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Archiv "Aktueller Stand der Diagnostik und Therapie von Hodentumoren" (01.02.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

Aktueller Stand der

Diagnostik und Therapie von Hodentumoren

nläßlich des 60. Geburtstags von Prof. Dr. Winfried Vah- lensieck, Direktor der Urolo- gischen Universitätsklinik Bonn, fand am 15. und 16. 4. 1989 in Bonn- Bad Godesberg ein internationales Hodentumor-Symposium unter dem Vorsitz von N. Jaeger, Urologische Universitätsklinik, und J. H. Hart- lapp, Medizinische Universitätskli- nik, statt. Hierzu fanden sich nam- hafte Referenten aus dem In- und Ausland ein, die über den neuesten Stand der Diagnostik und Therapie von Hodentumoren berichteten.

Chemotherapie

Verstarb vor 15 Jahren noch je- der zweite an einem Hodentumor er- krankte Mann, so ist heute durch die neuen umfassenden Behandlungs- möglichkeiten eine Heilung bei 95 Prozent der Patienten möglich. Zu dieser überaus günstigen Entwick- lung haben die Etablierung stan- dardisierter Operationsverfahren und der Einsatz neuartiger zytostati- scher Substanzen maßgeblich beige- tragen. L. H. Einhorn, Indiana Uni- versity, Indianapolis, USA, berichte- te über den gegenwärtigen Stand der Chemotherapie in fortgeschrittenen Stadien: Während der späten 60er und frühen 70er Jahre kamen in die- sen Fällen vornehmlich Che- motherapeutika wie Actinomycin D, Methotrexat, Chlorambucil, Vinbla- stin und Bleomycin als Monothera- pie zum Einsatz. Diese führten in nur etwa 10 bis 20 Prozent zu einer Vollremission. Eine deutliche Ver- besserung der Ansprechrate wurde durch den kombinierten Einsatz von Bleomycin und Vinblastin er- reicht.

Der eigentliche Durchbruch in der chemotherapeutischen Behand- lung gelang jedoch erst durch die

Einbeziehung von Cis-Platin, das im sogenannten „Einhorn-Schema", ei- ner Kombination von Cis-Platin, Vinblastin und Bleomycin (PVB), 1974 erstmals eingesetzt wurde.

Hierdurch wurden komplette Remis- sionen in 68 Prozent erreicht. Durch wiederholte Modifizierungen in der Dosierung konnten schwerwiegende Nebenwirkungen, vor allem Myelo- depression mit Granulozytopenie und Sepsis, deutlich reduziert wer- den.

Eine weitere Toxizitätsminde- rung verspricht der Einsatz von Eto- posid anstelle des Vinblastin (BEP- Schema). Nach randomisierten Stu- dien führt diese Kombination im Vergleich zum herkömmlichen PVB- Schema zu gleichwertigen Ansprech- raten bei einer signifikanten Redu- zierung von Neuropathien und Myal- gien. Daher ist derzeit an der India- na University BEP die Standard- Kombination in der Behandlung des fortgeschrittenen Hodentumors. In einer jüngst abgeschlossenen Studie wurden bei geringer bis mittelgradi- ger Ausdehnung der Metastasierung die therapeutischen Ergebnisse von drei beziehungsweise vier Kursen BEP verglichen. Die komplette Re- missionsrate betrug in beiden Ver- gleichsarmen 98 Prozent, die Relap- se-Rate jeweil 5 Prozent. Somit ist die Durchführung von drei Che- motherapiekursen in diesen Fällen ausreichend.

Bei weit fortgeschrittenem Sta- dium (> 10 Metastasen/Lungenfeld, Leber-, Knochen-, ZNS-Metastasen) wird derzeit in einer Studie die Standard-BEP-Chemotherapie mit identischem Schema, aber Verdopp- lung der Cis-Platin-Dosierung, ver- glichen. Endgültige Ergebnisse lie- gen noch nicht vor, aber nach einer Zwischenauswertung kann eine Er- höhung der Platin-Dosierung den Therapieerfolg offensichtlich nicht steigern.

