% entsprechen [6], wurde die erste Halbleiter‐Solarzelle nach modernen Maßstäben 1953 von Daryl Chapin, Calvin Fuller und Gerald Pearson vorgestellt. Dabei handelte es sich um einen beim Ziehen mit Gallium dotierten Kristall, dessen Oberfläche mit flüssigem Lithium behandelt wurde. Mit diesem Verfahren konnten bis zu 4,5% Wirkungsgrad erreicht werden. Da sich das Lithium als instabil und schwierig zu kontaktieren erwies, ging man zu einer Bedampfung der Oberfläche mit Phosphor über.
Calvin Fuller demonstrierte 1954, wie man eine sehr kontrollierte Dotierung größerer Wafer mit einem Ofenprozess erreichen konnte, nämlich durch Hinzugabe dotierstoffhaltiger Gase. Es wurde nachgewiesen, dass diese bei hohen Temperaturen mit definierten Diffusionskoeffizienten in das Silizium eindiffundieren [7]. Die somit erzielten großflächigen pn‐Übergänge einige 100 nm unter der Oberfläche zeigten bei Beleuchtung einen starken Photostrom und bilden auch noch heutzutage die Grundlage von Siliziumsolarzellen. Ein mit Arsen n‐dotierter Siliziumwafer erhielt mit dieser Methode einen wenige 100 nm dünnen p++‐Emitter bei der Diffusion von Bor aus der Gasphase und ließ sich dank der guten Kontaktierbarkeit des stark dotierten Siliziums zu einer Solarzelle mit 6%
Wirkungsgrad verarbeiten [8].
Diese Durchbrüche etablierten die Solarzelle als leichte und zuverlässige Energiequelle für Weltraumanwendungen. Während die ersten Satelliten wie Sputnik noch auf Batterien zurückgreifen mussten, welche die Einsatzdauer auf Tage beschränkte, demonstrierte Vanguard 1958 die kontinuierliche Energieversorgung eines Satelliten mit Solarzellen über mehrere Jahre hinweg. Die hierfür verwendeten Solarzellen erreichten bereits mehr als 10% Wirkungsgrad.
Im Laufe der Jahre wurden die Herstellungsmethoden immer mehr verfeinert. So wurden die Solarzellen Anfang der 1970er Jahre mit einem etwa 100 nm dicken thermischen Oxid versehen, welches nicht nur der Passivierung des nun deutlich flacheren Phosphoremitters auf der leicht bordotierten Basis, sondern auch als Antireflexbeschichtung diente und Solarzelleffizienzen von 15%
ermöglichte [9]. 1974 wurde die alkalische Texturierung zur Bildung von Pyramiden auf den Solarzelloberflächen vorgestellt und erhöhte durch die bessere Lichteinkopplung die maximal erreichbare Effizienz auf 17% [10]. In dieselbe Zeit fällt auch die Adaption eines p/p+‐Überganges direkt unter dem Rückkontakt, das sogenannte BSF [11].
Da die Herstellungsmethoden sich bis in die 1980er Jahre an den Verfahren der Elektronikindustrie orientierten, waren die daraus entstehenden Solarzellen vergleichsweise teuer und auf Weltraumanwendungen oder Nischenmärkte wie Taschenrechner beschränkt. Dies änderte sich mit der Etablierung von Siebdruckverfahren zum Aufbringen der Metallisierung [12], die Verwendung von PECVD‐Siliziumnitrid als Antireflexbeschichtung [13], [14], und des direkten Durchfeuerns der Metallisierung in einem schnellen Ofenprozess [15], welche aus der Solarzelle eine in hohen Stückzahlen herstellbare Massenware machten und die starke Expansion als an das Stromnetz angebundene Energiequelle ermöglichten.
Kontinuierliche Weiterentwicklung der Produktionsprozesse sowie Ausbau der Zellproduktion in exponentiellem Maße ermöglichte eine graduelle Steigerung des Wirkungsgrades [16] sowie die stetige Kostensenkung mit steigendem Produktionsvolumen [1] kommerzieller terrestrischer Solarmodule. Lieferten 1,5 m² große Solarmodule der 1990er Jahre noch Spitzenleistungen von 160 Wpeak bei Preisen von umgerechnet über 1000 € [17], so sind Ende des Jahres 2012 bereits Module derselben Größe mit bis zu 300 Wpeak erhältlich, welche für 200 € und weniger gehandelt werden [2]. Dies bedeutet, dass innerhalb dieser Zeit photovoltaisch generierter Strom von einer stark subventionierten Energiequelle auf Gestehungskosten abgefallen ist, die in weiten Teilen Europas unter den Endkundenpreisen von Elektrizität liegt [18], [19].
