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Archiv "Die Therapie der Schizophrenie im Jugendalter: Schlußwort" (27.11.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Die Therapie

der Schizophrenie im Jugendalter

I

Dosierung der Neuroleptika

In der sonst hervorragenden und umfassenden Publikation von Rem- schmidt und Martin wurde die von H.-J. Haase in der Deutschen Med.

Wochenschrift, 1963, Heft 88, aufge- stellte Gliederung der Neuroleptik unrichtig und mißverständlich wie- dergegeben.

Haase bezog seine Gliederung der Neuroleptika auf Chlorproma- zin, das er gleich die Zahl 1 setzte, und nannte alle Neuroleptika als neuroleptisch schwachpotent, die ei- ne höhere Dosis zum Erreichen der von ihm konzipierten neurolepti- schen Schwelle benötigten. Diejeni- gen Neuroleptika, die eine zuneh- mend sich verringernde Dosis als Chlorpromazin benötigten, wurden als mittelstark bis sehr stark neuro- leptisch potent bezeichnet. Die neu- roleptische Schwelle läßt sich als feinster klinisch erfaßbarer Indikator der Blockade der Dopaminrezepto- ren mit einer im standardisierten Handschrifttest nachweisbaren ex- trapyramidal bedingten Hemmung der Feinmotorik feststellen (Haase- Schwellen-Test HST).

Die richtige Definition zu ken- nen, ist die Voraussetzung für die richtige Therapie. Das ist um so wichtiger, als seit Einführung der Neuroleptika in den fünfziger Jahren die schizophren Erkrankten von ei- ner stationären Verwahrpsychiatrie vielfach in eine Drehtürpsychiatrie mit zahlreichen erneuten psycho- tischen Dekompensationen und sta- tionären Wiederaufnahmen geraten sind — wie statistisch nachweisbar.

Dieser Mißstand steht im Zusam- menhang mit Fehldosierungen von Neuroleptika während stationärer wie auch ambulanter Behandlung trotz Einführung der Langzeitneuro- leptika. Entsprechend den Aufgaben

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Dr. phil.

Helmut Remschmidt und Privatdozent Dr. med.

Matthias Martin in Heft 6/1992

der Liga für Psychotisch Kranke müssen wir im Interesse einer opti- malen Patientenbehandlung mittels Neuroleptika auf eine exakte Dar- stellung der Gliederung der Neuro- leptika, ihrer Wirkung und ihrer Do- sierung Wert legen.

Berücksichtigt man bei der neu- roleptischen Behandlung nicht die individuell sehr unterschiedliche Empfindlichkeit des Patienten in be- zug auf die neuroleptischen Schwel- lendosierungen, kommt es bei einem hohen Prozentsatz der Patienten zu vermeidbaren, die Compliance be- einträchtigenden grobmotorischen parkinsonistischen Symptomen.

Mißverständlich ist in der ge- nannten Arbeit außerdem die angeb- lich unterschiedliche neuroleptische Beeinflussung der sogenannten psy- chotischen Plus- und Minussympto- matik. Die beiden Begriffe wurden in diesem Zusammenhang ebenfalls von Haase in die Literatur (1966) einge- bracht, wobei unter Plussymptomatik psychotische Erlebnisse wie Wahn- ideen und Halluzinationen, sowie psy- chotisch bedingte hochgradige Erre- gungs- und innere Spannungszustän- de zu verstehen sind.

Minussymptomatik meint nach Haase die bei schizophren Erkrank- ten häufig zu beobachtende Redu-

zierung des psychoenergetischen Ge- samtniveaus, dem durch soziothera- peutische Maßnahmen zu begegnen ist, während Neuroleptika dieses energetische Minus eher verstärken.

Minussymptomatik meint nicht ge- ringe psychomotorische Aktivitäten des Patienten infolge zum Beispiel depressiver Verstimmungen oder in- nerer affektiver Spannungen.

