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Archiv "Aktueller Stand in Diagnostik und Therapie der Myasthenia gravis" (24.04.1998)

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um 125jährigen Jubiläum des Krankenhauses Moabit, Ber- lin, veranstaltete die Neurolo- gische Abteilung vom 10. bis 11. Mai 1997 einen Workshop zum Thema Myasthenia gravis. Spezialisten aus 30 deutschen Myasthenie-Behandlungs- zentren diskutierten zwei Tage über den aktuellen Stand der Diagnostik, Pathogenese, Klinik und Therapie.

Die klinische Diagnose der My- asthenia gravis kann schwierig sein, besonders dann, wenn die Sympto- matik vorerst nur auf wenige Mus- kelgruppen beschränkt

bleibt. In seiner umfas- senden Darstellung der klinischen Symptoma- tik der Myasthenie hob F. Schumm, Göppingen, hervor, daß bei der Hälfte der Patienten in- itial lediglich okuläre Symptome wie Doppel- bilder und Ptose auftre- ten und erst im späteren Verlauf die charakteri- stische, wechselnd aus- geprägte, belastungs- abhängige muskuläre Schwäche eintritt. An-

dere Primärsymptome, wie Schluck- störungen, Dysarthrie oder bela- stungsabhängige Ateminsuffizienz, bieten allzu häufig Anlaß zur Fehl- einschätzung der Erkrankung, gab B.

Schalke, Regensburg, zu bedenken.

Der klinische Verlauf ist ausgespro- chen variabel, von nur wenig fluktu- ierenden Minimalsymptomen bis hin zu schweren Defektmyasthenien mit massiver Atrophie der Skelettmus- kulatur. Bei mehr als 60 Prozent der Patienten manifestiert sich die Er- krankung vor dem 40. Lebensjahr, vereinzelt bereits im Kindesalter oder als familiäre Form. Die dia- gnostischen Säulen sind neben der klinischen Diagnostik der Nachweis von Antikörpern gegen Acetylcho- lin-Rezeptoren (AChR-AK) im Se-

rum der Patienten und eine geeignete neurophysiologische Diagnostik. K.

Ricker, Reichenberg, wies auf die un- verändert hohe diagnostische Bedeu- tung der repetitiven Stimulation hin.

D. Hahn, Würzburg, informierte über die differenzierte radiologische Thymusdiagnostik. Die radiologi- sche Darstellung von Thymusver- änderungen im vorderen Mediasti- num mittels Computertomographie und Magnetresonanztomographie ge- hören zum diagnostischen Standard und sind unabdingbar zur Planung

der Thymektomie. R. Hohlfeld, Mün- chen, und A. Melms, Tübingen, faß- ten den aktuellen Kenntnisstand der Pathogenese der Myasthenie zusam- men. Die pathogene Bedeutung der AChR-AK ist unbestritten, wenn- gleich in 10 bis 20 Prozent der Patien- ten zu vermutende Autoantikörper mit den momentan zur Verfügung stehenden Methoden nicht nachweis- bar sind. Trotz der im Vordergrund stehenden humoralen Mechanismen spielt das zelluläre Immunsystem eine gleichermaßen wichtige Rolle.

T-Zellen wirken regulatorisch auf die Bildung pathogener Antikörper.

Eine T-Zell-selektive Immunsup- pression ist ebenso therapeutisch wirksam wie die Reduktion auto- reaktiver T-Zellen durch die Thym-

ektomie. Eine Reihe von Argumen- ten spricht für eine Schlüsselrolle des Thymus in der Pathogenese der My- asthenie.

Entfernung der Thymusdrüse

Entsprechend ergab eine im Vor- feld des Workshops von R. W. C.

Janzen, Frankfurt, initiierte Umfrage, daß 40 von 42 deutschen Myasthenie- Behandlungszentren eine operative Entfernung der Thymusdrüse bei Pa- tienten unter 45 Jahren empfehlen. K.

Kunze, Hamburg, stellte klar, daß die Thymektomie nicht als isolierte Therapiemaßnahme, sondern nur im Zusammenhang mit der Gesamt- therapieplanung der Myasthenie un- ter Einbeziehung sowohl der Me- stinon-Substitutionsbehandlung als auch immunsuppressiver Therapie- maßnahmen gesehen werden kann.

Professor Kunze empfiehlt die Thym- ektomie bei Patienten mit immunolo- gisch bedingter generalisierter My- asthenie mit möglichst kurzer Krank- heitsdauer und deutlicher Progredi- enz in der Altersgruppe um 20 bis 40 Jahre, aber auch bei anderen Patien- ten, bei denen mit medikamentöser Therapie keine Besserung erreichbar ist. Wichtig ist die optimale thera- peutische Einstellung des Patienten vor der Operation und eine angepaßte postoperative Therapiesteuerung.

T. Kirchner, Erlangen, stellte die Bandbreite der pathologischen Thymusveränderungen und ihre mo- derne Klassifikation vor. Morpholo- gisch faßbare, pathologische Thymus- alterationen kommen bei über 80 Prozent der Patienten mit My- astenia gravis vor, meist als Thymitis mit lymphofollikulärer Hyperplasie.

D. Kaiser, Berlin, berichtete über gute Behandlungsergebnisse bei 16 Patien- ten, die in den letzten zwei Jahren operativ mit der erweiterten trans- A-1033

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 17, 24. April 1998 (53)

Aktueller Stand in

Diagnostik und Therapie der Myasthenia gravis

Z

Abbildung 1: Klinische Diagnostik der Myasthenia gravis. Patient mit be- lastungsabhängiger Schwäche, vor allem der Oberarmmuskulatur

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sternalen Thymektomie behandelt wurden. Direkte operationsbedingte Komplikationen sind bei dem elektiv durchgeführten Eingriff selten. Eine in geeigneten Fällen interessante Al- ternative zur offenen Operation stellt die thoraskopische Thymektomie dar.