1.2 Funktionsprinzip der Solarzelle
Die Grundlage der photovoltaischen Umwandlung von Licht in elektrische Energie ist der innere Photoeffekt. Dieser besagt, dass bei der Absorption eines Photons in einem Halbleiter dieses ein Elektron‐Loch‐Paar generiert, indem ein Elektron aus dem Valenzband in das Leitungsband des Halbleiters gehoben wird. Bei einer Solarzelle handelt es sich um eine großflächige Diode, deren pn‐
Übergang in der Lage ist, Elektronen und Löcher in ihre jeweiligen Majoritätsgebiete zu trennen.
Halbleiterphysik sowie die Funktionsweise der Solarzelle ist Gegenstand zahlreicher Lehrbücher, z.B.
[20–23], weswegen an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick gegeben wird.
1.2.1 Generation und Ladungstrennung im dotierten Halbleiter
Wird durch Absorption eines Photons in einem Halbleiter ein Elektron‐Loch‐Paar generiert, so befinden sie sich zwar in unterschiedlichen Bändern, jedoch noch am selben Ort. Es ist daher notwendig, die positiven Löcher räumlich von den negativen Elektronen zu trennen, um sie an metallischen Kontakten aus dem Halbleiter abzuführen. Dazu weist jede Solarzelle einen Trennmechanismus auf, im betrachteten Fall zwei Bereiche mit gegensätzlicher Dotierung. Wird ein Elektron‐Loch‐Paar in der p‐dotierten Basis generiert, so befindet sich das Loch als Majoritätsladungsträger bereits im Valenzband des p‐Bereiches. Das Elektron diffundiert als Minoritätsladungsträger in einem „Random Walk“ durch die Basis. Kommt es in den Bereich der Raumladungszone, welche sich beim Übergang zu einem n‐dotierten Emitters ausbildet, wird es durch das resultierende elektrische Feld in diesen überführt.
Befindet sich der beleuchtete pn‐Übergang im Gleichgewicht, so sind die Bänder um die Raumladungszone so verbogen, dass die Quasi‐Fermi‐Niveaus für Elektronen und Löcher in p‐ und n‐
Bereichen jeweils identisch sind. Ihr Abstand entspricht dem mittleren chemischen Potential zwischen beiden Teilchensorten, welche sich als Spannung zwischen p‐ und n‐Bereich manifestiert.
Kontaktiert man diese jeweils mit einem Metall, so liegt diese Spannung, wie in Abbildung 1 angedeutet, zwischen beiden Metallen an, und ein äußerer Stromkreis kann damit betrieben werden.
Abbildung 1: Bänderschema eines beleuchteten pn‐Überganges. Elektronen sind gelb, Löcher sind blau dargestellt. Der p‐Bereich ist hier ohmsch kontaktiert, während am n‐Bereich ein
Tunnelkontakt zum angrenzenden Metall besteht.
1.2.2 Aufbau einer Solarzelle
Eine typische, industriell hergestellte Solarzelle aus kristallinem Silizium (c‐Si) besteht zumeist aus einer 150 ‐ 200 µm dicken p‐dotierten Basis, welche auf der Vorderseite einen diffundierten Phosphoremitter als n‐Bereich aufweist. Die Rückseite ist vollflächig mit einer siebgedruckten Aluminiumelektrode bedeckt, welche nach dem Einlegieren einen ohmschen Kontakt zu p‐dotiertem Silizium bildet. Die Vorderseite ist mit dünnen Fingern aus siebgedruckter Silberpaste kontaktiert. Die
gesinterte Silberpaste kann Strom sowohl über einen Tunnelmechanismus als auch mittels direktem ohmschen Kontakt zum Emitter abführen, sofern dieser eine hinreichend hohe Phosphorkonzentration aufweist. Prinzipiell enthält die Solarzelle damit schon alle essentiellen Bestandteile: Einen Absorber, eine Möglichkeit zur Ladungstrennung und zwei Kontakte, welche den generierten Strom abführen. Zusätzlich ist die Vorderseite der Zelle noch mit einem zufälligen Pyramidenmuster texturiert, um die Lichteinkopplung bei senkrechtem Einfall zu erhöhen. Die Vorderseite ist außerdem mit einer Antireflexschicht aus Siliziumnitrid bedeckt, welche ebenfalls die Reflexion an der Vorderseite minimiert und zur Passivierung des Emitters der Solarzelle beiträgt.
Abbildung 2: Funktionsweise einer Solarzelle: Photogenerierte Überschuss‐Elektronen diffundieren in einem Random Walk, bis sie die Raumladungszone des pn‐Überganges erreichen.
Majoritätsladungsträger bewegen sich in ihren Gebieten direkt zum entsprechenden Kontakt.
