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Archiv "Stand der Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms" (29.03.1990)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KONGRESSBERICHT

14. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer

„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin"

vom 17.-20. Januar 1990 in Köln, Thema 5

Stand der Diagnostik und

Therapie des Mammakarzinoms

D

ie überragende Bedeutung des Mammakarzinoms im Rahmen der interdisziplinä- ren Onkologie ist unbestritten. Das Mammakarzinom zählt heute zu den häufigsten Tumorerkrankungen überhaupt, die Inzidenzrate hat in den letzten Jahrzehnten noch zuge- nommen. In den westlichen Indu- striestaaten ist der Brustkrebs die wichtigste Einzeltodesursache aller Frauen zwischen 35 und 55 Jahren.

1982 starben in der Bundesrepublik 12 833 Frauen an einem Mammakar- zinom, das sind etwa 3,5 Prozent al- ler weiblichen Todesfälle und 15 Prozent aller Malignomtodesfälle.

Das Mammakarzinom steht heute zusammen mit den kolorektalen Karzinomen an der Spitze der Mor- talitätsstatistik der weiblichen Bevöl- kerung. Mammakarzinome sind bei uns häufiger als alle Genitalkarzino- me der Frau zusammen. Mit der Zu- nahme der Zahl der Erkrankungen haben sich die Heilungschancen kaum verbessert. Die Überlebensra- ten stagnieren weltweit seit langem, sie liegen für alle Mammakarzinome pauschal nach 10 Jahren nur bei et- wa 50 Prozent.

Früherkennung

Wichtig im Rahmen der Diagno- stik ist die Früherkennung, das heißt die Aufdeckung des Karzinoms zu einem Zeitpunkt, zu dem noch keine Metastasierung erfolgt ist. Nach wie vor kommt der Inspektion und Pal- pation durch Patientin und Arzt eine große Bedeutung zu. Mehr als zwei Drittel der Mammakarzinome wer- den erstmals durch die Patientin im

Rahmen der Selbstuntersuchung entdeckt. Eine wirkliche Früherken- nung ist nur mit Hilfe der Mammo- graphie möglich. Dabei können auch Mikrokarzinome und Vorstadien des Mammakarzinoms erfaßt werden.

Weder die Thermographie noch die Sonographie können die Mammo- graphie ersetzen, sie sind allenfalls ergänzende Verfahren. Der Wert der Sonographie liegt in der Diffe- renzierung zwischen soliden und zy- stischen Prozessen. Die Feinnadelas- pirationsbiopsie kann die mammo- graphischen Befunde differenzieren.

Zu fordern ist ein Mammographie-

Histopathologie

Entscheidend für die Diagnostik ist die Histopathologie. Sie dient nicht nur der eigentlichen Tumor- klassifikation, sondern auch der Be- stimmung von Tumorgröße, Tumor- form, Malignitätsgrad, Lymphkno- tenstatus und weiteren Prognosekri- terien. Die Histopathologie des Mammakarzinoms hat heute einen hohen Sicherheitsgrad erreicht.

Auch für die intraoperative Schnell- schnittdiagnostik liegt die Treffer- quote bei 93 bis 97 Prozent, nur in et- wa 5 Prozent ist eine eindeutige Aus- sage nicht möglich, dann muß das Ergebnis der Paraffinhistologie ab- gewartet werden. Falsch negative Befunde sind nur in etwa 1 Prozent zu erwarten, falsch positive Diagno- sen sind praktisch auszuschließen.

Unter den invasiven Karzinomen überwiegen die duktalen Tumoren mit 60 bis 70 Proznt, im Vordergrund der nichtinvasiven Karzinome stehen das duktale und insbesondere das lo-