Salvage-

Lymphadenektomie

Die Chemotherapie führt bei et- wa 70 Prozent der Patienten mit fort- geschrittener retroperitonealer Me- tastasierung zur Vollremission. Bei den verbleibenden 30 Prozent ist nach dieser Behandlung noch ein Residualtumor nachweisbar. Über die Behandlungsstrategie dieser Pa- tienten berichtete J. P. Donohue, In- diana University, Indianapolis, USA:

Retroperitoneale Residualtu- moren stellen meist eine Indika- tion zur Salvage-Lymphadenektomie (LA) dar. Voraussetzung für einen solchen Eingriff ist die Normalisie- rung der Tumormarker AFP und ß-HCG. Bei peristierend erhöhten Markern kann dieses Ziel gegebenen- falls mit einer geänderten Medika- mentenkombination erreicht werden.

Die Salvage-LA sollte sich nicht auf eine Exstirpation des Tumors be- schränken, da hierbei makroskopisch nicht sichtbare Metastasen belassen werden könnten. Eine nervenscho- nende und damit ejakulationsprotek- tive Operationstechnik ist jedoch bei den zumeist jungen Patienten erstre- benswert. Pathohistologisch findet sich in 40 Prozent der Fälle Nekrose oder Fibrose, in 40 Prozent adultes Teratom und in weiteren 20 Prozent persistierender vitaler Tumor. In letzterem Fall muß eine Salvage- Chemotherapie angeschlossen wer- den. In Abhängigkeit von der Histo- logie des Hodentumors und dem Grad der Remission kann bei einem Teil der Patienten mit einem Resi- dualtumor auf eine Salvage-LA ver- zichtet werden. Voraussetzung ist der Ausschluß teratomatöser Ele- mente im Primärtumor sowie eine Volumenreduktion der retroperito- nealen Tumormasse unter Chemo- therapie um mindestens 90 Prozent, da in diesen Fällen die Residuen fast ausschließlich aus benignem nekroti- schen oder Narbengewebe bestehen.

Das Vorgehen beim Residualtu- mor des primär reinen Seminoms ist derzeit noch nicht einheitlich. Trotz der guten Ansprechrate der Meta- stasen auf eine fortgeführte Chemo- therapie führen einige Zentren in A-294 (46) Dt. Ärztebl. 87, Heft 5, 1. Februar 1990

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diesen Fällen immer noch eine Be- strahlung des Retroperitoneums durch, während andere nach zytosta- tischer Behandlung, wiederum ab- hängig vom Maß der Tumorvolu- menreduktion, auf die Salvage-LA verzichten.

„Wait and See"

Noch vor fünf Jahren war die Standardtherapie für nichtsemino- matöse Hodentumoren im klinischen Stadium I (Tumor auf den Hoden beschränkt) die radikale Lymph- adenektomie. Etwa 80 Prozent die- ser Patienten haben pathohistolo- gisch keine Metastasen. Diese Kenntnis forderte dazu heraus, die Therapie und die mit ihr verbunde- nen Nebenwirkungen auf ein Mini- mum zu beschränken. Es entwickel- ten sich zwei Strategien, um eine Übertherapie zu vermeiden. L.

Weißbach, Berlin, stellte die „Wait and See"-Strategie, auch „Surveil- lance" genannt, der modifizierten Lymphadenektomie gegenüber: Bei- de Konzepte erreichen im klinischen Stadium I "Überlebensraten bis zu 99 Prozent. Gäbe es keine Diskrepanz zwischen klinischem und pathohisto- logischen Stadium I, könnte der Sur- veillance-Strategie in jedem Fall der Vorzug gegeben werden. Die man- gelhafte Sensitivität aller klinischen Untersuchungsmethoden und die sich daraus ergebende Unsicherheit bieten jedoch Zweifel, auf die Lymphadenektomie verzichten zu können. Durch die „Wait and See"- Strategie bleiben zwar den Patienten die allgemeinen OP-Komplikationen erspart und die Ejakulation in 100 Prozent erhalten, jedoch können nur durch die Lymphadenektomie die von der klinischen Diagnostik über- sehenen retroperitonealen Metasta- sen sicher nachgewiesen werden; mit einem retroperitonealen Rezidiv ist nach diesem Eingriff nur bei 22 Pro- zent der Patienten zu rechnen. Die allgemeinen Komplikationen dieses Eingriffs sind gering. Durch die Mo- difizierung der Operationstechnik mit unilateraler Lymphknotendis- sektion kann die Ejakulation in 80 bis 90 Prozent erhalten werden.

Nach einer Auswertung von 504 Surveillance-Patienten aus der Lite- ratur hatten im Nachsorgezeitraum von 3 bis 84 Monaten 26 Prozent ei- nen Progreß, der in zwei Dritteln der Fälle im Retroperitoneum lokalisiert war. Gravierend ist die Tatsache, daß von einer Mailänder Arbeits- gruppe sechs von 13 Rezidiven erst zu dem Zeitpunkt entdeckt wurden, als sie bereits eine Größe von 5 cm überschritten hatten.