Die Generation findet nun bei Beleuchtung in der gesamten Tiefe des Wafers statt. Bei einer 180 µm dicken Solarzelle mit 300 nm tiefem Emitter findet lediglich 15% der Absorption im Emitter und im Bereich der Raumladungszone statt. Dies bedeutet, dass ein Großteil der photogenerierten Minoritätsladungsträger Elektronen in der Basis sind, welche durch Diffusion den Weg bis an die Vorderseite der Solarzelle zum Emitter zurücklegen müssen.
Somit tragen alle photogenerierten Ladungsträgerpaare zum Strom der Solarzelle bei einer gegebenen Spannung bei, deren Minoritätsladungsträger den pn‐Übergang überquert haben.
Statistisch gesehen tritt dann für jedes separierte Ladungsträgerpaar ein Loch in den Rückkontakt und ein Elektron in die Vorderseitenmetallisierung über. Die Spannung an diesen Kontakten entspricht dann der Differenz der Ferminiveaus der Elektronen im Emitter und der Löcher in der Basis, abzüglich aller auftretenden Serienwiderstandsanteile.
1.3 Generelle Verlustanalyse photovoltaischer Energiekonversion
Eine Solarzelle kann man sich im thermodynamischen Sinne als eine Maschine vorstellen, welche Lichtenergie in elektrische Energie umwandelt. Wie bei Wärmekraftmaschinen geschieht dies nicht mit hundertprozentiger Effizienz, sondern es treten thermodynamische und bauartbedingte Verlustmechanismen auf. Zur Einordnung eines typischen Wirkungsgrades von 18% unserer Beispielsolarzellen aus industrieller Fertigung ist es aufschlussreich, die 82% nicht in nutzbaren elektrischen Strom umgewandelte Energie nach ihren Verlustquellen zu klassifizieren.
Zuerst gibt es durch den Entropiegehalt der Sonnenstrahlung unvermeidliche thermodynamische Verluste. Des Weiteren generiert das Prinzip „ein Elektron‐Loch‐Paar pro Photon einer Mindestenergie“ in einem Halbleiter mit fester Bandlückenenergie Eg zusätzliche Entropie. Diese ersten beiden Verlustquellen lassen sich im Shockley‐Queisser‐Limit zusammenfassen [24], welches eine obere Grenze für die Effizienz einer Solarzelle mit einem einzigen pn‐Übergang angibt.
Zuletzt gilt es, die Verluste zu betrachten, welche sich aufgrund technisch bedingter Abweichungen realer Solarzellen von der perfekten Solarzelle ergeben. Hierzu zählt man die elektrischen Widerstände im Halbleiter und in den Kontakten, optische Verluste durch Reflektion und parasitäre Absorption sowie elektronische Verluste durch Rekombination [22]. Diesen Mechanismen wird in der vorliegenden Arbeit das Hauptaugenmerk gewidmet. Sie lassen sich zwar nicht prinzipiell vermeiden, aber minimieren, indem man die physikalischen Ursachen der Verluste identifiziert und die Eigenschaften der Solarzelle entsprechend anpasst.
1.3.1 Das Shockley‐Queisser‐Limit
Durch jedes Photon wird genau ein Elektron‐Loch‐Paar generiert, wenn seine Energie über der Bandlücke liegt und keines, wenn seine Energie unterhalb der Bandlücke liegt. Wir haben also einen prinzipiellen Verlustmechanismus, welcher uns den aus der Solarzelle extrahierbaren Strom auf maximal 45,92 mA/cm² begrenzt, wenn man die Anzahl der Photonen des AM1.5‐Spektrums [25] bis 1190 nm integriert, verglichen mit dem gesamten Photonenfluss bis 4000 nm, welcher umgerechnet 68,93 mA/cm² ergeben würde. Dieser Verlustmechanismus ist in Abbildung 3 mit 1. bezeichnet.
Abbildung 3: Übersicht über die vier prinzipiellen Verlustmechanismen Transmission (1.), Thermalisierung (2.), Entropieerzeugung (3.) und Füllfaktor (4.), nach [26].
Mit 2. ist die Tatsache illustriert, dass innerhalb von Picosekunden nach der Absorption die generierten Elektron‐Loch‐Paare mit den Phononen im Halbleiter wechselwirken und entsprechend der Fermiverteilung an die jeweilige Bandkante thermalisieren. Der Teil der absorbierten Photonenenergie, welcher größer als die Bandlückenenergie Eg ist, geht damit in Wärme verloren. So ist es für ein aus der Solarzelle extrahiertes Elektron‐Loch‐Paar unerheblich, ob es von einem hochenergetischen Photon im sichtbaren Spektralbereich generiert wurde oder von einem Photon nahe der Bandkante. Die Energie pro Ladungsträger, die Spannung, welche Arbeit an einem externen Stromkreis verrichten kann, ist in beiden Fällen identisch.
