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Archiv "Zu viel Diagnostik und Therapie" (18.04.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 16

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18. April 2014 287

M E D I Z I N

DISKUSSION

Zu viel Diagnostik und Therapie

Die Kernaussagen von Wienhold et al. (1) zur Versorgungswirk- lichkeit des Schilddrüsenknotens: „in Deutschland wird zu viel szintigraphiert, operiert, zu selten punktiert …“ sind zutreffend.

Richtig ist auch, dass die durch die KV vorgegebenen Abrech- nungsobergrenzen für Sonographien und die geringe Honorie- rung der Feinnadelpunktion (FNAZ) zu diesen Fehlentwicklun- gen beitragen. Die „Vermutung“, die Operationsindikation werde (zu) häufig durch die Szintigraphie gestellt ist (vielfach) deut- sche Realität. Solange Schilddrüsenprobleme fast reflektorisch eine Szintigraphie indizieren und der szintigraphische Befund

„kalter Knoten“ bei Ärzten wie Patienten die Assoziation „Mali- gnitätsverdacht“ auslöst, wird sich an der Übertherapie nichts än- dern. Attraktive Honorierung von Schilddrüsenoperationen, irri- tierende Szintigraphiebefunde und die uns weltweit zugeschrie- bene „German Angst“ provozieren unnötige Operationen.

Fazit: Da die allermeisten Schilddrüsen-Erkrankungen und Funktionsstörungen durch Anamnese, wenige Laborparameter und qualifizierte Farbdoppler-Sonographie, gegebenenfalls Elas- tographie und FNAZ konklusiv diagnostiziert werden, muss dies diagnostischer Standard werden (2). In überarbeiteten Leitlinien sollte klar formuliert werden, dass die strahlenbehaftete Szinti- graphie nicht als primäres Untersuchungsverfahren und nicht zur Malignitätsdiagnostik, bei Hypothyreose, Basedow und zur Au- tonomie-Klärung bei sonographisch volumetrierten Knoten < 1 mL und avaskulären < 2 mL indiziert ist. Die Anwendung dieser Maßstäbe führt, wie eine jüngst selbst durchgeführte betriebs- ärztliche Untersuchung mit circa 1 000 Teilnehmern gezeigt hat, zu Szintigraphieraten unter 10 %.

Problematisch sind die Aussagen zur – zu seltenen – Calcito- ninbestimmung bei nichtoperierten Knoten (1). Aus Platzgrün- den muss auf eine hervorragende kritische Übersicht verwiesen werden (3). Calcitonin ist zur Detektion des C-Zellkarzinoms (wie viele wurden bei den 25 600 Kassen-Patienten [1] gefun- den) hochsensitiv, die Spezifität ist jedoch irritierend gering (2, 3). Präanalytische Laborprobleme, viele falschpositive Befunde und die Kosten (eine Calcitoninbestimmung entspricht circa dem halben Quartalsbudget für einen Patienten) erklären die ärztliche Zurückhaltung. Statt eine „breitere Disseminierung des Calcito- ninsreenings“ zu fordern, sollte umgekehrt die Leitlinie an die Praxiswirklichkeit und an die Entwicklung der Sonographie an- gepasst werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0287a

LITERATUR

1. Wienhold R, Scholz M, Adler JB, Günster C, Paschke R: The management of thy- roid nodules—a retrospective analysis of health insurance data. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(49): 827–34.

Nutzen einer Nachkontrolle nicht belegt

Der Kernaussage, dass die Sonographie für nichtoperierte Schilddrüsenknoten im weiteren Verlauf zu selten durchgeführt wird, kann ich mich nicht anschließen (1). Wie richtig dargestellt wird, haben circa 20 % der Bevölkerung mindestens einen Kno- ten in der Schilddrüse, wissen zum größten Teil nichts davon und leben gut ohne Kontrollen. Sollten die Knoten alle gefunden und kontrolliert werden, würden die entstehenden Kosten das Ge- sundheitssystem überfordern.

Die positiv prädiktiven Werte der Schilddrüsensonographie sind sehr niedrig (8–20 %) bei extrem niedrigen Vortestwahr- scheinlichkeiten für Malignität (2). Das ist sicher auch ein Grund für die im Artikel als zu hoch kritisierte Anzahl diagnostischer Operationen. Es gibt keine Evidenz für den Nutzen von Nach- kontrollen bei initial nicht als maligne eingestuften Knoten. Wir wissen nicht, welche Nachsorgeintervalle sinnvoll sind und wann man mit dem Screening aufhören kann.

Schilddrüsenkrebs trifft in Deutschland circa 5 500 Menschen pro Jahr und hat für die häufigsten Subtypen eine exzellente Prognose (3). Morphologische Schilddrüsenuntersuchungen soll- ten sich auf symptomatische Patienten oder Patienten mit Funkti- onsstörungen beschränken, bis wir aus guten klinischen Langstu- dien Evidenz dafür haben, dass asymptomatische Knoten medi- zinischer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Mehrheit der circa 16 000 000 Menschen mit asymptomatischen Schilddrüsenkno- ten wird dankbar sein, wenn ein Problem, das keins ist, sie nicht zu chronisch Kranken macht, und die beschränkten Ressourcen für relevantere Gesundheitsprobleme genutzt werden können.

DOI: 10.3238/arztebl.2014.0287b LITERATUR

1. Wienhold R, Scholz M, Adler JB, Günster C, Paschke R: The management of thyroid nodules—a retrospective analysis of health insurance data. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(49): 827–34.

2. Bonavita JA, Mayo J, Babb J, Bennett G, Oweity T, Macari M, Yee J: Pattern recognition of benign nodules at ultrasound of the thyroid: which nodules can be left alone? AJR Am J Roentgenol 2009; 193: 207–13.

3. Robert Koch Institut. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Krebs in Deutschland 2009/2010, 9th edition. 2013. www.krebsdaten.de/Krebs/DE/

Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_node.html (last accessed on 5.3.2014)

Prof. Dr. med. Jean-François Chenot, MPH Abteilung Allgemeinmedizin, Institut für Community Universitätsmedizin Greifswald, jchenot@uni-greifswald.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

zu dem Beitrag

Versorgung bei Schilddrüsenknoten – Eine retrospektive Analyse von Krankenkassendaten

von Romy Wienhold, Prof. Dr. rer. nat. Markus Scholz,

Jürgen-Bernhard Adler, Christian Günster, Prof Dr. med. Ralf Paschke in Heft 49/2013

2. Braun B. Schilddrüse und Nebenschilddrüsen. In: Braun B, Günther R, Schwerk WB (eds.): Ultraschalldiagnostik – Lehrbuch und Atlas. Heidelberg, München, Landsberg: ecomed MEDIZIN 2010; III-3.1: 1–238.

3. Ross DS, Cooper DS, Mulder JE: Diagnostic approach to and treatment of thyroid nodules. Serum calcitonin concentration. www.uptodate.com/store (Last accessed on 25 September 2013).

Prof. Dr. med. Bernd Braun Reutlingen, Prof.B.Braun@gmx.de Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Referenzen

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