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2. Literaturübersicht

2.2 Antikörper

Immunglobuline (Ig), oder Antikörper, werden ausschließlich von B-Lymphozyten (B-Zellen) synthetisiert. Sie bestehen aus vier Polypeptidketten, zwei leichten oder L (light)-Ketten und zwei schweren oder H (heavy)-Ketten, die über Disulfidbrücken so

verknüpft sind, daß jeweils eine schwere Kette mit einer leichten Kette und die beiden schweren Ketten miteinander verbunden sind. Die Verbindung zwischen beiden schweren Ketten am Übergang von CH1 zu CH2 (s.u.) ist dabei sehr beweglich und wird als Gelenkregion (hinge region) bezeichnet.

Jede leichte Kette besteht aus einer variablen Region (VL) und einer konstanten Re-gion (CL). Die schweren Ketten bestehen ebenfalls aus einer variablen Domäne (VH) aber drei konstanten Domänen (CH1, CH2, und CH3). Die Antigenbindungstellen der Antikörper am N-terminalen Ende des Moleküls setzen sich aus der VH- und der VL -Domäne zusammen (JANEWAY u. TRAVERS 1997).

Mit Hilfe von Proteasen kann ein Antikörpermolekül gespalten werden. Das Enzym Papain spaltet zwei identische Fragmente, auf denen sich das Paratop (s. 2.2.1) befin-det (Fab-Fragmente = fragment antigen binding), von einem nicht antigenbindenden Fc-Fragment (Fc = kristallisierbar). Die Fab-Fragmente enthalten die kompletten leich-ten Ketleich-ten und die VH- und CH1-Domänen der schweren Ketten. Die Fc-Fragmente entsprechen den CH2 und CH3-Domänen der schweren Ketten, und sind der Teil des Antikörpermoleküls, der mit Effektormolekülen und - zellen interagiert (JANEWAY u.

TRAVERS 1997).

2.2.1 Aufbau der variablen Region

Die variablen Bereiche der einzelnen Immunglobuline unterscheiden sich, im Ge-gensatz zu den konstanten Bereichen, erheblich in ihrer aminoterminalen Sequenz.

Die Sequenzvariabilität ist dabei nicht gleichmäßig verteilt. Besonders die an der Struk-tur der V-Domäne beteiligten Aminosäuren sind konserviert. Es gibt drei besonders va-riable Regionen (hypervava-riable Regionen [HV]: HV1, HV2, HV3), und zwar ungefähr von Aminosäure 28 bis 35, von 49 bis 59 und von 92 bis 102. In der HV3-Region liegt der variabelste Teil der Domäne. Die Regionen zwischen den hypervariablen Berei-chen sind die sog. Gerüstregionen (framework regions = FR): FR1, FR2, FR3 und FR4 (JANEWAY u. TRAVERS 1997).

Die Gerüstregionen bilden die strukturelle Basis, während die hypervariablen Regio-nen Schleifen bilden, die nebeneinander zum Liegen kommen. Die Sequenzvielfalt ist somit nicht nur auf bestimmte Bereiche der Oberfläche der variablen Regionen be-schränkt, sondern auch räumlich einem bestimmten Bereich der Oberfläche des Mole-küls zugeordnet. Darüber hinaus kommen durch das Aneinanderliegen der VH- und VL -Domänen im Immunglobulin die hypervariablen Schleifen jeder Domäne zusammen und bilden so einen einzigartigen hypervariablen Bereich am N-terminalen Ende des

Antikörpermoleküls, der als Antigenbindungsstelle (= Paratop) fungiert. Da die hyper-variablen Schleifen die Bindungsstelle für Antigene bilden und die Spezifität durch eine Oberflächenstruktur festlegen, die zum Antigen komplementär ist, werden sie auch als komplementaritätsbestimmende Regionen (complementarity determining regions:

CDR1, CDR2 und CDR3) bezeichnet (JANEWAY u. TRAVERS 1997).

Ebenfalls für die hohe Variabilität der Antigenbindungstelle verantwortlich sind die Gene, welche die variablen Regionen der schweren und leichten Ketten codieren. Die-se Gene liegen bei den Säugetieren auf unterschiedlichen Chromosomen und beste-hen jeweils aus einer ganzen Reihe von verschiedenen Gensegmenten: V- (variable), D- (diversity), J- (joining) und C- (constant) Segmenten (KLEIN 1991). Diese erbliche Grundlage der Diversität wird verstärkt durch die zufällige Rekombination separater V-, D-, und J-Gensegmente bei der Bildung vollständiger Gene für die variablen Regio-nen. Zusätzlich kann es zum Einfügen einer zufälligen Zahl von Nucleotiden kommen, was ebenfalls die somatische Variabilität erhöht (KLEIN 1991).

