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Archiv "Tierversuche — Ein Politikum" (28.11.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KURZBERICHTE

AIDS:

Verstärkte Aufklärung der Risikogruppen

Zunehmende AIDS-Fälle haben das Bundesgesundheitsamt und das Bundesamt für Sera und Impf- stoffe (Paul-Ehrlich-Institut) ver- anlaßt, die AIDS-Forschung in ihre Arbeitsgebiete mitaufzunehmen, wie das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit kürzlich mitteilte. Gemeinsam mit anderen bundesgeförderten Insti- tuten soll die Epidemiologie un- tersucht werden, um die Infek- tionswege aufzudecken.

Außerdem sollen diagnostische Testverfahren insbesondere für die Früherkennung im Vorfeld der jetzt bekannten Symptomatik ent- wickelt werden. Zur Behandlung unterschiedlicher Schweregrade der Erkrankung wird weiterhin die klinische Forschung verstärkt.

Bei diesem Forschungsprogramm gilt es laut Bundesgesundheitsmi- nisterium zu klären, was positive Blutbefunde für die Krankheit selbst und für überstandene In- fektionen bedeuten. Dies ist be- sonders wichtig im Hinblick auf Blutspenden. Andererseits wird die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes vorangetrieben.

Im Bereich der begleitenden Maß- nahmen muß die Aufklärung ins- besondere in den Risikogruppen verstärkt werden, wie es das Bun- desgesundheitsministerium for- dert. Als Hauptrisikogruppen gel- ten homosexuelle Männer mit dauerndem Partnerwechsel und Abhängige, die sich mit ungesäu- berten Spritzen Drogen in die Blutbahn injizieren. Eine Risiko- gruppe bilden auch Bluter-Kran- ke, die auf die Übertragung des Blutgerinnungsfaktors angewie- sen sind. Um diese Risikoperso- nen von Blutspenden abzuhalten, ist die Aufklärung der Spender notwendig. Außerdem müssen al- le Blutspenden und Blutprodukte auf vorhandene Antikörper unter-

sucht werden, damit AIDS nicht mit diesen Produkten übertragen werden kann.

In der Bundesrepublik waren im Vorjahr etwa vierzig AIDS-Fälle bekannt; derzeit sind es etwa hun- dert. Eine allgemeine Gefährdung der Bevölkerung liegt nicht vor.

Personen, die mit Kranken Um- gang hatten, sollten die bei Hepa- titis üblichen Vorsichtsmaßregeln beachten. jv

Tierversuche — Ein Politikum

„Arzneimittel im Spannungsfeld zwischen Forschung und Vor- schriften" lautete das Motto des 5.

Internationalen Kongresses der Ärzte in der pharmazeutischen In- dustrie, der vom 14. bis zum 17.

Oktober 1984 in München statt- fand.

Dieses Spannungsfeld ist im Schatten einer starren Gesetzge- bung entstanden, unterstützt durch die Furcht vor Verantwor- tung und Konsequenzen, nach trüben bis tragischen Erfahrun- gen in der Vergangenheit der Arz- neimitteltherapie. Als Konse- quenz kam es zu einer Eskalation der Arzneimittelprüfungen, vor al- lem der Tierversuche. Und dieser Zustand ist heute für die Gesell- schaft als Ganzes weder ethisch noch finanziell mehr tragbar. Das erkannte man auch in Forscher- kreisen der pharmazeutischen In- dustrie vieler Länder. Die gegen Tierversuche protestierenden Be- völkerungsgruppen bestehen nämlich keineswegs nur aus Row- dies und Provokateuren; nicht sel- ten versuchen vielmehr auch Wis- senschaftler, die Grenzen — die sie zudem besser als Laien ab- schätzen können — in Wort und Schrift deutlich zu machen.