Screening bei allen Frauen jenseits des 35. bis 40. Lebensjahres in zwei- bis dreijährigen Abständen. Neben den finanziellen und organisatori- schen Voraussetzungen sind die er- forderlichen Kapazitäten zu erstel- len, entsprechende Vorbereitungen laufen. Die Akzeptanz der Mam- mographie durch die Patientin sollte verbessert werden, hier ist Aufklä- rungsarbeit erforderlich. Die Strah- lenbelastung ist unter Verwendung moderner Technik zu vernachlässi- gen, der Nutzen der Mammographie überwiegt bei weitem die potentiel- len Risiken. Der Arzt, der die Vor- sorgeuntersuchung durchführt, muß über die diagnostischen Möglich- keiten und auch über die modernen Therapiekonzepte bei Mammakarzi- nomen gut informiert sein. Ihm ob- liegt in erster Linie auch die psychi- sche Führung der Patientin; dazu ge- hört auch der Hinweis auf die Mög- lichkeit der brusterhaltenden Thera- pie bei bestimmten Tumorformen und auf die Verfahren der plasti- schen Rekonstruktion nach Mastek- tomie.

buläre Carcinoma in situ. Carcino- mata in situ treten meist multifokal auf und werden auch im kontralate- ralen Brustdrüsenkörper in etwa 25 bis 30 Prozent gleichzeitig beobach- tet. Unter histopathologischen Krite- rien sollte das Therapiekonzept so- wohl den invasiven als auch den nicht invasiven Teil des Karzinoms berücksichtigen. Für die feingeweb- liche Untersuchung sollte der ver- dächtige Bezirk (Knoten, Verdich- tung, Zyste) in toto herausgenom- men werden, Teilresektionen sind abzulehnen. Auch die Drill-, Stanz- und Feinnadelbiopsie können die hi- stopathologische Aufarbeitung des Exzidates nach Tumorektomie nicht ersetzen.

Individuelle Therapie

— Operation

Die Behandlungsstrategien bei Mammakarzinomen sind in den letz- ten Jahrzehnten gekennzeichnet durch eine Abkehr von radikalen Dt. Ärztebl. 87, Heft 13, 29. März 1990 (57) A-1029

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— Chemotherapie operativen Maßnahmen und die

Hinwendung zu einer fallorientier- ten individuellen Therapie. Grund- prinzip jeder operativen Maßnahme bleibt die möglichst komplette Tu- morentfernung. Das bedeutet nicht in jedem Fall die totale Mastekto- mie. Vor allem bei kleineren Tumo- ren kann eine Teilresektion ausrei- chend sein. Die axilläre Lymphaden- ektomie hat neben der Tumorentfer- nung vor allem bei geringem Lymph- knotenbefall auch prognostischen Wert im Rahmen des Tumor-Sta- ging. Das gilt für alle Formen der operativen Behandlung des Primär- tumors. Standardoperation ist heute die totale Mastektomie nach Patey.

Dabei können der Pectoralis major und minor im allgemeinen belassen werden. Für den Hautschnitt wird aus kosmetischen Gründe die hori- zontale Umschneidungsfigur nach Stewart bevorzugt. Die kosmetischen Ergebnisse sind gut und die Kompli- kationen nicht mit denen nach radi- kaler Mastektomie vergleichbar. Ei- ne Wiederaufbauplastik sollte zu- mindest angeboten werden, bei gün- stigem Befund ist eine primäre si- multan zur Mastektomie erfolgende Rekonstruktion möglich.

Bei der Behandlung des Mam- makarzinoms gewinnen brusterhal- tende operative Verfahren heute zu- nehmend an Bedeutung. Unter be- stimmten Voraussetzungen können sie die verstümmelnde Mastektomie mit ihren kosmetischen und psycho- logischen Folgen ohne Verschlechte- rung der Heilungsergebnisse erset- zen. Dabei sollte die Größe des Pri- märtumors, die Tumorlokalisation, die Relation Tumorgröße zu Brust- größe und der Malignitätsgrad be- rücksichtigt werden. Im allgemeinen sollte der Tumordurchmesser 2 cm nicht überschreiten. Einheitliche Se- lektionskriterien lassen sich derzeit noch nicht formulieren. Das Ausmaß des operativen Eingriffes reicht von der einfachen Tumorektomie bis zur Quadrantektomie. In jedem Fall sollte der Tumor makroskopisch im Gesunden entfernt werden. Ob bei mikroskopischen Tumorresten nach- reseziert werden muß, wird unter- schiedlich beurteilt. Der Befall der axillären Lympknoten ist grundsätz- lich keine Kontraindikation für eine

brusterhaltende Operation, eben- falls nicht das Lebensalter der Pa- tienten. Immer ist eine differenzierte histopathologische Beurteilung zu fordern, wie überhaupt brusterhal- tende Maßnahmen bei Mammakar- zinomen nur im interdisziplinären onkologischen Verbund zu rechtfer- tigen sind.