Nach K. Gellert, Berlin, bleibt diese neue Therapiemöglichkeit vorerst auf Patienten mit gut abgekapselten, nicht invasiv wachsenden und maxi- mal 2 Zentimeter großen Thymomen beschränkt, da die Wertigkeit dieses Operationsverfahrens durch Lang- zeitverläufe noch nicht hinreichend abgesichert ist.

Individuell angepaßtes Behandlungskonzept

Den breitesten Raum während des Workshops nahm die Diskussion um die Therapie der Myasthenie ein.

H. G. Mertens faßte in seinem Refe- rat die wesentlichen Entwicklungen hin zur modernen Myasthenie-Be- handlung zusammen. Mit Ein- führung differenzierter Immunthera- pien, verbesserten intensivmedizini- schen Möglichkeiten und bei indivi- duell angepaßter Patientenbetreu- ung werden heute kaum noch schwe- re Defektzustände gesehen. In der Basistherapie werden mit Erfolg Acetylcholinesterasehemmer, vor al- lem Pyridostigmin, Kortikosteroide, Azathioprin und andere Immunsup- pressiva eingesetzt. R. W. C. Janzen, Frankfurt, S. Endler,Erfurt, und U.

A. Besinger, Westerstede, stellten er-

probte Therapieschemata zur Dis- kussion. Alle Referenten betonten die Bedeutung einer intensiven Pa- tient-Arzt-Interaktion über lange Zeiträume, um das Ziel einer indivi- duell optimal angepaßten, nebenwir-

kungsarmen Therapie zu erreichen.

Die Gefahr einer Überdosierung ist groß und führt regelmäßig zu er- heblichen Problemen, zum Beispiel cholinergen Krisen. Krisenhafte Ver- läufe sind bei adäquater Betreuung selten und betreffen maximal 10 Pro- zent der Patienten.

W. Köhler, Berlin, zeigte, daß mit den Plasmatherapien (Plasmaaus- tausch, Immunadsorption) effektive Verfahren zur Behandlung der my- asthenen Krise zur Verfügung stehen.

Bei Kombination mit immunsuppres- siven oder immunmodulatorischen Maßnahmen werden in der Regel be- reits nach der dritten Austauschbe- handlung im Verlauf einer Woche deutliche Besserungen gesehen. In weniger bedrohlichen Fällen steht auch die Therapie mit hochdosierten intravenösen Immunglobulinen zur Verfügung, wie V. Schuchardt, Lahr, berichtete. Die Therapie stellt somit eine sehr gute Alternative zur kom- plikationsreichen Behandlung mit Kortikoiden bei myasthenen Ver- schlechterungen, in Einzelfällen auch als Langzeittherapie dar.

Anschrift der Verfasser

OA Dr. med. Wolfgang Köhler Prof. Dr. med. Günter Hertel Neurologische Abteilung Krankenhaus Moabit Turmstraße 21 10559 Berlin

Prof. Dr. med. Rudolf W. C. Janzen Neurologische Klinik

Krankenhaus Nordwest Steinbacher Hohl 2–26 60488 Frankfurt

Prof. Dr. med. Klaus Kunze Neurologische Klinik

Universitätsklinikum Eppendorf Martinistraße 52

20246 Hamburg

A-1034

M E D I Z I N

KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

(54) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 17, 24. April 1998

Abbildung 2: Nach intravenöser Gabe eines Cholines- terasehemmstoffes (Endrophoniumchlorid) ist die zuvor deutliche Schwäche der Arme vollständig re- versibel.

Patienten mit dem Vollbild von AIDS haben heute eine größere Chance, die Erstkrankheit zu überle- ben, die zur Diagnose der Immun- schwäche führte, als vor zehn Jahren.

Die Wahrscheinlichkeit, daß sie drei Monate nach der Diagnose noch le- ben, ist auch größer, wenn AIDS auf- grund einer Candidainfektion im Ga- strointestinaltrakt oder eines Kaposi- Sarkoms festgestellt wurde, als bei ei- ner Infektion mit Pneumozystis cari- nii. Dies zeigte eine prospektive Stu- die mit 2 625 AIDS-Patienten aus den

Jahren 1982 bis 1995 an zwei großen Londoner Kliniken. Innerhalb der er- sten drei Monate nach Diagnosestel- lung sank das Sterberisiko der AIDS- Patienten deutlich, wenn die Krank- heit nach dem Jahr 1987 festgestellt wurde (RR 0,44 95 Prozent CI 0,22–0,86, p=0,017). Die langfristige Prognose blieb jedoch unverändert schlecht, nach drei Monaten hatte sich das Sterberisiko wieder weitge- hend angeglichen. Die durchschnittli- che Überlebenszeit lag mit 20 Mona- ten jedoch über dem vorher geschätz-

ten Wert. In den letzten Jahren wurde ein Abfall der CD4-positiven Lym- phozytenwerte zum Diagnosezeit- punkt beobachtet, der darauf hinwei- sen könnte, daß AIDS in immer spä- teren Stadien festgestellt wird. silk Mocroft A, Youle M et al.: Survival after diagnosis of AIDS: a prospective obser- vational study of 2 625 patients. Br Med J 1997; 314: 409–413.

A. Mocroft, HIV Research Unit, Depart- ment of Primary Care and Population Sciences, Royal Free Hospital School of Medicine, London NW3 2 PF, Großbri- tannien.

Überlebensdauer von Patienten nach AIDS-Diagnose

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