Das ging aus mehreren Vorträgen des Münchner Kongresses hervor, die sich sowohl auf Tier- als auch auf Humanversuche bezogen. Es wäre daher wenig sinnvoll, den in den letzten Jahren entstandenen

Sinneswandel für den Abbau von Tierversuchen und die damit ver- bundene Reduzierung der Kosten im Gesundheitswesen abwertend zu beurteilen. Auch sollte man den Einfluß der öffentlichen Mei- nung nicht unterschätzen. Heute machen sich daher auch Politiker schon ernsthafte Gedanken dar- über und überlegen, was man zum Beispiel am Tierschutzgesetz oder am Schutz der freiwilligen Probanden und der an Versuchen teilnehmenden Patienten verbes- sern könnte.

Die pharmazeutische Industrie sollte diese Entwicklung im Grun- de begrüßen. Denn die Verminde- rung der Tierversuche wird zum einen dazu beitragen können, die Arzneimittelpreise vor stetigem Anstieg zu bewahren, zum ande- ren wird sie möglicherweise den heutigen Kritikern, die Unruhe und Unzufriedenheit im sozialen Umfeld des Gesundheitswesens verbreiten, helfen, ihr Mißtrauen allmählich abzubauen.

So gesehen, war es fehl am Platz, bei der Eröffnung des Kongresses die in Bewegung geratene öffent- liche Meinung pauschal abzutun und rhetorische Fragen zu formu- lieren, wie: Was ist das für ein Volk, das für Mäuse und Frösche auf die Barrikaden steigt, aber nichts gegen die wachsende An- zahl der Schwangerschaftsabbrü- che oder die jährlich circa 12 000 Toten aus Motor-Unfällen zu tun gewillt ist? So sinngemäß ein namhafter deutscher Mediziner.

Doch solche Fragen schließen einander überhaupt nicht aus! Als Mediziner und Wissenschaftler haben wir sehr wohl die Möglich- keit, unseren Interessen-Horizont auf andere Gebiete auszudehnen, die über Motor-Unfälle hinausge- hen, und sogar das Problem des Waldsterbens kritisch und aktiv aufzugreifen.

Es war auch überraschend, in München aus dem Munde eines deutschen medizinischen For- schers die Behauptung zu hören:

3566 (26) Heft 48 vom 28. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(2)

Mutterschaftsurlaub

Freistellung

JJ 6 Wochen vor der

Ent- bindung

Arbeitsverhältnis und Betriebszugehörigkeit

bleiben bestehen Mutterschafts- urlaubsgeld in Höhe d. Nettoverdienstes (höchstens 510 DM monatl.)

durch den Bund

Mutterschaftsurlaub bis zu 4 Monaten

Geburt des Kindes

Freistellung 8 Wochen*

nach der Ent-

• bei Früh- u '''°" bindung Mehrlings-

. geburten

;;; 12 Wochen Lohnfortzahlung

durch Krankenkasse und Arbeitgeber

•-■

Ench Schmidt Verlag GmbH ZAHLENBILDER -44 282 551

Zusätzlich zur Freistellung während der Schutzfristen vor und nach der Entbindung haben Arbeitnehmerinnen seit 1979 die Möglichkeit, sich bis zu dem Tag, an dem ihr Kind sechs Monate alt wird, beurlauben zu lassen (bei Kündigungsschutz). Für die Schutzfrist besteht ein gesetzliches Beschäftigungsverbot. Dagegen bleibt es der Frau selbst überlassen, ob sie im Anschluß daran Mutterschaftsurlaub nehmen will oder nicht. Tatsächlich machten in den Jahren 1981 bis 1984 jeweils mehr als 300 000 Mütter davon Gebrauch. Das waren mehr als 90 Prozent der Frauen, denen die Möglichkeit des Mutterschaftsurlaubs offenstand. Ursprünglich wurde für die zusätzliche Erholungszeit aus Bundesmitteln ein Mutterschaftsurlaubsgeld von bis zu 750 DM im Monat gezahlt. Seit dem 1. Januar 1984 sind es noch 510 DM, die von der Krankenkasse überwiesen werden. Die soziale Sicherung der Frau wird durch den Mutterschaftsurlaub grundsätzlich nicht beeinträchtigt: sie bleibt in der gesetz- lichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung beitragsfrei versichert; in der Ren- tenversicherung kann Mutterschaftsurlaub als Ausfallzeit berücksichtigt werden.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tierversuche

Sie kämpfen gegen Tierversuche;

die Alternative dazu sind Men- schenversuche! (Gemeint war ei- ne lautstarke Demonstration bei einer Tagung über Tierversuche in Kiel).

