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Archiv "Morbus Crohn: Deutliche Zunahme in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts" (22.09.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Morbus Crohn

Deutliche Zunahmeinder zweiten Hälfte

dieses Jahrhunderts

Gustav Adolf Martini

D

ie Crohnsche Krank-

heit oder Morbus Crohn ist ganz we- sentlich eine Krank- heit des 20. Jahrhun- derts. Die Erstbeschreibung unter dem Titel „Chronisch-interstitiel- le Enteritis" erfolgte bereits 1913 durch Dalzeil anhand von neun eige- nen Beobachtungen (5). Aber als ei- genständiges Krankheitsbild wurde der Morbus Crohn erst nach der Veröffentlichung von Crohn und Mitarbeitern anerkannt und zu- nächst als „regionäre Ileitis" be- zeichnet (4). Wegen der Manifesta- tion in allen Abschnitten des Ver- dauungskanals wird jetzt die Be- zeichnung Morbus Crohn bevorzugt.

Definition

Der Morbus Crohn ist eine dis- kontinuierlich auftretende chro- nisch-entzündliche Erkrankung des Verdauungskanals, deren Ursache unbekannt ist. Der untere Dünn- darm allein ist in etwa 30 Prozent, der untere Dünndarm und der Dick- darm in 50 Prozent und der Dick- darm allein in 20 Prozent befallen.

Die Speiseröhre, der Magen oder der Enddarm allein sind sehr selten beteiligt. Die Entzündung aus Lym- pho-, Histio-, Granulo- und Plasmo- zyten erstreckt sich durch alle Schichten der Darmwand und befällt auch die regionalen mesenterialen Lymphknoten. Granulombildung erfolgt in etwa 70 Prozent der Fälle.

Zentrum für Innere Medizin (ehem. Direktor: Professor Dr. med.

G. A. Martini), Klinikum der Philipps-Universität Marburg

Die Ursache der Crohnschen Krankheit ist unbekannt. Es ist fraglich, ob es überhaupt eine alleinige Ursache gibt. Viel- mehr spricht vieles dafür, daß bei genetischer Disposition ei ne Mehrzahl von Faktoren (Er- reger, Ernährungsgewohnhei- ten) die individuelle Immunre- aktion und damit das Krank- heitsgeschehen bestimmt. Die Therapie richtet sich nach der Lokalisation und der Aktivität der Krankheit.

Aphthenähnliche Geschwüre der Schleimhaut mit Fissur- und Fistel- bildung sind charakteristisch.

Symptome

Durchfall, Leibschmerzen, Ge- wichtsverlust, Fieber, Stenosezei- chen, äußere Fistelbildung am After oder zwischen Darm und Darm oder anderen Hohlorganen (Blase, Vagi- na) sowie extraintestinale Manife- stationen (Gelenke, Auge, Haut oder Leber) kennzeichnen das Krankheitsbild (2, 7). Je nach dem Grad des Blutverlustes tritt eine An- ämie auf. Aphthen auf der Zunge, Uhrglasnägel, kardiovaskuläre und thrombotische Komplikationen kön- nen hinzukommen

Diagnose

Leider erfolgt sie auch heute noch oft verzögert. Sie wird gesi- chert durch die klinischen Erschei-

nungen und Laborbefunde (BSG be- schleunigt, Anämie, Leuko- und Thrombozytose, eventuell Hypopro- teinämie), durch die Röntgenunter- suchung, die Endoskopie mit Biop- sie sowie durch Ultraschall.

Epidemiologie des Morbus Crohn

Bis etwa 1955 zählte der Morbus Crohn zu den seltenen Krankheiten.

Die Zunahme dieser Erkrankung begann in den Ländern mit westli- chen Lebensgewohnheiten Mitte der fünfziger Jahre und hat bis etwa 1975 angehalten. Es scheint so, daß sich seither die Inzidenz (Häufigkeit auf 105 Einwohner pro Jahr) auf ei- ner bestimmten Höhe eingestellt hat, wobei in manchen Gegenden sogar eine Abnahme beobachtet wurde.