Dr. med. Arne Brosig Arzt für Psychiatrie und Neurologie Geschäftsführer der

Liga für Psychotisch Kranke Röntgenstraße 9-15

W-4048 Grevenbroich 1

Es ist Herrn Dr. Brosig zu dan- ken, daß er die Frage der Dosierung von Neuroleptika sowie die Bedeu- tung positiver und negativer Sympto- me für die Schizophreniebehandlung in seiner Diskussionsbemerkung auf- gegriffen hat. Allerdings unterliegt er zu beiden Fragen gewissen Miß- verständnissen, die wie folgt richtig- gestellt werden sollen.

Bei der von uns zitierten Ta- belle handelt es sich nicht um die Ta- belle von Haase (DMW Bd. 88/11, S.

509 und 511, 1963), sondern um die Tabelle, die wir dem Beitrag von Berner und Schönbeck aus der

„Psychiatrie der Gegenwart" (Bd.

IV, S. 248, Springer, Berlin—Heidel- berg—New York 1987) entnommen haben. Sie dürfte auf Haase zurück- gehen und unterscheidet sich gar nicht sehr wesentlich von seiner Ta- belle. In ihrem Beitrag geben Berner und Schönbeck zwei Möglichkeiten zur Bestimmung der neuroleptischen Potenz an: Erstens als durchschnitt- liche Dosis, „mit der sich in größeren Patientenstichproben ein antipsy- chotischer Effekt erzielen läßt", und zweitens mit Hilfe sogenannter ex- perimenteller Verfahren, entweder nach dem von Herrn Brosig erwähn- ten Verfahren von Haase oder durch die „Bestimmung des Prolaktinan- stiegs im Serum als Ausdruck des Ausbleibens der dopaminergen Hemmung im Bereich der Hypophy- se". Wie auch immer die Resultate in der Tabelle von Berner und Schön-

IN

Schlußwort

Al -4114 (66) Dt. Ärztebl. 89, Heft 48, 27. November 1992

(2)

beck gewonnen sein mögen, ein Ver- gleich mit der Tabelle von Haase hätte Herrn Brosig unschwer gezeigt, daß zwischen beiden Tabellen keine wesentlichen Unterschiede bestehen.

Um einige Beispiele für die Substan- zen mit schwacher neuroleptischer Potenz zu geben: Für Chlorprothi- xen war in der von uns abgedruckten Tabelle ein Wert für die neurolepti- sche Potenz von 0,8 angegeben, bei Haase lautet der entsprechende Wert 0,66-0,80; für Thioridazin hat- ten wir einen Wert von 0,7 angege- ben, bei Haase ist ein Bereich von 0,5-0,66 notiert. Die in beiden Ta- bellen angegebenen Dosierungen dieser Neuroleptika entsprechen sich ebenfalls weitgehend, wobei Berner und Schönbeck ein etwas breiteres Dosierungsspektrum ange- ben als Haase, sowohl nach unten als auch nach oben.

Gleiches gilt auch für die Neuro- leptika mittlerer und hoher neuro- leptischer Potenz. Für beide Grup- pen sind die Werte in der von uns zi- tierten Tabelle etwas höher als in der Tabelle von Haase, andererseits er- reicht kein Neuroleptikum in der von uns angegebenen Tabelle einen so hohen Wert (nämlich 300), wie ihn Haase für das Triperidol festlegt.

Im Hinblick auf die Notwendig- keit einer individuellen Dosierung können wir Herrn Brosig nur zustim- men, sowohl für die Akutbehandlung als auch für die Langzeitmedikation.