Denn 1. gibt es als Alternative zum Tierversuch die „Alternativmetho- den", an denen heute bereits — wenn vielleicht auch noch nicht genügend — gearbeitet wird; 2.

sind Menschenversuche ohnehin Pflicht bei der Entwicklung und Bestätigung eines Arzneimittels.

Man denke an die Phase I-Versu- che an freiwilligen normalen Ver- suchspersonen, an die Phase II- Versuche an Patienten sowie an die im weiteren Verlauf einer Arz- neimittelentwicklung geforderten placebokontrollierten Doppel- blindversuche. Somit schließen Tier- und Humanversuche einan- der keineswegs aus; vielmehr er- gänzen sie einander. Es kommt darauf an, beide in die richtige Proportion zu setzen und, für bei- de, die Möglichkeiten und Gren- zen zu erkennen.

Ethische klinische Forschung wird gefordert — und dies mit Recht. Dies schließt aber eine ethische experimentelle For- schung — einschließlich des Tier- versuchs — nicht aus!

Die öffentliche Meinung, die sich auch in der Presse artikuliert und die pharmazeutische Industrie zur Zielscheibe hat, könnte befriedigt werden, wenn die pharmazeuti- sche Industrie das folgende mög- licher transparent machen würde:

1. Tierversuche sind, in gewissem Umfang, heute noch unverzicht- bar; man kann erste Toxizitätsver- suche mit völlig neuen Substan- zen nicht am Menschen ausfüh- ren. 2. Die Forscher bemühen sich um äußerste Rationalisierung und Zurückhaltung bezüglich der Me- thodik und der Anzahl der Ver- suchstiere, dies schon aus wirt- schaftlichen Gründen. 3. Die For- scher versuchen, quälende und schmerzhafte Versuche möglichst einzuschränken (hier muß das neue Tierschutzgesetz sicherlich

noch eingreifen). 4. Die pharma- zeutische Industrie bemüht sich, die Versuchstierhaltung nach wis- senschaftlichen Normen zu ge- stalten, um den Tieren — auch hier aus wirtschaftlichen Gründen — ei- nen möglichst „normalen" Le- bensraum zu bieten.

Das Augenmerk der protestieren- den Bevölkerungsgruppen sollte vielmehr auf Gebiete gerichtet sein, auf denen schlecht angeleg- te, unnötige und willkürliche Tier- versuche ausgeführt werden, als da sind: Kosmetikindustrie, Waschmittel- und sonstige Chemi- kalienhersteller, tierquälerische Versuche von stümperhaften Schüler- und Studentenhänden, Erprobung neuer Waffen an Tie- ren, Tierdiebstahl für die Labora- torien von Universitäten und son- stigen Institutionen, die über ge-

ringe Geldmittel verfügen, und, nicht zuletzt, Tierversuche für überflüssige Wiederholungen längst bekannter tierexperimen- teller Versuche, die einzig und al- lein zur Erlangung akademischer Titel dienen.

Ein Teil dieser Erkenntnisse kam während des Kongresses der Ärz- te in der pharmazeutischen Indu- strie in München zur Sprache.

Dennoch liegt das angestrebte Ziel heute noch in weiter Ferne.

Deshalb wird das Spannungsfeld zwischen Forschung und Vor- schriften weiterbestehen, bis von allen Seiten mehr Einsicht aufge- bracht wird.

Anschrift der Verfasserin Dr. med. Noerni Pascal Zum Stadion 69 4018 Langenfeld

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 48 vom 28. November 1984 (27) 3567

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