Die Krankheit tritt zwar in eini- gen Ländern mit westlicher Zivilisa- tion am häufigsten auf, ist aber nicht in ihrem Vorkommen auf diese be- schränkt Die wesentlichen epide- miologischen Daten lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Geographisches Vorkommen weltweit, aber: häufig in den USA, Nordeuropa (Skandinavien, Groß- britannien, Holland), der Schweiz, in der Bundesrepublik Deutschland, Südafrika (Prävalenz: 10 bis 70, Inzi- denz: 1 bis 6,5), weniger häufig in den romanischen europäischen Län- dern, seltener in Japan, Australien, Neuseeland und Südamerika. Aus Deutschland liegen bislang nur we- nige verbindliche Zahlen über Inzi- denz und Prävalenz vor. 1975 betrug die Prävalenz für Marburg (Stadt- und Landkreis) 30,5/1() 5 Einwohner,

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Abbildung: Morbus Crohn des terminalen Ileums (stenosierende Form) mit großem Ul- kus vor Beginn der Stenose (Aufnahme: Professor Dombrowski, Marburg)

die Inzidenz 4,25/105 Einwohner, aber für Marburg Stadt 6,56/10 5 Ein- wohner. Juden in den USA und Eu- ropa erkranken drei- bis achtmal so häufig wie Nichtjuden. Jedoch:

Israelis erkranken in Israel längst nicht so häufig. In den USA erkran- ken Weiße häufiger als Farbige (15, 16). Die Krankheit hat in der zwei- ten Hälfte dieses Jahrhunderts über- all deutlich zugenommen, zum Teil bis zur fünffachen Inzidenz. Die stärkste Zunahme scheint jetzt er- reicht. Sie ist echt, das heißt nicht al- lein auf bessere Diagnostik zurück- zuführen. Beweis: Stenoseoperatio- nen als wichtigste Eingriffe haben in derselben Zeit in gleicher Höhe zu- genommen Der Morbus Crohn tritt in der Stadt häufiger auf als auf dem Lande. Inzidenz: 0,5 bis 6,5/10 5 Einwohner pro Jahr; Prävalenz:

10-75/105 Einwohner (Ausnahme- zahlen bis 100/105). Ein Zusammen- hang zwischen Berufs- oder sozialer Gruppenzugehörigkeit ist nicht er- kennbar.

Alter der Patienten

Keine Altersgruppe ist ganz aus- gespart, aber der Morbus Crohn ist vorwiegend eine Erkrankung des Ju- gend- und jugendlichen Erwachse- nenalters, bevorzugt des zweiten und dritten Lebensjahrzehnts; bis zur Pubertät selten, vor dem neun- ten Lebensjahr sehr selten.

Geschlechtsverteilung

Männer und Frauen erkranken etwa gleich häufig; leichtes Über- wiegen der Frauen in manchen Mit- teilungen sowie geringes Überwie- gen der Knaben vor der Pubertät wurde in der Studie der deutschen Kinderärzte beobachtet (1, 16).

Genetik

Etwa 11 Prozent (1,2 bis 35,8 Prozent) aller darauf untersuchten Patienten mit Morbus Crohn ha- ben weitere Familienmitglieder, die ebenfalls an dieser Krankheit oder an einer Colitis ulcerosa leiden. Bei

Patienten mit Beginn der Krankheit in der Kindheit oder im frühen Jugendalter liegt diese Zahl beson- ders hoch (30,4 Prozent). Geschwi- ster, Eltern oder Kinder haben das größere Risiko, an einem der beiden Leiden zu erkranken, als Verwandte zweiten oder dritten Grades. Ver- wandte von Patienten mit Morbus Crohn erkranken häufiger, das heißt in 1 bis 2 Prozent, wiederum an Morbus Crohn und die von Patien- ten mit Colitis ulcerosa häufiger, das heißt in 1 bis 5 Prozent, an Colitis ul- cerosa. Besonders hervorzuheben ist die häufige Konkordanz bei einei-

igen Zwillingen (21 Paare), unlängst sogar bei Drillingen. Hingegen wa- ren von 11 zwei-eiigen Zwillingen nur zwei konkordant (17). Die Pro- banden-Konkordanz für eineiige Zwillinge ist bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa höher als für die meisten multifaktoriellen Krank- heiten mit deutlicher Erbkomponen- te, wie zum Beispiel bei Diabetes mellitus.

