Jewgeni Tschasow Foto: dpa/epa
Streß im
Krankenwagen
DORTMUND. Die Bela- stung von Rettungssanitätern bei ihrem täglichen Einsatz hat die Bundesanstalt für Ar- beitsschutz medizinisch un- tersuchen lassen. Festgestellt werden sollte beispielsweise, inwieweit Unfälle mit Ret- tungsfahrzeugen durch ar- beitsspezifische Belastungen der Rettungssanitäter verur- sacht wurden. Es zeigte sich unter anderem, daß erfahre- ne Sanitäter mit dem Streß eher fertig werden als ihre Kollegen mit geringer Be- rufserfahrung.
Die Untersuchungsergeb- nisse insgesamt können als BAU-Forschungsbericht Nr.
466 „Kardiale und neurohor- monelle Beanspruchung von Rettungssanitätern" über die Bundesanstalt für Arbeits- schutz, Postfach 17 02 02, 4600 Dortmund 1, bezogen werden. WZ
Völliger Verzicht auf Tierversuche unrealistisch
BONN. Die Bundesregie- rung hält eine Rechtsvor- schrift, mit der pauschal eine jährliche Reduzierung aller Tierversuche um 20 Prozent vorgeschrieben wird, für un- realistisch. Dies intendiert ei- ne EG-Richtlinie bis 1991.
Der Effekt der Einschrän- kung von Tierversuchen wer- de in den verschiedenen Be- reichen unterschiedlich groß sein. Wie der Parlamentari- sche Staatssekretär im Bun- desministerium für Landwirt- schaft und Forsten, Dr. Wolf- gang von Geldern, mitteilte, erwarte die Bundesregierung im Bereich der Wirksam- keits- und Unbedenklich- keitsprüfungen zum Beispiel von Arzneimitteln eine Ver- minderung von bis zu 50 Pro- zent, während auf dem Ge- biet der experimentellen Chirurgie sehr viel geringe- re Einsparungsmöglichkeiten gesehen würden.
Die Bundesregierung geht davon aus, daß im Interesse der Gesundheit von Mensch und Tier in absehbarer Zeit auf Tierversuche nicht ver- zichtet werden kann.
Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundes- gesundheitsministerium, Irm- gard Karwatzki, erklärte, daß auch in der ärztlichen Ausbil- dung schon seit Jahren Tier- versuche, soweit sie über- haupt noch durchgeführt würden, auf ein Minimun be- schränkt würden. rei
Forschungsförderung zur Chemotherapie
ULM. An der Ulmer Uni- versitätsklinik werden in den nächsten zwei Jahren mit fi- nanzieller Unterstützung der Deutschen Krebshilfe (der Zuschuß beträgt 100 000 DM) Forschungsarbeiten über die Prognose von be- handlungsbedingten Risiko- faktoren nach Chemothera- pie bei Patienten mit akuter Leukämie durchgeführt. Es sollen insbesondere die Ne- benwirkungen der Chemo- therapie auf die Keimzellen, über die bisher noch keine systematischen Forschungs- ergebnisse vorliegen, unter- sucht werden. WZ
Lob für die Privathospitäler
BONN. Mit privaten Krankenhäusern könne man Kosten sparen, weil diese ein mehr den Marktverhältnissen angepaßtes Leistungsangebot ermöglichten. Außerdem sei- en sie stärker auf Kosten- rechnung „getrimmt" als et- wa die kommunalen Häuser.
Private Krankenhäuser hät- ten zudem viele der Hinder- nisse nicht, mit denen die kommunalen Krankenhäuser zu kämpfen haben, wenn es um eine Kostenersparnis ge- he. Dazu gehörten etwa die umständlichen Entschei- dungsstrukturen in den kom- munalen Krankenhäusern, die man jedoch zum Teil
auch in freigemeinnützigen Häusern antreffe. Dies stellte Dr. Eckhardt Westphal, der für Krankenhausfragen zu- ständige Abteilungsdirektor des AOK-Bundesverbandes, in einem Interview fest.
Der Krankenkassenexper- te (er wechselte kürzlich als Verwaltungsleiter zu einem in eine GmbH umgewandel- ten Städtischen Kranken- haus) schränkt allerdings ein:
Ob tatsächlich eine Ersparnis auch für die Kassen daraus resultiere, sei eine Frage der jeweiligen Verträge und des regionalen Versorgungsange- botes. Beim Vergleich kom- munaler und privater Kran- kenhäuser dürften nicht nur die Tagespflegesätze einbe- zogen werden, sondern es müßten auch das unter- schiedliche Leistungsangebot und die Tatsache berücksich- tigt werden, ob ein Bereit- schaftsdienst vorgehalten werden müsse. EB
Aus aller Welt
Tschasow jetzt Gesundheitsminister
MOSKAU. Der russische Kardiologe Jewgeni Tscha- sow hat einen weiteren Kar- riereschritt getan: Am 17. Fe- bruar wurde seine Ernen- nung zum neuen sowjeti- schen Gesundheitsminister bekanntgegeben. Tschasow, der bereits seit 1968 stellver- tretender Gesundheitsmini- ster war, folgt auf Sergei Bu- renkow, der im Dezember 1986 entlassen worden war, angeblich, weil er dem medi- zinischen Personal keine Lohnerhöhung gewährt hatte.
Tschasow kann auf eine bemerkenswerte politische und berufliche Karriere zu- rückblicken. 1965, ein Jahr nach seiner Promotion, folgte er bereits seinem Lehrer, dem Kardiologen A. Miasni- kow, als Direktor des Insti- tuts für Therapie der Akade- mie der medizinischen Wis- senschaften nach. 1967 wurde er Leiter der 4. Hauptverwal- tung des Gesundheitsministe-
riums, das für die medizini- sche Versorgung der Spitzen- politiker des Kreml zuständig ist. Professor Tschasow hat seine Stellung unter den ver- schiedensten Konstellationen halten und ausbauen können.
Schon Chruschtschow soll er behandelt haben. Breschnew hat er als „Leibarzt" betreut;
auch Andropow und Tscher- nenko soll er behandelt ha- ben.
Professor Tschasow ist seit 1972 Parteimitglied, seit 1974 Mitglied des Obersten Sowjet, seit 1982 Vollmit- glied des Zentralkomitees.
Viermal wurde er mit dem Lenin-Orden, dazu mit dem Lenin-Preis und 1986 mit dem Lenin-Friedenspreis ausgezeichnet.
Diese Auszeichnung steht im Zusammenhang mit Tschasows Einsatz für die IPPNW, die Internationale ärztliche Bewegung zur Ver- hütung eines Atomkrieges, deren Ko-Präsident er ist.
Diese Organisation hatte 1986 den Friedensnobelpreis erhalten. Die Preiszuerken- nung war nicht zuletzt wegen der zahllosen offiziellen Funktionen Tschasow in der Nomenklatur umstritten;
auch war kurz vor der Preis- verleihung bekanntgewor- den, daß Professor Jewgeni Tschasow im Jahre 1973 Mit- unterzeichner eines Aufrufs gewesen ist, der sich gegen den späteren Friedensnobel- preisträger Andrej Sacharow gerichtet hatte. NJ A-542 (18) Dt. Ärztebl. 84, Heft 10, 5. März 1987