Die Spannung hingegen ist, wie in [27] detailliert aufgeführt, limitiert durch:
, 1 ln 4
Ω ln4
ln ,
wobei der erste Term dem Carnot‐Limit entspricht und der zweite Term dem Zuwachs an Entropie im System entspricht. T steht dabei für die jeweiligen Temperaturen, kB entspricht der Boltzmann‐
Konstanten und ΩSonne bezeichnet den Raumwinkel, unter welchem die Sonne erscheint. Der erste Summand in der eckigen Klammer beschreibt somit die generierte Entropie durch Absorption gerichteter Strahlung in einem isotrop strahlenden Halbleiter. Der zweite Summand steht für den Spannungsverlust durch unvollständigen Lichteinschluss. Dabei entspricht n dem Brechungsindex und den Lichteinschlussfaktor I. Das Verhältnis zwischen der Gesamtsättigungsstromdichte j0,total und der Stromdichte aus strahlender Rekombination, welche z.B. in [28] gegeben ist, trägt dem Spannungsverlust durch Rekombination Rechnung. Diese Effekte führen selbst bei perfektem Lichteinschluss und perfekter Quanteneffizienz ‐ hier sei nur strahlende Rekombination als Verlustquelle erlaubt ‐ dazu, dass die Separation der Quasi‐Ferminiveaus bei Raumtemperatur und ohne Konzentration stets mehr als 350 meV geringer als die Bandlückenenergie Eg von etwa 1120 meV bei Silizium ausfällt. Der damit verbundene Verlust ist in Abbildung 8 durch 3. angedeutet und die Separation entspricht direkt der Größe von VOC. Jeder weitere Rekombinationspfad neben der strahlenden Rekombination erhöht den letzten Entropieterm. Selbst bei sehr rekombinationsarmen Solarzellen [29] sinkt dadurch VOC um weitere 40 mV, und die von uns betrachteten siebdruckbasierten Solarzellen weisen Einbußen von bis zu 150 mV zusätzlich auf.
Der Verlustmechanismus 4. ist der Tatsache geschuldet, dass die Diodenkennlinie einer Solarzelle bei Raumtemperatur nicht rechteckig ist, sondern einer Exponentialfunktion folgt. Um daher Ladungsträger zu extrahieren, muss man die Spannung niedriger als die ursprüngliche Separation der Quasi‐Ferminiveaus wählen. Auch entspricht der so extrahierte Strom nicht dem vollständigen Stromfluss unter Kurzschlussbedingungen. Dies wird in der Effizienzberechnung durch den Füllfaktor berücksichtigt, welcher immer < 100% ist.
Geht man von perfektem Lichteinschluss aus und lässt nur strahlende Rekombination zu, so lässt sich mittels obiger Annahmen das Shockley‐Queisser‐Limit in einer Solarzelle mit einem einzigen pn‐
Übergang berechnen. Es beträgt 33,8% für einen fiktiven Halbleiter mit der optimalen Bandlücke Eg = 1,35 eV und 33,6% für c‐Si mit Eg = 1,12 eV [30].
1.3.2 Verluste technischer Natur
Alle weiterhin auftretenden Verluste können auf Mechanismen zurückgeführt werden, welche nicht direkt mit der photovoltaischen Energiekonversion zu tun haben, sondern auf weitere technische und physikalische Effekte der beteiligten Materialien und Solarzellenstrukturen beruhen. Diese sind
wie der elektrische Widerstand nicht vollständig vermeidbar, lassen sich aber durch den technischen Fortschritt minimieren. Goetzberger [22] teilt diese technisch bedingten Verluste in folgende drei Hauptbereiche auf:
1. Optische Verluste
Reflexion an der Zelloberfläche
Abschattung der Vorderseitenmetallisierung
Durchstrahlung des Absorbers, Austritt aus der Solarzelle 2. Elektrische Verluste
ohmsche Widerstände in Basis und Emitter
ohmscher Widerstände in der Metallisierung
Kontaktwiderstand beim Metall/Halbleiterübergang
Kurzschlüsse auf oder über den Rand der Zelle, sogenannte Shunts 3. Rekombination photogenerierter Ladungsträgerpaare
im Materialvolumen
an der Zelloberfläche Optische Verluste
Die optischen Verluste schränken in erster Linie den Kurzschlussstrom ein. Für eine Standard‐
Siebdrucksolarzelle mit Pyramidentextur entfallen nach optischen Überlegungen [31], [32] und nach Durchführen von Raytracing [33] typischerweise von den 45,9 mA/cm²:
3 ‐ 3,6 mA/cm² auf die Abschattung durch die Metallisierung.
0,9 ‐ 2 mA/cm² auf die direkte Reflektion an der Vorderseite.
2 ‐ 2,4 mA/cm² auf parasitäre Absorption am Al‐Rückseitenkontakt.
0,9 ‐ 1,2 mA/cm² auf Durchstrahlung und Wiederaustritt auf der Vorderseite.