Zu den vererbten Eigenschaften scheint die gesteigerte intestinale Permeabilität bei Morbus Crohn zu gehören, die inzwischen auch bei den gesunden Familienmitgliedern Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988 (39) A-2583

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nachgewiesen werden konnte (8).

Leider gibt es keinen eindeutigen genetischen Marker. Bisher wurde ein Zusammenhang mit bestimmten HLA-Antigenen nicht gesichert; nur bei Morbus Crohn und ankyklosie- render Spondylitis ist der HLA-B- 27-Phänotyp häufig. Die übrigen Befunde sind widersprüchlich, und die Häufigkeitsangaben schwanken (9, 10, 17).

Umweltfaktoren

Wenn eine seltene Krankheit von einem bestimmten Zeitpunkt an zunimmt, liegt die Vermutung nahe, daß von außen kommende Ursachen eine wesentliche Rolle für die Ent- stehung spielen. Solche Umweltfak- toren könnten infektiöser Art oder ernährungsbedingt sein.

Infektionen

Ursprünglich wurde ein Zusam- menhang mit einer Tuberkulosein- fektion vermutet. Eine direkte In- fektionskette, zum Beispiel bei Ehe- partnern oder anderen Kontaktper- sonen, wurde nie beobachtet. Inzwi- schen wurde eine Vielzahl von Erre- gern verdächtigt. Zu den vermute- ten Erregern gehören verschiedene Bakterien oder auch Viren. Vor al- lem sind jetzt atypische Mykobakte- rien und zellwanddefekte Pseudo- monaskeime unter Verdacht, aber bislang ohne hinreichende Sicherung (7). Dabei wird angenommen, daß die Schleimhaut durch invasive Er- reger direkt oder durch die immuno- logische Antwort des Wirtes am Ort der Infektion lädiert wird. Schließ- lich könnte die primäre Schleim- hautläsion auch anders erfolgen und die Erreger durch die veränderte Oberfläche leichter eindringen.

Ernährungsgewohnheiten Im Jahr 1976 konnte erstmals ein erhöhter Konsum von raffinier- tem Zucker und Süßigkeiten bei Pa- tienten mit Morbus Crohn nachge- wiesen werden (14). Diese Befunde wurden sowohl in der Bundesrepu-

blik Deutschland als auch in Eng- land, Israel und Schweden wieder- holt bestätigt. Ihre Bedeutung für die Krankheitsentstehung ist nicht klar. Von schwedischen Autoren wird betont, daß bei ihren Patienten der erhöhte Konsum erst verhältnis- mäßig kurz vor der Erkrankung ein- setzte, sich dann aber nach ein- bis dreijähriger Krankheitsdauer ver- doppelte (14, 16).

Nicht nur der erhöhte Zucker- verzehr, sondern auch die damit verbundene Aufnahme von Zusatz- stoffen oder Stabilisatoren, wie Carragenine, die unter anderem im

Andere Umweltfaktoren Auffällig ist der Zusammenhang von Rauchgewohnheiten und chro- nisch-entzündlichen Darmerkran- kungen. Raucher erkranken häufi- ger an Morbus Crohn als Nichtrau- cher, während Nichtraucher häufi- ger an Colitis ulcerosa erkranken Bemerkenswert ist in einer Studie, daß Patienten, die Morbus Crohn hatten, auch mehr Zucker aßen, un- abhängig von ihren Rauchgewohn- heiten. Hingegen verzehrten die Nichtraucher mit Morbus Crohn mehr Zucker als die Kontrollperso- nen, die Raucher waren. Es scheint aber, daß Rauchen und überhöhter Zuckerkonsum unabhängig vonein- ander mit dem Morbus Crohn asso- ziiert sind (19).

Die Einnahme von kontrazep- tiven Hormonpräparaten scheint

Speiseeis, in Marmeladen, Schoko- lade und Konfekt zugesetzt wer- den, könnten eine Rolle spielen.

Vom Carragen ist bekannt, daß es im Tierversuch Geschwüre im Dickdarm erzeugt. Andere Ernäh- rungsfaktoren, die ursächlich ange- schuldigt werden, sind gehärtete Fette.