Das Behandlungsergebnis ist so- wohl von der Lokalisation als auch von der Größe der Metastasen ab- hängig. Dabei zeigen große retrope- ritoneale Tumoren eine schlechtere Ansprechrate als kleine Lungenmeta- stasen. Somit sind Patienten mit ei- nem retroperitonealen Progreß unter Surveillance-Strategie stärker gefähr- det als solche mit einem pulmonalen Progreß nach modifizierter LA.

Nach Lymphadenektomie rei- chen dreimonatliche Kontrollunter- suchungen über zwei Jahre bei ei- nem niedergelassenen Urologen aus.

Die Überwachung der Surveillance- Strategie muß in sehr viel engeren Abständen an einem onkologischen Zentrum erfolgen.

Die Vorteile der Surveillance- Strategie sind durch Etablierung der modifizierten LA in den Hinter- grund getreten. Unbestritten bleibt die Tatsache, daß etwa 80 Prozent der Patienten im klinischen Stadium I umsonst operiert werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Ver- meidung allgemeiner Operations- komplikationen (12 Prozent) und des Ejakulationsverlusts (11 bis 15 Prozent) die höhere Progreßrate, die aggressivere Rezidivtherapie, die in- tensivere Nachsorge an einem onko- logischen Zentrum und nicht zuletzt die psychologische Belastung des Pa- tienten rechtfertigen. Bis verläßliche Risikofaktoren für eine Metastasie- rung gefunden sind und damit das Stadium I besser definiert werden kann, bleibt daher die modifizierte LA Standardtherapie im Stadium I.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Alexander von Stauffenberg

Urologische Universitätsklinik Sigmund-Freud-Straße 25 5300 Bonn 1

Chronische Pankreatitis

Über 90 Prozent aller Patienten mit einer chronischen Pankreatitis geben einen Alkoholabusus zu, so daß eine der wichtigsten Therapie- empfehlungen der Rat zur Alkohol- abstinenz ist. Wie die Autoren der Universität Bologna zeigen konnten, bringt dieser Rat, wenn er konse- quent befolgt wird, zwar nicht die chronische Pankreatitis zum Still- stand, doch schreitet der einmal in- itiierte Zerstörungsprozeß in der Bauchspeicheldrüse wesentlich lang- samer fort als bei Patienten, die wei- ter dem Alkohol frönen.

Aus Zürich liegen Langzeitbe- obachtungen über die chronische Pankreatitis vor, die zeigen, daß sich sogar Pankreasverkalkungen, dia- gnostisch beweisend für das Vorlie- gen einer chronischen Pankreatitis, wieder zurückbilden können. In ei- ner prospektiven, über 23 Jahre lau- fenden Studie wurde die Dynamik der Pankreasverkalkungen bei alko- holischer und nicht-alkoholischer chronischer Pankreatitis analysiert, wobei sich drei Phasen erkennen lie- ßen. Nach einer Initialphase mit ra- scher Zunahme der Pankreasverkal- kungen kam es bei über 50 Prozent zu einem Plateau stationärer Verkal- kungen. Rund ein Drittel zeigte dann eine Rückbildung des Pankreaskalks, häufig bei Patienten mit drainierenden Operationen. Die spontane Rückbildung von Pan- kreaskalk stellt offensichtlich ein re- lativ häufiges biologisches Phäno- men dar, wobei unklar ist, auf welche Faktoren dies zurückzuführen ist. W

Gullo, L., L. Barbara, G. Labo: Effect of cessation of alcohol use an the course of pancreatic dysfunction in alcoholic panc- reatitis. Gastroenterology 95:1063-1068, 1988.

Unit for the Study of Pancreatic Disease, Institute of Medicine and Gastroenterol- ogy, University of Bologna, St. Orsola Hos- pital, Bologna

Ammann, R. W., R. Muench, R. Otto, H.

Bühler, A. U. Freiburghaus, W. Siegen- thaler: Evolution and regression of panc- reatic cakification in chronic pancreatitis.

A prospective long-term study of 107 pa- tients. Gastroenterology 95:1018-1028, 1988. Gastroenterology Service, Depart- ments of Internal Medicine and Radiology, Universitätsspital, Zürich.

A-296 (48) Dt. Ärztebl. 87, Heft 5, 1. Februar 1990

Referenzen

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