0,3 ‐ 0,6 mA/cm² auf freie Ladungsträgerabsorption im dotierten Silizium.
Eine Verringerung der optischen Verluste kann durch schmalere Finger erreicht werden, eine Reduktion der Reflektion durch eine bessere Textur und Antireflexbeschichtung. Ebenfalls trägt eine interne Verspiegelung der Rückseite zu einem höheren Lichteinschluss bei und reduziert somit die Durchstrahlung sowie die parasitäre Absorption im Metall. Freie Ladungsträgerabsorption kann minimiert werden durch eine leichtere Emitterdotierung sowie den Verzicht auf eine flächige Dotierung der Zellrückseite.
Elektrische Verluste
Die elektrischen Verluste senken hauptsächlich den Füllfaktor der Solarzelle über den unvermeidlichen Serienwiderstand. So weist eine Standard‐Siebdrucksolarzelle einen Serienwiderstand von 400 ‐ 600 mΩcm² auf, welcher ihren Füllfaktor von widerstandsfrei möglichen 82,5% auf 80% begrenzt. Dieser Serienwiderstand teilt sich auf in [34], [35]:
160 ‐ 250 mΩcm² Widerstand des lateralen Stromflusses im Emitter.
150 ‐ 250 mΩcm² Leitungswiderstand in den Frontkontaktfingern und Busbars.
30 ‐ 90 mΩcm² Kontaktwiderstand der Frontseitenmetallisierung zum Emitter.
20 ‐ 60 mΩcm² Basiswiderstand
Der Kontaktwiderstand der Rückseitenmetallisierung ist dagegen vernachlässigbar. Eine Verbesserung des Füllfaktors lässt sich hierbei durch leitfähigere Emitter und enger
beisammenliegende Frontkontakte, durch Erhöhung der Fingerleitfähigkeit und Verbesserung des Frontkontaktwiderstandes erreichen.
Kurzschlüsse über den Rand der Solarzelle senken den Parallelwiderstand und damit auch den Füllfaktor der Solarzelle. Ebenso zieht der über einen solchen Shunt abfließende Strom die Spannung der Solarzelle gegen Masse. Ein nennenswerter Effekt auf die Solarzelleneffizienz tritt allerdings erst bei Parallelwiderständen von unter 2.000 Ωcm² auf. Da sich mittels chemischer Kantenisolation heutzutage Parallelwiderstände von 5.000 ‐ 10.000 Ωcm² realisieren lassen, ist hier keine wesentliche Verbesserung des Wirkungsgrades mehr zu erwarten.
Rekombinatorische Verluste
Der Einfluss der Rekombination von Elektron‐Loch‐Paaren, bevor sie separiert werden können, lässt sich zwar ebenfalls additiv über die beteiligten Sättigungsstromdichten j0 bilanzieren. Diese werden im Abschnitt „Zweidiodenmodell“ genauer beleuchtet. Eine Umrechnung in einen Spannungswert und damit auf die Solarzellleistung ist allerdings aufgrund der Abhängigkeit von zusätzlichen Größen nicht so einfach möglich. Die Auswirkung der Rekombination soll in den folgenden Abschnitten daher zuerst qualitativ erläutert werden.
Rekombination senkt das Injektionsniveau, also die Anzahl der Ladungsträger im Gleichgewicht unter Beleuchtung. Dadurch wird die Separation der Quasi‐Fermi‐Niveaus (gestrichelt in Abbildung 1) verringert und damit auch die Spannung an den anliegenden Kontakten. Eine erhöhte Rekombinationsrate, oder dadurch bedingt ein erhöhter Sättigungsstrom, wirkt sich also unmittelbar als Verminderung der offenen Klemmenspannung der Solarzelle aus. Rekombination vermindert auch den Strom um den Anteil der Ladungsträger, welche pro Zeiteinheit rekombinieren, da diese dann dem äußeren Stromkreis nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei einer Injektionsabhängigkeit der Rekombinationsrate wird außerdem der Füllfaktor der Solarzelle beeinflusst [36], da das Injektionsniveau im Betrieb mit steigender Spannung ansteigt.
1.3.3 Arten der Rekombination in Silizium
Prinzipiell ist zur Absorption eines Photons immer auch der Umkehrprozess möglich: Ein Elektron aus dem Leitungsband rekombiniert mit einem Loch aus dem Valenzband unter Emission eines Photons.
Kristallines Silizium ist ein indirekter Halbleiter, das Energieminimum des Leitungsbandes liegt nicht beim selben Kristallimpuls wie das Maximum des Valenzbandes. Daher sind zum Impulsausgleich immer ein oder mehrere Phononen notwendig. Dieser Prozess, strahlende Rekombination genannt, hat als Dreiteilchenprozess einen kleinen Wirkungsquerschnitt und ist sehr unwahrscheinlich, wenn man ihn mit anderen Rekombinationsprozessen vergleicht, die in industriellen Solarzellen auftreten.