— Bestrahlung

Grundsätzlich sollte nach brust- erhaltender Therapie eine homoge- ne perkutane Nachbestrahlung erfol- gen, da im Restdrüsenkörper häufig noch multizentrische invasive oder nicht invasive Karzinome zu finden sind. Die Indikation für eine um- schriebene Dosisaufsättigung im Sin- ne eines Tumorboostes ist umstrit- ten. Genauere Auswahlkriterien sind noch zu erstellen. Auf einen Strah- lenboost wird man vor allem dann verzichten können, wenn ein tumor- freier Randsaum besteht ohne Ge- fäßeinbruch und bei niedrigem Mali- gnitätsgrad. Die Dosisaufsättigung kann prinzipiell sowohl durch schnelle Elektronen mittels Linear- beschleuniger erfolgen als auch durch interstitielle Implantate (192-Iridium) mittels Brachytherapie im Afterloadingsystem. Die Notwen- digkeit zur Bestrahlung der Lymph- abflußgebiete und der zusätzlichen Radiotherapie nach Mastektomie bei bestimmter Tumorlokalisaton wird unterschiedlich gesehen, auch im Zusammenhang mit den Möglich- keiten einer Systemtherapie.

Die Wirksamkeit einer adjuvan- ten Chemotherapie bei Mammakar- zinomen ist heute wohl grundsätzlich unumstritten. Sie besteht in einer Verminderung der Frühsterblichkeit um 20 bis 40 Prozent. Ob damit auch eine Erhöhung der Heilungsraten verbunden ist, bleibt abzuwarten.

Bei kritischer Schaden-Nutzen-Ab- wägung ist eine adjuvante Chemo-

therapie nur in ausgewählten Situa- tionen gerechtfertigt, dazu gehören alle nodal-positiven Mammakarzino- me, insbesondere bei Patienten in der Prämenopause und nodal-nega- tive Karzinome mit hohem histologi- schem Malignitätsgrad und fehlen- den Hormonrezeptoren. Die Stan- dardtherapie besteht in 6 Zyklen CMF, eine längere Behandlung ist im allgemeinen nicht erforderlich.

Die Polychemotherapie ist der Mo- notherapie eindeutig überlegen. Ob die Chemotherapie schon vor der operativen Primärbehandlung begin- nen sollte, wird derzeit noch in klini- schen Studien geprüft. Von einer ad- juvanten hormonellen Systemthera- pie (Tamoxifen) profitieren vor al- lem Karzinomträgerinnen in der Postmenopause weitgehend unab- hängig vom Nodalstatus, bevorzugt natürlich bei vorhandenen Steroid- hormonrezeptoren. Bei prämeno- pausalen Patienten mit Mammakar- zinomen ist eine adjuvante Hormon- therapie nicht generell zu empfeh- len. Neue Therapiemöglichkeiten könnten sich aus der Anwendung von GnRH-Agonisten, zum Beispiel Buserelin, ergeben. Insgesamt fehlt es derzeit noch an relevanten Selek- tionskriterien, um unnötige Behand- lungen zu vermeiden. Die adjuvante Chemotherapie wird vor allem we- gen ihrer Nebenwirkungen von den Frauen nicht in wünschenswerter Weise akzeptiert. Die meist über Monate laufende Behandlung erfor- dert viel Geduld, Einfühlungsvermö- gen, Überzeugungskraft und eine fe- ste Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patientin. Hier eröffnet sich ein dankbarer Tätigkeitsbereich für Selbsthilfegruppen und Psycho-On- kologen.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Karl-Heinrich Wulf Direktor der

Universitäts-Frauenklinik Josef-Schneider-Straße 4 8700 Würzburg

A-1030 (58) Dt. Ärztebi. 87, Heft 13, 29. März 1990

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