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Archiv "Diagnostik und Therapie mit Vernunft" (27.07.1978)

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Bericht und Meinung PRESSESTIMMEN

Diagnostik und

Therapie mit Vernunft

„Die Tendenzwende wurde von der höchsten Autorität der Medizin in Deutschland, vom Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für In- nere Medizin, eingeläutet.

Professor Rudolf Gross, Ordina- rius der Universität Köln, hatte als zweites Hauptthema für den ersten Tag des Internistenkongresses in Wiesbaden provokativ als Leitsatz ,Diagnostik und Therapie mit Ver- nunft' aufs Programm gesetzt.

Tenor der Vorträge war denn auch die Rehabilitierung der Anamnese, des ärztlichen Gesprächs, bei dem der Patient sagen darf, was er auf dem Herzen und nicht nur auf der Milz hat. Im Grunde war diese Eh- renrettung längst fällig. In 60 bis

80 Prozent aller Fälle kann man schon aus der Anamnese die Dia- gnose stellen. Eigentlich war alles selbstverständlich, was der Klini- ker Professor H. Losse aus Mün- ster über die ,unveränderte Be- deutung der Anamnese' zu sagen wußte. Aber es war gut, daß er es sagte.. .

Die große Überraschung in Wies- baden brachte aber der Zürcher Kliniker Professor Walter Siegen- thaler. Er setzte den alten Satz ,vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gesetzt' außer Kurs, schilderte einen alltäglichen Fall, um zu beweisen, daß es oft schäd- lich ist, eine zeitraubende Diagno- se zu stellen.

Ein 23jähriges Mädchen wird mit anhaltend hohem Fieber unbe- kannter Ursache in seine Klinik eingewiesen. Bis alle bakteriologi- schen Untersuchungen vorliegen, kann das Mädchen schon tot sein.

So gibt er erst einen Schuß mit einem Breitbandantibiotikum in Richtung der vermuteten Krank- heitsursache ab. Als das nicht hilft,

einen zweiten Schuß mit einem Cortison-Präparat. Das Fieber sinkt, das Mädchen kann bald ent- lassen werden. Der Professor hat die Patientin geheilt, er weiß nur nicht, welche Krankheit er kuriert hat.

Seit Beginn unseres Jahrhunderts hat man dem Praktiker eingeredet, er müsse genauso handeln und denken wie der Kliniker, denn es gebe ja nur eine Medizin. Jetzt paßt sich endlich der Kliniker der Handlungsweise des Praktikers an. Dieser mußte ja schon immer handeln, bevor er eine handfeste Diagnose besaß; er wußte schon lange, daß es unsinnig ist, für ei- nen relativ problemlosen Fall die ganze diagnostische Mühle der Klinik in Bewegung zu setzen.

Nun wird also die Medizin wieder menschlicher. Es ist zu hoffen, daß einige der 2000 Internisten, die den Vorträgen in Wiesbaden stumm folgten, das alles schon ge- wußt haben, was die geläuterten Kliniker ihnen in Wiesbaden vor- trugen, denn es war im Grund das Selbstverständlichste von der Welt." Friedrich Deich

Zeitgeist Angst

Der politische und menschliche Wille in unserer Zeit wird nicht von Gesinnung und Erkenntnis, son- dern von Angst geformt. Angst, pure Angst, geradezu physische Angst bestimmt das persönliche Verhalten sowohl im privaten wie im gesellschaftlichen Bereich.

Angst vor Krebs. Angst vor dem Atom. Angst vor Nikotin. Angst vor sozialem Konflikt. Angst vor Bak- terien. Angst vor Entführung.

Angst vor Pillen und Medizinen.

Angst vor dem Auffälligsein. Angst vor dem Altern. Angst vor Steuern.

Angst vor Streit. Angst vor Regen, Schnee, Trockenheit und Hitze, vor Abgasen in der Luft und Quecksilber in Früchten, vor Mee- resverschmutzung, „Bevölke- rungsexplosion" und Bevölke- rungsrückgang. Angst vor Auto-

pannen, „Polizeistaatlichkeit",

„Wanzen" und Neuwahlen. Angst

— nackte, unausgesetzte Angst.

Diese Angst wird mit Methode und Konsequenz von allen „Medien"

betrieben. Man kann keine Zeitung aufschlagen, keinen Fernsehappa- rat andrehen, ohne der Angsterre- gung zu begegnen.

Die Schauerfilme, die „medizini- schen" Warnungen in der populä- ren Presse, all die „Krimis", die

ZEITBÜHNE

„Thrillers", die „Comics", die kas- sandrische „Futurologie", die

„Bürgerinitiativen" gegen die Kernkraftwerke, die täglichen Warnungen vor Rauchen, Essen und Trinken, vor zuviel Bewegung und zuwenig Bewegung, die Greu- elnachrichten über Leukämie und Herzinfarkt, über Leben und Tod, über Wirtschaftswachstum und Wirtschaftskrise, über Anarchie ei- nerseits und „Polizeistaat" ande- rerseits, über Armut und über Reichtum, über „Emotionen" und über „Kontaktmangel" — all das bestimmt den gequälten Zeitgeist.

„Informiert sein", „vernünftig sein", „rationell sein" heißt, Angst zu haben. „Fürchte dich!" — das ist im Grunde alles, was die „öffentli- che Meinung" dem privaten Men- schen noch mitzuteilen hat.

„Fürchte dich!" — das ist das erste und einzige Gebot des Zeitgeistes.

Ich sagte vorhin, daß Angst von allen „Medien" mit Methode und Konsequenz betrieben wird. Damit wollte ich aber keineswegs sagen, daß irgendwo eine Gruppe von makabren Verschwörern zusam- menhockt, die all die Angststrate- gien sorgfältig plant und, dank des Gehorsams subalterner Mitver- schwörer, in den „Medien" durch- setzt. . . Was dahintersteckt, ist die vollkommen normale Natur des Menschen: der Mensch ist weder zum Arbeiten noch zum Leben, ja nicht einmal zum Lieben zu bewe- gen, wenn ihm nicht ein „Feind- bild" gegeben wird. WSS

1738 Heft 30 vom 27. Juli 1978 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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