2.2.2 Aufbau der konstanten Region

Die konstanten Regionen variieren nicht in der gleichen Weise wie die variablen Re-gionen. Ihre Aufgabe besteht in der Vermittlung von Effektormechanismen.

Die leichten Ketten liegen in zwei verschiedenen Formen vor: entweder als kappa (κ) oder als lambda (λ), aber nie gemischt (CRUSE u. LEWIS 1999). Sie scheinen funktio-nell unbedeutend.

Bei den konstanten Regionen der schweren Ketten unterscheidet man beim Men-schen fünf Hauptklassen, welche die funktionellen Eigenschaften eines Antikörpermo-leküls bestimmen. Dieses sind IgG (γ-Kette), IgM (µ-Kette), IgA (α-Kette), IgE (ε-Kette) und IgD (δ-Kette). Beim Menschen existieren IgG- und IgA-Subklassen, die sich durch verschiedene Aminosäuresequenzen auf dem konstanten Teil der H-Kette voneinan-der unterscheiden. Die IgG-Klasse ist, gemäß ihren schweren Ketten γ1, γ2, γ3 und γ4, in die vier Subklassen IgG1, IgG2, IgG3 und IgG4 unterteilt, IgA dementsprechend in die Subklassen IgA1 (α1-Kette) und IgA2 (α2-Kette) (KLEIN 1991).

Auch bei Tieren unterscheidet man Ig-Klassen und -Subklassen. Beim Hund sind bisher IgG1, IgG2, IgG3, IgG4, IgM, IgA und IgE bekannt (PASTORET et al. 1998a).

Bei der Maus dagegen unterscheidet man IgG1, IgG2a, IgG2b, IgG3, IgM, IgA, IgE und IgD (PASTORET et al. 1998b).

2.2.3 Isotyp, Allotyp, Idiotyp

Immunglobuline können als Proteine selbst als Antigene fungieren, welche eine An-tikörperantwort auslösen. Mit so gewonnenen anti-Antikörpern können drei verschie-dene Typen unterschieden werden: Isotypen, Allotypen und Idiotypen.

Anti-Isotypantikörper erkennen alle Immunglobuline desselben Isotyps bei allen In-dividuen derselben Spezies. Beim Mensch liegen die schweren Ketten in den Isotypen IgG1, IgG2, IgG3, IgG4, IgM, IgA, IgD, IgE und die leichten Ketten in den Isotypen kap-pa und lambda vor (BURMESTER u. PEZZUTTO 1998).

Allotypen zeigen die Unterschiede zwischen den Immunglobulinisotypen von Indivi-duen derselben Spezies an. Diese Unterschiede beruhen auf der genetischen Variabi-lität. Sie repräsentieren polymorphe Unterschiede der Genloci, die die konstanten Regionen der schweren und leichten Ketten codieren (BURMESTER u. PEZZUTTO 1998)

Idiotope sind die antigen wirkenden Epitope der variablen Region spezifischer Anti-körper. Die Gesamtheit der Idiotope bilden den Idiotyp eines Individuums (JANEWAY u. TRAVERS 1997).

2.2.4 Der B-Zell-Antigenrezeptor-Komplex

Die Antigenrezeptoren der B-Zellen sind membranständige Immunglobuline. Ge-meinsam mit je zwei Signalübertragungsmolekülen, Igα (CD79a) und Igβ (CD79b), bil-det ein membranständiger Antikörper einen B-Zell-Antigenrezeptor-Komplex.

Trifft der Antigenrezeptor einer B-Zelle auf sein passendes Antigen, wird durch die Bindung von dem Paratop an das Epitop die Proliferation der B-Zelle und letztlich ihre Differenzierung in eine antikörpersezernierende Zelle ausgelöst (CRUSE u. LEWIS 1999).