Das prominenteste Beispiel ist die Shockley‐Read‐Hall‐Rekombination (SRH), welche die Rekombination über Energieniveaus innerhalb der Bandlücke beschreibt. Diese Defektniveaus werden zum Beispiel durch Kristalldefekte, Fremdatome oder das Ende der periodischen Kristallstruktur an einer Oberfläche oder einer Korngrenze verursacht. Der zweite relevante Mechanismus ist die Auger‐Rekombination, ebenfalls ein Dreiteilchenprozess, welcher bei hohen Ladungsträgerkonzentrationen relevant wird.
Shockley‐Read‐Hall‐Rekombination
Die Wahrscheinlichkeit für die Rekombination eines Elektron‐Loch‐Paares durch thermische Dissipation der Energie hängt stark von der Energiedifferenz des Überganges ab. Je größer diese ist, umso unwahrscheinlicher wird der Übergang. Sie ist daher sehr klein für die mindestens 1,12 eV Energiedifferenz zwischen Leitungs‐ und Valenzband in Silizium. Befindet sich nun nahe der Mitte der
Bandlücke ein lokalisierter Zustand von einem Kristalldefekt oder einem Fremdatom, so ist dieser mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in der Lage, ein Elektron aus dem Leitungsband aufzunehmen, wenn der Zustand unbesetzt ist, bzw. dieses an ein Loch im Valenzband abzugeben, wenn er mit einem Elektron besetzt ist. Diese Art der Rekombination wurde 1952 zuerst von Shockley, Read und Hall beschrieben [37], [38]. Die mittlere Zeit, in der ein Rekombinationsprozess abläuft, ist abhängig vom Einfangquerschnitt für Elektronen und Löcher.
Mit vereinfachenden Annahmen gelang es Shockley, Read und Hall, ein analytisches Modell der SRH‐
Rekombination aufstellen [37], [38]. Die aus SRH‐Rekombination resultierende Lebensdauer berechnet sich damit zu
Δ Δ
Δ
mit
1 1
Hierbei sind ∆p und ∆n die Dichten der Überschussladungsträger, p0 und n0 entsprechen der Gleichgewichtsladungsträgerdichte. Ntrap ist die Dichte der Zwischenbandzustände, vth die thermische Geschwindigkeit und σn und σp die Einfangquerschnitte für Elektronen oder Löcher bei der entsprechenden Zustandsenergie. Bei nf und pf handelt es sich um von der Fermi‐Statistik herrührende Größen, welche den Konzentrationen entsprechen, bei denen die intrinsische Fermienergie der Energie der Zwischenbandzustände Etrap entspricht.
Die Rekombination an Oberflächen läuft ebenfalls nach dem SRH‐Modell ab. Die zahlreichen
„offenen“ Bindungen am Ende des Kristalles erzeugen Defektniveaus in der Bandlücke, sofern sie nicht chemisch durch kovalente Bindungen, eine sogenannte chemische Oberflächenpassivierung, abgesättigt werden. Da es sich um eine flächen‐ und keine volumenbezogene Eigenschaft handelt, ist es hierbei sinnvoll, nicht von einer Lebensdauer, sondern von einer Rekombinationsgeschwindigkeit S der Ladungsträger zu sprechen. Diese lässt sich bei einer Probe der Dicke W mit hinreichender Volumenlebensdauer τbulk ermitteln über [39]:
1 2
Auger‐Rekombination
Eine weitere Form der strahlungsfreien Rekombination ist der Auger‐Effekt im Halbleiter [40].
Traditionell betrachtet man ihn als Dreiteilchen‐Interaktion zwischen einem Loch und zwei Elektronen (eeh) oder zwei Löchern und einem Elektron (ehh), wobei der eeh‐Prozess direkt abläuft.
Das heißt, der Impuls und die Energie eines Elektrons im Leitungsband wird bei der Rekombination vollständig an ein zweites Elektron im Leitungsband abgegeben. Dieser Prozess dominiert in n‐
dotiertem Silizium. Der ehh‐Prozess läuft häufig indirekt ab, das bedeutet, zur Impulserhaltung sind Phononen beteiligt. Dieser Prozess ist vor allem in p‐dotiertem Silizium relevant [41]. Bei beiden Prozessen gibt das nicht rekombinierte Elektron im Leitungsband bzw. Loch im Valenzband seine überschüssige Energie thermisch auf einer sehr kurzen Zeitskala an das Gitter ab.
Abbildung 4: Direkte und indirekte Auger‐Rekombination unter Beteiligung zweier Elektronen und einem Loch.
