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Archiv "Diagnostik und Therapie von Hodentumoren: Schlußwort" (29.05.1998)

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zellen durch ein erhöhtes FSH nach- weisen. In einer kürzlich publizierten Studie mit über 200 Patienten konnten wir zeigen, daß noch fünf Jahre nach Beendigung einer cisplatinhaltigen Po- lychemotherapie 31 Prozent der Pati- enten eine kompensierte Störung der Leydigzellen zeigten (1). Über 68 Pro- zent der Patienten hatten ein erhöhtes FSH, ein Ausdruck der langfristigen Spermatogenese-Störung.

Zur Nachsorge halten wir zur Überprüfung der endokrinen Testes- funktion die alleinige Bestimmung von Serum-Testosteron für ausrei- chend. Zur Überprüfung der exokri- nen Funktion ist zusätzlich die Bestim- mung von Serum-FSH zu empfehlen.

In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, daß die Höhe der Se- rum-Konzentration von FSH vor der Therapie eine prognostische Bedeu- tung für die Spermatogenese nach Therapie hat (2). Je höher die Kon- zentration ist, desto schlechter erholt sich die Spermatogenese.

Literatur

1 Brennemann W, Stoffel-Wagner B, Helmers A, Mezger J, Jäger N, Klingmüller D: Gonadal functions of patients treated with cisplatin based chemotherapy for germ cell cancer. The Journal of Urology 1997;

158: 844–850.

2 Brennemann W, Stoffel-Wagner B, Wichers M, Helmers A, Albers P, Mezger J, Klingmüller D: Pre-treatment FSH – a pro- gnostic serum marker of spermatogenesis status in patients treated for germ cell can- cer. The Journal of Urology (in press).

Prof. Dr. med. Dietrich Klingmüller Dr. med. Wolfgang Brennemann Institut für Klinische Biochemie Abteilung Endokrinologie Universität Bonn

Sigmund-Freud-Straße 25 53127 Bonn

Die Vielzahl kritischer und er- gänzender Leserzuschriften zu unse- rem Bericht über die „Interdisziplinä- re Konsensuskonferenz zur Diagno- stik und Therapie von Hodentumo- ren“ ist außerordentlich erfreulich, zeigt sie doch eine differenzierte Be- trachtungsweise und fundierte Aus- einandersetzung vieler Kollegen mit diesem Thema.

Die Kollegen Jungblut und Schmeller bezweifeln die Zweck- mäßigkeit der kontralateralen Ho- denbiopsie bei Patienten mit Keim- zelltumor; durch die therapeutische Bestrahlung des TIN-tragenden Ho- dens werde eine potentielle Restferti- lität eliminiert. In der Tat wird diese definitive, kurative Therapie der testi- kulären, intraepithelialen Neoplasie mit der angestrebten Elimination des Keimepithels erkauft; allerdings ist eine ausreichende Fertilität des kon- tralateralen TIN-enthaltenden Ho- dens eher eine Rarität, da die TIN das Keimepithel überwiegend zerstört und nicht selten zu einer Hodenatro- phie führt (Giwercman, 1994). Trotz allem kann auch eine herdförmige Spermatogenese für moderne repro- duktionsmedizinische Maßnahmen nutzbar und im Einzelfall sehr hilf- reich sein, was bei der jungen Alters- struktur der Patienten mit Hodentu- moren von eminenter Bedeutung sein kann. Wie schon unter Abschnitt 4 un- seres Textes aufgeführt, muß die Dia- gnose „TIN“ nicht immer und unbe- dingt von einer sofortigen definitiven Strahlentherapie gefolgt sein; viel- mehr kann und soll im Einzelfall ab- gewogen werden, ob mit dieser Thera- pie zugewartet wird, bis die Frage der Fertilität beziehungsweise Reproduk- tion adäquat gelöst worden ist. Die Frage ist allerdings, wie lange mit ei- ner definitiven Therapie gewartet werden darf; von der Diagnose einer TIN bis zur Entwicklung eines invasi- ven Hodentumors vergehen mehrere Jahre, in dieser Zeit besteht die Chan- ce für die Zeugung einer Nachkom- menschaft.

Bevor allerdings über den Zeit- punkt der Therapie einer TIN im Einzelfall entschieden werden kann, muß zunächst die Diagnose durch die kontralaterale Hodenbiopsie gestellt worden sein. Im Gegensatz zu der Meinung von Kollege Schmeller muß man davon ausgehen, daß die TIN ei- ne obligate Präkanzerose ist, die mit einer extrem hohen Wahrscheinlich- keit in einen manifesten invasiven Hodentumor übergeht (sieben Jahre nach TIN-Diagnose schon 70 Pro- zent; [2]). Die generelle Biopsie des kontralateralen Hodens ist auch In- halt der Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft, diese haben nichts

mit juristischen Leitlinien zu tun. Die Biopsie gibt im Bereich der Krebs- früherkennung die sehr seltene Mög- lichkeit, diejenigen fünf Prozent der Patienten mit Hodentumoren früh- zeitig zu erkennen, die einen kon- tralateralen Hodentumor entwickeln werden – bei minimalem Aufwand.