Die Stadien der primären B-Zell-Entwicklung sind durch die schrittweise Umordnung und Expression der konstanten Immunglobulingene der schweren und der leichten Ketten definiert (EHRLICH u. KUPPERS 1995). Im Verlauf dieser Entwicklung beginnt die Immunglobulin-Synthese. Zunächst werden IgM-Rezeptoren auf der Oberfläche exprimiert. Wenn das passende Antigen an den IgM-Rezeptor der B-Zelle gebunden hat, durchlaufen die B-Zellen eine Entwicklung, innerhalb derer die konstanten Teile der µ-Kette (des IgM-Moleküls) durch andere konstante Teile (γ−Kette [IgG], α−Kette

[IgA] o. ε −Kette[IgE]) ersetzt werden, während der variable Teil unverändert erhalten bleibt (BURMESTER u. PEZZUTTO 1998). Durch diesen sog. Isotypenswitch wird der Isotyp der membranständigen und freien Antikörper festgelegt. Somit ändert der Anti-körper nur seine Möglichkeiten für Sekundärfunktionen, aber nicht seine Spezifität.

2.2.5 Funktionen der sezernierten Antikörper

Die sezernierten freien humanen Antikörper erfüllen je nach Isotyp unterschiedliche Funktionen.

Durch die Bindung des Antikörpers an das Antigen verändert sich die räumliche An-ordnung bestimmter Aminosäuren im Bereich des Fc-Fragments. Durch diese struktu-relle Veränderung kann der Antikörper verschiedene Effektorfunktionen vermitteln.

Dazu gehören u. a. die Bindung der Komplementkomponente C1q, die Bindung an Fc-Rezeptoren oder die Bindung an Protein A oder Protein G, welches auf der Zell-oberfläche von Staphylokokken bzw. Streptokokken vorkommt (CRUSE u. LEWIS 1999).

Innerhalb der Immunglobulinklassen gibt es allerdings Unterschiede in der Fähigkeit einzelne Funktionen auszuführen.

Alle IgG-Subklassen z.B. vermögen Antigene zu neutralisieren, d.h. in ihrer Infektio-sität zu hemmen. Außer IgG4 sind sie auch in der Lage das Komplementsystem zu ak-tivieren. Zur Opsonisierung (Veränderung der Antigenoberfläche, damit Phagozyten das Antigen aufnehmen können) fähig sind besonders IgG1, aber auch IgG3 und IgG4.

IgM liegt in der Regel als Pentamer vor, und hat von allen Isotypen die stärkste Fä-higkeit zur Komplementbindung.

IgA bildet meist Dimere und hat vor allem die Funktion, Antigene in den Sekreten (besonders im Darm und im Respirationstrakt) zu neutralisieren (JANEWAY u.

TRAVERS 1997).

Da ein Antigen meist zahlreiche unterschiedliche Epitope trägt, werden in vivo bei ei-nem Antigenkontakt eine Vielzahl von verschiedenen B-Lymphozyten aktiviert, die un-terschiedliche spezifische Antikörper produzieren. Dadurch erzielt man eine polyklonale Antikörperantwort und somit ein polyklonales Antiserum gegen dieses An-tigen. Obwohl die Oberfläche eine ganze Reihe potentieller Epitope enthalten kann, scheint nur eine kleine Zahl von Epitopen, häufig nicht mehr als sechs, besonders ef-fizient in der Induktion einer Immunantwort, somit "immundominat", zu sein. Das heißt, daß in erster Linie gegen diese Epitope Antikörper gebildet werden. Dazu wurden ver-schiedene Thesen aufgestellt, wobei die Erklärung, daß die Antigenität in erster Linie

von der Erreichbarkeit der jeweiligen Region auf der Moleküloberfläche für Antikörper abhängt, die wahrscheinlichste ist (KLEIN 1991).

Polyklonale Antiseren können für Untersuchungen von Antigenen eingesetzt wer-den. Allerdings sind Antisera in ihrer Zusammensetzung an Spezifität und Isotyp der Antikörper variabel und nicht reproduzierbar. Somit können die funktionellen Eigen-schaften unterschiedlicher Serumchargen eines Spenders ebenso erheblich schwan-ken, wie die unterschiedlichen Spezifitäten der darin enthaltenen Antikörper (MAYER 1988).

Für analytische bzw. diagnostische Zwecke hingegen will man möglichst Antikörper mit einer sehr hohen Spezifität für ein Antigen, niedriger Kreuzreaktion (s. 2.5.3) und in reproduzierbaren, großen Mengen zur Verfügung haben (MAYER 1988).

Zu diesem Zweck wird heute die von César Milstein und Georges Köhler entwickelte Hybridomtechnik zur Herstellung von monoklonalen Antikörpern eingesetzt. Hierbei wird eine Myelomzelle mit einer B-Zelle fusioniert, so daß eine unsterbliche Zelle ent-steht, die in vitro kultiviert werden kann, und die nur einen einzigen Antikörper gleich-bleibender Spezifität und Isotyps produziert (PETERS u. BAUMGARTEN 1990).