Als Dreiteilchenprozess ist die Auger‐Rekombination quadratisch von einer Ladungsträgerdichte abhängig. Sie trägt wesentlich zur Rekombination bei, wenn mindestens eine Ladungsträgerart zahlreich vorhanden ist ( > 1018 cm‐3). Dies kann durch hohe Dotierung (Niedriginjektionsbedingung) und auch durch eine große Anzahl photogenerierter Ladungsträger (verglichen mit der Hintergrunddotierung, Hochinjektion) hervorgerufen werden. Das obere Lebensdauerlimit, betrachtet man ausschließlich Auger‐Rekombination, berechnet sich somit für p‐Typ Silizium [42]:
für Niedriginjektion
für Hochinjektion
Hierbei sind die Cx die Auger‐Koeffizienten [43], NA ist die Dichte der Akzeptoren und p die Anzahl der Überschussladungsträger, in diesem Fall Löcher. Für n‐Typ Silizium gelten die Formeln analog, wenn man n und p vertauscht, sowie ND als Anzahl der Donatoren einsetzt. Aufgrund der quadratischen Abhängigkeiten dominiert die Auger‐Rekombination den hochdotierten Emitter einer Solarzelle. Sie spielt jedoch auch eine Rolle in der Basis als oberes Limit, wenn das Material so defektfrei ist, dass die SRH‐Rekombination vernachlässigbar wird.
Strahlende Rekombination
Bei strahlender Rekombination handelt es sich um den Umkehrprozess zur Licht‐Absorption im Halbleiter. Da c‐Si eine indirekte Bandlücke aufweist, ist zur strahlenden Rekombination immer auch ein Phonon mit passendem Impuls notwendig. Dieser Rekombinationsprozess spielt daher nur eine untergeordnete Rolle. Er stellt das fundamentale Lebensdauerlimit in hochreinem, niedrigdotiertem Silizium dar, wenn alle anderen Rekombinationsarten vernachlässigt werden können:
1
⋅ Δ
Hierbei ist Δn die Überschussladungsträgerdichte, p0 und n0 die Ladungsträgerdichte im Gleichgewicht und BSi der Koeffizient der strahlenden Rekombination. Für c‐Si beträgt dieser etwa 4,7 ⋅ 10‐15 cm3/s [44].
1.4 Begrenzung der Oberflächenrekombination
Die Oberflächen des Wafers leisten in einer monokristallinen Solarzelle durch die zahlreichen Zustände an der Diskontinuität des Halbleiters den wesentlichen Beitrag zur SRH‐Rekombination. Um die Oberflächen‐Rekombinationsgeschwindigkeit S zu minimieren, ist es einerseits denkbar, die Dichte der Zwischenzustände Dit in der Bandlücke zu verringern, um Elektron‐Loch‐Paaren weniger Rekombinationspfade anzubieten. Dies nennt man chemische Passivierung. Andererseits ist es hilfreich, eine Ladungsträgerart an der Grenzfläche zu verarmen, da für einen Rekombinationsprozess immer ein Loch und ein Elektron benötigt werden, und daher die Menge der am wenigsten verfügbaren Spezies die Rekombinationsrate begrenzt. Dies ist durch ein elektrisches Feld zu erreichen, man spricht hier auch von Feldeffektpassivierung.
1.4.1 Oberflächenpassivierung mittels chemischer Terminierung
Zur Minimierung der SRH‐Rekombination an einer Oberfläche bietet es sich an, die Dichte der Defektniveaus an der Oberfläche des Wafers Dit zu verringern. Da diese Defektniveaus von der Diskontinuität des Halbleiters und damit einhergehenden offenen Bindungen herrühren, ist es notwendig, diese offenen Bindungen abzusättigen, sodass diese keine Zustände innerhalb der Bandlücke mehr erzeugen. Dies kann einerseits durch eine chemische Bindung geschehen, wie sie zum Beispiel die Si‐O‐Bindungen am Übergang zu einem Oxid darstellen. Eine Alternative stellt die Absättigung durch atomaren Wasserstoff dar, welcher leicht an eine Grenzfläche diffundieren kann und dort Si‐H‐Bindungen eingeht.
1.4.2 Oberflächenpassivierung mittels Feldeffekt
Die Rekombination an einer Grenzfläche lässt sich ebenfalls effektiv unterbinden, indem man eine Ladungsträgerart an der Grenzfläche verarmt. Dies lässt sich durch ein elektrisches Feld erreichen, welches entweder durch einen starken Dotierunterschied oder von festen Ladungen, die in der Grenzfläche einer dielektrischen Schicht eingebaut sind, herrührt. So führen die positiven Ladungen in Siliziumnitrid [45] zu einem Feld, welches in den Halbleiter hineinreicht und durch Abstoßung die Anzahl der Löcher nahe der Grenzfläche verringert.
