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Archiv "Von schräg unten: Brief an das Helfersyndrom" (02.05.2008)

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S C H L U S S P U N K T

Sehr geehrtes Syndrom,

wortlos verfolgen Sie mich schon seit meiner Jugend, zwingen mich zu abson- derlichsten, psychiatrisch anmutenden Aktionen: Bereits als Heranwachsen- der konnte ich keiner Großmutter kon- templative Augenblicke vor den Aus- lagen der Schaufenster gönnen, weil ich sie über den nächstgelegenen Zebrastrei- fen zwingen wollte. Später, im Rettungs- dienst, karrte ich Dutzende alkoholisierte Fußballbegeisterte zwecks Magenspülung in die Notaufnahme – vor dem Anpfiff.

Als Niedergelassener verlängerte ich die Wartezeit in meiner Praxis auf

mehr als fünf Stunden, auf dass meine Patienten wäh- renddessen ihr Überge- wicht bekämpfen konn- ten, übereinandergesta- pelt im Wartezimmer bei trocknem Wasser und schlechten Zeit- schriften. Mit dem sich bei mir einstellen- den Alter, Überge- wicht und dem Ein- fluss des früher ve- hement bekämpften Alkohols stellt sich nunmehr für mich die Frage, ob Sie tatsächlich so nutz- bringend sind wie besagte Magenspü- lung nach übermäßi- gem Biergenuss. Ist mir noch zu helfen? Aus der Sicht meiner Opfer kann ich nur sagen: Ab mit Ihnen in den Re- gress!

Ziemlich ernüchtert, Ihr T. Böhmeke

Sehr geehrter Herr Doktor Böhmeke,

wenn Sie nur wüssten. Ich hatte sooo ein schönes Leben, beseelte Spitale, Karrieren, Arztromane und Krankenhaus- serien, eingenistet irgendwo zwischen Empathie und Aus- nutzung. Lüstern tobte ich mich in den jungen Ärzten aus, die bis zur Eradikation ihrer Leistungsfähigkeit gingen.

Aber was ist jetzt aus mir geworden? Verjagt von EU-Richt- linien, banalisiert von Arbeitszeitgesetzen, kannibalisiert vom Qualitätsmanagement! Wo, bitte schön, ist noch Platz für mich, wenn angehende Ärzte ihre Berufung nur noch als abgeklapperten Flowchart begreifen? Auf der anderen Seite:

Wie viele Stellen konnten früher die Krankenhäuser durch mich einsparen? Was wäre ein Halbgott in Weiß ohne mich? Und jetzt kommen Sie daher, machen mich auf der allerletzten Seite des Deut- schen Ärzteblattes nieder! Als ob ich nicht schon genug darunter zu leiden hät- te, dass mich die Psy- chologen fortwährend entblättern und als Ursache von Burn- outs brandmar- ken. Also, sei- en Sie kein Philister, tun Sie etwas: Gegen den Ärztenotstand an den Krankenhäusern! Für die Freuden einer 80- Stunden-Woche! Arbeiten bis zum An-

schlag für einen Pfifferling!

Helfen Sie dem Helfersyndrom!

Dr. med. Thomas Böhmeke ist niedergelassener Kardiologe

in Gladbeck.

VON SCHRÄG UNTEN

Brief an das Helfersyndrom

Dr. med. Thomas Böhmeke

[108] Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 182. Mai 2008

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