Die Komplikationsrate einer Hoden- biopsie ist bei sachgerechter Durch- führung außerordentlich gering und bei der deutschen Multizenterstudie mit über 1 800 biopsierten Patienten unter ein Prozent; kein Hoden ging durch die Biopsie verloren (3). Die Sensitivität der Biopsie ist mit 96 Pro- zent hingegen sehr hoch (nur vier falsch negative Fälle bei insgesamt 1 850 Biopsien!).

Als weiteres Argument gegen die Biopsie wurde angeführt, daß das Wis- sen um das Vorliegen einer Präkan- zerose die Lebensqualität einschrän- ken würde. Unseres Erachtens gilt dies eher für den Fall, daß der Patient über das fünfprozentige Risiko für die Entwicklung eines kontralateralen Hodentumors aufgeklärt wurde, ohne daß eine Maßnahme ergriffen worden ist, um die Frühform dieses Hodenkar- zinoms auszuschließen. Vielmehr gibt die Biopsie denjenigen Patienten, die keine TIN aufweisen – und das sind 95 Prozent der Patienten – die Ge- wißheit, daß sie keinen kontralatera- len Hodentumor entwickeln werden;

für die Lebensqualität ist dies sicher- lich von erheblicher Bedeutung!

Es ist zwar nicht davon auszuge- hen, daß die Heilungsrate durch dieses Vorgehen wesentlich verändert wird – diese liegt auch bei früh erkannten kontralateralen Hodentumoren über 98 Prozent und hoffentlich ebenso hoch bei der Strahlentherapie einer TIN mit vermutlich 100 Prozent (1);

im Sinne der Lebensqualität ist es hin- gegen von großer Bedeutung, daß – anstelle einer Orchiektomie und mög- licherweise adjuvanten Radio- oder Chemotherapie im Falle eines manife- sten Hodentumors – zur Verhütung eben dieses Tumors lediglich die Ra- diatio des TIN-tragenden Hodens durchgeführt würde und der Hoden erhalten bliebe.

Insgesamt gesehen ist die Biopsie des kontralateralen Hodens zur Dia- gnostik beziehungsweise zum Aus- schluß einer TIN sicherlich eine we- A-1387

M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998 (59)

Schlußwort

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sentliche und außerordentlich wichti- ge Maßnahme, weswegen die Mitglie- der der Konsensuskonferenz für die- ses Vorgehen votierten. Auch wenn in der nationalen und internationalen Li- teratur dieses Thema noch diskutiert wird, überwiegen doch die Befürwor- ter dieser Maßnahme. Dies gilt auch für die zitierte Publikation im Journal of Urology, zu der ein kritisches Edito- rial publiziert worden ist – was in der Leserzuschrift von Professor Schmel- ler leider nicht erwähnt worden ist.

Erhaltung der Fertilität

Die Zuschriften von Priv.-Doz.

Dr. Wolff und Dr. Tophof sprechen das wichtige Problem der potentiellen Schädigung der Keimzellen durch die Radio- und insbesondere Chemothe- rapie an. Da das Gremium der Kon- sensuskonferenz die Kryospermakon- servierung vor entsprechenden thera- peutischen Maßnahmen für selbstver- ständlich hielt, wurde in der Publikati- on hierzu nicht ausdrücklich Stellung genommen. Um so dankbarer sind die Autoren für die engagierten Hinweise der Kollegen. In der Tat kann es nicht oft genug betont werden, daß vor Ein- leitung einer spezifischen Tumorthe- rapie mit potentiellem Risiko einer Schädigung des Keimepithels oder Verlust der Ejakulation eine Kryo- spermakonservierung durchgeführt werden sollte. Dies gilt auch für den beim Hodentumor relativ häufigen Fall der Oligozoospermie, da mit Hil- fe moderner reproduktionstechni- scher Methoden auch eine geringe Spermienzahl für eine In-vitro-Fertili- sation ausreicht, so lange die Sperma- tozoen intakt sind. Dieser Hinweis gilt nicht nur für die Therapie von Hoden- tumoren, sondern für den gesamten Bereich der Hämatologie und Onko- logie. Herr Professor Klingmüller weist auf die Möglichkeit hin, die Schädigung der Keim- und Leydigzel- len mit Hilfe der Messung von Testo- steron, LH und FSH unter und nach Therapie im Verlauf der Nachsorge zu monitoren, insbesondere auch, um frühzeitig eine Leydigzelldysfunktion zu erkennen und eine Testosteron- Substitutionstherapie einzuleiten. Wir können uns den Anregungen von Herrn Professor Klingmüller nur anschließen.