Diese Vermutung ist aber bisher durch Ernährungsdaten nicht gesi- chert (6); ebensowenig konnte ein Zusammenhang zwischen Stillge- wohnheiten in der Säuglingsphase und Morbus Crohn nachgewiesen werden.

die Häufigkeit von entzündlichen Darmerkrankungen zu erhöhen (63 Prozent mit Morbus Crohn gegen- über 44 Prozent in der Kontrollgrup- pe). Dieser Unterschied galt für alle Altersklassen. Die Einnahme von Antikonzeptiva innerhalb eines Jah- res vor der Krankheitsmanifestation erhöhte das Risiko gegenüber de- nen, die nie die Pille genommen hat- ten, um das Vierfache (12).

Immunstatus

Die wesentlichen immunpatho- logischen Veränderungen sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. Jedoch ist bei der verwirrenden Fülle zum Teil sich widersprechender Befunde bisher nicht klar, ob die Verände- rungen eine primäre Rolle bei der Entstehung der Krankheit spielen, Tabelle 1: Veränderter Immunstatus

- geschädigte zeltvermittelte Immunität - veränderte Suppressor-Zell-Aktivität - Monozyten-Makrophagen-Dysfunktion - geschädigte Neutrophilen-Funktion - immunvermittelte intestinale Schädigung - durch Antikörper initiierte Reaktionen - Autoantikörper

- Antigen/Antikörper-Immun-Komplexe - unmittelbare Hypersensitivität

- durch Lymphozyten vermittelte Schädigung - sensibilisierte T-Zellen

- antikörperabhängige (K-)Zell-vermittelte Schädigung

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Tabelle 2: Atiopathogenese des Morbus Crohn

-,1■111.11■111■1■111111111.111M.R.

1. Begünstigende Faktoren:

Alter Ernährung Erreger Rauchen

Pubertät Zucker + + Antikonzeptiva Zusatzstoffe

(Carragenine)

veränderte Darmflora (Mykobakterien, L-Formen,Viren) 2. Genetische Disposition:

a) erhöhte Permeabilität der Schleimhaut

Antigenexposition des intestinalen Lymphsystems erhöht b) veränderte Immunregulation

Morbus Crohn (Granulombildung, Ulzeration) oder ob es sich um Sekundärphäno-

mene handelt. Auch ist nicht ge- klärt, wie weit sie am Beginn der Krankheit beziehungsweise der Ent- zündung auftreten, oder wie weit sie die Entzündung unterhalten. Wahr- scheinlich ist, daß eine immunregu- latorische Störung vorliegt, wobei ein Unvermögen der antigen-spezifi- schen Suppressor-Zellfunktion, ad- äquat auf stimulierende Antigene zu reagieren, im Vordergrund steht.

Bestimmte Autoimmunphänomene scheinen sekundär aufzutreten.

Es ist hervorzuheben, daß be- stimmte immunologische Abwei- chungen nicht nur bei Patienten, sondern auch bei gesunden Ver- wandten nachgewiesen wurden, zum Beispiel zirkulierende Antikörper gegen E. coli und gegen Kolonepi- thel und zirkulierende Anti-Lym- phozyten-Antikörper, so daß hier ei- ne genetisch bestimmte Reaktions- weise vorzuliegen scheint. Von be- sonderem Interesse ist das Verhal- ten und der Anteil der intestinalen Lymphozyten am Krankheitsprozeß (18).

Ätiopathogenese

Mehrere Risikofaktoren für die Entstehung des Morbus Crohn sind bisher vermutet worden. Die famili- äre Häufung bei Verwandten ersten Grades, aber auch zweiten Grades, läßt auf eine genetisch bedingte Be- reitschaft schließen, an Morbus Crohn zu erkranken, wenn bestimm- te Umweltfaktoren einwirken, zum Beispiel in der Zusammensetzung der Nahrung.