Was die Unterscheidung von positiven und negativen Symptomen betrifft, so geht diese ursprünglich auf den englischen Neurologen Jack- son (1884) zurück, der sie im Zusam- menhang mit einem hierarchischen Modell zerebraler Funktionen ein- führte. Sinngemäß wurden sie in die Psychiatrie von Bleuler (1911) und später von Huber (1957) als Kern- symptome der Schizophrenie einge- führt und beschrieben sowie von zahlreichen anderen Autoren, unter ihnen auch Haase. Wiewohl die mei- sten Neuroleptika überwiegend die positive Symptomatik beeinflussen, so haben insbesondere die Behand- lungsversuche an sogenannten thera- pierefraktären schizophrenen Psy- chosen gezeigt, daß auch die soge- nannte negative Symptomatik in ge- wissen Grenzen neurologisch beein-

flußt werden kann. Dies haben wir bei jugendlichen Patienten mit be- reits chronifizierter Schizophrenie unter Clozapin-Behandlung eindeu- tig zeigen können. Entsprechende Untersuchungen liegen auch aus der Erwachsenenpsychiatrie vor. Dieses atypische Neuroleptikum zeigt kaum extrapyramidale Nebenwirkungen und unterliegt insofern auch einem anderen Wirkungsmechanismus als die klassischen Neuroleptika, an de- nen Haase seine bahnbrechenden Untersuchungen durchgeführt hat.

Wenngleich bei schizophrenen Pa- tienten mit negativer Symptomatik die von Herrn Brosig erwähnten so-

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med.

Dr. rer. nat. Martin H. Schmidt in Heft 6/1992

Fragwürdiger Denkansatz

II

Der Artikel ist insofern zu be- grüßen, als hier besonderes Gewicht gelegt wird auf die Therapierbarkeit einer ganzen Reihe von umschriebe- nen Hirnleistungsstörungen. Ande- rerseits drängt sich sehr der Ein- druck auf, daß mit der Verwerfung des Begriffs MCD das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird und die Häufigkeit eindeutiger leichter allge- meiner und auch umschriebener ze- rebraler Störungen weitgehend ver- leugnet wird. An die Definition eines Syndroms werden völlig überzoge- ne Anforderungen gestellt werden.

Auch „der Schlaganfall" ist ein Syn-

ziotherapeutischen Maßnahmen au- ßerordentlich wichtig sind, so heißt dies aber nicht, daß Neuroleptika ge- nerell unwirksam wären oder gar diese Symptomatik regelhaft verstär- ken. Auch hier gibt es Erfolge und berechtigte Hoffnungen für die Zu- kunft.

Prof. Dr. med. Dr. phil.

Helmut Remschmidt

PD Dr. med. Matthias Martin Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Philipps-Universität Hans-Sachs-Straße 6 W-3550 Marburg

drom, dennoch verbirgt sich hinter jedem Einzelfall ein jeweils hochin-

dividuelles und von Person zu Person völlig unterschiedliches Bedingungs- gefüge mit entsprechend unter- schiedlichen therapeutischen Impli- kationen. Dasselbe gilt etwa für

„die" Schizophrenie, ebenso für

„den" Hypertonus.

Die Absolutsetzung der Ergeb- nisse von Felduntersuchungen ist ausgesprochen fragwürdig. Mit rei- nen Reihenuntersuchungen in der Allgemeinbevölkerung würde sich zum Beispiel der erhöhte Blutdruck lediglich als bedeutungslose End- strecke einer statistischen Normal- verteilung herausstellen. Dennoch ist es nützlich, auf die frühzeitige Er- kennung und Behandlung eines Bluthochdrucks hinzuwirken.

Die eingehende Untersuchung einer Inanspruchnahmepopulation bringt für bestimmte Fragestellun- gen einen unvergleichlich viel höhe- ren Erkenntniszuwachs. Diese Un- terschiede sind nicht von vornherein darauf zu beziehen, daß die Inan- spruchnehmer die jeweilige diagno- stische

Definition der Berater ken- nen.

Meines Erachtens ist die alleini- ge Feststellung einer MCD genauso Minimale zerebrale Dysfunktion

Das MCD-Konzept ist überholt

Dt. Ärztebl. 89, Heft 48, 27. November 1992 (69) A1-4117

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