Chemotherapie

Kollege Gerl gibt die im Vergleich zu PEB möglicherweise unterlegene Wirksamkeit einer Chemotherapie be- stehend aus vier Zyklen Cisplatin plus Etoposid zu bedenken. In der zitierten EORTC-Studie von de Wit, in der die zweier-Kombination PE der dreier- Kombination PEB in bezug auf die Rate kompletter Remissionen unterle- gen war, wurde eine deutlich geringere Etoposiddosis pro Zyklus gegeben als in dem von uns angegebenen PE-Pro- tokoll (Etoposid 120 mg/m² d 1, 2 und 3 gegenüber 100 mg/m² d 1, 2, 3, 4, 5); da allerdings nicht auszuschließen ist, daß vier Zyklen PE auch in der höheren Etoposid-Dosierung wirklich äquiva- lent sind gegenüber drei Zyklen PEB, haben auch wir vier Zyklen PE aus- drücklich nur für solche Patienten empfohlen, bei denen eine Kontraindi- kation gegen Bleomycin besteht.

Die Anmerkungen zur Sequenz der operativen Eingriffe bei Resttu- moren sind eine sinnvolle Ergänzung;

neuere Arbeiten weisen darauf hin, daß der Nachweis von Nekrose in re- sezierten Lymphknotenmetastasen mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hindeutet, daß auch in den Lungen- metastasen ausschließlich nekrotische Residuen nachweisbar wären und ei- ne Operation dieser pulmonalen Re- siduen zunächst aufgeschoben wer- den kann; erst bei nicht ausreichender Regression dieser Restbefunde über längere Zeit (zum Beispiel sechs Mo- nate), oder bei erneutem Größerwer- den dieser Herde ohne Markeran- stieg, wäre in diesen Fällen die Resek- tion auch der Lungenmetastasen indi- ziert. Es muß allerdings betont wer- den, daß der Nachweis von Nekrose in resezierten retroperitonealen Lymph- knoten nicht das Vorhandensein eines malignen Tumoranteils oder differen- zierten Teratoms in den Lungenmeta- stasen ausschließt (4). Bei Vorliegen von residuellen Metastasen in retro- peritoneum und Lunge ist es somit empfehlenswert, zunächst die retro- peritonealen Residuen zu entfernen;

die Kenntnis ihrer Histologie erleich- tert die Entscheidung über das weite- re Vorgehen, das in Einzelfällen auch aus engmaschiger Kontrollen der resi- duellen Lungenmetastasen bestehen kann. Dieses Vorgehen darf allerdings

angesichts der Risiken und Unsicher- heit über die tatsächliche Histologie dieser Herde keinen Standard darstel- len.

Fazit

Zu Recht wird in dieser Leserzu- schrift noch einmal auf die Empfeh- lung in unserer Publikation hingewie- sen, daß Patienten mit Hodentumo- ren grundsätzlich nur von solchen Ärzten und Institutionen behandelt werden sollten, die über ausreichend Erfahrung und Expertise verfügen. Es ist mittlerweile in prospektiven Studi- en eindeutig nachgewiesen, daß Pati- enten mit fortgeschrittenen Hodentu- moren ein hochsignifikant schlechte- res Überleben haben, wenn sie in Kli- niken behandelt worden sind, in de- nen weniger als fünf Patienten pro Jahr mit Chemotherapie behandelt werden (L. Collette, Publikation in Vorbereitung). Die Diagnostik und Therapie des Hodentumors verlangt eine äußerst differenzierte Vorge- hensweise, große Kenntnis der Mög- lichkeiten und besondere Expertise in der Durchführung.

Literatur

1. Bokemeyer C, Schmoll H-J, Schöffski A, Harstrick A, Bading M, Poliwoda H: Bilate- ral testicular tumours: prevalence and clini- cal implications. Eur J Cancer 1993; 29 (6):

874–876.

2. Daugaard G, Giwercman A, Skakkebeck NE: Should the other testis be biopsied?

Semin Urol Oncol 1996; 14: 8–12.

3. Dieckmann K-P, Loy V: Prevalence of con- tralateral testicular intraepithelial neo- plasia in patients with testicular germ cell neoplasms. J Clin Oncol 1996; 14:

3126–3132.

4. Hartmann JT, Candelaria M, Kuczyk MA, Schmoll H-J, Bokemeyer C: Comparison of histological results from the resection of re- sidual masses at different sites after chemo- therapy for metastatic non-seminomatous germ cell tumors. Eur J Cancer 1997; 33.

843–847.

Prof. Dr. med. Hans-Joachim Schmoll Innere Medizin

Hämatologie/Onkologie Zentrum für Innere Medizin Martin-Luther-Universität Ernst-Grube-Straße 40 06120 Halle/Saale

Prof. Dr. med. Lothar Weißbach Urologische Klinik

Krankenhaus am Urban Dieffenbachstraße 10957 Berlin

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M E D I Z I N DISKUSSION

(60) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 22, 29. Mai 1998

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