Zu den genetisch bedingten Faktoren scheint unter anderem ei- ne gesteigerte intestinale Permeabi- lität zu gehören, sowohl bei den Crohnkranken selbst, als auch bei den nicht erkrankten Verwandten (8). Parent und Mitthell haben bei acht Patienten mit Morbus Crohn pseudomonasähnliche Formen aus dem Gewebe unter speziellen Kul- turbedingungen gezüchtet; zu diesen gehört ein hypertones Milieu, das durch Sukrose in dem Nährboden erzeugt wird.

Hier besteht vielleicht ein Zu- sammenhang mit dem erhöhten

Zuckerverzehr der Crohnpatienten, wodurch auch im Darmlumen ein hypertones Milieu erzeugt wird, das die L-Formen der Bakterien bevor- zugen. Viele der Patienten hatten Antikörper gegen die Erreger im Blut, die nach Resektion des er- krankten Darmabschnittes ver- schwanden. Nimmt man an, daß die Immunregulation bei Morbus Crohn erheblich verändert ist, so könnte das Zusammenwirken mehrerer Umweltfaktoren krankheitsauslö- send wirken. Für diese genetisch be- dingte Bereitschaft sind wahrschein- lich mehrere Gene notwendig (Poly- genie), (9). Die Tabelle 2 faßt die Vorstellungen zusammen.

Therapie

des Morbus Crohn

Für die Therapieentscheidung ist die Sicherung der Diagnose, der Grad der Aktivität, die Lokalisation und die Ausdehnung der Erkran- kung Voraussetzung. Für den Grad der Aktivität hat sich die Entwick- lung eines Index bewährt, um eine Grundlage für die vergleichende Therapiebeurteilung zu haben (6).

Ein Index von 100 bis 250 zeigt eine deutlich erhöhte, einer von mehr als 250 eine stark erhöhte Krankheits- aktivität an. Der Morbus Crohn soll

nur dann medikamentös behandelt werden, wenn erhebliche Krank- heitserscheinungen dies notwendig machen. Die Behandlung erfolgt nach folgenden Richtlinien:

0 Ernährung

Für die meisten Patienten ist eine Normalkost mit nicht blähen- den, aber nicht faserarmen Anteilen zu empfehlen. Unverträglichkeiten müssen berücksichtigt werden. Dazu gehören nicht selten Milch, beson- ders bei Laktasemangel, manche Gemüse und Früchte. Patienten mit Morbus Crohn neigen zur Oxalat- steinbildung; eventuell ist eine Ein- schränkung von Kaffee und Tee, Rhabarber und Sellerie und ähnli- chem notwendig. Verluste durch Diarrhoe an Natrium, Kalium, Ma- gnesium, Kalzium, Bikarbonat, Ei- sen und Zink müssen ausgeglichen werden, ebenso Vitaminmangelzu- stände, insbesondere B12 und Folat.

Sogenannte Elementardiäten können eingesetzt werden, wenn die normale Nahrungsaufnahme wegen Inappetenz oder aus mechanischen Gründen oder wegen ausgedehnter Entzündungsprozesse nicht möglich ist. Diese Diäten erzeugen oft Durchfall (6). Deshalb ist es zweck- mäßig, zunächst mit kleinen Mengen Dt. Ärztebl. 85, Heft 38, 22. September 1988 (43) A-2587

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anzufangen und die Zufuhr allmäh- lich zu steigern. Die parenterale Er- nährung über einen Cava-Katheter ist wegen der Komplikationsgefahr (Infektionen, Thromboseneigung) nur kurzfristig für schwerkranke Pa- tienten einzusetzen.

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Arzneimittel

Für die medikamentöse Thera- pie stehen folgende Mittel zur Ver- fügung: Steroide, Salazopyridin (Azulfidine®, Colo-Pleon®), 5-Ami- nosalicylsäure , Mesalazin (Salo- falk' , Claversal®), Metronidazol (Clont®, Flagyl®). Bei hoher Aktivi- tät der Krankheit und schweren aku- ten Krankheitserscheinungen ist Prednisolon das Mittel der Wahl (60 bis 80 mg/Tag), i. v. in Kombination mit parenteraler Ernährung.