Der Feldeffekt einer Low‐High‐Junction
Einen Sonderfall der Feldeffektpassivierung stellt das elektrische Feld dar, welches sich an der Grenzfläche eines hochdotierten Bereiches zu einem niedrigdotierten Bereich ausbildet. Ähnlich einem pn‐Übergang diffundieren Majoritätsladungsträger aus dem höherdotierten Bereich durch den Konzentrationsgradienten in den niedriger dotierten Bereich, bis die geladenen Atomrümpfe durch Ausbilden eines elektrischen Feldes diesen Nettofluss ausgleichen. Dieses Feld wiederum schirmt die Minoritätsladungsträger im niedrigdotierten Gebiet durch Abstoßung effektiv vom hochdotierten Gebiet ab [11].
1.4.3 Techniken der Oberflächenpassivierung
Im Folgenden sollen einige Verfahren zum Aufbringen geeigneter Dielektrika für die Oberflächenpassivierung und zur Erzeugung von Low‐High‐Junctions für die Kontaktpassivierung erörtert werden.
Thermische Oxidation
Da Siliziumoxid (SiO2) bereits ein passivierendes Dielektrikum darstellt, welches die Siliziumoberfläche trotz seiner amorphen Struktur mit sehr wenigen rekombinationsaktiven Oberflächenzuständen (Dit) absättigen kann, ist es möglich, die Waferoberfläche zu oxidieren.
Silizium bildet ein Oxid beim Kontakt mit Sauerstoff oder in feuchter Umgebung. Da die Reaktion bei Raumtemperatur sehr langsam abläuft, oxidiert man in einem Ofenprozess typischerweise bei Temperaturen oberhalb von 900°C [46] in einer sauerstoff‐ oder wasserdampfhaltigen Atmosphäre.
Abscheidung von Siliziumnitrid mittels PECVD
Eine weniger zeit‐ und energieintensive Methode stellt die Abscheidung einer Schicht aus amorphem Siliziumnitrid (SiNx:H) mittels plasmaunterstützter chemischer Gasphasenabscheidung (Plasma Enhanced Chemical Vapor Deposition, PECVD [47]) dar. In der um 450°C heißen Reaktorkammer wird dazu ein Niederdruckplasma gezündet in welchem die Prozessgase Silan (SiH4) und Ammoniak (NH3) dissoziiert werden. Die dabei entstehenden freien Radikale reagieren mit den offenen Bindungen auf der Oberfläche und auf dem Wafer wächst eine amorphe Schicht aus SiNx:H auf. Kennzeichnend für diesen Prozess ist die Verfügbarkeit von Wasserstoff, welcher in der Größenordnung von %at in die Schicht eingebaut wird. Wird nun ein Hochtemperaturschritt, zum Beispiel das Kontaktsintern bei 800°C durchgeführt, diffundiert der in der Schicht vorhandene Wasserstoff an die Silizium‐
Grenzfläche und reduziert dort durch Absättigen die Anzahl offener Bindungen. Des Weiteren bilden sich grenzflächennahe positive Ladungen aus. Dieses Verfahren ist daher besonders für n‐leitende Oberflächen geeignet, da die positiven Ladungen die Minoritätsladungsträger, in diesem Fall Löcher, effektiv von der rekombinationsaktiven Oberfläche fernhalten [14], [45].
Man unterscheidet zwischen Direktplasma‐PECVD und Indirektplasma‐PECVD [48]. Bei der Direktplasma‐PECVD stellen die Wafer selbst, parallel in kurzem Abstand voneinander angeordnet, die plasmagenerierenden Elektroden dar, wobei das Plasma durch eine Wechselspannung im kHz‐ bis MHz‐Bereich angeregt wird. Bei der Indirektplasma‐PECVD wird das Plasma mittels Einstrahlung von Mikrowellen separat generiert und lediglich die Reaktionsprodukte strömen in die Kammer mit den Wafern ein. Ebenfalls möglich, aber weniger verbreitet, ist die induktive Anregung des Plasmas durch eine die Kammer umschließende Magnetspule [49].
Atomlagenabscheidung von Aluminiumoxid
Zur Passivierung von p‐leitenden Oberflächen ist ein Dielektrikum mit einer hohen Dichte an negativen Ladungen wünschenswert. Ein solches ist mittels Atomlagenabscheidung (atomic layer deposition, ALD) erzeugtes amorphes Aluminiumoxid (Al2O3) [50]. Das Prinzip der ALD, entwickelt Anfang der 1980er Jahre [51], besteht im zeitlichen oder räumlichen Trennen von zwei Halbreaktionen. Im betrachteten Fall der Abscheidung von Al2O3 sind dies Anbinden von Aluminiumatomen auf eine oxidierte Oberfläche und Oxidation dieser Aluminiumatome. Mit dieser Methode hat man die Möglichkeit, sehr gleichmäßige konforme Schichten Atomlage für Atomlage aufzubauen.