Bei Besserung des Zustandes in- nerhalb von drei bis vier Tagen Ver- minderung der Dosis und Umstel-

Chirurgische Behandlung

Zwischen Chirurgen und Inter- nisten besteht weitgehende Überein- kunft, daß der Patient mit Morbus Crohn so lange wie möglich konser- vativ behandelt werden soll. Als ein- deutige Indikation zur Operation haben jedoch folgende Zustände zu gelten:

C) Stenose, C) Perforation,

® Fisteln,

® Abszesse,

®

Wachstumsverzögerung bei Kindern und Jugendlichen, C) nicht kontrollierbare

Blutungen,

® toxische Dilation des Kolons,

® schwere und hartnäckige extraintestinale Komplika- tionen.

lung auf orale Ernährung und Medi- kation (20 bis 40 mg/Tag); Fortset- zung der Behandlung über vier sechs Wochen und dann allmähliche Her- absetzung der Dosis um 10 mg/Wo- che innerhalb von vier Wochen; Er- haltungsdosis bei 10 mg, eventuell in Kombination mit Azathioprin (Imu- rek®) 50 bis 75 mg/Tag. Bei Ileitis beziehungsweise Ileo-Colitis sind Kortikosteroide wirksamer als Sala- zo-Sulfapyridin, bei isolierter Colitis ist das Salazo-Sulfapyridin oder das Mesalazin den Kortikoiden gleich- wertig. Das Azathioprin kann als steroidsparend in der Langzeitthera- pie nützlich sein. Das Metronidazol (Clont®, Flagyl®), 250 mg viermal täglich, ist etwa so wirksam wie Azulfidin bei Patienten mit Kolon- befall.

Die anti-diarrhoeische Behand- lung erfolgt symptomatisch mit Lo- motil, Imodium® oder, wenn ange- zeigt, mit Colestyramin (Quanta- lan®).

Die Operation sollte „als ein vorübergehendes Ereignis während einer lebenslangen Krankheit ange- sehen werden und auf ein Minimum beschränkt werden". Das ist das Fa- zit eines erfahrenen Chirurgen, dem wir die Einführung der Minimal- operation verdanken, das heißt die Resektion von unter Umständen nicht mehr als ein bis zwei Zentime- ter des Darmabschnittes (6, 11).

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, zu beziehen über den Verfasser.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. G. A. Martini Zentrum für Innere Medizin Klinikum der Philipps-Universität Baldingerstraße/Lahnberge 3550 Marburg (Lahn)

FÜR SIE REFERIERT

Kolon-Screening in der

Familie?

Der Dickdarmkrebs gehört zu den Malignomen, bei denen eine eindeutige familiäre Häufung beob- achtet werden kann. Von Lynch sind mehrere Familien beschrieben wor- den, bei denen bis zu 50 Prozent der Mitglieder an einem kolorektalen Karzinom erkrankt waren.

Die Autoren führten bei 154 asymptomatischen Personen, die sich nur dadurch auszeichneten, daß ein oder zwei nahe Verwandte von ihnen an einem kolorektalen Karzi- nom erkrankt waren, eine Kolosko- pie durch.

Bei 28 Personen (18 Prozent) fanden sich 45 Adenome, eine Per- son wies ein 3 cm großes villöses Adenom auf. Bei 6 Personen fanden sich tubuläre Adenome mit einem Durchmesser von 5 bis 9 mm, bei weiteren 21 nur kleine Adenome von 2 bis 4 mm Durchmesser.

Die Prävalenz der Adenome zeigte eine eindeutige Alterskorrela- tion. Personen, bei denen zwei nahe Verwandte eine positive Karzinom- anamnese boten, wiesen eindeutig mehr Adenome auf als Personen, bei denen nur ein Verwandter an einem kolorektalen Karzinom er- krankt war.

Eine allgemeine Empfehlung, diesen Personenkreis gezielt einer koloskopischen Untersuchung zu unterziehen, können die Autoren jedoch nicht aussprechen, da die Daten für ein so kostenintensives Screeningprogramm noch nicht aus- reichend erscheinen.

Grossman, S., M. L. Milos: Colonoscopic Screening of Persons with Suspected Risk Factors for Colon Cancer. Gastroenterol- ogy 94: 395-400, 1988.

Division of Gastroenterology, Depart- ment of Medicine, Kaiser Permanente Medical Center, Oakland, Kalifornien.

Referenzen

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